Bundesgerichtshof
StGB § 7, § 239; StGBEG Art. 315
Ein Bürger der Bundesrepublik Deutschland, der Fluchtpläne eines DDR-Bürgers denunziert und so dessen Inhaftierung bewirkt hat, kann wegen Freiheitsberaubung unabhängig davon bestraft werden, ob er dabei eine offensichtliche, schwere Menschenrechtsverletzung in seinen Vorsatz aufgenommen hat, die auch eine Strafbarkeit der verantwortlichen DDR-Richter wegen Rechtsbeugung begründete (Abgrenzung von BGH, 29. April 1994, 3 StR 528/93, BGHSt 40, 125 und BGH, 8. Februar 1995, 5 StR 157/94, NStZ 1995, 288).

BGH, Urteil vom 23. 10. 1996 – 5 StR 183/95; LG Berlin (lexetius.com/1996,405)

[1] Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 17. Oktober 1994 wird verworfen.
[2] Der Angeklagte hat die Kosten seiner Revision zu tragen.
[3] Gründe: Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Freiheitsberaubung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt.
[4] I. Der Angeklagte, der in Berlin (West) lebte, lernte 1977/1978 bei einem Aufenthalt in Ost Berlin eine DDR – Bürgerin kennen, mit der er sich später verlobte. Er besuchte die Frau in der Folgezeit vom Westteil der Stadt aus regelmäßig. Anläßlich eines dieser Besuche wurde er im Mai 1978 als sogenannter "Zeitüberschreiter" am Grenzübergang von den DDR – Behörden festgehalten. Dabei wurde er von Mitarbeitern des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) darauf angesprochen, ob er bereit sei, inoffizieller Mitarbeiter (IM) des MfS zu werden. Der Angeklagte erklärte sich nach einigem Überlegen dazu bereit und unterzeichnete im November 1978 eine entsprechende Verpflichtungserklärung. Er versprach sich hiervon geschäftliche Vorteile und hoffte, durch die Zusammenarbeit mit dem MfS weiter ungestört oder gar leichter die Verbindung zu seiner Verlobten pflegen, möglicherweise ihre Ausreise in den Westen durchsetzen zu können. Die Frau durfte nach der Geburt eines gemeinsamen Kindes im Sommer 1979 nach Berlin (West) ausreisen und erhielt die Erlaubnis, regelmäßig ihre Familie im Ostteil der Stadt zu besuchen.
[5] Der Angeklagte, der bereits eine Fluchthilfeorganisation für das MfS ausgekundschaftet hatte, lernte im November 1980 anläßlich eines Treffens seiner Verlobten mit einer Schulfreundin deren damaligen Freund, den seinerzeitigen Weltrekordhalter im Diskuswerfen W. S. kennen. Dieser faßte Vertrauen zu dem Angeklagten und äußerte ihm gegenüber alsbald, daß er sich in der DDR nicht mehr wohl fühle und lieber in der Bundesrepublik leben wolle. Der Angeklagte informierte das MfS Anfang 1981 über nähere Fluchtvorstellungen des Athleten. Er hielt das MfS auch anschließend über fortlaufende Planungen S. auf dem laufenden. Im Sommer 1982 trug der Spitzensportler an den Angeklagten den konkreten Plan heran, mit einem von einem amerikanischen Piloten geflogenen Hubschrauber die DDR zu verlassen; der Angeklagte solle ihm dies vermitteln. Als der Angeklagte das MfS davon unterrichtete, wurde S. festgenommen und im Oktober 1982 wegen "Vorbereitung zum ungesetzlichen Grenzübertritt im schweren Fall" zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die Freiheitsstrafe mußte der Verfolgte bis Oktober 1983 verbüßen.
[6] Wesentliche Grundlage der Verurteilung waren die Informationen des Angeklagten. Der Angeklagte war sich bei seinem gesamten Verhalten darüber im klaren, daß seine Berichte zur Verfolgung und Inhaftierung W. S.' s führen konnten; er hatte dies billigend in Kauf genommen.
[7] II. Das Landgericht sieht darin eine in mittelbarer Täterschaft (§ 25 Abs. 1 StGB, zweite Variante) durch eine – verjährte – politische Verdächtigung (§ 241a StGB) begangene Freiheitsberaubung im besonders schweren Fall (§ 239 Abs. 2 StGB), auf die gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB das Strafrecht der Bundesrepublik anzuwenden ist. Hiergegen wendet sich die Revision des Angeklagten mit der Sachrüge und einer Verfahrensrüge. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Der näheren Ausführung bedarf nur folgendes:
[8] Das Landgericht hat mit Recht § 239 StGB (und nicht § 131 StGB – DDR) zur Verurteilung herangezogen. Diese Vorschrift galt für den Angeklagten zur Tatzeit (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB); er war "Deutscher", und die Tat war am Tatort in der DDR mit Strafe bedroht (§ 131 StGB – DDR).
[9] Das DDR – Recht kannte allerdings keinen "Täter hinter dem Täter". Mittelbare Täterschaft setzte nach § 22 Abs. 1 StGB – DDR ein "selbst nicht verantwortliches Werkzeug" voraus. Deshalb wäre hier wohl Anstiftung in Betracht zu ziehen (vgl. BGHSt 40, 218, 231). Das bleibt indes unschädlich. Die "identische Strafnorm" im Sinne des § 7 Abs. 2 StGB ist unabhängig von der rechtlichen Konstruktion der strafrechtlichen Haftung gegeben. "Mit Strafe bedroht" bedeutet lediglich, daß das Tatortrecht unter irgendeinem rechtlichen Gesichtspunkt eine Bestrafung für die Tat vorsieht (vgl. BGHSt 2, 160, 161). Es ist nicht einmal eine – hier in Gestalt des § 131 StGB – DDR sogar gegebene – identische Norm erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 12. September 1996 – 4 StR 173/96; Niemöller NStZ 1993, 171 ff.; jeweils m. w. N.). Die Regelungen und Auslegungen, die in der DDR unter Umständen zur Nichtanwendung des § 131 StGB – DDR geführt hätten, stehen der Verurteilung des Angeklagten nicht entgegen, weil sie auf nicht rechtsstaatliche Wertungen zurückgehen, welche die Anwendung des Rechts der Bundesrepublik Deutschland nicht hindern können.
[10] Die Erwägungen zum Strafanwendungsrecht in BGHSt 40, 125, denen sich der erkennende Senat angeschlossen hat (BGH NStZ 1995, 288), stehen dieser Betrachtung nicht entgegen; sie betreffen lediglich Taten, die ein DDR – Bürger in der DDR begangen hat, nicht aber in der DDR begangene Taten eines Bürgers der Bundesrepublik Deutschland. Angesichts der Regelung in Art. 315 Abs. 4 EGStGB kommt hier auch mit Rücksicht auf § 2 StGB keine Anwendung des DDR – Rechts in Betracht (vgl. BGHSt 39, 317, 319 ff.).
[11] 1. Ein Anzeigeerstatter kann mittelbarer Täter einer Freiheitsberaubung sein, wenn der von ihm Angezeigte aufgrund dadurch bewirkter behördlicher Maßnahmen inhaftiert wird. Dies ist für wahrheitswidrige Anzeigen seit jeher anerkannt (vgl. RGSt 13, 426; sowie m. w. N. von RG – Rspr. BGHSt 3, 4; 10, 306). Eine strafrechtliche Haftung des Anzeigenden kommt aber auch bei einer inhaltlich wahren Anzeige in Betracht, wenn sich die gegen den Angezeigten ergriffenen Maßnahmen ungeachtet der zutreffenden Sachverhaltsermittlung als rechtswidrig darstellen; etwa bei einer in den Vorsatz des mittelbaren Täters aufgenommenen rechtsbeugerischen Bestrafung des Betroffenen; namentlich wenn der Täter bewußt einen rechtswidrig handelnden Staatsapparat für die Verfolgung eigener Ziele ausnutzt (vgl. BGHSt 3, 110; 4, 66; zuletzt BGHSt 40, 218, 237). Eine strafrechtliche Haftung des Anzeigeerstatters im Falle einer (auch "wahrheitsgemäßen") politischen Verdächtigung ist in § 241a StGB ausdrücklich vorgesehen; sie wurde von der Rechtsprechung insbesondere bei Anzeigen wegen "Republikflucht" angenommen (vgl. BGHSt 14, 104).
[12] 2. Die eine Strafbarkeit des Anzeigeerstatters einschränkenden Grundsätze der Entscheidung BGHSt 40, 125, denen der erkennende Senat gleichfalls folgt (NStZ 1995, 288; Urteil vom heutigen Tage – 5 StR 695/95 -), sind auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Danach hat sich ein DDR – Bürger jedenfalls dann nicht wegen Freiheitsberaubung strafbar gemacht, wenn er von einer geplanten "Republikflucht" glaubhaft Kenntnis erlangt und sich darauf beschränkt hat, dies – womöglich mit Rücksicht auf das Gebot aus § 225 Abs. 1 und 4 StGB – DDR – bei einer Dienststelle der Sicherheitsorgane der DDR zur Anzeige zu bringen und in einem späteren DDR – Strafverfahren als Zeuge zu bekunden; Prüfungsmaßstab für das Merkmal der Rechtswidrigkeit ist insoweit das Recht der DDR (vgl. BGHSt 40, 125, 134).
[13] Diese zu "Denunzianten – Fällen" bereits ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann aber nur Geltung für DDR – Bürger im Rahmen des auf sie – unbeschadet der Regelung in Art. 315 Abs. 1 EGStGB – anzuwendenden § 131 StGB – DDR beanspruchen. Einem von vornherein (Art. 315 Abs. 4 EGStGB) unter der Strafdrohung des § 239 StGB stehenden Bürger der Bundesrepublik Deutschland kommt sie nicht zugute. Für ihn bleibt die Rechtsordnung verbindlich, in der er lebt.
[14] a) Gemessen an der danach maßgeblichen Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland war die Inhaftierung des Geschädigten rechtswidrig. Ein Grund, welcher die Freiheitsentziehung im vorliegenden Fall rechtfertigen könnte, ist nicht zu erkennen. Namentlich stellt die von der DDR – Justiz zur Inhaftierung des Verfolgten herangezogene Strafvorschrift des § 213 StGB – DDR keine gesetzliche Rechtfertigung der Freiheitsberaubung dar.
[15] aa) Allerdings kann das Tatortrecht bei der Beurteilung von gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB nach dem Strafrecht der Bundesrepublik Deutschland verfolgbaren Taten grundsätzlich zugunsten des Täters berücksichtigt werden. Insbesondere muß ein Richter bei der Strafzumessung regelmäßig Rücksicht auf Art und Maß des Tatortrechts nehmen (vgl. BGHSt 39, 317, 321 m. w. N.). Inwieweit darüber hinaus auch die einer materiellen Strafbarkeit der tatbestandlichen Handlung am Tatort entgegenstehenden Rechtssätze – seien sie materiellrechtlichen oder prozeßrechtlichen Charakters – Beachtung finden müssen, wird zum Teil kontrovers diskutiert (vgl. BGHSt 32, 293, 299; Eser JZ 1993, 875). Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe oder sonstige Straffreistellungen nach Tatortrecht müssen – zumal im Rahmen des neben dem Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege wesentlich auch dem aktiven Personalitätsprinzip verpflichteten § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB (zum Grundgedanken der Vorschrift vgl. Tröndle in LK 10. Aufl. 7 Rdn. 1 m. N. für die unterschiedlichen Ansichten) – jedenfalls dort ihre Grenze finden, wo sie mit international anerkannten Rechtsgrundsätzen in Widerspruch geraten (vgl. OLG Düsseldorf NJW 1979, 59, 63; 1983, 1277, 1278).
[16] Der in der Literatur vertretenen Auffassung, Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe am Tatort sowie in prozessuale Form gekleidete materiellrechtliche Strafbarkeitsvoraussetzungen seien in jedem Falle, also auch bei Verstößen gegen allgemein anerkannte Rechtsgrundsätze zu beachten (so Jakobs, Strafrecht AT 2. Aufl. S. 116 m. w. N.), folgt der Senat nicht. Bei dem mit Rücksicht auf das aktive Personalitätsprinzip eröffneten Strafanspruch geht es um Taten, welche die Ordnung des strafenden Staates stören (insoweit zutreffend Jakobs aa0 S. 111). Deshalb sind die Bestimmungen dieses seinen Strafanspruch geltend machenden Staates über etwaige Straffreistellungen tatbestandlichen Handelns entscheidend; sie können nicht ausnahmslos durch Wertvorstellungen der anderen Rechtsordnung verdrängt werden; insbesondere dann nicht, wenn diese Wertvorstellungen den eigenen kraß zuwiderlaufen.
[17] bb) Ein solcher offensichtlicher Widerspruch zu international anerkannten Rechtsgrundsätzen ist bei der DDR – Strafvorschrift gegen den "Ungesetzlichen Grenzübertritt" gegeben. Die Ausreisefreiheit, gegen die sich der Straftatbestand des § 213 StGB – DDR namentlich richtete, ist in völkerrechtlichen Konventionen und Abkommen, etwa in Art. 13 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 und in Art. 12 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966 (IPBürgR), als Menschenrecht anerkannt. Dieses Recht darf zwar gesetzlichen Einschränkungen unterworfen werden, die aber Ausnahmecharakter haben müssen und keinesfalls die Substanz des Rechtes zerstören dürfen. Die einengende Handhabung dieses Rechts durch die Gesetze und die Behörden der DDR, die einen Ausreiseanspruch nur in eng begrenzten Ausnahmefällen anerkannten, entsprach nicht dem Geist jener auch von der DDR anerkannten völkerrechtlichen Abkommen (vgl. BHGSt 39, 1, 16 ff.; 40, 272, 278; 41, 247, 258). Einen wesentlichen Teil des danach offensichtlich menschenrechtswidrigen, durch "Mauer, Stacheldraht, Todesstreifen und Schießbefehl" gekennzeichneten (vgl. BVerfGE 36, 1, 35; BGHSt 39, 1, 20) Grenzregimes der DDR bildete die Strafvorschrift des § 213 StGB – DDR. Einer solchen Bestimmung, durch deren Anwendung bereits die bloße Inanspruchnahme der Ausreisefreiheit nach dem Recht des Tatorts zur Verhängung einer längeren Haftstrafe führen konnte, muß die Anerkennung im Rahmen des § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB versagt werden.
[18] Auch wenn den Angeklagten formal in der DDR eine Anzeigepflicht nach § 225 StGB – DDR getroffen haben mag – der er sich faktisch unschwer und gefahrlos hätte entziehen können –, ändert dies an der Beurteilung der Rechtswidrigkeit und der Schuld des Angeklagten nichts (so schon BGHSt 32, 293, 299). Auch die Anzeigepflicht war Ausfluß der insgesamt rechtsstaatswidrigen Ausreisegesetzgebung der DDR. Alle in diesem Zusammenhang relevanten Tatsachen waren dem Angeklagten bekannt. Notstand war für ihn ersichtlich nicht gegeben (vgl. BGHSt 40, 125, 137).
[19] b) Es mag sein, daß sich die an der Verurteilung des Verfolgten beteiligten Richter und Staatsanwälte der DDR nicht wegen Rechtsbeugung (§ 336 StGB, § 244 StGB – DDR) strafbar gemacht haben (vgl. BGHSt 40, 272, 278; 41, 247, 265; BGH NStZ 1995, 288; Senatsurteil vom 15. September 1995 – 5 StR 68/95 -); das ist jedoch hier unerheblich. Die Frage, ob die durch den Vollzug eines Strafurteils herbeigeführte Folge rechtmäßig oder rechtswidrig war, ist zwar bei Anzeige eines wahren Sachverhalts und dessen zutreffender richterlicher Ermittlung in einem für sich nicht zu beanstandenden Verfahren grundsätzlich für alle Beteiligten – den Anzeigenden, den Polizeibeamten, den Staatsanwalt und den Richter – nur einheitlich zu entscheiden (vgl. BGHSt 3, 110). Dieser Grundsatz kann aber von vornherein nur für diejenigen Personen gelten, für die dasselbe Recht maßgeblich ist wie für den Richter. Während er daher den nach DDR – Recht zu beurteilenden eine Fluchtvorbereitung denunzierenden DDR-Bürgern zugute kommen muß (vgl. BGHSt 40, 125; BGH NStZ 1995, 288; Senatsurteil vom heutigen Tage – 5 StR 695/95 -), kann er für Bürger der Bundesrepublik Deutschland, für die, wie vorliegend für den Angeklagten, nicht DDR – Recht maßgeblich ist, gerade nicht gelten. Ob konsequent auch die nach BGHSt 40, 125, 136 f.; BGH NStZ 1995, 288, 289 vorzunehmenden tatbestandlichen Einschränkungen des § 241a StGB nur für DDR – Bürger gelten, bedarf – da insoweit Teilverjährung eingetreten ist – hier keiner Entscheidung.
[20] Die auf die Begehung schwerer Menschenrechtsverletzungen begrenzte Strafverfolgung gegen Justizangehörige der DDR nach der Vereinigung Deutschlands besagt nicht, daß die in die Menschenrechte der Betroffenen eingreifenden Entscheidungen der DDR – Justiz unterhalb des offensichtlichen Willküraktes rechtmäßig gewesen wären. Der erkennende Senat hat bei der Beurteilung des staatlich verübten Unrechts in der DDR ausgesprochen, daß in Fällen der hier zu beurteilenden politisch motivierten Strafverfolgung Menschen auf vielfältige Weise – namentlich durch gravierende Eingriffe in ihre persönliche Freiheit mit schwer oder gar nicht wiedergutzumachenden Folgeschäden – zu Opfern einer rechtsstaatswidrigen Strafjustiz (vgl. Art. 17 Satz 2 EinigungsV) geworden sind und daß ein der Idee der Gerechtigkeit verpflichteter Rechtsstaat auf solches Unrecht in angemessener Weise reagieren muß (BGHSt 41, 247, 252). Er hat darüber hinaus keinen Zweifel daran gelassen, daß die Heranziehung der einschlägigen Strafbestimmungen des "politischen Strafrechts" rechtsstaatswidrig gewesen ist (vgl. BGHSt 41, 247, 258; s. auch § 1 Abs. 1 Nr. 1 StrRehaG).
[21] Die außerhalb dieser Rechtswidrigkeitsebene angesiedelten Erwägungen, die aus Gründen des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes – namentlich mit Blick auf Art. 103 Abs. 2 GG – eine Beschränkung der Strafverfolgung von DDR – Bürgern gebieten, treffen für den Angeklagten als Bürger der Bundesrepublik nicht zu. Für ihn hat sich die strafrechtliche Beurteilung seines Handelns von Anfang an nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland gerichtet und durch den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik nicht geändert. Ein schützenswertes Vertrauen ist insoweit nicht zu erkennen. Vielmehr bleibt es hier bei dem Grundsatz, daß im Rahmen des Art. 103 Abs. 2 GG die Frage, ob die Strafbarkeit einer Tat gesetzlich bestimmt war, in erster Linie aufgrund des Strafrechts der Bundesrepublik Deutschland zu beurteilen ist; das gilt auch für die Fälle, in denen dieses Strafrecht im Hinblick auf denselben Sachverhalt mit anderen Rechtsordnungen konkurriert; Art. 103 Abs. 2 GG ist danach nicht verletzt, wenn die fremde Rechtsordnung eine dem konkurrierenden Recht der Bundesrepublik Deutschland entsprechende Strafvorschrift nicht enthält oder das nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland strafbare Verhalten sogar ausdrücklich rechtfertigt; auch soweit sich der Anwendungsbereich des Strafrechts der Bundesrepublik Deutschland auf Sachverhalte erstreckt, die hinsichtlich des Tatorts, des Täters oder des Verletzten internationale Bezüge aufweisen, ist die Beachtung des Verbots rückwirkender Strafgesetze grundsätzlich auf der Grundlage des innerstaatlichen Rechts zu beurteilen (vgl. BVerfGE 92, 277, 324).
[22] 3. Die Entscheidung entspricht dem Antrag des Generalbundesanwalts.