Bundesgerichtshof
BGB §§ 1004, 862; ZPO § 51
Macht eine Partei den Unterlassungsanspruch eines Grundstückseigentümers aus § 1004 BGB bzw. aus § 862 BGB im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft geltend, muss sich das schutzwürdige Eigeninteresse auf die Beseitigung der Beeinträchtigung des Eigentums bzw. des Besitzes an dem Grundstück beziehen.

BGH, Urteil vom 10. 6. 2016 – V ZR 125/15; OLG München (lexetius.com/2016,3084)

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. Juni 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland, den Richter Dr. Kazele und die Richterin Haberkamp für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden der Beschluss des Oberlandesgerichts München – 27. Zivilsenat – vom 11. Mai 2015 aufgehoben und das Urteil des Landgerichts Augsburg – 3. Zivilkammer – vom 13. Januar 2015 abgeändert.
Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
[1] Tatbestand: Die Klägerin und der Beklagte führen unabhängig voneinander Altkleidersammlungen durch, indem sie öffentlich zugängliche Sammelcontainer für Kleiderspenden aufstellen. Der Beklagte stellte auf drei Grundstücken Altkleidercontainer auf, ohne eine Genehmigung der jeweiligen Eigentümer eingeholt zu haben. Die Klägerin verlangt im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft von ihm, das Aufstellen von Altkleidercontainern auf den Grundstücken zu unterlassen. Sie ist hierzu von den Grundstückseigentümern ermächtigt.
[2] Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten ist vor dem Oberlandesgericht ohne Erfolg geblieben.
[3] Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Klageabweisung weiter; die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
[4] Entscheidungsgründe: I. Das Berufungsgericht hält die gewillkürte Prozessstandschaft der Klägerin für zulässig. Nach den Feststellungen des Landgerichts würden die Altkleidercontainer des Beklagten aufgrund ihres optischen Erscheinungsbildes häufig mit denjenigen der Klägerin verwechselt. Die Klägerin sei Mitbewerberin des Beklagten auf dem Gebiet der Altkleidersammlung. Die Parteien befänden sich somit in einer Konkurrenzsituation. Das genüge, um ein wirtschaftliches Interesse und damit das für eine gewillkürte Prozessstandschaft erforderliche schutzwürdige Eigeninteresse zu bejahen. Der Unterlassungsanspruch beruhe auf §§ 1004, 862 BGB.
[5] II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Klage ist unzulässig, da die Klägerin nicht prozessführungsbefugt ist (§ 51 ZPO).
[6] 1. Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts. Eine gewillkürte Prozessstandschaft ist zulässig, wenn der Prozessführende vom Rechtsinhaber zu dieser Art der Prozessführung ermächtigt worden ist und er ein eigenes schutzwürdiges Interesse an ihr hat (st. Rspr., vgl. Senat, Urteil vom 2. Oktober 1987 – V ZR 182/86, NJW-RR 1988, 126, 127; Urteil vom 3. Juli 1980 – IVa ZR 38/80, BGHZ 78, 1, 4; Urteil vom 24. Oktober 1985 – VII ZR 337/84, BGHZ 96, 151, 152 f.; Urteil vom 19. März 1987 – III ZR 2/86, BGHZ 100, 217, 218; Urteil vom 3. Dezember 1987 – VII ZR 374/86, BGHZ 102, 293, 296; so auch schon RGZ 91, 390, 395 f.). Das schutzwürdige Eigeninteresse ist gegeben, wenn die Entscheidung Einfluss auf die eigene Rechtslage des Prozessführungsbefugten hat (vgl. Senat, Urteil vom 2. Oktober 1987 – V ZR 182/86, NJW-RR 1988, 126, 127; BGH, Urteil vom 5. Februar 2009 – III ZR 164/08, NJW 2009, 1213 Rn. 21, insoweit in BGHZ 179, 329 nicht abgedruckt). Es kann auch durch ein wirtschaftliches Interesse begründet werden (BGH, Urteil vom 23. September 1992 – I ZR 251/90, BGHZ 119, 237, 242; Urteil vom 19. September 1995 – VI ZR 166/94, NJW 1995, 3186; Urteil vom 5. November 2015 – I ZR 91/11, WRP 2016, 596 Rn. 20).
[7] 2. Rechtsfehlerhaft meint das Berufungsgericht, diese Voraussetzungen seien gegeben.
[8] a) Allerdings ist die Klägerin durch die Grundstückseigentümer zur Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs ermächtigt worden. Die Ermächtigung ist auch wirksam. Dem steht nicht entgegen, dass der Anspruch aus § 1004 BGB untrennbar mit dem dinglichen Recht verbunden und nicht selbständig übertragbar ist (Senat, Urteil vom 23. Februar 1973 – V ZR 109/71, BGHZ 60, 235, 240; Staudinger/Gursky, BGB [2013], § 1004 Rn. 90) und dass auch der Anspruch wegen Besitzstörung aus § 862 BGB nicht isoliert, sondern nur dann abgetreten werden kann, wenn der Besitz an den Zessionar übertragen wird (BGH, Urteil vom 23. November 2007 – LwZR 5/07, NJW 2008, 580 Rn. 17; MüKoBGB/Joost, 6. Aufl., § 862 Rn. 8; Staudinger/Gutzeit, BGB [2012], § 862 Rn. 8). Die gewillkürte Prozessstandschaft setzt zwar in der Regel die Abtretbarkeit des geltend zu machenden Rechts voraus (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 1997 – XII ZR 278/95, FamRZ 1998, 357; Urteil vom 2. Dezember 2003 – VI ZR 243/02, NJW-RR 2004, 595, 597; Urteil vom 10. Februar 2010 – VIII ZR 53/09, NJW 2010, 2509 Rn. 27). In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist jedoch geklärt, dass ein Anspruch unter Umständen auch dann im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft geltend gemacht werden kann, wenn er nicht abtretbar ist (Senat, Beschluss vom 16. Januar 2014 – V ZB 12/13, NZM 2014, 267 Rn. 11; BGH, Urteil vom 25. Juli 2012 – XII ZR 22/11, Grundeigentum 2012, 1225 Rn. 23; Urteil vom 16. Juni 1999 – VII ZR 385/98, NJW 1999, 3707, 3708). Der Senat hat dies bejaht für den Grundbuchberichtigungsanspruch nach § 894 BGB (Urteil vom 2. Oktober 1987 – V ZR 182/86, NJW-RR 1988, 126, 127 mwN) und für den Herausgabeanspruch nach § 985 BGB (Urteil vom 12. Juli 1985 – V ZR 56/84, NJW-RR 1986, 158). Er hat dies auch für den Unterlassungsanspruch des Eigentümers aus § 1004 BGB angenommen (vgl. Urteil vom 1. März 2013 – V ZR 14/12, NJW 2013, 1809 Rn. 23). Das gilt für den Anspruch wegen Besitzstörung aus § 862 BGB gleichermaßen (so auch BeckOK-BGB/Fritzsche, 38. Edition, § 862 Rn. 2; aA OLG Brandenburg, Urteil vom 30. April 2008, 3 U 117/07, juris). Denn es besteht kein sachlicher Grund, den possessorischen Anspruch des Besitzers wegen Besitzstörung anders zu behandeln als den dinglichen Herausgabeanspruch des Eigentümers.
[9] b) Der Klägerin fehlt aber das für eine gewillkürte Prozessstandschaft erforderliche schutzwürdige Eigeninteresse.
[10] aa) Es ergibt sich, anders als das Berufungsgericht meint, nicht daraus, dass die Parteien Konkurrenten auf dem Altkleidersammelmarkt sind und die Altkleidercontainer des Beklagten mit denjenigen der Klägerin verwechselt werden können.
[11] (1) Das schutzwürdige Eigeninteresse des Prozessstandschafters muss sich auf das Recht beziehen, zu dessen Geltendmachung er ermächtigt worden ist. Geht es um die Beeinträchtigung eines Rechts, muss es in der Beseitigung der eingetretenen Beeinträchtigung bestehen. Das ist auch für die Anerkennung eines wirtschaftlichen Eigeninteresses erforderlich und bedeutet, dass nicht jedes wirtschaftliche Eigeninteresse des Prozessstandschafters ausreichend ist.
[12] Auch dieses muss sich aus der Beziehung zu dem fremden Recht ergeben. Die Zulässigkeit der klageweisen Geltendmachung eines fremden Rechts im eigenen Namen, bei der es sich um einen Ausnahmetatbestand handelt (vgl. statt aller Gursky in Festgabe 50 Jahre Bundesgerichtshof, 2000, 109, 112), findet nur dann ihre Rechtfertigung, wenn das Interesse des Prozesstandschafters auf die Verwirklichung gerade dieses Rechts gerichtet ist. Macht eine Partei den Unterlassungsanspruch eines Grundstückseigentümers aus § 1004 BGB bzw. aus § 862 BGB im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft geltend, muss sich das schutzwürdige Eigeninteresse daher auf die Beseitigung der Beeinträchtigung des Eigentums bzw. des Besitzes an dem Grundstück beziehen.
[13] (2) Das ist hier nicht der Fall. Das Eigeninteresse der Klägerin bezieht sich nicht auf die Beseitigung der von den Altkleidercontainern ausgehenden Beeinträchtigung des Eigentums oder des Besitzes an den Grundstücken der Ermächtigenden, sondern auf die Beendigung einer Wettbewerbssituation auf dem Altkleidersammelmarkt. Etwaige Wettbewerbsverstöße der Beklagten können das schutzwürdige Interesse aber nicht begründen. Die Vorschriften zum Schutz des Eigentums sind keine Marktverhaltensregelungen, die unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs als Wettbewerbsverstöße nach § 3, § 4 Nr. 11 UWG verfolgt werden könnten (BGH, Urteil vom 16. März 2006 – I ZR 92/03, GRUR 2006, 879 Rn. 13 mwN; vgl. auch Urteil vom 10. Dezember 1998 – I ZR 100/96, BGHZ 140, 183, 187 f.).
[14] Anders wäre es, wenn die Klägerin aufgrund einer Nutzungsvereinbarung mit den Grundstückseigentümern berechtigt wäre, (künftig) eigene Altkleidercontainer aufzustellen. Dann bestünde zwischen ihnen eine Rechtsbeziehung, aus der ein Interesse der Klägerin abgeleitet werden könnte, die Grundstücke von den störenden Altkleidercontainern des Beklagten frei zu machen.
[15] Vortrag zu einer solchen Nutzungsvereinbarung ist indes nicht aufgezeigt.
[16] bb) Die Revisionserwiderung macht ohne Erfolg geltend, das Interesse der Grundstückseigentümer, die Mühe der Rechtsverfolgung gegen den Beklagten nicht auf sich nehmen zu müssen, sei ausreichend.
[17] Das schutzwürdige Eigeninteresse kann zwar auch darin bestehen, dass der Prozessstandschafter wegen größerer Sachnähe den Rechtsstreit besser als der Gläubiger führen kann (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juni 1985 – I ZR 136/83, NJW 1986, 423; Urteil vom 3. Dezember 1987 – VII ZR 374/86, BGHZ 102, 293, 296). Das Interesse an einer wirtschaftlichen und technisch erleichterten Prozessführung allein ist dafür jedoch nicht ausreichend (BGH, Urteil vom 3. Juli 1980 – IVa ZR 38/80, BGHZ 78, 1, 4; Urteil vom 5. Februar 2009 – III ZR 164/08, NJW 2009, 1213 Rn. 21). Die Sachnähe muss vielmehr zu dem geltend gemachten Recht bestehen. Wie dargelegt, fehlt es hier daran.
[18] III. Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil es keiner weiteren Feststellungen bedarf und die Sache zur Entscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Klage ist mangels Prozessführungsbefugnis der Klägerin als unzulässig abzuweisen.
[19] Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.