Bundesarbeitsgericht
Kündigung unter auflösender Bedingung
Als einseitiges Rechtsgeschäft ist die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses grundsätzlich bedingungsfeindlich. Die Verbindung mit einer unzulässigen (auflösenden) Bedingung führt zur Unwirksamkeit der Kündigung (vgl bereits BAG 27. Juni 1968 – 2 AZR 329/97 – AP BGB § 626 Bedingung Nr 1 = EzA BGB § 626 Nr 9).

BAG, Urteil vom 15. 3. 2001 – 2 AZR 705/99 (lexetius.com/2001,1571)

[1] Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 11. November 1999 – 6 Sa 335/99 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
[2] Tatbestand: Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis durch eine ordentliche Arbeitgeberkündigung aufgelöst wurde.
[3] Der Kläger war seit 2. September 1987 bei der Beklagten als Wachmann im Streifendienst zu einem monatlichen Gehalt von 3.500,00 DM netto beschäftigt. Die Beklagte, ein bundesweit tätiges Bewachungsunternehmen mit insgesamt ca. 400 Arbeitnehmern, deren Hauptsitz und Unternehmensleitung sich in B. befindet, betreut schwerpunktmäßig Bundeswehrliegenschaften. Am Einsatzort des Klägers, der Bundeswehrkaserne O., beschäftigte die Beklagte ständig mehr als fünf, aber weniger als zehn Arbeitnehmer.
[4] Im Arbeitsvertrag der Parteien vom 2. September 1987 ist unter Ziffer 1 als Einsatzort die Bundeswehrkaserne O., festgelegt. Ziffer 2 des Arbeitsvertrages lautet:
[5] Der Arbeitnehmer erklärt sich bereit, im Bedarfsfall auch in anderen Objekten zur Bewachung eingesetzt zu werden. Eine Minderung des Lohns darf nur mit Einverständnis des Arbeitnehmers durch einen Arbeitsplatzwechsel eintreten.
[6] Die Beklagte, die über jedes Bewachungsobjekt eine eigene Kostenstelle führt, setzt sog. Einsatzleiter ein, die jeweils für bestimmte Bewachungsobjekte zuständig sind. Die Bundeswehrkaserne O. war dem Einsatzleiter L. zugewiesen, der über dieses Objekt hinaus auch für das Sanitätsdepot Lo., das Gerätehauptdepot Lo., die Objektgruppe S. und die G. Kaserne in M. zuständig war.
[7] Mit Schreiben vom 27. Oktober 1997 kündigte die Standortverwaltung D. den mit der Beklagten geschlossenen Vertrag über die Bewachung der Bundeswehrkaserne O. zum 30. April 1998. Aus diesem Grund kündigte die Beklagte die Arbeitsverhältnisse aller in diesem Objekt tätigen Arbeitnehmer, ua. das des Klägers mit Schreiben vom 27. Februar 1998, diesem zugegangen am 2. März 1998.
[8] Das Kündigungsschreiben lautet: "Fristgemäße Kündigung zum Schichtablauf 30. 04./01. 05. 1998. Sehr geehrter Herr I., das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis müssen wir leider aus betrieblichen Gründen fristgemäß zum o. g. Termin kündigen. Der Kündigung liegt die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle, Koblenz zugrunde. Die StOV D. hat den mit uns bestehenden Bewachungsvertrag für die Kaserne O. zum 30. 04./01. 05. 1998 gekündigt und uns gleichzeitig für den Fall der Neuausschreibung zum 01. 05. 1998 Beteiligung zugesagt. Sollten wir erneut den Zuschlag ab 01. 05. 1998 erhalten, beschäftigen wir Sie selbstverständlich weiter. Die Kündigung wird bei Neubeauftragung unserer Firma gegenstandslos. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bitten wir die zur Verfügung gestellte komplette Dienstausrüstung (Uniform gereinigt) sowie den von der StOV D. zugestellten Sonder- und Waffenausweis als Übertragungsurkunde der Befugnisse nach dem UZwGBw unserem Herrn L. zu übergeben. Restlohn einschließlich anteiliger Urlaubsansprüche sowie Ihre Arbeitspapiere erhalten Sie im Anschluß daran zugestellt. Für die bisherige gute Zusammenarbeit bedanken wir uns. Hochachtungsvoll"
[9] Mit seiner am 10. März 1998 beim Arbeitsgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage hat der Kläger geltend gemacht, die Kündigung sei schon deshalb sozialwidrig, weil die Beklagte keine Sozialauswahl durchgeführt habe. Das Bewachungsobjekt O. und die weiteren Bewachungsobjekte der Beklagten seien unselbständige Betriebsabteilungen, die vom Hauptsitz der Beklagten in B. verwaltet würden. Die Beklagte hätte daher die Beschäftigten aller Bewachungsobjekte in die Sozialauswahl einbeziehen müssen. Eine eigenständige Leitungsstruktur bestehe in den einzelnen Bewachungsobjekten nicht. Der Einsatzleiter L. habe eine bloße Kontrollfunktion ausgeübt, wozu er sich nur zweimal wöchentlich für jeweils fünf Minuten am Einsatzort O. aufgehalten habe.
[10] Der Kläger hat, soweit für die Revisionsinstanz von Bedeutung, beantragt festzustellen, daß die Kündigung der Beklagten vom 27. Februar 1998 unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zu den bisherigen Bedingungen über den Ablauf der Kündigungsfrist zum 30. April/1. Mai 1998 hinaus unverändert fortbesteht.
[11] Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
[12] Sie hat die Auffassung vertreten, eine Sozialauswahl sei entbehrlich gewesen, da sie wegen der Beendigung des Bewachungsvertrages über die Kaserne O. allen dort beschäftigten Arbeitnehmern zum 30. April 1998 gekündigt habe. Das Bewachungsobjekt O. habe über eine eigenständige Organisation verfügt, sei daher ein selbständiger Betrieb. Mit dem Einsatzleiter bestehe in den einzelnen Bewachungsobjekten jeweils eine eigene Leitung. Der Umstand, daß er mehrere Einsatzorte leite, führe nicht dazu, daß diese zusammen einen Betrieb bildeten. Auch die im Arbeitsvertrag enthaltene Versetzungsklausel stehe einer Selbständigkeit der Bewachungsobjekte nicht entgegen. Schließlich stelle sich die Frage, ob der Kläger überhaupt in eine Sozialauswahl habe einbezogen werden müssen, da er von Anfang an eine Versetzung in andere Objekte abgelehnt habe.
[13] Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
[14] Entscheidungsgründe: Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die streitige Kündigung ist schon deshalb unwirksam, weil sie mit einer auflösenden Bedingung versehen und deshalb nicht ausreichend klar und bestimmt ist (vgl. BAG 27. Juni 1968 – 2 AZR 329/67AP BGB § 626 Bedingung Nr. 1 = EzA BGB § 626 Nr. 9; APS-Preis Grundlagen D Rn. 13, 15; KR-Etzel 5. Aufl. § 1 KSchG Rn. 179).
[15] 1. Auf das Kündigungsschreiben vom 27. Februar 1998 wurde in den Urteilen der Tatsachengerichte Bezug genommen. Sein Inhalt ist somit Gegenstand der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanzen. Eine Auslegung wurde zwar von diesen nicht vorgenommen, jedoch kann der Senat das Kündigungsschreiben selbst gemäß § 133 BGB auslegen (vgl. BAG 28. Februar 1990 – 7 AZR 143/89BAGE 64, 220, 227 mwN; Germelmann/Matthes/Prütting ArbGG 3. Aufl. § 73 Rn. 17).
[16] 2. Dem Wortlaut des Kündigungsschreibens ist klar und unmißverständlich zu entnehmen, daß die rechtsgestaltende Wirkung der Kündigungserklärung entfallen sollte, wenn es zu einer Neubeauftragung der Beklagten kommen würde. Schon Absatz 3 des Kündigungsschreibens geht in diese Richtung, denn dort ist für den Fall, daß die Beklagte erneut den Zuschlag ab 1. Mai 1998 erhalten sollte, nicht etwa von einer Wiedereinstellung des Klägers die Rede, sondern davon, in diesem Fall werde ihn die Beklagte selbstverständlich weiterbeschäftigen. Unter Weiterbeschäftigung wird gewöhnlich eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ohne Unterbrechung verstanden. Bei einer nur an diesem Wortlaut orientierten Auslegung fortbestehende Zweifel werden jedenfalls durch den nachfolgenden Absatz 4 des Kündigungsschreibens ausgeräumt, wenn die Beklagte dort in einer gleichsam authentischen Interpretation des vorhergehenden Absatzes erklärt, bei Neubeauftragung der Beklagten werde die Kündigung gegenstandslos. "Gegenstandslos" bedeutet "überflüssig, hinfällig" (Wahrig Deutsches Wörterbuch 1997). Von der Kündigung sollen also keine Rechtswirkungen mehr ausgehen. Wäre die Kündigung dagegen nur mit einer Wiedereinstellungszusage verbunden gewesen, hätte der Kläger seinen diesbezüglichen Anspruch notfalls einklagen müssen und aus einem stattgebenden Urteil hätte er, da es auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet gewesen wäre, nicht die Zwangsvollstreckung betreiben können, vielmehr wäre gemäß § 894 ZPO die Vollstreckungswirkung erst mit Rechtskraft eingetreten. Daß dies gewollt war, läßt sich den von der Beklagten gewählten Formulierungen nicht einmal ansatzweise entnehmen.
[17] 3. Entgegen der Ansicht der Revision liegt auch keine bloße Rechtsbedingung vor, denn anders als etwa bei einer vorsorglichen zweiten Kündigung hängt die Wirksamkeit nicht bloß von einer objektiv feststehenden, wenn auch subjektiv noch ungewissen Rechtslage ab. Ebensowenig handelt es sich vorliegend um eine bloße Potestativbedingung, deren Herbeiführung allein vom Willen des Klägers abhing; auf die Neubeauftragung der Beklagten hatte der Kläger keinen, schon gar keinen entscheidenden Einfluß. Vielmehr ließen die von der Beklagten gewählten Formulierungen den Kläger als Erklärungsempfänger im Ungewissen darüber, ob es zu einer Fortsetzung des bisherigen Arbeitsverhältnisses kommen oder ob dieses zur Auflösung gelangen werde.
[18] 4. Die Revision hat auch keinerlei Umstände außerhalb des Kündigungsschreibens genannt, die belegen würden, daß der Kläger die Kündigung entgegen dem Wortlaut als unbedingt verstehen mußte und auch tatsächlich so verstanden hatte. Zwar hat sich der Kläger möglicherweise über die rechtliche Bedeutung der Absätze 3 und 4 des Kündigungsschreibens keine Gedanken gemacht. Darauf kommt es jedoch nicht an. Entscheidend ist, daß keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, beide Parteien hätten diese Absätze übereinstimmend als bloße Wiedereinstellungszusage oder gar als völlig unverbindlich angesehen.
[19] 5. Davon abgesehen war die fehlende Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung des Klägers bei Erklärung der Kündigung auch aus der Sicht der Beklagten noch völlig ungewiß, weil sie von der für durchaus möglich angesehenen, aber ebenfalls ungewissen Neubeauftragung der Beklagten mit der Bewachung der Bundeswehrkaserne O. abhing. Wenn, wofür viel spricht, die Beklagte dort keinen eigenständigen Kleinbetrieb im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG in der im Jahr 1998 geltenden Fassung unterhielt oder wenn jedenfalls bei verfassungskonformer Auslegung des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG nicht allein auf die Zahl der dort beschäftigten Arbeitnehmer abgestellt werden könnte (vgl. dazu BVerfG 27. Januar 1998 – 1 BvL 15/87BVerfGE 97, 169), wäre zum damaligen Zeitpunkt selbst eine unbedingt erklärte Kündigung als sogenannte Vorratskündigung nicht gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, folglich sozial ungerechtfertigt und unwirksam gewesen (ständige Rechtsprechung seit BAG 27. Februar 1958 – 2 AZR 445/55BAGE 6, 1; vgl. insbesondere BAG 2. April 1981 – 2 AZR 882/78 – nv.).