Bundesverwaltungsgericht
BVerwG, Beschluss vom 12. 11. 2008 – 5 B 29.08 (lexetius.com/2008,3726)
[1] In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 12. November 2008 durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hund, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Brunn und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen beschlossen:
[2] Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. November 2007 wird zurückgewiesen.
[3] Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe:
[4] 1 Die ausschließlich auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
[5] 2 1. Für grundsätzlich klärungsbedürftig hält die Beschwerde die Rechtsfrage (Beschwerdebegründung S. 2),
"ob der Anspruch auf Ausgleichszahlungen zur Besitzstandswahrung gemäß Art. 51 PflegeVG erlischt, wenn die finanzielle Bedürftigkeit des Hilfeempfängers über Jahre hinweg nicht gegeben ist."
[6] 3 Die dazu gemachten Ausführungen genügen den nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Darlegung einer Grundsatzrüge zu stellenden Anforderungen nicht. Eine solche Darlegung setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (Beschluss vom 19. August 1997 BVerwG 7 B 261.97 Buchholz 310 § 133 – VwGO Nr. 26). Die Beschwerde lässt nicht erkennen, aus welchen Gründen die von ihr als klärungsbedürftig bezeichnete Frage von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung ist.
[7] 4 Bei Art. 51 PflegeVG handelt es sich der Sache nach um eine Übergangsregelung. Das zeigt nicht nur ihre Entstehungsgeschichte, sondern auch ihr Inhalt. Die mit Wirkung vom 1. April 1995 durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit vom 15. Dezember 1995 (BGBl I S. 1724) in Kraft getretene Vorschrift soll gewährleisten, dass bisherige Pflegegeldempfänger durch die Einführung der Pflegeversicherung nicht schlechter gestellt werden (vgl. Zielsetzung des Gesetzentwurfs des Bundesrates und Stellungnahme der Bundesregierung dazu BTDrucks 13/2207). Mit Rücksicht darauf können nach Art. 51 Abs. 1 PflegeVG nur Pflegebedürftige, die am 31. März 1995 ein Pflegegeld nach § 69 BSHG in der bis zum 31. März 1995 geltenden Fassung erhalten haben, einen Anspruch auf Besitzstandspflegegeld geltend machen. Mithin hat die Regelung außerhalb dieses überschaubaren und begrenzten Kreises keine Bedeutung mehr.
[8] 5 Rechtsfragen, die sich aus der Anwendung von Regelungen ergeben, die nur noch für eine Übergangszeit von Bedeutung sein können, kommt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu (Beschlüsse vom 9. Juni 2000 BVerwG 4 B 19.00 juris, vom 23. Januar 2003 BVerwG 1 B 467.02 Buchholz 402. 240 § 102a AuslG Nr. 1 und vom 20. Dezember 2005 BVerwG 5 B 84.05 juris jeweils m. w. N.). Dies gilt nur dann nicht, wenn die Klärung noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in unabsehbarer Zukunft von Bedeutung ist. Für das Vorliegen einer solchen Sachlage ist der Beschwerdeführer darlegungspflichtig (Beschlüsse vom 21. Dezember 1977 BVerwG 7 B 109.77 Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 160 sowie vom 21. Juni und vom 13. August 1993 BVerwG 11 B 65.93 MDR 1994, 319; stRspr). Der Beklagte hat keine Anhaltspunkte für eine erhebliche Zahl von Altfällen vorgetragen. Derartige Anhaltspunkte sind auch ansonsten nicht ersichtlich.
[9] 6 Die bloße Behauptung des Beklagten, die aufgeworfene Frage könne in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen auftreten, genügt hierfür nicht. Gleiches gilt für sein weiteres Vorbringen, die von ihm zitierten Entscheidungen von drei weiteren erstinstanzlichen Gerichten und einem weiteren Berufungsgericht zeigten, dass eine derartige Fallkonstellation nicht selten zu beurteilen sei. Auch den Ausführungen des Beklagten zu einer von ihm im Jahre 2003 durchgeführten Bestandsaufnahme ist nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass es bei dem aufgeworfenen Rechtsproblem um mehr als einen die Rechtsbeziehungen der Beteiligten betreffenden Einzelfall geht und jenes Problem sich in einer nennenswerten Anzahl vergleichbarer Fälle in gleicher oder ähnlicher Weise stellt. Die Ausführungen erschöpfen sich in dem Hinweis, dass von ca. 300 Fällen häuslicher Pflege im Zuständigkeitsbereich des Beklagten ca. 12 Berechtigte einen Anspruch auf Besitzstandspflegegeld hätten. Es wird weder behauptet noch substanziiert dargelegt, dass das aufgeworfene Rechtsproblem auch in einem oder mehrerer dieser Fälle aufgetreten ist. Solches kann auch nicht ohne weiteres als selbstverständlich unterstellt werden.
[10] 7 2. Im Übrigen bedürfte die von der Beschwerde aufgeworfene Frage keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Dem Berufungsgericht ist ohne Weiteres darin zu folgen, dass die Vorschrift des Art. 51 Abs. 5 Satz 2 PflegeVG ihrem Wortlaut nach nicht die Unterbrechung des Leistungsbezuges infolge (zeitweiligen) Wegfalls der wirtschaftlichen Hilfebedürftigkeit erfasst und auch keine planwidrige Gesetzeslücke vorliegt, die durch eine entsprechende Anwendung des Art. 51 Abs. 5 Satz 2 PflegeVG zu schließen wäre. Auch ist es mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich nicht geboten, den Fall der Bezugsunterbrechung wegen (vorübergehenden) Wegfalls der Sozialhilfebedürftigkeit mit den Fällen des voraussichtlich dauerhaften Wegfalls des Pflegegeldbedarfs aus medizinischen Gründen, d. h. bei Wegfall der Pflegebedürftigkeit (§ 51 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 PflegeVG) oder längerfristiger vollstationärer Unterbringung (§ 51 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 PflegeVG), gleich zu behandeln.