Bundesgerichtshof
BGB § 1600 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 5
Die Anfechtung der Vaterschaft durch den sog. biologischen Vater nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB steht im Fall einer nicht erklärten Einwilligung des rechtlichen Vaters im Sinne von § 1600 Abs. 5 BGB grundsätzlich auch dem Samenspender offen.
BGH, Urteil vom 15. 5. 2013 – XII ZR 49/11; OLG Köln (lexetius.com/2013,1964)
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. Mai 2013 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin Weber- Monecke und die Richter Dr. Klinkhammer, Schilling und Dr. Nedden-Boeger für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 14. Zivilsenats – Familiensenat – des Oberlandesgerichts Köln vom 17. Mai 2011 wird zurückgewiesen.
Die Beklagten tragen die für die Revisionsinstanz angefallenen Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten des Klägers je zur Hälfte und ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
[1] Tatbestand: Die Parteien streiten um die Anfechtung und die Feststellung der Vaterschaft für den am 21. Juli 2008 geborenen Beklagten zu 2 (im Folgenden: das Kind). Das Kind war mittels einer Samenspende gezeugt worden, welche der Kläger der Mutter in einem Gefäß übergeben hatte und von dieser selbst eingeführt worden war.
[2] Der Kläger lebt ebenso wie die Mutter in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft. Nachdem eine vom Kläger im Januar 2009 erklärte Anerkennung der Vaterschaft mangels Zustimmung der Mutter nicht wirksam geworden war, erkannte im März 2009 der Beklagte zu 1 mit Zustimmung der Mutter die Vaterschaft an. Der Kläger hat mit der im August 2009 eingereichten Klage die Vaterschaft des Beklagten zu 1 angefochten und die Feststellung seiner eigenen Vaterschaft beantragt. Zwischen den Parteien ist streitig, ob mit der Mutter und den jeweiligen Lebenspartnern vereinbart war, dass der Kläger die väterliche Verantwortung für das Kind habe übernehmen sollen oder ob von vornherein beabsichtigt war, dass das Kind von der Lebenspartnerin der Mutter als Stiefkind adoptiert werden sollte.
[3] Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht nach Einholung eines Abstammungsgutachtens festgestellt, dass nicht der Beklagte zu 1, sondern der Kläger der Vater des Kindes ist. Dagegen haben die Beklagten die zugelassene Revision eingelegt.
[4] Sie erstreben die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
[5] Entscheidungsgründe: Die Revision hat keinen Erfolg.
[6] Auf das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis 31. August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 3. November 2010 – XII ZB 197/10 – FamRZ 2011, 100 Rn. 10).
[7] I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB bei verfassungskonformer Auslegung dieser Vorschrift ein Anfechtungsrecht bezüglich der Vaterschaft des Beklagten zu 1 zu. Nach der vom Kläger abgegebenen eidesstattlichen Versicherung habe dieser der Mutter wiederholt Samen zur Verfügung gestellt, damit die Mutter diesen in der Hoffnung, schwanger zu werden, einführen sollte. Dadurch sei die Voraussetzung einer Versicherung, der Mutter in der Empfängniszeit "beigewohnt" zu haben, erfüllt.
[8] Das Merkmal des Beiwohnens diene in erster Linie der Eingrenzung der Anfechtungsberechtigten auf diejenigen, die als biologische Väter in Betracht kämen. Dies sei bei der vorliegenden "Samenübertragung" ebenso der Fall wie bei unmittelbarem Geschlechtsverkehr. Auch im Rahmen der Vaterschaftsvermutung des § 1600 d Abs. 2 BGB stünden beide Fälle gleich. Allerdings solle nach der Begründung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages neben der Anfechtung "ins Blaue hinein" zugleich verhindert werden, dass ein samenspendender Dritter ein Anfechtungsrecht erhalte. Auch habe der Bundesgerichtshof in einem obiter dictum angemerkt, dass der bloße Samenspender nicht zur Anfechtung berechtigt sei, weil es regelmäßig nicht zutreffe, dass er der Mutter beigewohnt habe. Auf der Grundlage der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. April 2003 dürfe die Anfechtung indessen im vorliegenden Fall nicht ausgeschlossen werden, weil sonst das verfassungsrechtlich geschützte Elternrecht des biologischen Vaters verletzt würde.
[9] Soweit es dem Willen des Gesetzgebers entsprochen habe, den Samenspender vom Anfechtungsrecht auszuschließen, sei davon auszugehen, dass hierbei nur der "herkömmliche" Samenspender im Blickpunkt gestanden habe, der an einem den Regeln der Ärzteschaft entsprechenden Verfahren teilnehme, bei dem durch möglichst weitgehende Vereinbarungen und weitgehende Anonymisierung von vornherein die väterliche Verantwortung des Spenders ausgeschlossen und diejenige des sozialen Vaters begründet werde. Das erkläre sich daraus, dass verfassungsrechtliche Bedenken verneint worden seien, weil die erklärte Bereitschaft zur Teilnahme an einer Samenspende als konkludenter Verzicht auf die rechtliche Vaterschaft und damit auf ein entsprechendes Anfechtungsrecht zu deuten sei. Gleiches erschließe sich auch aus der Regelung in § 1600 Abs. 5 BGB.
[10] Im vorliegenden Fall seien dagegen keine rechtlich verbindlichen Absprachen getroffen worden. Vielmehr sei dem Kläger von der Mutter die Inanspruchnahme auf Unterhalt in Aussicht gestellt worden, wenn er nicht von der Durchsetzung von Vaterrechten absehe.
[11] Das Anfechtungsrecht allein von der Art der Samenübertragung abhängig zu machen, werde dem grundrechtlich geschützten Elternrecht des Klägers nicht gerecht. Wie auch ein Vergleich mit der homologen Insemination zeige, dürfe das Elternrecht des biologischen Vaters insoweit nicht allein vom Willen der Mutter abhängen, was durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur gemeinsamen elterlichen Sorge nicht verheirateter Väter bestätigt werde. Der Ausschluss des Anfechtungsrechts des Samenspenders sei unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Bedeutung seines Elternrechts nur haltbar, wenn die Samenspende von vornherein in einem Verfahren abgegeben werde, in dem der Spender im Rahmen des rechtlich Zulässigen auf Vaterrechte und -pflichten verzichte bzw. von diesen entbunden werde.
[12] Im vorliegenden Fall liege auch nach dem Vortrag der Beklagten keine sozial-familiäre Beziehung vor. Unstreitig bestehe zwischen dem Beklagten zu 1 und der Mutter lediglich eine kollegiale freundschaftliche Beziehung und mache die Mutter keinen Hehl daraus, dass jener sozusagen als "Sperrvater" ausgewählt worden sei, damit die Stiefkind-Adoption durch ihre Partnerin nicht erschwert oder unmöglich werde. Die sozial-familiäre Beziehung des Kindes mit der Partnerin der Mutter spiele für den Ausschluss des Anfechtungsrechts hingegen keine Rolle. Dass eine solche Beziehung zwischen dem Kläger und dem Kind bestehe, sei nicht erforderlich, sondern vom Bundesverfassungsgericht nur als zusätzliches Argument für die Anfechtungsmöglichkeit des biologischen Vaters angeführt worden.
[13] II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
[14] 1. Nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist der Mann, der an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben, zur Anfechtung der Vaterschaft berechtigt.
[15] a) Inhalt der im vorliegenden Fall vom Kläger abgegebenen eidesstattlichen Versicherung ist allerdings nur, dass er der Mutter Sperma zum Zweck der Befruchtung zur Verfügung gestellt habe. Der Wortlaut der Vorschrift schließt eine Erstreckung auf die Samenspende nicht aus.
[16] Vielmehr gebieten sowohl Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung als auch ihre Stellung im System des Abstammungsrechts eine Anwendung der Vorschrift auch auf eine ohne Geschlechtsverkehr mögliche genetische Vaterschaft des Anfechtenden, wenn der Zeugung des Kindes keine auf die (ausschließliche) Vaterschaft eines Dritten als Wunschvater gerichtete Vereinbarung im Sinne von § 1600 Abs. 5 BGB vorausgegangen ist (sog. konsentierte heterologe Insemination). Dies wird nicht zuletzt durch verfassungsrechtliche Erwägungen gestützt.
[17] b) Der vorliegende Fall einer Samenspende, welche nicht aufgrund einer auf die ausschließliche rechtliche Vaterstellung eines anderen Mannes gerichteten Abrede erfolgt ist, ist von einer Anfechtung nicht ausgenommen.
[18] aa) § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist durch das Gesetz zur Änderung von Vorschriften über die Anfechtung der Vaterschaft und das Umgangsrecht von Bezugspersonen vom 23. April 2004 (BGBl. I 2004, 598) eingeführt worden. Mit der gesetzlichen Neuregelung hat der Gesetzgeber einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. April 2003 (FamRZ 2003, 816) Rechnung getragen, durch die § 1600 BGB in seiner vorausgegangenen Fassung für teilweise verfassungswidrig erklärt worden war.
[19] Der leibliche, aber nicht rechtliche Vater ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als solcher zwar noch nicht Träger des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Die Grundrechtsnorm schützt den leiblichen Vater aber in seinem Interesse, die Rechtsstellung als Vater des Kindes einzunehmen (BVerfG FamRZ 2003, 816; FamRZ 2008, 2257). Auch dieser Schutz vermittelt noch kein Recht, in jedem Fall vorrangig vor dem rechtlichen Vater die Vaterstellung eingeräumt zu erhalten. Der Gesetzgeber kann den Interessen des Kindes und seiner rechtlichen Eltern am Erhalt eines durch Art. 6 Abs. 1 GG bestehenden sozialen Familienverbandes den Vorrang einräumen.
[20] Dagegen ist dem leiblichen Vater jedoch von Verfassungs wegen die Möglichkeit zu eröffnen, die rechtliche Vaterposition zu erlangen, wenn dem der Schutz einer familiären Beziehung zwischen dem Kind und seinen rechtlichen Eltern nicht entgegensteht und festgestellt wird, dass er der leibliche Vater des Kindes ist (BVerfG FamRZ 2003, 816, 818).
[21] Nach dem zugrunde liegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung war das Anfechtungsrecht noch an die Glaubhaftmachung der Beiwohnung geknüpft. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs sollte die Glaubhaftmachung (nur) der "Schlüssigkeitsprüfung" dienen. Die Glaubhaftmachung sollte "insbesondere aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes von Mutter, Kind und rechtlichem Vater als – wenn auch kleine – formelle Hürde eine Anfechtung 'ins Blaue' hinein" verhindern (BT-Drucks. 15/2253 S. 10). Der Entwurfstext wurde im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens nur insoweit geändert, als auf Vorschlag des Rechtsausschusses die Glaubhaftmachung durch die eidesstattliche Versicherung ersetzt wurde.
[22] Die vom Berufungsgericht berücksichtigte weitere Begründung des Rechtsausschusses, dass durch die Bezugnahme der eidesstattlichen Versicherung auf die Beiwohnung zugleich verhindert werde, dass ein samenspendender Dritter als "biologischer Vater" ein Anfechtungsrecht erhalte, hat im Gesetzestext keinen Niederschlag gefunden. Denn die Beiwohnung selbst ist nicht Voraussetzung eines erfolgreichen Anfechtungsantrags. Die Begründetheit der Anfechtungsklage hängt vielmehr nach § 1600 Abs. 2 BGB allein von der leiblichen Abstammung ab, während die Beiwohnung lediglich Gegenstand der eidesstattlichen Versicherung sein muss. Dementsprechend ging auch die Entwurfsbegründung – wie ausgeführt – davon aus, dass es sich bei der Voraussetzung lediglich um eine ("kleine") formelle Hürde handele, die eine Anfechtung "ins Blaue" hinein verhindern solle. Wenn hingegen – wie im vorliegenden Fall – die genetische Vaterschaft von den Beteiligten nicht bezweifelt wird, kann davon nicht die Rede sein.
[23] Auf die Frage, ob die vom Rechtsausschuss des Bundestages geäußerte Vorstellung von der – darüber möglicherweise hinausgehenden – Wirkungsweise der Vorschrift den für die Gesetzesanwendung verbindlichen Willen des Gesetzgebers repräsentieren kann (vgl. auch die Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters BT- Drucks. 17/12163 S. 14), kommt es hier nicht entscheidend an. Denn aus den weiteren Erwägungen des Rechtsausschusses ergibt sich, dass diese sich auf den Fall der Einwilligung eines Wunschvaters in die Zeugung mittels Samenspende im Sinne von § 1600 Abs. 5 BGB (konsentierte heterologe Insemination) bezogen, welche im vorliegenden Fall unstreitig nicht vorliegt. Der Bundesrat hatte abweichend vom Regierungsentwurf für den Fall der künstlichen Befruchtung mittels einer Samenspende eine eigenständige Ausschlussvorschrift vorgeschlagen. Diese sollte aber in einer Ergänzung von § 1600 Abs. 4 (heute: Abs. 5) BGB bestehen und neben der Vaterschaftsanfechtung durch den (rechtlichen) Vater und die Mutter auch die des samenspendenden Dritten ausschließen (BT-Drucks. 15/2253 S. 15), was nach der Begründung des Rechtsausschusses nicht mehr erforderlich war. Dementsprechend sah der Rechtsausschuss im Hinblick auf das (etwaige) Elternrecht des leiblichen Vaters nach Art. 6 Abs. 2 GG keine Bedenken gegen eine Versagung der Anfechtungsbefugnis, weil dessen erklärte Bereitschaft zur Teilnahme an einer Samenspende als konkludenter Verzicht auf die rechtliche Vaterschaft und auf ein entsprechendes Anfechtungsrecht zu deuten sei (BT-Drucks. 15/2942 S. 9). Die vom Rechtsausschuss angestellten Erwägungen beziehen sich damit auf den Fall des § 1600 Abs. 5 BGB, der zum Ausschluss der Anfechtung durch den (rechtlichen) Vater oder die Mutter führt. Nur diese Konstellation ist dadurch gekennzeichnet, dass mit der Mutter, dem Wunschvater und dem samenspendenden Dritten alle an der Zeugung des Kindes Beteiligten übereinstimmend von einer (noch zu begründenden) rechtlichen Vaterschaft des Wunschvaters ausgehen.
[24] Bei dieser Form des Zusammenwirkens beschränkt sich der Samenspender auf die Hergabe des Spermas, während er die Übernahme elterlicher Verantwortung dem Wunschvater überlassen und selbst regelmäßig im Rahmen des rechtlich Zulässigen (oder darüber hinaus) anonym bleiben will.
[25] Nur in der genannten Konstellation kann schließlich entsprechend den in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gekommenen Vorstellungen des Rechtsausschusses davon ausgegangen werden, dass der Samenspender durch seine Mitwirkung konkludent auf seine rechtliche Vaterschaft und sein Anfechtungsrecht verzichtet. Ist dies nicht der Fall und soll sogar seine Rolle bei der Zeugung – wie im vorliegenden Verfahren unstreitig ist – dem Kind später offengelegt werden, so steht er dem leiblichen Vater nach einer homologen Insemination näher als dem bloßen Samenspender im Fall des § 1600 Abs. 5 BGB. Im einen wie im anderen Fall bezweckt die nur als "formelle Hürde" betrachtete Voraussetzung des § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB, die unabhängig von der Richtigkeit der eidesstattlichen Versicherung erfüllt wäre, nicht den Ausschluss des leiblichen Vaters von der Anfechtung und schließt dessen Anfechtungsrecht folglich nicht aus.
[26] Wenn mit der Samenspende – anders als im Fall von § 1600 Abs. 5 BGB – kein Verzicht auf die (spätere) Begründung des Elternrechts verbunden ist, muss dem Samenspender aufgrund seiner genetischen Vaterschaft somit schon aus verfassungsrechtlichen Erwägungen wenigstens der Zugang zur Elternschaft grundsätzlich möglich sein.
[27] bb) Ein Zugang des Samenspenders zur Vaterschaft entspricht außerhalb der konsentierten heterologen Insemination auch im Übrigen der Systematik des Abstammungsrechts. Die konsentierte heterologe Insemination zeichnet sich im Gegensatz zur bloßen Anerkennung der Vaterschaft dadurch aus, dass bereits die Zeugung des Kindes auf einer entsprechenden Abrede der Beteiligten beruht und das Kind damit – wie es bei der medizinisch assistierten heterologen Insemination aufgrund der medizinrechtlichen Vorschriften (vgl. Rütz Heterologe Insemination – Die rechtliche Stellung des Samenspenders 2008 S. 75 ff.) besonders deutlich wird – der Abrede der Beteiligten letztlich seine Existenz verdankt (vgl. Wanitzek Rechtliche Elternschaft bei medizinisch unterstützter Fortpflanzung 2002 S. 254). Dieser Umstand rechtfertigt es des Weiteren, das Anfechtungsrecht des Samenspenders im Fall des § 1600 Abs. 5 BGB – über den Wortlaut des § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB hinausgehend – selbst dann auszuschließen, wenn der Anfechtende eine genügende eidesstattliche Versicherung abgegeben hat und zwischen dem rechtlichen (Wunsch-) Vater und dem Kind keine sozial-familiäre Beziehung mehr besteht.
[28] Mangelt es dagegen an einem in die künstliche Befruchtung einwilligenden Wunschvater, kann ohne weiteres eine Feststellung des Samenspenders als Vater nach § 1600 d BGB erfolgen. Zu einem entsprechenden Antrag waren nach dem hier noch geltenden § 1600 e Abs. 1 Nr. 1, 2 BGB nicht nur das Kind und die Mutter befugt, sondern auch der Samenspender selbst als (angeblicher) leiblicher Vater. Dasselbe gilt auch für das seit 1. September 2009 geltende Verfahrensrecht im Hinblick auf den Antrag nach § 171 FamFG (vgl. Löhnig FamRZ 2009, 1798, 1799; Prütting/Helms/Stößer FamFG 2. Aufl. § 171 Rn. 7).
[29] Dementsprechend ist auch der Bestand der Vaterschaft eines noch nicht in die künstliche Zeugung einwilligenden und erst aufgrund späteren Entschlusses die Vaterschaft anerkennenden Mannes vom Gesetz nicht besonders gesichert.
[30] Denn sowohl der Anerkennende als auch die Mutter können die Vaterschaft (innerhalb der Anfechtungsfrist) anfechten. Der Ausschluss der Anfechtung nach § 1600 Abs. 5 BGB greift mangels Einwilligung des Mannes in die künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten nicht ein. Damit fehlt es zugleich an einer Rechtfertigung, einen solchen Samenspender von der Anfechtung auszuschließen. Fehlt es zudem an einer sozial-familiären Beziehung zwischen dem Anerkennenden und dem Kind, so muss auch dem Samenspender die Anfechtung der Vaterschaft möglich sein.
[31] In diesem Sinne eingeschränkt sind auch die – die damalige Entscheidung nicht tragenden – Ausführungen im Senatsurteil vom 26. Januar 2005 (FamRZ 2005, 612, 614) zu verstehen, die sich ausdrücklich auf den bloßen Samenspender beziehen. Soweit die Ausführungen einen darüber hinausgehenden Inhalt haben, hält der Senat daran nicht fest.
[32] 2. Dass die Mutter und ihre Lebenspartnerin eine Stiefkindadoption anstreben, ist schließlich unabhängig von dem zwischen den Parteien streitigen Umstand, ob der Kläger ursprünglich mit diesem Vorhaben einverstanden war, für die Vaterschaftsanfechtung als alleinigen Gegenstand des vorliegenden Verfahrens nicht ausschlaggebend.
[33] Ob die Lebenspartnerin der Mutter das Elternrecht erlangen kann, ist ohnedies nicht im vorliegenden Anfechtungsverfahren, sondern nur im Rahmen einer Stiefkindadoption nach § 9 Abs. 7 LPartG zu entscheiden. Vor der Adoption ist der Lebenspartner des Elternteils nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts selbst dann nicht Träger des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, wenn er mit diesem und dessen Kind in einer sozial-familiären Beziehung lebt. Das bis zur Adoption allein bestehende soziale Elternverhältnis zum Kind des Lebenspartners begründet keine verfassungsrechtliche Elternschaft (BVerfG FamRZ 2013, 521, 524). Auch die zwischen den Parteien streitige Frage, ob der Kläger vor der Zeugung mit einer späteren Adoption durch die Lebenspartnerin einverstanden war, wäre somit erst im Adoptionsverfahren zu prüfen und dort im Rahmen der Kindeswohldienlichkeit zu berücksichtigen.
[34] Das von der Revision angeführte Recht auf Familie aus Art. 6 Abs. 1 GG, das auch der Lebenspartnerin der Mutter zustehe, ist für den vorliegenden Streitgegenstand nicht erheblich. Denn durch die Anfechtung der Vaterschaft wird in die bestehende soziale Familie nicht unmittelbar eingegriffen. Vielmehr handelt es sich hierbei um ein Statusverfahren, welches ausschließlich die rechtliche Elternstellung im Hinblick auf die Person des Vaters betrifft. Daher stellt nach § 1600 Abs. 2 BGB allein eine sozial-familiäre Beziehung zum rechtlichen Vater ein Hindernis für die Anfechtung dar. Sich aus der Statusänderung ergebende mittelbare Folgen wie etwa eine mögliche Beteiligung am Sorgerecht oder die Regelung des Umgangs zwischen Vater und Kind sind unter vorrangiger Berücksichtigung des Kindeswohls in besonderen Verfahren zu klären.
[35] Die Anerkennung der Vaterschaft durch einen die (soziale) Elternschaft nicht anstrebenden Dritten ist demnach jedenfalls kein legitimes Mittel, um eine Adoption zu erleichtern, indem der an einer Elternschaft in Wirklichkeit nicht interessierte rechtliche Vater in die Adoption nach § 9 Abs. 7 LPartG, § 1747 BGB einwilligt. Ein solches Vorgehen würde nicht nur die Grundlage für die im Adoptionsverfahren anzustellende Beurteilung durch das Familiengericht verfälschen, sondern auch einen Missbrauch des durch die Anerkennung erworbenen Elternrechts darstellen, das allein zu dem Zweck eingesetzt würde, den dauerhaften Ausschluss des leiblichen Vaters von der Elternstellung zu erreichen (vgl. auch EGMR FamRZ 2004, 1456 sowie BVerfG FamRZ 2004, 1857).