Bundesverwaltungsgericht
Straßenplanung durch Bebauungsplan; Ziele der Regionalplanung; Anpassungsgebot; Entwicklungsgebot; Flächennutzungsplan; Landschaftsschutzverordnung; naturschutzrechtliche Eingriffsregelung.
BauGB § 1 Abs. 4, § 1 a Abs. 2 Nr. 2, § 8 Abs. 2 Satz 1
1. Ein Bebauungsplan, der einem Ziel der Regionalplanung widerspricht, verletzt das Anpassungsgebot des § 1 Abs. 4 BauGB auch dann, wenn er aus den Darstellungen eines Flächennutzungsplans entwickelt worden ist.
2. Der Regionalplanung ist es verwehrt, im Gewande überörtlicher Gesamtplanung Regelungen einer Natur- oder Landschaftsschutzverordnung durch eigene Zielfestlegung zu ersetzen.
3. Eine Straßenplanung durch Bebauungsplan verletzt das Anpassungsgebot des § 1 Abs. 4 BauGB, wenn die planerische Gesamtkonzeption einem Ziel der Regionalplanung (hier: Regionaler Grünzug) widerspricht. Naturschutzrechtliche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen können ein geeignetes Mittel sein, um die Zielkonformität zu sichern.

BVerwG, Urteil vom 30. 1. 2003 – 4 CN 14.01; VGH Kassel (lexetius.com/2003,2203)

[1] In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 30. Januar 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Halama, Prof. Dr. Rojahn, Gatz und Dr. Jannasch für Recht erkannt:
[2] Das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 31. Mai 2001 wird aufgehoben.
[3] Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
[4] Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
[5] Gründe: I. Die Antragsteller wenden sich im Normenkontrollverfahren gegen den Bebauungsplan "Stadtentlastungsstraße" (mit integriertem Landschaftsplan) der Antragsgegnerin vom 14. Dezember 1995. Die Antragsteller sind Eigentümer von Grundstücken im Geltungsbereich des Plans.
[6] Der Plan setzt zwischen den Stadtteilen Schönberg und Oberhöchstadt der Stadt Kronberg im Taunus eine 2, 4 km lange Verbindungsstraße zwischen der B 455 im Norden und der L 3015 im Süden von Kronberg fest und weist beiderseits der Straße öffentliche Grünflächen, Flächen für die Landwirtschaft und Wald sowie Flächen für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Natur und Landschaft aus. Die neue Straße soll die L 3005 entlasten, die zurzeit die B 455 und die L 3015 in Nord-Süd-Richtung verbindet und den mittelalterlichen Stadtkern von Kronberg durchquert.
[7] Der Regionalplan Südhessen (RROP S 1987, StAnz. 1987, 388) enthielt diese Straßenplanung nicht. Der Flächennutzungsplan des Umlandverbandes Frankfurt (1. Änderung 1991) stellt die Straße in dem Korridor dar, in dem sie nach den Festsetzungen des angegriffenen Bebauungsplans nunmehr verlaufen soll. Dieser Korridor war im Regionalplan 1987 teilweise als "Wald" und als "Regionaler Grünzug" ausgewiesen. Die in der Straßenplanung liegende Abweichung vom Regionalplan 1987 war im Januar 1989 genehmigt worden. In der am 9. März 1995 festgestellten Neufassung des Regionalplans (StAnz. 1995, 1877) ist die Stadtentlastungsstraße nicht enthalten. Das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung teilte der Antragsgegnerin hierzu im Juni 1995 mit, die Straße sei auf Grund ihrer nur örtlichen Bedeutung in Abstimmung mit der obersten Landesplanungsbehörde nicht in den Regionalplan aufgenommen worden.
[8] Im Regionalplan 1995 (Karte Siedlung und Landschaft) ist der Bereich der geplanten Straße erneut als Regionaler Grünzug dargestellt. Der gesamte Geltungsbereich des angegriffenen Bebauungsplans liegt ferner im Landschaftsschutzgebiet "Taunus" (Verordnung vom 6. April 1995 – LSchV, StAnz. 1995, 1473). Das Regierungspräsidium teilte der Antragsgegnerin im Juli 1995 mit, dass der geplanten Straße aus der Sicht der Raumordnung und Landesplanung im Hinblick auf die zugelassene Abweichung vom Regionalplan 1987 regionalplanerische Zielsetzungen nicht entgegenstünden. Mit Bescheid vom 25. Juli 1995 (GA Bl. 145) erteilte das Regierungspräsidium der Antragsgegnerin eine landschaftsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung für den Bebauungsplan.
[9] Mit ihrem Normenkontrollantrag haben die Antragsteller u. a. geltend gemacht: Der Bebauungsplan verletze das Gebot, die Ziele des Regionalplans 1995 bei allen raumbedeutsamen Maßnahmen zu beachten. Die geplante Straße sei raumbedeutsam, weil sie überörtlichen Verkehrsbeziehungen dienen solle und die Hanglandschaft des Taunus verändern werde. Die Voraussetzungen für eine landschaftsschutzrechtliche Genehmigung seien nicht erfüllt; es habe einer naturschutzrechtlichen Befreiung für das Straßenbauvorhaben bedurft. Die Gemeinwohlbelange des Natur- und Landschaftsschutzes seien nicht ordnungsgemäß abgewogen, die Eingriffe in Natur und Landschaft nicht bewältigt worden. Die Antragsgegnerin verkenne den ökologischen Wert der betroffenen Wiesen und Gärten im Plangebiet.
[10] Das Normenkontrollgericht hat den Bebauungsplan mit Urteil vom 31. Mai 2001 für nicht wirksam erklärt:
[11] Der Plan sei fehlerhaft, weil er Zielen der Regionalplanung widerspreche. Die Antragsgegnerin habe die Pflicht verletzt, ihre Bauleitplanung den Zielen der Raumordnung anzupassen (§ 1 Abs. 4 BauGB). Die geplante Straße sei raumbedeutsam. Der Regionalplan 1995 enthalte die Zielvorgaben, dass in Landschaftsschutzgebieten der jeweils verfolgte Schutzzweck Vorrang vor entgegenstehenden Nutzungsansprüchen habe (Planziffer 3. 1) und dass in Regionalen Grünzügen bauliche Anlagen, auch Flächenversiegelungen, nach näherer Maßgabe der Regelung nicht statthaft seien (Planziffer 3. 2). Der überplante Bereich werde durch die Zielvorgaben des Regionalplans vor baulichen Anlagen geschützt. Die genehmigte Darstellung der Straße im Flächennutzungsplan befreie die Antragsgegnerin nicht von der Bindung an die Ziele der Regionalplanung. Der Bebauungsplan sei auch deshalb fehlerhaft, weil der Bereich, für den er Geltung beanspruche, vor Erlass des Satzungsbeschlusses nicht aus dem förmlichen Landschaftsschutz entlassen worden sei. Er verletze überdies das Abwägungsgebot, weil die Tierwelt im Planbereich nicht in dem gebotenen Umfang ermittelt worden sei.
[12] Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision begehrt die Antragsgegnerin, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und den Normenkontrollantrag der Antragsteller zurückzuweisen. Sie rügt die Verletzung ihrer gemeindlichen Planungshoheit: Der Bebauungsplan verstoße nicht gegen das Anpassungsgebot des § 1 Abs. 4 BauGB. Eine Pflicht zur nachträglichen Anpassung des Flächennutzungsplans an den Regionalplan habe nicht bestanden. Der Bebauungsplan sei aus dem Flächennutzungsplan entwickelt. Einer teilweisen Aufhebung der Landschaftsschutzverordnung habe es nicht bedurft. Das Abwägungsgebot sei nicht verletzt.
[13] II. Die Revision der Antragsgegnerin ist zulässig und begründet. Das Normenkontrollurteil verletzt in mehrfacher Hinsicht Bundesrecht. Es ist daher aufzuheben. Weil das Normenkontrollgericht erforderliche Tatsachenfeststellungen nicht getroffen hat, ist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Nr. 2 VwGO).
[14] Der Senat hat die Revision unbeschränkt zugelassen. Ist ein Bebauungsplan wie hier aus mehreren Gründen für unwirksam erklärt worden, kann die Beschwerde der Gemeinde gegen die Nichtzulassung der Revision allerdings nur dann erfolgreich sein, wenn hinsichtlich aller der im Normenkontrollverfahren festgestellten Unwirksamkeitsgründe eine zulässige und begründete Zulassungsrüge erhoben worden ist. Die prozessuale Lage der unterlegenen Gemeinde würde sich nicht verbessern, wenn nur hinsichtlich eines der festgestellten Unwirksamkeitsgründe ein Zulassungsgrund vorliegt; denn das Revisionsgericht müsste die Revision auch dann zurückweisen, wenn dem Normenkontrollgericht bei dem Unwirksamkeitsgrund, auf den sich die erfolgreiche Zulassungsrüge bezieht, ein Bundesrechtsverstoß unterlaufen sein sollte. Wegen der nicht in das Revisionsverfahren gelangten weiteren Unwirksamkeitsgründe hätte die Unwirksamkeitserklärung durch das Normenkontrollgericht Bestand. Aus § 47 Abs. 5 Satz 4 VwGO ergibt sich nicht, dass einzelne Unwirksamkeitsgründe zum Gegenstand des Normenkontrollverfahrens oder eines Rechtsmittels gegen die Normenkontrollentscheidung gemacht werden können (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 11. Dezember 2002 BVerwG 4 BN 16.02 zur Veröffentlichung vorgesehen). Das schließt weder eine Beschränkung des Normenkontrollantrages auf abtrennbare Teile eines Plans noch eine auf Teile des Plans beschränkte (Teil) Unwirksamkeitserklärung durch die Gerichte aus. Im Streitfall hatte die Antragsgegnerin begründete Zulassungsrügen hinsichtlich aller vom Normenkontrollgericht festgestellten Unwirksamkeitsgründe erhoben.
[15] 1. Die Auffassung der Vorinstanz, der angegriffene Bebauungsplan sei rechtswidrig, weil sein räumlicher Geltungsbereich vor dem Satzungsbeschluss nicht förmlich im Wege einer Teilaufhebung der Landschaftsschutzverordnung "Taunus" aus dem förmlichen Landschaftsschutz entlassen worden sei, ist mit Bundesrecht nicht vereinbar.
[16] Nach § 1 Abs. 3 BauGB darf die Gemeinde von ihrer Planungsbefugnis nur Gebrauch machen, wenn dies für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Nicht erforderlich und deshalb nichtig ist ein Bebauungsplan, der sich als vollzugsunfähig erweist, weil seiner Verwirklichung auf unabsehbare Zeit rechtliche oder tatsächliche Hindernisse im Wege stehen (vgl. Urteile vom 12. August 1999 BVerwG 4 CN 4.98 BVerwGE 109, 246 und vom 21. März 2002 BVerwG 4 CN 14.00 Buchholz 406. 11 § 1 BauGB Nr. 110 = DVBl 2002, 1469). Ein naturschutzrechtliches Bauverbot im Geltungsbereich einer Landschaftsschutzverordnung kann ein derartiges Hindernis bilden. Die Planung einer baulichen Nutzung in einem Landschaftsschutzgebiet scheitert jedoch nicht an § 1 Abs. 3 BauGB, wenn eine Ausnahme oder Befreiung von dem Bauverbot in Betracht kommt (Urteil vom 17. Dezember 2002 BVerwG 4 C 15.01 zur Veröffentlichung in BVerwGE bestimmt; vgl. auch Beschluss vom 25. August 1997 BVerwG 4 NB 12. 97 Buchholz 406. 11 § 6 BauGB Nr. 7). Die Gemeinde darf vorausschauend berücksichtigen, dass sich die Erteilung einer Ausnahme oder Befreiung für die von ihr geplante bauliche Nutzung abzeichnet, weil objektiv eine Ausnahme- oder Befreiungslage gegeben ist und einer Überwindung der naturschutzrechtlichen Verbotsregelung auch sonst nichts entgegensteht.
[17] Die Rechtsauffassung des Normenkontrollgerichts verletzt zunächst Bundesrecht, weil sie die Möglichkeit einer landschaftsschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung, die einen inhaltlichen Widerspruch zwischen den Bauverboten der Landschaftsschutzverordnung "Taunus" und dem geplanten Straßenbauvorhaben ausräumt, von vornherein ausschließt. Ob eine "Ausnahmelage" zu Gunsten einer Bauleitplanung vorliegt oder in Betracht zu ziehen ist, entscheidet sich allerdings nach irrevisiblem Landesrecht. Die jeweilige Landschaftsschutzverordnung entscheidet selbst über Grad und Umfang ihrer rechtlichen Verbindlichkeit gegenüber der planenden Gemeinde. Auslegung und Anwendung der Verordnung obliegen den Tatsachengerichten. Die Vorinstanz ist hier jedoch von ihrem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig der Frage, ob das geplante Straßenbauvorhaben ausnahmefähig ist, gar nicht nachgegangen. Eine Zurückverweisung der Sache aus diesem Grund scheidet gleichwohl aus.
[18] Das Normenkontrollgericht hat nämlich das Verhältnis zwischen dem angegriffenen Bebauungsplan und der Landschaftsschutzverordnung aus einem weiteren Grunde unter Verletzung von Bundesrecht gewürdigt. Es hat die der Antragsgegnerin unter dem 25. Juli 1995 (vor Erlass des Satzungsbeschlusses) nach § 3 Abs. 1 und 2, § 5 Abs. 3 LSchV erteilte Ausnahmegenehmigung für den Bebauungsplan "Stadtentlastungsstraße" (mit integriertem Landschaftsplan) nicht hinreichend beachtet. Die Genehmigung ist bestandskräftig geworden. Die Bestandskraft wirkt zwar nur im Verwaltungsrechtsverhältnis zwischen der Antragsgegnerin und der Genehmigungsbehörde (Obere Naturschutzbehörde). Darüber hinaus greift jedoch die Tatbestandswirkung der Genehmigung. Ungeachtet seiner Unabhängigkeit ist ein Gericht an Akte der Exekutive gebunden, soweit diese eine rechtliche Regelung enthalten und nicht selbst Gegenstand seiner gerichtlichen Überprüfung sind. Das folgt aus Art. 20 Abs. 3 GG und § 43 VwVfG. Ein (rechtswirksamer) Verwaltungsakt ist daher grundsätzlich von allen Staatsorganen zu beachten und ihren Entscheidungen als gegeben zugrunde zu legen. Im Streitfall hat die Obere Naturschutzbehörde die rechtlichen Voraussetzungen einer Ausnahmegenehmigung für die geplante Straße geprüft und bejaht. Sie hat das Bauvorhaben aus landschaftsschutzrechtlicher Sicht "freigegeben". Ein inhaltlicher Widerspruch zwischen Bebauungsplan und Landschaftsschutzverordnung besteht danach nicht. Eine Teilaufhebung der Verordnung oder die Erteilung einer Befreiung waren entbehrlich. Über die Tatbestandswirkung der Ausnahmegenehmigung durfte sich das Normenkontrollgericht nicht hinweg setzen.
[19] Die Genehmigung wäre nur dann unbeachtlich, wenn sie nichtig wäre (§ 44 Abs. 1 VwVfG). Eine Würdigung der Genehmigung am Maßstab des § 44 VwVfG ist dem Revisionsgericht nicht verwehrt (§ 144 Abs. 4 VwGO). Anhaltspunkte für die Nichtigkeit der Genehmigung sind jedoch nicht erkennbar.
[20] 2. Revisionsgerichtlich zu beanstanden ist auch die Rechtsauffassung des Normenkontrollgerichts, die Antragsgegnerin habe das Gebot des § 1 Abs. 4 BauGB verletzt, Bauleitpläne an die Ziele der Raumordnung anzupassen.
[21] 2. 1 Die von den Beteiligten erörterte Frage, ob die geplante Straße ein raumbedeutsames Vorhaben sei, ist in diesem Zusammenhang allerdings nicht entscheidungserheblich. Das Anpassungsgebot des § 1 Abs. 4 BauGB gilt für alle Bauleitpläne unabhängig von ihrer Raumbedeutsamkeit und trägt damit dem Umstand Rechnung, dass die Gemeinden aufgrund der Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) das Recht besitzen, die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln. Insoweit greift die gemeindliche Anpassungspflicht nach § 1 Abs. 4 BauGB über die raumordnungsrechtliche Beachtenspflicht (vgl. § 5 Abs. 4 ROG 1993, § 4 Abs. 1 Satz 1 ROG 1998) hinaus, die sich entsprechend der Zielsetzung des Raumordnungsrechts nur auf raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen erstreckt.
[22] 2. 2 Das Normenkontrollgericht geht zutreffend davon aus, dass ein Verstoß gegen das Anpassungsgebot in § 1 Abs. 4 BauGB hier nicht schon deshalb ausscheidet, weil die umstrittene Straßenplanung aufgrund einer 1989 zugelassenen Abweichung vom Regionalplan Südhessen 1987 Eingang in den Flächennutzungsplan des Umlandverbandes Frankfurt (1. Änderung 1991) gefunden hat.
[23] Mit dem Einwand, der angegriffene Bebauungsplan sei nach § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB ordnungsgemäß aus der Darstellung des Straßenbauvorhabens im Flächennutzungsplan entwickelt worden, könnte die Antragsgegnerin sich nicht von der Bindung an entgegenstehende Zielvorgaben der später beschlossenen Neufassung des Regionalplans 1995 befreien. Ein Flächennutzungsplan, der zunächst mit den Zielen der Regionalplanung übereinstimmt, einem später geänderten Regionalplan jedoch widerspricht, verleiht einem Bebauungsplan, der aus den Darstellungen des Flächennutzungsplans entwickelt worden ist, gegenüber dem geänderten Regionalplan keinen bauleitplanerischen "Bestandsschutz". In diesem Fall tritt das Entwicklungsgebot des § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB hinter das Anpassungsgebot des § 1 Abs. 4 BauGB zurück. Das folgt aus dem Geltungsanspruch der Raumordnung. Die Zielfestlegung im Regionalplan setzt sich als Bestandteil der übergeordneten Planung gegenüber einem zielwidrig gewordenen Flächennutzungsplan durch; denn das Anpassungsgebot richtet sich auch an die Flächennutzungsplanung. Die verbindlichen Zielaussagen der Regionalplanung sind, wie bereits die Stellung des § 1 Abs. 4 BauGB im Regelungszusammenhang des § 1 BauGB verdeutlicht, dem Abwägungsprozess des § 1 Abs. 6 BauGB, dem Flächennutzungs- und Bebauungsplanung gleichermaßen unterliegen, rechtlich vorgelagert (vgl. Senatsbeschluss vom 20. August 1992 BVerwG 4 NB 20. 91 BVerwGE 90, 329).
[24] Aus dem Vorrang der Raumordnungsplanung folgt, dass ein Bebauungsplan, der zwar im Einklang mit den Zielaussagen eines Regionalplans, jedoch im Widerspruch zu einer vom Regionalplan abweichenden Darstellung im Flächennutzungsplan steht, nicht wegen eines Verstoßes gegen das Entwicklungsgebot rechtswidrig sein kann. Infolge des für jeden Bauleitplan geltenden Anpassungsgebots in § 1 Abs. 4 BauGB ist das Entwicklungsgebot in § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB aus teleologischen und gesetzessystematischen Gründen einschränkend dahin auszulegen, dass die Leitfunktion des Flächennutzungsplans nur solchen Darstellungen zukommt, die den bindenden raumordnerischen Zielaussagen nicht entgegenstehen. Das Entwicklungsgebot setzt diese Zielkonformität voraus. Anderenfalls bestünde ein unauflösbarer Widerspruch zwischen § 1 Abs. 4 BauGB und § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB. Dieser Widerspruch entfällt, wenn eine Darstellung des Flächennutzungsplans in dem Zeitpunkt, in dem sie in Widerspruch zu einem später in Kraft getretenen Ziel der Raumordnung gerät, ihre Leitfunktion für den Bebauungsplan verliert.
[25] Eine andere Frage ist es, wann und auf welche Weise eine Gemeinde ihren Flächennutzungsplan als Entwicklungsgrundlage späterer Bebauungspläne einem neuen Ziel der Landes- oder Regionalplanung anzupassen hat. Diese von den Beteiligten erörterte Frage stellt sich hier nicht. Insbesondere kann offen bleiben, ob die Gemeinde gehalten ist, ihre Bauleitplanung im Hinblick auf geänderte Ziele der Raumordnung fortlaufend zu aktualisieren, oder ob sie sich damit begnügen kann, den Flächennutzungsplan zwecks Anpassung an Ziele der Raumordnung und Landesplanung erst mit der Aufstellung eines zielkonformen Bebauungsplans im Parallelverfahren (§ 8 Abs. 3 BauGB) zu ändern. Vorliegend geht es zunächst und vorrangig um die Frage, ob die Antragsgegnerin die weitere Planung der Straße ungeachtet ihrer Darstellung im Flächennutzungsplan zu unterlassen hat, weil sie einem geltenden Ziel der Regionalplanung widerspricht.
[26] 2. 3 Unzutreffend ist die Auffassung der Vorinstanz, der angegriffene Bebauungsplan sei rechtswidrig und unwirksam, weil er der Zielaussage "Vorrang des Landschaftsschutzes" des Regionalplans 1995 (vgl. Planziffer 3. 1 Naturschutz, Abschnitt Landschaftsschutzgebiete, Satz 3, a. a. O., S. 1893) widerspreche.
[27] Der Abschnitt "Landschaftsschutzgebiete" in Planziffer 3. 1 des Regionalplans lautet:
[28] Besonders schutz bzw. entwicklungsbedürftige Landschaftsteile sind zur Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes, zur Sicherung der Vielfalt, Eigenart und Schönheit des Landschaftsbildes sowie zur Sicherung der Erholungsfunktion in der Karte "Siedlung und Landschaft" als geplante Landschaftsschutzgebiete dargestellt. Ebenfalls in der Karte dargestellt ist der Bestand an Landschaftsschutzgebieten mit Ausnahme der Landschaftsschutzgebiete "Taunus", "Bergstraße Odenwald" und "Vogelsberg Hessischer Spessart", die in der Abbildung 4 wiedergegeben sind. In den bestehenden und geplanten Landschaftsschutzgebieten hat der jeweils verfolgte Schutzzweck Vorrang vor entgegenstehenden Nutzungsansprüchen. Schutzgebietsregelungen, insbesondere Nutzungsverbote und gebote, sind dabei den besonderen gebietstypischen Erfordernissen anzupassen."
[29] Das Normenkontrollgericht misst der Vorrangklausel in Satz 3 den Charakter eines Zieles der Regionalplanung im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 und § 8 Abs. 7 Satz 1 des Hessischen Landesplanungsgesetzes (HLPG) vom 29. November 1994 (GVBl 1994, 707) bei. Es legt dieses Ziel dahin aus, dass der Regionalplan die potentiell konkurrierenden Ansprüche an die Raumnutzung im Landschaftsschutzgebiet "Taunus" abschließend zugunsten der Belange des Natur- und Landschaftsschutzes abgewogen und diesen Belangen im Fall eines Konfliktes mit anderen Nutzungsansprüchen den Vorrang eingeräumt habe. An diesem Vorrang scheitere das geplante Straßenbauvorhaben. Der Geltungsanspruch der Landschaftsschutzverordnung "Taunus" und die auf ihrer Grundlage erteilte Ausnahmegenehmigung für den angegriffenen Bebauungsplan finden im Rahmen dieser Auslegung keine Beachtung. Damit legt die Vorinstanz der Vorrangklausel jedenfalls hinsichtlich der in Planziffer 3. 1 genannten bestehenden (rechtsverbindlich festgesetzten) Landschaftsschutzgebiete einen Inhalt bei, der die kompetenziellen Schranken der Regionalplanung im Verhältnis zu den Naturschutzfachbehörden und den ihnen im Bundesnaturschutzgesetz zugewiesenen Befugnissen überschreitet.
[30] Zu den Aufgaben der Raumplanung als räumlich zusammenfassender, übergeordneter Planung gehört es zwar auch, die in Fachplanungen enthaltenen Aussagen zu Raumnutzungen oder Raumfunktionen aufeinander abzustimmen und abzusichern. Das gilt auch im Verhältnis zum Aufgabenbereich des Naturschutzes und der Landschaftspflege. So können die raumbedeutsamen Erfordernisse und Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege in Landschaftsprogrammen und Landschaftsrahmenplänen koordiniert und durch Ziele der Raumordnung gesichert werden (vgl. § 7 Abs. 3 Sätze 1 und 2 Nr. 1 ROG 1998). Gebiete mit besonderer Bedeutung für Naturschutz und Landschaftspflege werden in der Landschaftsplanung dargestellt; das gilt auch für Natur- und Landschaftsschutzgebiete. Sie sind bei der Aufstellung von Regionalplänen zu berücksichtigen (vgl. etwa § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und § 4 Abs. 1 Satz 2 HeNatG, GVBl 1994 I S. 775, 1996 I S. 145). Der Raumordnung bleibt es unbenommen, aus den Vorgaben der informellen Landschaftsplanung und den rechtsverbindlich festgesetzten Schutzgebieten eine gesamträumlich integrierende Konzeption zu entwickeln.
[31] Der Regionalplanung ist es jedoch verwehrt, im Gewande überörtlicher Gesamtplanung auf der Grundlage des Naturschutzrechts zulässigerweise getroffene verbindliche fachliche Regelungen, wie sie Natur- und Landschaftschutzverordnungen enthalten, durch eigene (gleich lautende oder abweichende) Zielfestlegungen zu überlagern oder zu ersetzen. Landschaftsschutzverordnungen konkretisieren und sichern mit ordnungsbehördlichen Mitteln den Vorrang des Landschaftsschutzes im Konflikt mit widerstreitenden Nutzungen. In einem Landschaftsschutzgebiet sind alle Handlungen verboten, die den Charakter des Gebietes verändern oder dem besonderen Schutzzweck zuwiderlaufen (§ 15 Abs. 2 BNatSchG a. F., § 26 Abs. 2 BNatSchG 2002). Wie weit Schutzverordnungen Ausnahmen von den Verbotsregelungen zulassen, bestimmt sich ausschließlich nach den Erlaubnisvorbehalten der Verordnung. Die Landesplanungsbehörde darf die Wertungen, die dem verordnungsrechtlichen Schutzsystem zugrunde liegen, nicht beiseite schieben und ein eigenes Schutzregime aufrichten. Al-
[32] lenfalls dort, wo es ihr unabhängig vom naturschutzrechtlichen Regelungszusammenhang um die Erreichung spezifisch raumordnungsrechtlicher Schutzzwecke geht, ist sie befugt, die naturschutzrechtlichen Anordnungen und Verbote durch eigene Zielfestlegungen zu ergänzen.
[33] Die der Antragsgegnerin erteilte Ausnahmegenehmigung stellt außer Streit, dass der im Regionalplan festgelegte Vorrang des Landschaftsschutzes im Schutzgebiet "Taunus" durch das geplante Straßenbauvorhaben nicht verletzt wird. Insoweit scheidet ein Verstoß gegen das Anpassungsgebot in § 1 Abs. 4 BauGB aus. Auch das ist eine Folge der Tatbestandswirkung der Ausnahmegenehmigung. Anhaltspunkte dafür, dass die Zielaussagen zum Landschaftsschutz im Regionalplan raumordnungsrechtliche Zwecke verfolgen, die von der Landschaftsschutzverordnung "Taunus" nicht erfasst wären, bestehen nach den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz nicht.
[34] 2. 4 Nach Auffassung des Normenkontrollgerichts verletzt der angegriffene Bebauungsplan das Anpassungsgebot des § 1 Abs. 4 BauGB auch deshalb, weil das Plangebiet in einem Regionalen Grünzug im Sinne von Planziffer 3. 2 des Regionalplans 1995 liegt, in dem "bauliche Anlagen", auch Flächenversiegelungen, nach näherer Maßgabe der Regelung nicht statthaft seien. Die Begründung dafür wird der rechtlichen Tragweite des Anpassungsgebots in § 1 Abs. 4 BauGB nicht gerecht.
[35] Planziffer 3. 2 "Regionale Grünzüge" des Regionalplans 1995 lautet:
[36] "In der Karte 'Siedlung und Landschaft' sind Freiräume in Bereichen, die dicht besiedelt sind oder hohe Umweltbelastungen aufweisen, als Regionale Grünzüge ausgewiesen.
[37] Die Regionalen Grünzüge sollen den Freiraum als Träger lebenswichtiger Funktionen von Boden, Wasser, Luft, Klima, Wald und Landschaft sichern. Sie dienen insbesondere der Erhaltung und Entwicklung von Naherholungsgebieten, dem Schutz des Wasserhaushaltes und der klimatischen Verhältnisse sowie der Gliederung der Siedlungsgebiete. In ihnen sollen Entwicklungsmaßnahmen zur Verbesserung der genannten Freiraumfunktionen vorgesehen werden.
[38] In den Regionalen Grünzügen sind bauliche Anlagen nicht statthaft, die zu einer Zersiedlung, zu einer Beeinträchtigung der Gliederung von Siedlungsgebieten, des Wasserhaushaltes oder der Freiraumerholung oder zur Veränderung der klimatischen Verhältnisse führen können. Bauliche Anlagen im Sinne einer Besiedlung sind in den Regionalen Grünzügen nicht zulässig."
[39] Die Vorinstanz sieht im dritten Absatz der Planziffer "Zielangaben mit konkreten Nutzungsregelungen", die für die gemeindliche Bauleitplanung bindend sind. Das ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden, wenn man diese Begriffsbildung dahin versteht, dass die "konkreten Nutzungsregelungen" den Konkretisierungsgrad der Zielaussagen als raumordnerische Letztentscheidungen (vgl. Art. 75 Nr. 4 GG) umschreiben sollen, und man ihnen keine bodenrechtliche Bedeutung im Sinne des Städtebaurechts beimisst (vgl. Art. 74 Nr. 18 GG; s. hierzu Senatsbeschluss vom 20. August 1992 a. a. O., S. 334).
[40] Nach Ansicht der Vorinstanz widerspricht die umstrittene Straßenplanung dem Ziel, eine mögliche Veränderung der klimatischen Verhältnisse durch bauliche Anlagen auf den unbebauten Flächen zwischen Schönberg und Oberhöchstadt zu verhindern (Planziffer 3. 2, Abs. 3 Satz 1): Die von der Straße betroffene Fläche liege auf einem nach Süden bzw. Südosten geneigten Hang der Ausläufer des Taunus. Alle "im Bearbeitungsraum der Landschaftsplanung" vorhandenen Wiesen seien aufgrund ihrer Oberflächenstruktur (Vegetationsbestand über das ganze Jahr) besonders wertvoll für die Bildung von Kalt- bzw. Frischluft und damit für die Belüftung der angrenzenden Ortslagen und des klimatisch belasteten Ballungsraums Frankfurt und würden durch die genannten Ausweisungen "vor baulichen Anlagen geschützt".
[41] Dieses Ergebnis beruht auf einer rechtlich unzureichenden Würdigung des angegriffenen Bebauungsplans. Die Entscheidungsgründe der Vorinstanz leiden darunter, dass sie sich allein mit der baulichen Anlage der Stadtentlastungstrasse und der mit ihr verbundenen Flächenversiegelung befassen, die in den Bebauungsplan integrierte Landschaftsplanung einschließlich der naturschutzrechtlichen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen jedoch ausblenden. Diese verkürzte Betrachtungsweise verkennt den Anpassungsspielraum, den § 1 Abs. 4 BauGB der Gemeinde einräumt. Ein Normenkontrollgericht, das eine Straßenplanung in einem Regionalen Grünzug, der vor einer "Veränderung der klimatischen Verhältnisse" schützen soll, zu beurteilen hat, darf sich nicht mit der undifferenzierten generellen Aussage begnügen, dass die Zielaussage des Klimaschutzes den Regionalen Grünzug vor baulichen Anlagen schützt. Es hat vielmehr zu überprüfen, ob die konkrete planerische Konzeption des Bauvorhabens im Einklang mit den Zielaussagen des Regionalplans steht. "Anpassen" im Sinne von § 1 Abs. 4 BauGB bedeutet, dass die planerischen Intentionen, die den Zielen der Regionalplanung zugrunde liegen, zwar in das bauleitplanerische Konzept eingehen müssen, dass die Gemeinde aber frei ist, die im Ziel der Regionalplanung enthaltenen Vorgaben zielkonform auszugestalten und die ihr nach dem Bauplanungsrecht eröffneten Wahlmöglichkeiten voll auszuschöpfen. Die Bindung an regionalplanerische Zielvorgaben des Klimaschutzes schließt nicht von vornherein aus, dass es einer Gemeinde gelingt, bauliche Anlagen in einem Regionalen Grünzug zielkonform zu planen. Zielanpassung nach § 1 Abs. 4 BauGB ist nicht schlichter Normvollzug, sondern planerische Konkretisierung rahmensetzender Zielvorgaben (vgl. Senatsbeschluss vom 20. August 1992 a. a. O., S. 334).
[42] Das Normenkontrollgericht übersieht, dass die Antragsgegnerin die klimatischen Funktionen der offenen großräumigen Wiesenlandschaft zwischen der B 455 und der L 3015 erkannt und zur Minderung, zum Ausgleich und zum Ersatz des mit dem Straßenbauvorhaben verbundenen Eingriffs in den Naturhaushalt ein umfangreiches landschaftsräumliches Konzept nach den seinerzeit geltenden §§ 8 und 8 a Abs. 1 BNatSchG (i. d. F. des Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetzes vom 22. April 1993, BGBl I S. 466) entwickelt und planerisch umgesetzt hat. Ungewürdigt bleibt insbesondere das naturschutzfachlich mit der Unteren und der Oberen Naturschutzbehörde abgestimmte Planungsziel der Antragsgegnerin, für den Eingriff in den Naturhaushalt einen funktionalen Ausgleich innerhalb des Geltungsbereiches des Bebauungsplans zu schaffen (Satzungsbegründung S. 101 ff.):
[43] Zum Ausgleich für den Eingriff in Flächen mit besonderen klimatischen Funktionen (Kaltluftbildung und abfluss) werden insgesamt 5, 9 ha Flächen planerisch in (extensive) Wiesen und Obstwiesen mit besonderen Funktionen für die Bildung und für den Abfluss von Kaltluft umgewandelt. In der Flächenbilanz übersteigen die Ausgleichsflächen die von den Auswirkungen der Stadtentlastungsstraße direkt betroffenen Flächen mit Klimafunktionen (3, 7 ha) um 2, 2 ha. Außerdem werden 5, 7 ha Wiesen, die schon existieren, sowie 4, 5 ha Obstwiesen und landschaftlich ausgeprägte Gehölzgruppen in dieser Funktion planungsrechtlich verbindlich abgesichert. Die Antragsgegnerin beabsichtigt, die festgesetzten Maßnahmen teils parallel, teils im Vorgriff zum eigentlichen Bau der Straße umzusetzen. Sie ist der Ansicht, dass nach dem Eingriff keine erhebliche oder nachhaltige Beeinträchtigung des Naturhaushaltes zurückbleibt und sieht sich in dieser Einschätzung durch die zuständigen Naturschutzbehörden bestätigt.
[44] In dieser Planung bilden der Straßenkörper mit Böschungen und Nebenanlagen und das naturschutzrechtliche Ausgleichskonzept eine aus der Sicht des Klimaschutzes (und der Lufthygiene) aufeinander bezogene funktionelle Einheit. Diese Gesamtplanung muss Prüfungsgegenstand im Anwendungsbereich des Anpassungsgebots des § 1 Abs. 4 BauGB sein. Das ist auch eine Folge der Integration der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung in die bauleitplanerische Abwägung nach § 8 a BNatSchG a. F. (§ 1 a Abs. 2 Nr. 2 BauGB). Der funktionelle Zusammenhang zwischen der Trassierung einer neuen Straße und den in einem Landschaftsplan festgelegten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen darf bei Anwendung des § 1 Abs. 4 BauGB nicht aufgelöst werden.
[45] Die danach gebotene Überprüfung des Bebauungsplans erfordert die Feststellung und die Würdigung von Tatsachen, die dem Revisionsgericht verwehrt sind. Das nötigt zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz. Das Normenkontrollurteil stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Zwar stützt die Vorinstanz die Rechtswidrigkeit des Bebauungsplans (wohl) auch auf eine Verletzung der Beachtenspflicht in § 8 Abs. 7 HLPG 1994, die dem irrevisiblen Landesrecht angehört. Gleichwohl ist dem erkennenden Senat auch insoweit die revisionsgerichtliche Prüfung eröffnet. Nach ständiger Rechtsprechung wendet ein Instanzgericht nämlich revisibles Recht auch insoweit an, als es sich bei der Auslegung irrevisiblen Rechts durch revisibles Recht gebunden fühlt (BVerwG, Urteil vom 31. Oktober 1975 BVerwG 4 C 8.11. 74 BVerwGE 49, 301, m. w. N.). Das Normenkontrollgericht geht davon aus, dass sich die Anpassungspflicht des § 1 Abs. 4 BauGB materiell mit der Beachtenspflicht aus § 8 Abs. 7 HLPG 1994 deckt. Sein Verständnis dieser landesrechtlichen Norm beruht also auf der Auslegung der bundesrechtlichen Vorschrift des § 1 Abs. 4 BauGB. Damit überträgt die Vorinstanz den Rechtsfehler bei der Auslegung des Anpassungsgebots in § 1 Abs. 4 BauGB auf die in § 8 Abs. 7 HLPG 1994 normierte Beachtenspflicht. Sein Urteil kann daher auch keinen Bestand haben, soweit es die Unwirksamkeit des Bebauungsplans auf die Verletzung von Landesrecht stützt.
[46] 3. Mit Bundesrecht unvereinbar sind schließlich die Erwägungen, die das Normenkontrollgericht bewogen haben, den Bebauungsplan wegen eines Abwägungsfehlers für unwirksam zu erklären.
[47] Die Vorinstanz ist der Ansicht, die Antragsgegnerin habe sich mit den gemäß § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 7 BauGB zu berücksichtigenden Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege nicht ausreichend befasst. Die bei der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials erforderliche Bestandsaufnahme der Tierwelt sei nicht erfolgt. Die Antragsgegnerin habe aus den vorgefundenen Biotopnutzungstypen Rückschlüsse auf die mit ihnen regelmäßig verbundene Tier- und insbesondere Vogelwelt gezogen, die in die Straßenplanung eingeflossen seien. Erforderlich sei jedoch die "standortgerechte Ist-Aufnahme der vorfindlichen Tierbestände im Planungsgebiet und dem betroffenen Nachbarbereich" gewesen. Dagegen hat die Antragsgegnerin eingewandt, einer derart umfassenden Ermittlung der Tierwelt habe es nicht bedurft. Die besondere ornithologische Bedeutung von Obstwiesen sei bekannt und berücksichtigt worden. Die Tier- und Vogelwelt sei aus den ermittelten Nutzungsstrukturen nach wissenschaftlichem Erfahrungswissen abgeleitet worden. Der Artenschutz werde über den Biotopschutz sichergestellt. Vertiefende Untersuchungen seien nicht notwendig gewesen, da mit Hilfe von Analogschlüssen aufgrund der vorhandenen Nutzung eine hinreichend genaue Bewertung möglich sei.
[48] Das Normenkontrollgericht überspannt die Anforderungen an die Ermittlungstiefe im Rahmen der bauleitplanerischen Abwägung. Anzuwenden ist hier nicht nur § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 7 BauGB (Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege), sondern auch § 8 a Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG a. F. Zur naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung im Rahmen der straßenrechtlichen Fachplanung hat der Senat bereits entschieden, dass Ermittlungen nur durchzuführen sind, soweit sie für eine sachgerechte Planungsentscheidung erforderlich sind. Die Eingriffsregelung diene nicht einer allgemeinen Bestandsaufnahme. Es werde häufig nicht erforderlich sein, die von einem Vorhaben betroffenen Tier- und Pflanzenarten vollständig zu erfassen. Es könne vielmehr ausreichen, für den Untersuchungsraum besonders bedeutsame Repräsentanten an Tier- und Pflanzengruppen festzustellen und für die Bewertung bestimmte Indikationsgruppen heranzuziehen. Im Einzelfall könnten Rückschlüsse auf die Tierarten anhand der vorgefundenen Vegetationsstrukturen (und vorhandenen Literaturangaben) methodisch hinreichend sein. Je typischer die Gebietsstruktur des Eingriffsbereichs sei, desto eher könne auch auf typisierende Merkmale und allgemeine Erfahrungen abgestellt werden. Gebe es dagegen Anhaltspunkte für das Vorhandensein besonders seltener Arten, werde dem im Rahmen der Ermittlungen nachzugehen sein (BVerwG, Beschluss vom 21. Februar 1997 BVerwG 4 B 177.96 NVwZ-RR 1997, 607).
[49] Diese Rechtsprechung ist ohne weiteres auf die Belange von Natur und Landschaft und die Bewältigung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung in der Bauleitplanung übertragbar. Mit den genannten Grundsätzen ist die generelle Forderung des Normenkontrollgerichts nach einer "standortgerechten Ist-Aufnahme", mit der typisierende, methodisch abgesicherte Rückschlüsse auf die Tierwelt anhand vorgefundener Biotopstrukturen ausgeschlossen werden, nicht vereinbar. Ob die von der Antragsgegnerin gezogenen "Analogschlüsse" betreffend die Tier- und Vogelwelt der betroffenen Obstwiesen und Biotope im Plangebiet und in der Nachbarschaft dem Gebot sachgerechter Ermittlungen genügen, kann im Revisionsverfahren mangels tatsächlicher Feststellungen der Vorinstanz nicht entschieden werden. Die Antragsteller machen hierzu geltend, dass mit "der Kartierung von Gottschalk" vor dem Satzungsbeschluss Indizien für die Existenz gesetzlich besonders geschützter Tier- und Pflanzenarten vorgelegen hätten, die allein durch die typisierende Bewertung der Biotope weder abschließend noch methodisch korrekt in ihren Lebensraumansprüchen angesichts der von der Planung ausgelösten Konflikte hätten erfasst werden können. Der Sach- und Streitstand nötigt daher auch in dieser Hinsicht zur Zurückverweisung.
[50] Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 81 807 € festgesetzt.