Bundesverwaltungsgericht
Recht der Ämter für Verfassungsschutz
Beobachtung durch Amt für Verfassungsschutz; freiheitliche demokratische Grundordnung; nachrichtendienstliche Mittel; Parteienprivileg; politische Partei; Selbstbestimmungsrecht; "streitbare Demokratie"; Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen; Verfassungsschutz; Verhältnismäßigkeit
Gesetz über den Verfassungsschutz im Lande Niedersachsen (Niedersächsisches Verfassungsschutzgesetz – NVerfSchG) vom 3. November 1992 (Nds. GVBl S. 283), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. November 1997 (Nds. GVBl S. 481) § 3 Abs. 1, §§ 4, 5, 6, 15; GG Art. 21, 73 Nr. 10
1. Es ist mit dem Grundgesetz grundsätzlich vereinbar, daß das Landesamt für Verfassungsschutz unter den im Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetz festgelegten Voraussetzungen den Landesverband einer politischen Partei beobachtet.
2. Die Beobachtung mit nachrichtendienstlichen Mitteln stellt einen schwerwiegenden Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht einer politischen Partei dar und bedarf besonderer Rechtfertigung im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

BVerwG, Urteil vom 7. 12. 1999 – 1 C 30.97; OVG Lüneburg; VG Hannover (lexetius.com/1999,424)

[1] In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. Oktober 1999 durch den Vorsitzenden Richter Meyer und die Richter Gielen, Dr. Mallmann, Dr. Hahn und Dr. Gerhardt für Recht erkannt:
[2] Das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 26. Juni 1997 wird aufgehoben, soweit es nicht die Einstellung des Verfahrens betrifft. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.
[3] Gründe: I. Der Kläger wendet sich dagegen, daß ihn das Landesamt für Verfassungsschutz des Beklagten (LfV) aufgrund ministerieller Genehmigungen vom 4. Januar 1993 und 9. August 1996 mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet.
[4] Der Kläger hat am 8. März 1993 Klage mit dem Ziel erhoben, dem Beklagten zu untersagen, ihn mit nachrichtendienstlichen Mitteln zu beobachten. Nachdem der Beklagte erklärt hatte, daß nur die nachrichtendienstlichen Mittel der Inanspruchnahme von Vertrauensleuten, sonstigen geheimen Informanten und Gewährspersonen sowie verdeckter Ermittlungen und Befragungen (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 5 NVerfSchG) eingesetzt würden und der Kläger über die Absicht einer Beobachtung mit darüber hinausgehenden Mitteln unterrichtet werde, haben die Parteien den Rechtsstreit für erledigt erklärt, soweit er den Einsatz der anderen in § 6 NVerfSchG genannten nachrichtendienstlichen Mittel betroffen hatte. Im übrigen hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben, weil keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für Bestrebungen vorgelegen hätten, die sich wie es nach der seinerzeit maßgeblichen Rechtslage erforderlich gewesen wäre in aktiv kämpferischer, aggressiver Weise gegen einen zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung zählenden Verfassungsgrundsatz richteten. Den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts gemäß § 130 a VwGO, mit dem die Berufung des Beklagten zurückgewiesen worden ist, hat der Senat mit Beschluß vom 9. Januar 1995 BVerwG 1 B 231.94 u. 1 C 34.94 (Buchholz 402. 7 BVerfSchG Nr. 5) wegen eines Verfahrensmangels aufgehoben und den Rechtsstreit an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
[5] Die Voraussetzungen für das Einschreiten des LfV sind durch Gesetz vom 4. April 1995 (Nds. GVBl S. 103) mit Wirkung zum 8. April 1995 geändert worden. Die Parteien haben den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt, soweit er sich auf den davor liegenden Zeitraum bezieht. Insoweit hat das Oberverwaltungsgericht das Verfahren eingestellt. Im übrigen hat es das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:
[6] Voraussetzung der dem LfV u. a. als Aufgabe zugewiesenen Sammlung und Auswertung von Informationen über Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung sei das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte, die, insgesamt betrachtet und unter Einbeziehung nachrichtendienstlicher Erfahrungen, den Verdacht einer solchen Bestrebung rechtfertigten. Es begegne keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, daß unter den gesetzlichen Voraussetzungen auch eine politische Partei im Sinne des Art. 21 GG mit Mitteln des Verfassungsschutzes beobachtet werden dürfe. Es könne zweifelhaft erscheinen, ob sich derzeit tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung wegen der Zielsetzungen des Klägers in der Ausländerpolitik feststellen ließen. Gleiches gelte für die Auffassung des Beklagten, der Kläger vertrete eine "Volksgemeinschaftsideologie" und wende sich gegen das Recht auf ungestörte Religionsausübung von Muslimen. Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Zielsetzungen ergäben sich jedenfalls aus der ständigen Verwendung des Begriffes der "Umerziehung" für die Wiederbegründung der deutschen Demokratie nach 1945 und aus den abwertenden Äußerungen über die anderen Parteien und deren Politiker in ihrer Gesamtheit. Diese Agitationen stünden im Widerspruch zum Mehrparteiensystem, das nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den grundlegenden Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gehöre und damit vom entsprechenden Begriff in § 4 Abs. 3 NVerfSchG erfaßt werde.
[7] Der Kläger führt zur Begründung seiner vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision im wesentlichen aus: Aus Art. 21 Abs. 2 GG folge, daß eine Partei nur nachrichtendienstlich beobachtet werden dürfe, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht aggressiv-kämpferischen Vorgehens gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vorlägen, m. a. W. ein "Anfangsverdacht" für die Verfassungswidrigkeit der Partei bestehe. Auch unter der Verbotsschwelle liegende Verfolgungsmaßnahmen könnten die verfassungsrechtlich gewährleistete Funktionsfähigkeit einer Partei aushöhlen. Die nachrichtendienstliche Beobachtung sei nicht zu vergleichen mit faktischen Beeinträchtigungen wie etwa der Bezeichnung einer Partei als verfassungsfeindlich. Vielmehr handele es sich um ein zielgerichtetes administratives Einschreiten gegen eine politische Partei, mithin um einen Eingriff in die Rechte aus Art. 21 GG. Die Ansicht, die Aufgabe der Verfassungsschutzbehörden, verfassungsfeindliche Bestrebungen zu beobachten und die Öffentlichkeit über sie zu informieren, rechtfertige auch die Beobachtung politischer Parteien, sei mit Art. 21 GG nicht zu vereinbaren. Soweit das Berufungsgericht dem Kläger vorhalte, er trete gegen ein angelsächsisches Demokratieverständnis an, rechtfertige dies nicht den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen, weil ein abweichendes Demokratieverständnis mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar sei. Ebensowenig könne aus einer Kritik am Reeducation-Programm der amerikanischen Besatzungsmacht unter Verwendung des Begriffes der "Umerziehung" der Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen hergeleitet werden. Der Kläger bestreite damit auch nicht die Legitimität der freiheitlichen Demokratie der Bundesrepublik Deutschland. Ferner agitiere der Kläger nicht gegen andere Parteien und Politiker in ihrer Gesamtheit, vielmehr greife er die berechtigte Kritik an Fehlentwicklungen auf; die etablierten Parteien seien nicht Schutzobjekt der freiheitlichen demokratischen Grundordnung.
[8] Der Kläger beantragt, das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 26. Juni 1997 abzuändern und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 29. November 1993 zurückzuweisen, soweit das Verfahren nicht durch übereinstimmende Erledigungserklärungen beendet worden ist.
[9] Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
[10] Er führt im wesentlichen aus: Die für ein Parteien- und Vereinsverbot entwickelte Voraussetzung des aktiv kämpferischen, aggressiven Vorgehens folge aus dem Gewicht des Eingriffs. Sie sei bei weniger einschneidenden staatlichen Maßnahmen wie der Beobachtung durch den Verfassungsschutz nicht gerechtfertigt. Diese diene der Verwirklichung des auch in Art. 21 Abs. 2 GG angelegten Prinzips der streitbaren Demokratie. Sie erlaube zum einen die politische Auseinandersetzung mit einer verfassungsfeindlichen Partei. Zum anderen müßten Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung frühzeitig erkannt werden, damit sie bekämpft werden könnten. Es gehe nicht in erster Linie um die Vorbereitung eines Parteiverbotes. Das Recht und die faktische Möglichkeit einer politischen Partei, sich zur Wahl zu stellen und sich dem Bürger nach ihrem Selbstverständnis darzustellen, würden durch die nachrichtendienstliche Beobachtung nicht beeinträchtigt. Die mit ihr verbundenen faktischen Nachteile müßten hingenommen werden, wenn sie wie hier auf gesetzlicher Grundlage beruhten und nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsprinzips auf überwiegende Allgemeininteressen zurückzuführen seien. Es lägen tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht auf Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vor. Der Kläger greife Institutionen und Repräsentanten der freiheitlichen Demokratie in pauschal polemischer und diffamierender Weise an und verfolge ein mit dem repräsentativ-pluralistischen unvereinbares Demokratieverständnis. Das Revisionsvorbringen lasse eine fehlerhafte Rechtsanwendung durch die Vorinstanz nicht erkennen. Zudem folge aus den vom Oberverwaltungsgericht nicht gewürdigten Dokumenten, daß der Kläger sich gegen das Recht auf freie Religionsausübung richte und Ausländer diskriminiere.
[11] Der Oberbundesanwalt vertritt die Auffassung, es sei mit Art. 21 Abs. 2 GG vereinbar, gegen eine politische Partei nachrichtendienstlich verdeckt bereits dann einzuschreiten, wenn Anhaltspunkte für ihre Verfassungsfeindlichkeit bestünden, und nicht erst bei unterstellter Verfassungswidrigkeit. Er legt dar, daß der Aufklärung der Verfassungsfeindlichkeit einer Partei gerade auch unter Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel erhebliche praktische Bedeutung zukomme.
[12] II. Die Revision führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit das Verfahren nicht bereits eingestellt ist. Das Berufungsurteil steht zwar mit revisiblem Recht in Einklang, soweit es die Grundvoraussetzungen für eine Beobachtung des Klägers durch das LfV mit nachrichtendienstlichen Mitteln für gegeben erachtet. Das Berufungsgericht hat jedoch nicht geprüft, ob der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel im vorliegenden Fall dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Zur Klärung der dafür erforderlichen tatsächlichen Grundlagen ist die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
[13] 1. Das Berufungsgericht hat die Rechtsgrundlage für die Beobachtung des Klägers mit nachrichtendienstlichen Mitteln in Vorschriften des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Lande Niedersachsen (Niedersächsisches Verfassungsschutzgesetz – NVerfSchG) vom 3. November 1992 (Nds. GVBl S. 283) in der Fassung des Gesetzes vom 4. April 1995 (Nds. GVBl S. 103) gesehen. Auf die weitere Änderung des Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetzes durch das Gesetz vom 21. November 1997 (Nds. GVBl S. 481) kommt es hier nicht an.
[14] Gemäß § 6 Abs. 1 NVerfSchG darf das LfV zur heimlichen Informationsbeschaffung, insbesondere zur heimlichen Erhebung personenbezogener Daten, bestimmte nachrichtendienstliche Mittel einsetzen. Dazu gehören die hier vorgesehenen Mittel der Inanspruchnahme von Vertrauensleuten, sonstigen geheimen Informantinnen und Informanten und Gewährspersonen (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 NVerfSchG) sowie der verdeckten Ermittlungen und Befragungen (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 NVerfSchG). Die Anwendung dieser Mittel ist nach § 6 Abs. 2 NVerfSchG von bestimmten Voraussetzungen abhängig. Gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 1 NVerfSchG dürfen die Mittel nach Absatz 1 nur angewendet werden, wenn sich ihr Einsatz gegen Personenzusammenschlüsse, in ihnen oder für sie tätige Personen richtet, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen oder Tätigkeiten nach § 3 Abs. 1 NVerfSchG vorliegen. § 3 Abs. 1 NVerfSchG beschreibt die Aufgabe des LfV. Dazu gehört gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 NVerfSchG die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sach- und personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen, über Bestrebungen, die u. a. gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. § 4 NVerfSchG enthält dazu Begriffsbestimmungen. Bestrebungen im Sinne dieser Vorschrift sind gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 NVerfSchG politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß, wobei für einen Personenzusammenschluß handelt, wer ihn in seinen Bestrebungen nachdrücklich unterstützt. Die ursprünglich vorgesehene Einschränkung, derzufolge Bestrebungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 NVerfSchG nur solche Verhaltensweisen sind, die auf Anwendung von Gewalt gerichtet sind oder sich in aktiv kämpferischer, aggressiver Weise gegen einen der in Absatz 3 genannten Verfassungsgrundsätze richten, ist mit dem erwähnten Gesetz vom 4. April 1995 aufgehoben worden. Als Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 NVerfSchG bezeichnet § 4 Abs. 2 Nr. 3 NVerfSchG solche, die darauf gerichtet sind, einen der in Absatz 3 genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen. Zu den in § 4 Abs. 3 NVerfSchG aufgezählten Verfassungsgrundsätzen gehören u. a. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen (Nr. 1), das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition (Nr. 3) und die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung (Nr. 4).
[15] Der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel im Sinne des § 6 Abs. 1 NVerfSchG ist in § 6 Abs. 3 bis 7 NVerfSchG näher geregelt. Hier von Bedeutung ist namentlich § 6 Abs. 4 NVerfSchG. Danach ist eine Informationsbeschaffung mit diesen Mitteln unzulässig, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere, die Betroffenen weniger beeinträchtigende Weise möglich ist; dies ist in der Regel anzunehmen, wenn die Information aus allgemein zugänglichen Quellen oder durch ein Ersuchen nach § 15 Abs. 3 NVerfSchG gewonnen werden kann. Die Anwendung eines Mittels nach § 6 Abs. 1 NVerfSchG darf nicht erkennbar außer Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhalts stehen, insbesondere nicht außer Verhältnis zu der Gefahr, die von der jeweiligen Bestrebung oder Tätigkeit nach § 3 Abs. 1 NVerfSchG ausgeht oder ausgehen kann. Die Maßnahme ist unverzüglich zu beenden, wenn ihr Zweck erreicht ist oder sich Anhaltspunkte dafür ergeben, daß er nicht oder nicht auf diese Weise erreicht werden kann.
[16] Für die Informationsbeschaffung aus allgemein zugänglichen Quellen gilt die allgemeine Befugnisnorm des § 5 Abs. 1 NVerfSchG. Danach darf das LfV vorbehaltlich besonderer Regelungen die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten erheben und weiter verarbeiten. Voraussetzung für die Sammlung von Informationen im Sinne des § 3 Abs. 1 NVerfSchG ist das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte, die, insgesamt betrachtet und unter Einbeziehung nachrichtendienstlicher Erfahrungen, den Verdacht einer der in § 3 Abs. 1 NVerfSchG genannten Bestrebungen oder Tätigkeiten rechtfertigen. § 5 Abs. 2 bis 5 NVerfSchG grenzen die allgemeinen Befugnisse des LfV u. a. zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein.
[17] Das in § 6 Abs. 4 NVerfSchG angesprochene Ersuchen des LfV nach § 15 Abs. 3 NVerfSchG hat zum Gegenstand die Übermittlung der zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten durch die Behörden des Landes, insbesondere die Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden. Das LfV darf ein solches Ersuchen stellen, wenn die Informationen nicht aus allgemein zugänglichen Quellen oder nur mit übermäßigem Aufwand oder nur durch eine die betroffene Person stärker belastende Maßnahme erhoben werden können (§ 15 Abs. 3 Satz 2 NVerfSchG). In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, daß die Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden, unter engeren Voraussetzungen auch die sonstigen Landesbehörden von sich aus dem LfV Informationen einschließlich personenbezogener Daten über Bestrebungen nach § 3 Abs. 1 NVerfSchG übermitteln, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben des LfV erforderlich ist (vgl. § 15 Abs. 1, 2 NVerfSchG).
[18] 2. Das Berufungsgericht hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht erkannt, daß das LfV unter den genannten Voraussetzungen auch eine politische Partei mit den hier in Rede stehenden nachrichtendienstlichen Mitteln beobachten darf.
[19] a) Die auf den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen gestützte Beobachtung einer politischen Partei durch ein Amt für Verfassungsschutz stellt keine Maßnahme dar, die mit Art. 21 Abs. 2 Satz 2 GG unvereinbar wäre. Nach dieser Vorschrift entscheidet ausschließlich das Bundesverfassungsgericht über die Frage der Verfassungswidrigkeit politischer Parteien. Vor Ergehen einer solchen Entscheidung ist ein administratives Einschreiten gegen den Bestand einer politischen Partei ausgeschlossen. Gegen die Partei, ihre Funktionäre, Mitglieder und Anhänger dürfen wegen ihrer mit allgemein erlaubten Mitteln arbeitenden parteioffiziellen Tätigkeiten keine rechtlichen Sanktionen angedroht oder verhängt werden (vgl. BVerfGE 39, 334 [357 f.]; 40, 287 [291]; 63, 266 [305 f.]; vgl. auch BVerwGE 106, 177 [183]). Die Beobachtung durch ein Amt für Verfassungsschutz ist keine solche Maßnahme, sondern dient der Aufklärung des Verdachts, daß die Partei verfassungsfeindliche Ziele verfolgt. Die Zulässigkeit einer solchen Aufklärung wird von der Verfassung vorausgesetzt. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist anerkannt, daß auch ohne die Feststellung ihrer Verfassungswidrigkeit die Überzeugung gewonnen und vertreten werden darf, eine Partei verfolge verfassungsfeindliche Ziele. Diese Überzeugung kann zu einem Verbotsantrag gemäß § 43 BVerfGG führen. Die Antragsberechtigten können dem Bundesverfassungsgericht zufolge aber auch die politische Auseinandersetzung mit der Partei vorziehen, weil dies zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ausreicht oder diese sogar wirkungsvoller zu schützen vermag als ein förmliches Parteiverbot (BVerfGE 39, 334 [360]). Das Bundesverfassungsgericht hat daraus gefolgert, es sei verfassungsrechtlich unbedenklich und von der politischen Verantwortung der Regierung gefordert, daß sie ihren jährlichen Bericht über die Entwicklung verfassungsfeindlicher Kräfte, Gruppen und Parteien dem Parlament und der Öffentlichkeit vorlege; soweit daraus für eine Partei faktische Nachteile entstünden, sei sie dagegen nicht durch Art. 21 GG geschützt (vgl. BVerfGE 39, 334 [360]; 40, 287 [291 f.]). Die erwähnten Berichte beruhen im wesentlichen auf den Beobachtungen der Ämter für Verfassungsschutz. Von den Beobachtungen und den Berichten gehen allenfalls solche faktischen Nachteile aus, die vom Regelungsgehalt des Art. 21 Abs. 2 GG nicht erfaßt werden.
[20] b) Verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab ist Art. 21 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG. Danach wirken die Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mit; ihre Gründung ist frei. Das Grundgesetz setzt die Staatsfreiheit der Parteien als frei gegründeter, im gesellschaftlich-politischen Bereich wurzelnder Gruppen voraus und gewährleistet ihre Unabhängigkeit vom Staat (vgl. BVerfGE 85, 264 [287 m. w. N.]). Parteien steht vorbehaltlich des in Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG verankerten Demokratiegebotes nicht anders als den Vereinigungen im Sinne des Art. 9 Abs. 1 GG das Recht auf Selbstbestimmung zu (vgl. dazu BVerfGE 50, 290 [354]; 80, 244 [253 f.]). Zu dessen Kernbereich gehört das Recht der Parteien, selbst und ohne staatliche Einflußnahme oder Überwachung über ihre Ziele, Organisation und Tätigkeiten zu entscheiden. Sowohl die Freiheit der inneren Willensbildung als auch die freie Entfaltung der Tätigkeiten als Partei sind gewährleistet (vgl. aus dem Schrifttum etwa Morlok, in: Dreier, GG, 1998, Art. 21 Rn. 56 ff.).
[21] Das Selbstbestimmungsrecht der Parteien findet seine Schranke in der Grundentscheidung des Grundgesetzes für eine "streitbare Demokratie". Diese Grundentscheidung ist im wesentlichen aus Art. 9 Abs. 2, Art. 18, Art. 20 Abs. 4, Art. 21 Abs. 2 und Art. 28 Abs. 3 GG herzuleiten und wird in den Zuständigkeitsvorschriften der Art. 73 Nr. 10 Buchst. b und Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG bestätigt. Sie besagt, daß das Grundgesetz aufgrund geschichtlicher Erfahrung nicht allein darauf vertraut, die freiheitliche Demokratie werde sich im Prozeß der öffentlichen Meinungsbildung ohne weiteres behaupten, sondern daß es darüber hinaus dem Staat die Aufgabe übertragen hat, die zentralen Grundwerte der Verfassung durch (repressive) Schutzvorkehrungen zu sichern und zu gewährleisten (vgl. zusammenfassend BVerfGE 63, 266, 298 [308 ff.] abw. Meinung Simon). Darauf gründet sich das folgende Selbstverständnis des Verfassungsschutzes (wiedergegeben in BVerfGE 40, 287 [288]):
[22] "Der Verfassungsschutz ist in einer freiheitlich rechtsstaatlichen Demokratie wie der unseren, die selbst der verfassungsfeindlichen politischen Betätigung einen äußersten Freiheitsspielraum läßt, die notwendige Kehrseite einer solchen liberalen Demokratie. Denn hier gibt es um der Selbstverteidigung dieser freiheitlichen Demokratie willen gegen alle Feinde der Freiheit nur die politische Alternative: alle verfassungsfeindlichen Bestrebungen, die gegen Bestand und Ordnung dieser freiheitlich rechtsstaatlichen Demokratie gerichtet sind, schon im Ansatz zu verbieten. Oder aber, und dies ist die Grundentscheidung unserer Verfassung: solche verfassungsfeindlichen Betätigungen solange unverboten zuzulassen, wie sie nicht den staatlichen Bestand und die freiheitliche Ordnung gefährden.
[23] Um die Überschreitung dieser Linie feststellen zu können, von der an verfassungsfeindliche Betätigungen zu einer Gefahr für unsere freiheitlich demokratische Grundordnung werden, der nicht mehr mit politischen Mitteln, sondern nurmehr mit juristischen Mitteln begegnet werden kann, muß man dieses Vorfeld notwendig beobachten. Unser Verfassungsschutz ist so der Preis, den wir zahlen für die innere Sicherheit in einem Staat der äußersten Freiheit, auch und gerade der politischen Betätigung, bis hin zur politischen Betätigung selbst der Ausländer … "
[24] Die Gesetzgebung hat die Aufgaben und Befugnisse der Ämter für Verfassungsschutz so zu bestimmen, daß Eingriffe in das Selbstbestimmungsrecht der Parteien auf das zur Selbstverteidigung der freiheitlichen Demokratie zwingend Gebotene beschränkt bleiben. Die widerstreitenden Prinzipien der Parteienfreiheit und der streitbaren Demokratie sind mit Hilfe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit einem angemessenen Ausgleich zuzuführen. Das bedeutet insbesondere, daß staatliche Maßnahmen desto strengeren Anforderungen unterliegen, je stärker sie in das Selbstbestimmungsrecht der Parteien eingreifen. Maßnahmen z. B., die in den Binnenbereich der Parteien hineinwirken, namentlich deren Willensbildung ausforschen oder sogar beeinflussen, sind demnach nur ausnahmsweise zu rechtfertigen, soweit der Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen hinreichend gewichtig ist und der Einsatz weniger belastender Aufklärungsmittel nicht ausreicht, um die Regierung und die Öffentlichkeit über die von der Partei möglicherweise ausgehende Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung in einer Weise zu informieren, die eine effektive Auseinandersetzung mit politischen Mitteln und erforderlichenfalls ein administratives Vorgehen in Gestalt eines Verbotsantrags an das Bundesverfassungsgericht erlaubt.
[25] c) Die vom Berufungsgericht herangezogenen Vorschriften des Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetzes genügen den verfassungsrechtlichen Anforderungen, soweit – worüber hier ausschließlich zu befinden ist – politische Parteien betroffen sind. Wie ausgeführt, enthält dieses Gesetz eine Reihe von besonderen Voraussetzungen für den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel als Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Darüber hinaus sind der Informationsbeschaffung mit derartigen Mitteln namentlich in § 5 Abs. 5, § 6 Abs. 4 NVerfSchG allgemeine Grenzen gesetzt, die den (bundes-) verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausformen und nicht hinter ihm zurückbleiben. Die Bestimmungen gebieten in ihrer Gesamtheit, die schutzwürdigen Belange des Betroffenen in die Abwägung mit dem Zweck der Beobachtung einzustellen und angemessen zu würdigen. Das Selbstbestimmungsrecht einer politischen Partei ist in diesem rechtlichen Zusammenhang zu berücksichtigen.
[26] Art. 21 GG gebietet entgegen der Ansicht der Revision keine Sonderregelung für politische Parteien im Sinne der früheren Regelung des Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetzes, derzufolge eine Aufgabe des LfV in bezug u. a. auf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen nur dann gegeben war, wenn es um Verhaltensweisen ging, die auf Anwendung von Gewalt gerichtet waren oder sich in aktiv kämpferischer, aggressiver Weise gegen einen der in § 4 Abs. 3 NVerfSchG genannten Verfassungsgrundsätze richteten. Die Revision leitet ihre gegenteilige Rechtsauffassung im wesentlichen daraus ab, daß die Beobachtung durch ein Amt für Verfassungsschutz nur zu dem Zweck zulässig sei, ein Parteiverbotsverfahren einzuleiten, und demgemäß ein Anfangsverdacht vorliegen müsse, der sich auf alle Voraussetzungen eines Parteiverbots erstrecke, mithin auch darauf, daß die Partei ihre verfassungsfeindlichen Ziele kämpferisch-aggressiv verwirklichen wolle (vgl. BVerfGE 5, 85 [141]).
[27] Der Ansicht der Revision ist nicht zu folgen, weil die Beobachtung einer politischen Partei auf den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen hin ebenso wie die anderer Vereinigungen oder einzelner nicht ausschließlich darauf abzielt, die Entscheidung über repressive staatliche Maßnahmen vorzubereiten. Sie bezweckt, wie bereits dargelegt, vielmehr auch und in Anbetracht der langjährigen Staatspraxis sogar vornehmlich, Informationen über die aktuelle Entwicklung verfassungsfeindlicher Kräfte, Gruppen und Parteien im Vorfeld einer Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Verfassungsordnung zu gewinnen und zu sammeln und damit die Regierung und die Öffentlichkeit in die Lage zu versetzen, Art und Ausmaß möglicher Gefahren zu erkennen und diesen in angemessener Weise, namentlich mit politischen Mitteln entgegenzuwirken. Die als Institution verfassungsrechtlich anerkannten Ämter für Verfassungsschutz könnten die ihnen damit gestellte Aufgabe schwerlich erfüllen, wenn sie nicht bereits beim Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen tätig werden dürften, sondern ihr Handeln von weiteren generellen Voraussetzungen etwa in bezug auf politische Parteien abhinge. Die Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Einzelfall genügt zur Wahrung der Rechte und schützenswerten Belange Betroffener. Dies gilt auch für politische Parteien.
[28] Der erkennende Senat kann danach offenlassen, ob die Rechtsauffassung der Revision überhaupt zu greifbar strengeren Anforderungen für ein Tätigwerden des LfV führt. Dies erscheint zweifelhaft, weil das genannte Merkmal einer "aktiv kämpferischen, aggressiven Haltung gegenüber der bestehenden Ordnung" nämlich bereits dann erfüllt ist, wenn die Partei die verfassungsmäßige Ordnung im Sinne eines "planvoll verfolgten politischen Vorgehens" fortlaufend untergraben will und die verfassungsmäßige Ordnung nicht lediglich ablehnt und ihr andere Grundsätze entgegenstellt (vgl. BVerfGE 5, 85 [142 f., 212 f., 233, 235, 348]; für Vereinsverbote vgl. BVerwGE 61, 218 [220] sowie Urteile vom 13. Mai 1986 – BVerwG 1A 12. 82 – Buchholz 402. 45 VereinsG Nr. 8 S. 7 und vom 13. April 1999 – BVerwG 1A 3. 94 – Urteilsabdruck S. 7). Da im vorliegenden Zusammenhang Bestrebungen als politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluß definiert sind (§ 4 Abs. 1 Satz 1 NVerfSchG), erstreckt sich der Verdacht, eine Partei verfolge verfassungsfeindliche Bestrebungen, regelmäßig auch darauf, die Partei verfolge ihre Ziele kämpferisch-aggressiv im Sinne des erwähnten "planvoll verfolgten politischen Vorgehens".
[29] 3. Das Berufungsgericht hat in Auslegung und Anwendung niedersächsischen Landesrechts festgestellt, daß beim Kläger tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen vorliegen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. Der Kläger hat dagegen beachtliche Revisionsrügen nicht erhoben (vgl. auch BVerwGE 106, 177 [182]). Das Berufungsurteil hält insoweit revisionsgerichtlicher Nachprüfung selbst dann stand, wenn was hier keiner abschließender Klärung bedarf die Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Begriffe des Landesrechts deswegen revisibel sein sollten, weil das Bundesverfassungsschutzgesetz in seinem ersten Abschnitt die Zusammenarbeit und die Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden als unmittelbar geltendes Recht regelt und aus Art. 73 Nr. 10 Buchst. b GG abzuleiten ist, daß die Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden im Interesse einer wirkungsvollen Zusammenarbeit zumindest im Kern bundeseinheitlich bestimmt werden können (Rechtsgedanke einer Anpassungspflicht ähnlich derjenigen an Rahmengesetze; s. dazu BVerwGE 89, 110 [112]; vgl. auch BVerwGE 6, 96 [97]; 90, 337 [342]).
[30] Nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts verwendet der Kläger ständig den Begriff der "Umerziehung" für die Wiederbegründung der deutschen Demokratie nach 1945. Ferner greift der Kläger Institutionen und Repräsentanten der freiheitlichen Demokratie, insbesondere die anderen demokratischen Parteien und deren Politiker in ihrer Gesamtheit ständig pauschal in polemischer, teilweise diffamierender und verunglimpfender Weise an. Das Berufungsgericht hat darin zu Recht ausreichende Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen gesehen, die gegen die parlamentarische Demokratie als solche, die Prinzipien der Volkssouveränität und des Mehrparteiensystems und damit gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind (§ 4 Abs. 3 Nr. 1, 3 NVerfSchG, § 4 Abs. 2 Buchst. a, c und d BVerfSchG). Die Verwendung für rechtsextreme, antidemokratische Vereinigungen typischer Argumentationsmuster (vgl. etwa Urteil vom 13. April 1999, a. a. O., S. 18 ff.) begründet den Verdacht, daß der Kläger die parlamentarische Demokratie durch eine Herrschaftsform ersetzen will, die in Richtung auf einen Führerstaat nationalsozialistischer Prägung tendiert. Diesen Verdacht aufzuklären, ist legitimes Anliegen des Beklagten.
[31] Das Revisionsvorbringen führt zu keiner anderen Beurteilung. Es mag zutreffen, daß die seitens des Berufungsgerichts festgestellten Äußerungen auch eine andere Interpretation zulassen und unterschiedlich gewichtet werden können. Welche Bedeutung ihnen letztlich bei der Beantwortung der Frage zukommt, ob der Kläger verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt oder nicht, hängt indes nicht von ihrer (abstrakten) Interpretierbarkeit und Bewertung ab, sondern von ihrer konkreten Verwendung und ihrem Stellenwert in der Gesamtpolitik des Klägers. Als Elemente einer politischen Zielsetzung, die mit der Verfassung nicht zu vereinbaren ist (vgl. BVerwGE 61, 194 [198]), geben sie jedenfalls hinreichenden Anlaß zur Beobachtung durch das LfV.
[32] 4. Das Berufungsgericht hat bei der Wiedergabe der seiner Entscheidung zugrunde gelegten Normen die Vorschrift des § 6 Abs. 4 NVerfSchG, die den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz landesrechtlich neben § 5 Abs. 5 NVerfSchG ausprägt, erwähnt und auch in Teilaspekten angewendet. Seine diesbezüglichen Ausführungen erschöpfen die bundesrechtlichen Anforderungen jedoch nur zum Teil.
[33] Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz fordert im allgemeinen, daß der staatliche Eingriff in ein Recht des einzelnen zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich sein muß sowie nach Maßgabe einer Abwägung zwischen den öffentlichen Belangen und denen des Betroffenen für diesen nicht unzumutbar sein darf. Im vorliegenden Zusammenhang ist für die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zum einen von Bedeutung, daß die Beobachtung durch das LfV mit nachrichtendienstlichen Mitteln nur bei tatsächlichen Anhaltspunkten für den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen zulässig ist (§ 6 Abs. 2 Nr. 1 NVerfSchG). Ein solcher Verdacht wiegt schwer, besagt er doch, daß die konkret begründete Besorgnis einer Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung vorliegt. Mit der Aufklärung dieses Verdachts verbundene Nachteile hat der Betroffene grundsätzlich hinzunehmen. Zum anderen sind die Eigenarten der Ermittlung mit nachrichtendienstlichen Mitteln zu berücksichtigen. Die Ämter für Verfassungsschutz könnten ihre Aufgabe nicht wirkungsvoll wahrnehmen, wenn ihr Vorgehen weitgehend offenzulegen wäre. Die verwaltungsgerichtliche Überprüfung hat dem sowohl bei der Tatsachenermittlung – etwa in bezug auf das Beweismaß – als auch beim Nachvollzug der behördlichen Abwägungen Rechnung zu tragen. Der vorliegende Fall gibt keinen Anlaß, dem weiter nachzugehen. Vielmehr kommt es lediglich auf zwei Teilaspekte an.
[34] a) Das Berufungsgericht führt aus, unter Berücksichtigung von § 6 Abs. 4 Satz 3 NVerfSchG, wonach die Maßnahme unverzüglich zu beenden sei, wenn ihr Zweck erreicht sei oder sich Anhaltspunkte dafür ergäben, daß er nicht oder nicht auf diese Weise erreicht werden könne, müßten die Anhaltspunkte, die den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen rechtfertigten, zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (noch) aktuell sein. Das Berufungsgericht hat diesen Grundsatz allerdings nicht im Sinne einer zeitlichen Begrenzung der Beobachtung verstanden, sondern in der Sache darauf abgestellt, ob die länger zurückliegenden Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen nach den Gesamtumständen eine (weitere) Beobachtung mit nachrichtendienstlichen Mitteln nicht (mehr) rechtfertigen. Dagegen ist aus der Sicht des Bundesrechts nichts zu erinnern. Vielmehr wäre es mit dem bundesrechtlichen Prinzip der streitbaren Demokratie nicht vereinbar und liefe der den Ämtern für Verfassungsschutz übertragenen Aufgabe zuwider, über eine allgemeine, kurz bemessene – etwa zweijährige – Verwertungsfrist Anhaltspunkte für den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen ohne konkrete Hinweise darauf auszuklammern, daß sie durch Entwicklungen in der politischen Partei überholt oder aus sonstigen Gründen obsolet sind. Auf der anderen Seite könnte es mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unvereinbar sein, wenn einmal gegebene Verdachtsmomente zu einer "Dauerbeobachtung" mit nachrichtendienstlichen Mitteln führten, obwohl sich nach umfassender Aufklärung durch eine mehrjährige Beobachtung der Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen nicht bestätigt hat und die für die Beobachtung maßgeblichen tatsächlichen Umstände im wesentlichen unverändert geblieben sind. Dies bedarf hier indes keiner Vertiefung. Zum einen währte die Anfang 1993 einsetzende Beobachtung des Klägers zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung noch nicht übermäßig lang. Zum anderen hat der Kläger, was allgemeinkundig ist und auch seinem eigenen Vortrag entspricht, sowohl parteiintern als auch in seinen Beziehungen zu rechtsextremen, möglicherweise verfassungsfeindlichen Gruppierungen nicht die Stabilität erreicht, die eine weitere Beobachtung entbehrlich machen könnte.
[35] b) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet, unter mehreren geeigneten Maßnahmen diejenige zu wählen, die den Betroffenen voraussichtlich am wenigsten belastet (vgl. Urteil vom 19. November 1997 – BVerwG 1C 25. 95 – Buchholz 402. 7 BVerfSchG Nr. 7 = NJW 1998, 919). Dementsprechend dürfen gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 NVerfSchG Informationen nicht mit nachrichtendienstlichen Mitteln beschafft werden, wenn der Sachverhalt auf andere, den Betroffenen weniger beeinträchtigende Weise erforscht werden kann; dies ist in der Regel anzunehmen, wenn die Information aus allgemein zugänglichen Quellen oder durch ein Auskunftsersuchen an andere Behörden gewonnen werden kann.
[36] Die Beobachtung einer Partei unter Inanspruchnahme von Vertrauensleuten, sonstigen geheimen Informanten und Gewährspersonen sowie mittels verdeckter Ermittlungen und Befragungen stellt einen schwerwiegenden Eingriff in die durch Art. 21 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG geschützte Freiheitssphäre der Partei dar. Namentlich der Einsatz von Vertrauensleuten ist geeignet, den parteiinternen Meinungsaustausch zu verunsichern sowie die Willensbildung nachteilig zu beeinflussen und auf diese Weise auch mittelbar auf die Betätigung und die Erfolgschancen der Partei nach außen einzuwirken (vgl. VG Berlin, NJW 1999, 806 [807]; VGH Mannheim, DÖV 1994, 917 [920]; s. auch BVerfGE 65, 1 [43]). Demgemäß setzt die Anordnung heimlicher Informationsbeschaffungen eine besondere Abwägung voraus, die dem Selbstbestimmungsrecht der Partei Rechnung trägt (vgl. Badura, in: Bundesministerium des Innern, Verfassungsschutz: Bestandsaufnahme und Perspektiven, 1998, S. 20). Diesen Anforderungen genügt die vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang ausschließlich angestellte Erwägung nicht, die nachrichtendienstliche Beobachtung greife nicht in das Recht und die faktische Möglichkeit der Partei ein, sich zur Wahl zu stellen, und die Partei müsse die mit einer nachrichtendienstlichen Beobachtung verbundenen Nachteile hinnehmen, weil die Pflicht des Staates, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu schützen, diese Möglichkeit unter der Schwelle einer aktiv kämpferischen und aggressiven Haltung erfordere. Diese Erwägung trifft zwar für Aufnahme einer Partei in den Verfassungsschutzbericht und den darin als solchen liegenden Nachteil zu (BVerfGE 39, 334 [357 f.]). Sie läßt sich aber nicht ohne weiteres hierher übertragen, weil die nachrichtendienstliche Beobachtung mit den erwähnten Mitteln anders als die Aufnahme in einen Verfassungsschutzbericht in den Binnenbereich der Partei eingreift und die Partei es nicht wie bei dieser in der Hand hat, die faktischen Nachteile durch entsprechende Öffentlichkeitsarbeit aufzufangen.
[37] Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat auf Umstände hingewiesen, die zur Unterrichtung der Regierung und der Öffentlichkeit darüber erforderlich seien, inwiefern zu besorgen sei, daß vom Kläger eine Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ausgehe, und die nur mit den vorgesehenen nachrichtendienstlichen Mitteln ermittelt werden könnten. Dazu gehören beispielsweise personelle und sonstige Verflechtungen des Klägers mit rechtsextremen Organisationen. Danach kommt es durchaus in Betracht, daß trotz der bereits erlangten Kenntnisse eine weitere heimliche Beobachtung des Klägers gerechtfertigt ist (vgl. auch OVG Koblenz vom 10. September 1999 – OVG 2A 11774/98 – Urteilsabdruck S. 20; vgl. ferner VGH München, NJW 1994, 748 [750]). Das Berufungsgericht hat insoweit keine Feststellungen über die Sachlage zum Schluß seiner mündlichen Verhandlung getroffen, so daß die Sache gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zurückzuverweisen ist.
[38] Der Beklagte wird vor dem Berufungsgericht zu erläutern haben, inwiefern die weitere Beobachtung des Klägers mit nachrichtendienstlichen Mitteln unter Einbeziehung nachrichtendienstlicher Erfahrungen geboten ist. Ergibt die Erörterung mit den Parteien keine vernünftigen Zweifel an der Plausibilität dieses Vorbringens, kann davon ausgegangen werden, daß der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist. Die Fragestellungen, die aufgrund des Einsatzes nachrichtendienstlicher Mittel beantwortet werden können, und mögliche Erkundungswege müssen also nicht in einer Weise dargelegt und bewiesen werden, wie sie zur Überzeugungsbildung des Gerichts in anderen Sachbereichen geboten ist. Auf der anderen Seite bedeutet dies nicht, daß die gerichtliche Überprüfung auf eine bloße Willkürprüfung reduziert wäre. So wäre es etwa mit dem Maßstab "praktischer Vernunft" unvereinbar, wenn nachrichtendienstliche Mittel eingesetzt würden, um die Erkenntnisse in Details zu perfektionieren, obwohl dies für die zweckgerechte Information der Regierung und der Öffentlichkeit nicht erforderlich ist.
[39] 5. Die Kostenentscheidung ist der Schlußentscheidung vorzubehalten.