Bundesgerichtshof
HGB § 86a Abs. 1
Der Unternehmer hat dem Handelsvertreter (nur) die Unterlagen kostenlos zur Verfügung zu stellen, auf die dieser zur Vermittlung oder zum Abschluss der den Gegenstand des Handelsvertretervertrages bildenden Verträge angewiesen ist. Dies ist für ein Softwarepaket zu bejahen, wenn zumindest einzelne Komponenten für die Tätigkeit des Handelsvertreters unverzichtbar sind, nicht aber für Werbegeschenke ("Give-aways") und andere für die Tätigkeit des Handelsvertreters bloß nützliche oder seiner Büroausstattung zuzuordnende Artikel.

BGH, Urteil vom 4. 5. 2011 – VIII ZR 11/10; OLG Celle (lexetius.com/2011,2203)

[1] Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. März 2011 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richterin Dr. Milger, die Richter Dr. Achilles und Dr. Schneider sowie die Richterin Dr. Fetzer für Recht erkannt:
[2] Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 10. Dezember 2009 – unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels – im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Urteil der 24. Zivilkammer (4. Kammer für Handelssachen) des Landgerichts Hannover vom 3. März 2009 hinsichtlich der Klage zum Nachteil der Beklagten abgeändert worden ist.
[3] Die Berufung des Klägers gegen das vorbezeichnete Urteil des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.
[4] Die Anschlussrevision des Klägers wird zurückgewiesen.
[5] Die Kosten der Berufungsinstanz haben der Kläger zu 2/5 und die Beklagte zu 3/5 zu tragen. Die Kosten der Revisionsinstanz werden gegeneinander aufgehoben.
[6] Der Streitwert wird auf 13.244,34 € für die Revisionsinstanz und auf 17.744,34 € für die Berufungsinstanz festgesetzt.
[7] Tatbestand: Der Kläger war von Ende des Jahres 2003 bis zum 31. Oktober 2007 als (Unter-) Handelsvertreter für die Beklagte tätig, die ihrerseits als Handelsvertreterin Finanzdienstleistungen vertreibt. Er macht geltend, dass die Beklagte sein Provisionskonto zu Unrecht mit diversen Kosten und Gebühren belastet habe, und verlangt Auszahlung der einbehaltenen Beträge.
[8] Die Beklagte bietet ihren Handelsvertretern kostenpflichtige Schulungs- und Fortbildungsmaßnahmen an. Zur Unterstützung ihrer Vermittlungstätigkeit können die Handelsvertreter von der Beklagten ferner verschiedene mit deren Logo versehene Artikel wie Briefpapier, Visitenkarten, Datenerhebungsbögen und Werbegeschenke aller Art gegen Entgelt erwerben. Das gleiche gilt für die von der Beklagten herausgegebene Zeitschrift "F.", die die Handelsvertreter gegen Entgelt für die von ihnen betreuten Kunden bestellen können.
[9] Der Kläger machte von diesen Angeboten Gebrauch. Die dadurch entstandenen Kosten wurden vereinbarungsgemäß seinem Provisionskonto belastet.
[10] Aufgrund eines zwischen den Parteien gesondert abgeschlossenen Vertrages ("A. Business Center Nutzungsvertrag Software-Vorteilsangebot") wurde dem Kläger die Nutzung der Vertriebssoftware der Beklagten gegen Zahlung eines gleichfalls seinem Provisionskonto belasteten Entgelts in Höhe von 80 € monatlich ermöglicht.
[11] Der Kläger hat Zahlung des von der Beklagten insgesamt einbehaltenen Betrages von 10.564,34 € nebst Zinsen begehrt. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 3.680 € nebst Zinsen stattgegeben und die weitergehende Klage abgewiesen. Hiergegen haben beide Parteien Berufung eingelegt, soweit sie erstinstanzlich unterlegen sind. Die Beklagte hat in der Berufungsinstanz hilfsweise die Aufrechnung mit einem bereicherungsrechtlichen Wertersatzanspruch im Hinblick auf den Wert der dem Kläger überlassenen Software erklärt. Mit der Hilfswiderklage hat die Beklagte Auskunft begehrt, in welchen Fällen der Kläger von seinen Kunden ein Entgelt für die Erstellung der privaten Finanzstrategie erhalten habe. Das Oberlandesgericht hat das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte zur Rückzahlung von (insgesamt) 7.930,22 € nebst Zinsen verurteilt, die Hilfswiderklage hat es abgewiesen.
[12] Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter; die Abweisung der Hilfswiderklage nimmt sie hin. Mit der Anschlussrevision wendet sich der Kläger gegen das Berufungsurteil, soweit seine Berufung erfolglos geblieben ist, und verfolgt seinen Klageantrag in voller Höhe weiter.
[13] Entscheidungsgründe: Die Revision der Beklagten hat teilweise Erfolg. Die Anschlussrevision des Klägers ist unbegründet.
[14] I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
[15] Dem Kläger stehe gegen die Beklagte wegen unberechtigter Abbuchungen ein Anspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zu. Die zu Lasten des Provisionskontos vorgenommenen Abbuchungen seien überwiegend ohne Rechtsgrund erfolgt. Ein Rechtsgrund habe lediglich für die Beträge bestanden, die die Beklagte für die Teilnahme des Klägers an Schulungen und Seminaren abgebucht habe. Das Berufungsgericht teile die Auslegung des § 86a HGB durch das Oberlandesgericht Köln (Urteil vom 11. September 2009 – 19 U 64/09). Die Bestimmung sei Ausprägung der allgemeinen Rechtspflicht des Unternehmers, den Handelsvertreter bei seiner Arbeit zu unterstützen. Der Begriff der Unterlagen sei weit zu fassen. Der Unternehmer müsse grundsätzlich alle produktspezifischen Hilfsmittel aus seiner Sphäre unentgeltlich bereitstellen, auf die der Handelsvertreter objektiv gesehen oder nach seinem pflichtgemäßen Ermessen zur Ausübung seiner Vermittlungs- und Abschlusstätigkeit und zur Anpreisung der Ware angewiesen sei.
[16] Bei den vom Kläger bestellten Werbegeschenken – wie Aufkleber, Kleidung, Süßigkeiten, Spielsachen und andere "Give-aways" mit dem Unternehmenslogo der Beklagten – handele es sich um allgemeine Werbemittel, die als erforderliche Unterlagen im Sinne des § 86a HGB anzusehen seien. Darauf, dass es sich nicht um unverzichtbare Hilfsmittel handele, komme es nicht an.
[17] Entscheidend sei, dass der Unternehmer, der seinem Produkt näher stehe als der Handelsvertreter, diesen bei der Anpreisung der Ware zu unterstützen und ihm die speziell auf die zu vertreibenden Produkte abgestimmten Hilfsmittel bereitzustellen habe.
[18] Auch für das Briefpapier mit dem A. -Logo und die entsprechend gestalteten Visitenkarten gelte § 86a Abs. 1 HGB. Es liege im Interesse der Beklagten, dass die für sie tätigen Handelsvertreter nach außen hin bei schriftlichen Erklärungen ein einheitliches Briefpapier verwendeten. Auch der Zusatz auf dem Briefpapier, dass Erklärungen des Handelsvertreters die Beklagte nicht verpflichteten, erfolge in deren Interesse. Bei der gebotenen weiten Auslegung des § 86a HGB habe der Unternehmer die Kosten für Briefpapier und Visitenkarten zu übernehmen, wenn er deren Gestaltung vorgebe.
[19] Entsprechendes gelte für die so genannten Datenerhebungsbögen und die Mandantenordner. Die Beklagte lege nach ihren Geschäftsanweisungen großen Wert darauf, dass eine eingehende Datenerhebung erfolge. Die Datenerhebungsbögen seien Grundlage der Finanzanalyse und deshalb als erforderliche Unterlage im Sinne von § 86a HGB von der Beklagten kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Gegen diese Wertung spreche auch nicht, dass der Kläger die Möglichkeit gehabt habe, von den Kunden für die Erstellung der Finanzstrategie eine Vergütung zu verlangen. Wenn die Beklagte von ihren Kunden keine gesonderte Vergütung für die Erstellung der Finanzstrategie verlange, sondern etwaige Entgelte den Handelsvertretern belasse, könne durch diese vertragliche Gestaltung nicht die zwingende Regelung des § 86a HGB, wonach Unterlagen kostenfrei zur Verfügung zu stellen seien, umgangen werden. Dies gelte nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass nicht von allen Kunden die Erstellung der Finanzstrategie tatsächlich bezahlt werde.
[20] Bei der Zeitschrift "F." handele es sich um eine Werbedrucksache im Sinne des Gesetzes, denn bei einer wertenden Betrachtung des Inhalts der Zeitschrift stehe die Werbung für die Beklagte und ihr Produkt – den Finanzberatungsvertrag – im Vordergrund. Unerheblich für die Einschätzung als Werbemittel sei, dass die Zeitschrift auch käuflich zu erwerben sei. Durch diese Möglichkeit verliere die Zeitschrift nicht den Charakter einer "Werbedrucksache" der Beklagten, denn Werbemittel müssten nicht zwingend kostenlos dem Kunden zur Verfügung gestellt werden.
[21] Dem Kläger stehe ferner ein Anspruch auf Auszahlung der von der Beklagten für die überlassene Software einbehaltenen Beträge zu. Der Vertrag über die Nutzung der Software betreffe auch von der Beklagten selbst entwickelte Softwareprodukte, die für die Tätigkeit des Klägers zumindest nützlich gewesen seien. Es handele sich teilweise um speziell auf den Vertrieb der Beklagten zugeschnittene Software und somit bei der gebotenen weiten Auslegung des Gesetzes um ein für die Vermittlungstätigkeit erforderliches Arbeitsmittel. Für die Entscheidung sei dabei unbeachtlich, dass nur Teile des Gesamtsoftwarepakets der Vermittlungstätigkeit dienten und deshalb unter § 86a Abs. 1 HGB fielen, während andere Teile allein der vom Kläger selbst zu finanzierenden Büroorganisation zuzurechnen seien. Wenn die Beklagte erforderliche – und damit kostenfreie – Arbeitsmittel zusammen mit nützlichen – und damit möglicherweise vergütungspflichtigen – Arbeitsmitteln in einem Paket zu einem einheitlichen Preis zur Verfügung stelle, sei die Vergütungsvereinbarung für das Gesamtpaket gemäß § 86a Abs. 3 HGB unwirksam.
[22] Der Kläger habe jedoch keinen Anspruch auf Übernahme der ihm für seine Teilnahme an Seminaren, Schulungen und Fortbildungskursen entstandenen Kosten. Eine Schulung oder ein Fortbildungsseminar sei keine "Unterlage" im Sinne des § 86a HGB. Es müsse sich um körperliche Gegenstände handeln, was bei Schulungen nicht der Fall sei. Auch eine analoge Anwendung der Vorschrift komme nicht in Betracht. § 86a HGB finde seinen Sinn darin, dass der Unternehmer, der als Geschäftsherr seinem Produkt näher stehe als der Handelsvertreter, die Hilfsmittel bereitzustellen habe, die speziell auf die vom Handelsvertreter zu vertreibenden Produkte abgestimmt seien. Für Fortbildungen und Schulungen, die in erster Linie in die Sphäre des Handelsvertreters fielen, gelte dies allerdings nicht.
[23] Der mit der Hilfsaufrechnung verfolgte bereicherungsrechtliche Wertersatzanspruch im Hinblick auf die überlassene Software bestehe nicht, denn es sei der Beklagten angesichts der Unwirksamkeit der Vergütungsvereinbarung gemäß § 86a HGB verwehrt, für eventuell vergütungspflichtige Anteile des Pakets bereicherungsrechtliche Ansprüche geltend zu machen.
[24] II. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
A. Revision der Beklagten
[25] Die Revision ist unbegründet, soweit sich die Beklagte gegen die Zurückweisung ihrer Berufung gegen das Urteil des Landgerichts und mithin gegen die Verurteilung zur Rückzahlung eines Betrages in Höhe von 3.680 € nebst Zinsen wegen unberechtigter Abbuchungen für die Nutzung der A. – Software wendet. Die Revision hat hingegen Erfolg, soweit sie sich dagegen richtet, dass das Berufungsgericht der Klage auf die Berufung des Klägers in weitergehendem Umfang als das Landgericht stattgegeben hat. Denn eine Verpflichtung zur kostenlosen Überlassung gemäß § 86a Abs. 1 HGB traf die Beklagte lediglich hinsichtlich der Vertriebssoftware; die von der Beklagten vorgenommenen Verrechnungen wegen der vom Kläger bestellten Büroartikel und Werbemittel sind hingegen zu Recht erfolgt.
[26] 1. § 86a Abs. 1 HGB verpflichtet den Unternehmer, dem Handelsvertreter die zur Ausübung seiner Tätigkeit erforderlichen Unterlagen wie Muster, Zeichnungen, Preislisten, Werbedrucksachen, Geschäftsbedingungen zur Verfügung zu stellen. Hiervon abweichende Vereinbarungen sind gemäß § 86a Abs. 3 HGB unwirksam. Nach allgemeiner Meinung sind die Unterlagen im Sinne des § 86a HGB kostenlos zu überlassen (Emde in Großkomm. HGB, 5. Aufl., § 86a Rn. 74; Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, 3. Aufl., Rn. 611; Thume, BB 1995, 1913, 1914 f.; OLG Köln, RuS 2009, 87; OLG München, OLGR 2002, 82; OLG Saarbrücken, OLGR 1997, 5, 7). Aus dem Leitbild des Handelsvertreters als selbständiger Vermittler von Geschäften folgt, dass er sich einerseits nicht an den Kosten des Unternehmers beteiligen muss, andererseits jedoch das alleinige Risiko der von ihm entfalteten Absatzbemühungen trägt. Durch eine Beteiligung an Kosten des Unternehmers für Unterlagen im Sinne des § 86a Abs. 1 HGB wäre der Handelsvertreter indes verpflichtet, auch im Falle erfolgloser Absatzbemühungen für die überlassenen Unterlagen ein Entgelt an den Unternehmer zu zahlen und so letztlich einen Teil des unternehmerischen Risikos des Prinzipals zu tragen (vgl. OLG Saarbrücken, aaO; OLG Hamm, NJW-RR 1990, 567, 569 f.). Dies wäre mit der Risikoverteilung im Handelsvertreterverhältnis unvereinbar.
[27] 2. Der Begriff der Unterlagen ist nach allgemeiner Auffassung weit zu verstehen, denn die im Gesetz vorgenommene Aufzählung von Mustern, Zeichnungen, Preislisten, Werbedrucksachen und Geschäftsbedingungen ist nur beispielhaft und nicht abschließend (Thume in Röhricht/v. Westphalen, HGB, 3. Aufl., § 86a Rn. 3; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene, 2. Aufl., § 86a Rn. 4; Emde, aaO Rn. 69; OLG Köln, Urteil vom 11. September 2009 – 19 U 64/09, juris Rn. 6). Von dem Begriff der Unterlagen wird alles erfasst, was dem Handelsvertreter zur Ausübung seiner Vermittlungs- oder Abschlusstätigkeit insbesondere zur Anpreisung der Waren bei dem Kunden – dient und aus der Sphäre des Unternehmers stammt (Emde, aaO; Küstner/Thume, aaO Rn. 608; Oetker/Busche, HGB, 2009, § 86a Rn. 5).
[28] 3. Umstritten ist hingegen die Frage, unter welchen Voraussetzungen Unterlagen für die Tätigkeit des Handelsvertreters im Sinne des § 86a Abs. 1 HBG "erforderlich" sind.
[29] a) Nach einer verbreiteten Meinung, der auch das Berufungsgericht folgt, werden von der Überlassungspflicht nicht nur unverzichtbare Hilfsmittel erfasst.
[30] Erforderlich im Sinne des § 86a Abs. 1 HGB seien darüber hinaus auch die Hilfsmittel, die der Handelsvertreter aus seiner Sicht mit guten Gründen für den Erfolg seiner Tätigkeit für notwendig halte; insbesondere müssten umfassendes Werbematerial und die die konkrete Vertriebstätigkeit im Einzelfall betreffende Software kostenlos zur Verfügung gestellt werden (OLG Köln, Urteil vom 11. September 2009 – 19 U 64/09, aaO; Löwisch in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 86a Rn. 16; Emde, aaO Rn. 69 f.). Teilweise werden auch Kundenzeitschriften und produktunspezifische Werbemittel wie Aufkleber und mit dem Logo des Unternehmers versehene Kleidung als gemäß § 86a Abs. 1 HGB "erforderliche" und deshalb kostenlos zu überlassende Unterlagen eingeordnet (Emde, aaO Rn. 70; OLG Köln, Urteile vom 30. November 2007 – 19 U 84/07, juris Rn. 4 ff., sowie vom 11. September 2009 – 19 U 64/09, aaO Rn. 8).
[31] b) Die Gegenmeinung befürwortet eine restriktive Auslegung und verlangt, dass die Unterlagen für die spezifische Anpreisung der Ware unerlässlich sein müssen (LG Bonn, Urteil vom 19. Mai 2009 – 10 O 483/08, juris; Thelen, VersR 2009, 1025, 1030 f.; Roth, BB 2010, 2000, 2003).
[32] c) Der zuletzt genannten Auffassung gebührt der Vorzug. Schon der Wortlaut des § 86a Abs. 1 HGB ("erforderliche" Unterlagen) spricht dafür, dass der Handelsvertreter nur solche Unterlagen kostenlos beanspruchen kann, auf die er zur Vermittlung oder zum Abschluss der den Gegenstand des Handelsvertretervertrages bildenden Verträge angewiesen ist. Auch die in der Vorschrift aufgeführten Beispiele stützen eine solche Auslegung, denn es handelt sich jeweils um Unterlagen, die einen sehr engen Bezug zu dem vertriebenen Produkt haben und ohne die eine erfolgreiche Vermittlung schlechthin nicht möglich ist. Dies gilt insbesondere für Preislisten und Geschäftsbedingungen, ohne die der Handelsvertreter die Vermittlung oder den Abschluss eines Vertrages unter Einhaltung der vom Unternehmer vorgegebenen Konditionen nicht leisten kann.
[33] Die übrigen beispielhaft erwähnten Unterlagen, nämlich Muster, Zeichnungen und Werbedrucksachen sind – je nach Branche – erforderlich, damit der Handelsvertreter den künftigen Kunden das Produkt, das er nach dem Handelsvertretervertrag zu vertreiben hat, überhaupt vorstellen kann. Ohne derartige Unterlagen, die nur der Unternehmer zur Verfügung stellen kann, ist eine Vermittlung oder der Abschluss von Verträgen praktisch ausgeschlossen.
[34] Auch die Stellung des Handelsvertreters als selbständiger Unternehmer legt eine enge Auslegung nahe. Die eigentliche Vertriebstätigkeit, also die von ihm zu entfaltenden Bemühungen zur Herbeiführung der Vertragsschlüsse, auf die der Handelsvertretervertrag gerichtet ist, obliegt ihm als selbständigem Unternehmer. Ihn trifft insoweit das handelsvertretertypische Risiko, dass sich die von ihm dafür getätigten Aufwendungen und sein Einsatz nur bei erfolgreicher Vermittlung von Verträgen rentieren, weil er sonst keine Einnahmen erzielt.
[35] Nach § 87d HGB trägt der Handelsvertreter deshalb – soweit nicht ein Aufwendungsersatz durch den Prinzipal handelsüblich ist – die in seinem regelmäßigen Geschäftsbetrieb entstehenden Aufwendungen selbst. Hierzu gehören die eigene Büroausstattung und alle sonstigen Kosten des eigenen Betriebs und der Repräsentation gegenüber den Kunden (Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl., § 87d Rn. 4). Zu den gemäß § 86a Abs. 1 HGB (kostenlos) vom Unternehmer zur Verfügung zu stellenden Unterlagen gehören deshalb nur die Hilfsmittel, die der Handelsvertreter spezifisch aus der Sphäre des Unternehmers benötigt, um seine Tätigkeit überhaupt ausüben zu können.
[36] 4. Nach den vorstehend dargelegten Maßstäben handelt es sich bei den vom Kläger bestellten Artikeln (mit Ausnahme des Softwarepakets) entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht um erforderliche Unterlagen im Sinne des § 86a Abs. 1 HGB, so dass die Beklagte das Provisionskonto des Klägers insoweit zu Recht belastet hat.
[37] a) Dies gilt zunächst für die der Büroausstattung des Klägers zuzuordnenden Unterlagen wie Briefpapier, Visitenkarten und Erhebungsbögen, auch wenn diese Artikel mit dem Logo der Beklagten versehen sind. Mit dem einheitlichen Logo mag ein Werbeeffekt für die Beklagte und ihr System der Finanzberatung verbunden sein, der in erster Linie der Beklagten, mittelbar aber auch dem Kläger zu Gute kommen dürfte. Das einheitliche Logo macht die Artikel aber entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung noch nicht zu "produktspezifischen Hilfsmitteln" und nimmt ihnen auch nicht den Charakter als Büroausstattung (vgl. Evers, VW 2010, 137). Angesichts dessen rechtfertigt auch der Umstand, dass die Beklagte in ihren Geschäftsanweisungen großen Wert auf die Erhebung der zur Beurteilung der Vermögenssituation erforderlichen Daten legte, weil diese für eine von der Beklagten versprochene "Finanzoptimierung" unerlässliche Grundlage war, keine andere Beurteilung.
[38] b) Auch bei den Werbeartikeln ("Give-aways") und den Mandantenordnern, die der Kläger von der Beklagten bezogen hat, handelt es sich, anders als bei den in § 86a HGB genannten (produktbeschreibenden) Werbedrucksachen, nicht um für die Vermittlungstätigkeit notwendige Unterlagen. Derartige Aufmerksamkeiten dienen der allgemeinen Kundenpflege und sollen dazu beitragen, ein Klima zu schaffen und aufrechtzuerhalten, das Geschäftsabschlüsse erleichtert. Solche "Kundengeschenke" gehören ähnlich wie Bewirtungskosten und Repräsentationsaufwand zum Geschäftsaufwand des Handelsvertreters.
[39] c) Auch die Zeitschrift "F." dient der allgemeinen Kundenpflege und soll allgemein das Interesse der Kunden an den Beratungsleistungen der Beklagten und den Produkten der Partnergesellschaften wecken. Ein unmittelbarer Bezug zu den Produkten der Partnergesellschaften ist nicht vorhanden; die Kundenzeitschrift kann daher nicht mit einer Produktbroschüre verglichen werden, auf die der Handelsvertreter zur Vermittlung von Verträgen gegebenenfalls angewiesen ist.
[40] 5. Dagegen ist dem Berufungsgericht im Ergebnis darin beizupflichten, dass die Beklagte die A. -Business-Software kostenlos zur Verfügung zu stellen hatte. Die gegenteilige Vergütungsvereinbarung ist gemäß § 86a Abs. 3 HGB unwirksam. Auch die Beklagte stellt nicht in Abrede, dass es sich bei dem Softwarepaket jedenfalls bezüglich eines Teils der darin enthaltenen Softwarekomponenten um eine für die Tätigkeit des Klägers als ihres (Unter-) Handelsvertreters unverzichtbare Unterlage handelt. Da die Beklagte die unverzichtbare Vertriebssoftware dem Kläger gemäß § 86a Abs. 1 HGB kostenlos zur Verfügung zu stellen hatte, ist die für das A. -Business-Paket getroffene Vergütungsvereinbarung unwirksam. Entgegen der Auffassung der Revision kann die Vergütungsvereinbarung auch nicht teilweise aufrechterhalten werden.
[41] Zwar bezieht sich der Nutzungsvertrag nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auch auf Softwarekomponenten, die der vom Kläger grundsätzlich selbst zu finanzierenden allgemeinen Büroorganisation zugerechnet werden können. Dies führt aber entgegen der Auffassung der Revision nicht dazu, dass der Kläger zumindest einen Teil des Entgelts für die Nutzung des Softwarepakets schuldet. Denn Vertragsgegenstand war die Nutzung eines zu einem einheitlichen Preis angebotenen, auf die Bedürfnisse des Handelsvertreters abgestimmten Softwarepakets; dabei handelt es sich nach der Verkehrsauffassung um ein einheitliches Produkt.
[42] 6. Die somit vom Berufungsgericht zu Recht bejahten Ansprüche auf Auszahlung der für die A. -Software einbehaltenen Beträge sind nicht verjährt. Dies gilt auch für die im Jahre 2004 entstandenen Ansprüche, da die Verjährung durch die am 17. Januar 2008 erfolgte Zustellung des noch im Dezember 2007 beantragten Mahnbescheides rechtzeitig gehemmt worden ist (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB, § 167 ZPO). Entgegen der Ansicht der Revision genügte der Mahnbescheidsantrag den Anforderungen an die Individualisierung des Anspruchs gemäß § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO.
[43] Dazu ist es erforderlich, dass der Anspruch durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so unterschieden und abgegrenzt wird, dass er Grundlage eines der materiellen Rechtskraft fähigen Vollstreckungstitels sein kann und dem Schuldner die Beurteilung ermöglicht, ob er sich gegen den Anspruch zur Wehr setzen will. Wann diese Anforderungen erfüllt sind, kann nicht allgemein und abstrakt festgelegt werden; vielmehr hängen Art und Umfang der erforderlichen Angaben im Einzelfall von dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis und der Art des Anspruchs ab (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 23. Januar 2008 – VIII ZR 46/07, NJW 2008, 1220 Rn. 13; vom 21. Oktober 2008 – XI ZR 466/07, NJW 2009, 56 Rn. 18; vom 10. Juli 2008 – IX ZR 160/07, NJW 2008, 3498 Rn. 7; vom 14. Juli 2010 – VIII ZR 229/09, NJW-RR 2010, 1455 Rn. 11; vom 17. November 2010 – VIII ZR 211/09, NJW 2011, 613 Rn. 9; vgl. auch BGH, Urteil vom 12. April 2007 – VII ZR 236/05, BGHZ 172, 42 Rn. 39 zur Unterbrechung der Verjährung nach § 209 BGB aF mwN). Voraussetzung für die verjährungshemmende Wirkung ist dabei nicht, dass aus dem Mahnbescheid für einen außenstehenden Dritten ersichtlich ist, welche konkreten Ansprüche mit dem Mahnbescheid geltend gemacht werden; es reicht aus, dass dies für den Antragsgegner erkennbar ist (BGH, Urteile vom 23. Januar 2008 – VIII ZR 46/07, aaO Rn. 15; vom 14. Juli 2010 – VIII ZR 229/09, aaO; vom 17. November 2010 – VIII ZR 211/09, aaO Rn. 11).
[44] Diesen Anforderungen genügt hier der Mahnbescheidsantrag, denn nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsurteils war für die Beklagte durch die vorangegangenen Forderungsschreiben des Klägers, welche die Beklagte zurückgewiesen hat, eindeutig erkennbar, auf welchen Lebenssachverhalt der Kläger seine Forderungen gründet und aus welchen Einzelforderungen sich der Anspruch zusammensetzt. Einer näheren Aufschlüsselung der Forderungen im Mahnbescheid oder einer Bezugnahme auf das letzte Forderungsschreiben bedurfte es daher nicht (vgl. BGH, Urteil vom 17. November 2010 – VIII ZR 211/09, aaO Rn. 12).
[45] 7. Die Hilfsaufrechnung der Beklagten ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 BGB) wegen der dem Kläger überlassenen Software zu Recht verneint.
[46] Rechtsgrund für die dem Kläger eingeräumte Softwarenutzung ist sein aus § 86a HGB folgender Anspruch auf kostenlose Überlassung der speziellen A. -Vertriebssoftware. Da die Beklagte das dem Kläger überlassene, aus verschiedenen Softwarekomponenten bestehende Paket nur einheitlich angeboten hat, kommt eine nachträgliche Aufspaltung in einzelne Komponenten nicht in Betracht. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Beklagte für einzelne Komponenten, soweit sie diese dem Beklagten gesondert angeboten hätte, eine Vergütung hätte verlangen können, weil es sich insoweit um allgemeine und deshalb vom Handelsvertreter selbst zu finanzierende Bürosoftware handelte.
B. Anschlussrevision des Klägers
[47] Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Beklagte die Kosten für die vom Kläger in Anspruch genommenen Schulungen von den verdienten Provisionen abziehen durfte, so dass dem Kläger insoweit kein Erstattungsanspruch zusteht. Bei den Schulungen und Seminaren der Beklagten, an denen der Kläger teilgenommen hat, handelt es sich nicht um erforderliche Unterlagen im Sinne des § 86a Abs. 1 HGB.
[48] Zwar wird in der Literatur die Auffassung vertreten, dass der Unternehmer Veranstaltungen kostenlos anbieten müsse, wenn sie der Übermittlung von Informationen dienten, die der Handelsvertreter zur Ausübung seiner Tätigkeit benötige, wie beispielsweise Informationen über den Gegenstand des Vertriebsobjekts, den Kundenkreis oder die Lieferbedingungen (Emde, aaO Rn. 70). Inwieweit dem zu folgen ist, bedarf keiner Entscheidung, denn um die Vermittlung derartiger Informationen geht es hier nicht. Gegenstand der von der Anschlussrevision als Beispiel genannten Seminare – etwa zum Erwerb von Lizenzen, ohne die die Handelsvertreter der Beklagten Beratungen für bestimmte Geschäfte (z. B. Immobiliengeschäfte) nicht durchführen dürfen – war nicht die Übermittlung von Produktinformationen, Geschäftsbedingungen oder ähnlichen Nachrichten über die zu vertreibenden Produkte der Partnergesellschaften, sondern die Vermittlung von Fachkenntnissen, die der Handelsvertreter für den Vertrieb bestimmter Finanzprodukte allgemein benötigt. Eine Verpflichtung des Unternehmers, dem Handelsvertreter den Erwerb derartiger Fachkenntnisse zu finanzieren, lässt sich § 86a Abs. 1 HBG nicht entnehmen. Die von der Anschlussrevision befürwortete analoge Anwendung des § 86a Abs. 1 HGB kommt schon mangels Bestehen einer Regelungslücke nicht in Betracht.
[49] III. Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben, soweit das Berufungsgericht bezüglich der Klage zum Nachteil der Beklagten entschieden hat; es ist insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat entscheidet in der Sache selbst, da keine weiteren Feststellungen zu treffen sind (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils hinsichtlich der Klage. Die weitergehende Revision der Beklagten und die Anschlussrevision des Klägers sind zurückzuweisen.