Bundesgerichtshof
UrhG §§ 16, 17, 53 Abs. 2 Nr. 4 a; GG Art. 14; RBÜ (Pariser Fassung) Art. 9; TRIPS-Übereinkommen Art. 9, 13
a) Eine öffentliche Bibliothek, die auf Einzelbestellung Vervielfältigungen einzelner Zeitschriftenbeiträge fertigt, um sie an den Besteller im Wege des Post- oder Faxversands zu übermitteln, verletzt nicht das Vervielfältigungsrecht, wenn sich der Besteller auf einen durch § 53 UrhG privilegierten Zweck berufen kann. Dies gilt auch dann, wenn die Bibliothek ihre Bestände durch einen online zugänglichen Katalog erschließt und für ihren Kopienversanddienst weltweit wirbt.
b) Werden Zeitschriftenbeiträge unter den Voraussetzungen des § 53 UrhG rechtmäßig von einem Dritten vervielfältigt, unterliegt die Übermittlung der Vervielfältigungsstücke an den Auftraggeber nicht dem Verbreitungsrecht.
c) Die Werbung für die Herstellung von Vervielfältigungen und deren Post- oder Faxversand an Besteller, die sich auf einen nach § 53 UrhG privilegierten Zweck berufen können, verletzt auch bei Fehlen der Zustimmung der Urheberberechtigten nicht das Verbreitungsrecht.
d) Bei einer reprographischen Vervielfältigung eines urheberrechtlich geschützten Werkes durch eine öffentliche Bibliothek oder eine andere für die Öffentlichkeit zugängliche Einrichtung zum Zweck des Post- oder Faxversands an einen Besteller, der sich auf einen nach § 53 UrhG privilegierten Zweck berufen kann, ist – in rechtsanaloger Anwendung des § 27 Abs. 2 und 3 UrhG, des § 49 Abs. 1 UrhG sowie des § 54a Abs. 2 i. V. mit § 54h Abs. 1 UrhG – als Ausgleich für den Ausschluß des Verbotsrechts ein Anspruch des Urhebers auf angemessene Vergütung anzuerkennen, der nur durch eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden kann.
BGH, Urteil vom 25. 2. 1999 – I ZR 118/96 – Kopienversanddienst; OLG München (lexetius.com/1999,808)
[1] Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 25. Februar 1999 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann und die Richter Prof. Dr. Mees, Dr. v. Ungern-Sternberg, Dr. Bornkamm und Pokrant für Recht erkannt:
[2] Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 23. Mai 1996 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
[3] Tatbestand: Das beklagte Land N. ist Träger der Technischen Informationsbibliothek H. (im folgenden: TIB), die im Jahr 1959 – im Rahmen des Sondersammelgebietsplans der Deutschen Forschungsgemeinschaft – als erste von vier zentralen Fachbibliotheken in Deutschland gegründet wurde. Ziel des Sondersammelgebietsplans ist eine überregionale Kooperation der Bibliotheken und die Verteilung fachlicher Sammelschwerpunkte, um jedem Interessenten für Wissenschaft und Forschung benötigte Literatur möglichst rasch und umfassend verfügbar machen zu können. Die TIB sammelt im Verbund mit der Universitätsbibliothek H. (im folgenden: UB) Literatur aus aller Welt zu den Schwerpunktgebieten Technik/Ingenieurwissenschaften, Chemie, Informatik, Mathematik und Physik.
[4] Die TIB fertigt auf Bestellung auswärtiger Nutzer Kopien von Zeitschriftenbeiträgen, die sie mit der Post oder durch Fernkopie (Telefax) übersendet. Aus technischen Gründen kann die TIB Vervielfältigungen von Originalvorlagen durch Telefax nicht ohne Zwischenkopie übermitteln. Die Zwischenkopien werden entweder dem Besteller zusätzlich auf dem Postweg übersandt oder vernichtet. Für die Übersendung von Kopien aus Zeitschriften aufgrund von sogenannten Direktbestellungen verlangt die TIB ein Entgelt. Dieses beträgt im Normalfall einer Lieferung bis zu 20 Seiten, die durch Postversand erledigt wird, für gewerbliche Unternehmen und Einzelpersonen (in der Bundesrepublik Deutschland und im europäischen Ausland) 18 DM; für Eilbestellungen und bei Faxversand verdoppelt sich dieser Betrag (bei Faxversand zuzüglich 5 DM).
[5] Die TIB wirbt weltweit für ihren Kopienversanddienst. Dabei verwendet sie eine mehrsprachige Werbebroschüre (Anlage K 1), in der u. a. folgendes ausgeführt ist:
[6] "UB und TIB bilden eine Einheit. Für die Bundesrepublik ist die 'UB/TIB' die zentrale Stelle, die alle anderen Bibliotheken bis zur Handbibliothek des einzelnen Wissenschaftlers oder Praktikers vor allem um die ausländische und die seltenere, meist auch schwerer zu beschaffende Fachliteratur ergänzt. Für das Ausland ist sie dagegen in erster Linie der Partner für deutsches technisch-naturwissenschaftliches Schrifttum. Die Literaturwünsche werden zu einem großen Teil durch die Schrifttumsangaben (Zitate) in Veröffentlichungen hervorgerufen. In wachsendem Umfange sind hieran aber auch die Literatur-Datenbanken des In- und Auslandes beteiligt. Die Nutzung dieser Datenbanken, vor allem aber die intensiven Bemühungen deutscher Fachinformationszentren zur Literaturerschließung, würden oft vergeblich bleiben, wenn nicht die UB/TIB anschließend für die zuverlässige Lieferung der Volltexte sorgen würde. Aufgrund ihrer bedarfsorientierten Erwerbung und der ständigen Ausrichtung an den Nachweisen der Literaturdatenbanken deckt die UB/TIB nahezu jeden Bedarf an Veröffentlichungen aus Forschung und Praxis, aus den Hochschulen und der Industrie, von Behörden und Einzelpersonen. … Der gesamte Buchbestand ist über Katalogkarten zugänglich. Der Katalog steht aber auch auf Mikrofiches zur Verfügung. Die Neuzugänge werden seit einigen Jahren über EDV-Terminals erfaßt und sind dadurch zusätzlich zum Zettelkatalog auch 'online' auf Bildschirmterminals und über COM-Microfiches auf Lesegeräten nachweisbar. … Aufgrund der umfassenden Literaturerwerbung kann man die Bibliothek aber auch benutzen, ohne die gewünschte Veröffentlichung vorher in einem Katalog zu ermitteln. Am einfachsten ist es, man vertraut darauf, daß die UB/TIB alles hat, was man fachlich bei ihr erwarten kann. Es genügt dann, daß man Bestellscheine zur Direktbestellung kauft, die vorliegenden bibliographischen Angaben einträgt oder als Kopie aufklebt und dann den Schein nach H. schickt. Innerhalb weniger Tage treffen die gewünschten Unterlagen beim Besteller ein. In den meisten Fällen werden nur Aufsätze oder kurze Beiträge von wenigen Seiten benötigt. Dann genügt eine Kopie auf Papier oder ein Mikrofilm. Moderne Geräte gewährleisten, daß diese Kopien qualitativ einwandfrei und vor allem so schnell wie möglich hergestellt werden können, damit sie ohne Verzögerung zum Besteller gelangen. In eiligen Fällen werden Bestellungen telefonisch oder fernschriftlich angenommen und auf Wunsch innerhalb von zwei Stunden als Telekopie zugestellt."
[7] Nach Ansicht des klagenden Börsenvereins des Deutschen Buchhandels e. V., der die Interessen von Verlegern und Buchhändlern vertritt, verletzt die TIB durch das Angebot und die Versendung von Kopien urheberrechtlich geschützter Beiträge aus Zeitschriften die Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechte der Urheberberechtigten. Er stützt seine Klage auf die Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechte an den im Klageantrag aufgeführten Zeitschriftenbeiträgen, die ihm die betreffenden Verlage zum Zweck und für die Dauer des Rechtsstreits übertragen haben. Nach Ansicht des Klägers handelt die TIB zudem wettbewerbswidrig, weil sie sich bei dem Versand von Kopien aus Verlagserzeugnissen die Leistung der Verlage in unlauterer Form unmittelbar zunutze mache.
[8] Der Kläger hat – bezogen auf die von ihm im Antrag benannten Zeitschriften und insbesondere bestimmte darin abgedruckte Beiträge – auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung sowie auf Feststellung der Schadensersatzpflicht des Beklagten geklagt.
[9] Der Beklagte hat vor allem geltend gemacht, die beanstandeten Dienstleistungen der TIB beim Kopienversand seien urheberrechtlich zulässig und infolgedessen auch wettbewerbsrechtlich unbedenklich.
[10] Das Landgericht hat die Klage abgewiesen (LG München I AfP 1996, 181).
[11] Im Berufungsverfahren hat der Kläger beantragt, den Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, Fotokopien der im Antrag – eingeleitet mit dem Wort "nämlich" – benannten Aufsätze und/oder Beiträge aus den im Antrag aufgeführten Zeitschriften anzubieten und/oder herzustellen und/oder zu verbreiten oder anbieten und/oder herstellen und/oder verbreiten zu lassen, wie dies in dem von der TIB betriebenen und gemäß ihrer Werbebroschüre (Anlage K 1) erläuterten Kopienversand geschieht.
[12] Weiter hat der Kläger begehrt, den Beklagten zu verurteilen, für die Zeit seit 1. Januar 1993 über den im Unterlassungsantrag umschriebenen Kopienversand (insbesondere hinsichtlich näher bezeichneter Umstände) Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen. Ferner hat der Kläger – unter zeitlicher Beschränkung seines früheren Feststellungsantrags auf die Zeit nach dem 1. Januar 1993 – beantragt festzustellen, daß der Beklagte dem Kläger jeglichen Schaden zu ersetzen hat, der ihm bzw. den in diesem Verfahren hinter ihm stehenden Verlagen durch den im Unterlassungsantrag umschriebenen Kopienversand seit dem 1. Januar 1993 entstanden ist oder noch entstehen wird.
[13] Hilfsweise hat der Kläger seinen Unterlassungsantrag in der Form gestellt, daß die Aufzählung der darin genannten Beiträge aus Zeitschriften statt mit dem Wort "nämlich" mit dem Wort "insbesondere" eingeleitet wird.
[14] Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (OLG München AfP 1996, 393).
[15] Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Revision. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
[16] Entscheidungsgründe: A. Das Berufungsgericht ist bei seiner Beurteilung davon ausgegangen, daß der Kläger aufgrund von Abtretungen Inhaber der urheberrechtlichen Nutzungsrechte zur Vervielfältigung und Verbreitung der streitgegenständlichen urheberrechtlich schutzfähigen Beiträge sei; es hat aber die Ansicht vertreten, daß diese Rechte durch den von der TIB betriebenen Kopienversand nicht verletzt worden seien.
[17] Die Anfertigung von Kopien und – im Fall des Telefaxversands – auch von Zwischenkopien von einzelnen Zeitschriftenbeiträgen für die Übermittlung im Wege des Kopienversands sei nach § 53 Abs. 2 Nr. 4 a UrhG als Vervielfältigung zum eigenen Gebrauch der jeweiligen Besteller zulässig. Wer nach dieser Vorschrift zur Vervielfältigung befugt sei, könne die Kopien auch von Dritten herstellen lassen. Deshalb sei es auch zulässig, wenn die TIB auf Bestellung Kopien von Beiträgen, die von den Bestellern selbst ausgewählt worden seien, herstelle und zusende. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß die TIB die Öffentlichkeit auf ihre Literaturbestände hinweise und ihre Bereitschaft erkläre, soweit nach § 53 UrhG zulässig, für Dritte einzelne Vervielfältigungen von Zeitschriftenbeiträgen herzustellen und zu übersenden. Die Gesetzesgeschichte zeige, daß die Schrankenbestimmung des § 53 UrhG auch für den Kopienversand der öffentlichen Bibliotheken gelten solle. Falls diese Rechtslage als unbefriedigend angesehen werde, weil die Praxis des Kopienversands (auch infolge der Bestandskoordinierung unter den öffentlichen Bibliotheken) zu einem Rückgang der Auflagen wissenschaftlicher Zeitschriften geführt habe und die Vergütungsansprüche aus § 54a UrhG nicht als angemessener Ausgleich angesehen würden, sei es Sache des Gesetzgebers, Abhilfe zu schaffen.
[18] Die TIB greife auch nicht in das Verbreitungsrecht der Urheberberechtigten ein, wenn sie ihre Dienste im Rahmen des Kopienversands anbiete und bestellte Kopien versende, weil sie bei der Herstellung der Vervielfältigungsstücke rechtmäßig handele.
[19] B. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision des Klägers bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.
[20] I. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts fertigt die TIB im Rahmen ihres Kopienversands jeweils auf Einzelbestellung von Nutzern Vervielfältigungsstücke urheberrechtlich geschützter Zeitschriftenbeiträge, um sie auf dem Postweg zu versenden oder um sie als Zwischenkopie für die Telefaxübermittlung zu benutzen. Bei der Telefaxübermittlung wird zusätzlich zur Zwischenkopie beim Besteller die (Fern-) Kopie erstellt.
[21] Nur diese Art und Weise der Kopienherstellung und des Kopienversands ist Gegenstand der Klageanträge und der Entscheidung des Berufungsgerichts. Es ist deshalb – entgegen der Ansicht der Revision – im vorliegenden Rechtsstreit unerheblich, ob die TIB für die Zwecke ihres Kopienversanddienstes auch Beiträge aus Zeitschriften elektronisch speichert und ob sie Zeitschriftenbeiträge der Öffentlichkeit auch zum Online-Abruf zugänglich macht. Aus dem gleichen Grund hängt die Entscheidung des Rechtsstreits nicht davon ab, ob die TIB die Bestellung von Kopien durch die Zusammenarbeit mit online zugänglichen Literaturdatenbanken erleichtert.
[22] II. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zutreffend entschieden, daß der Kläger seinen Unterlassungsantrag weder auf urheberrechtliche noch auf wettbewerbsrechtliche Ansprüche stützen kann.
[23] 1. Urheberrechtliche Unterlassungsansprüche aus § 97 i. V. mit § 16 UrhG sind schon deshalb nicht gegeben, weil die TIB bei ihrem Kopienversand das Vervielfältigungsrecht an den in den Klageanträgen näher bezeichneten Zeitschriftenbeiträgen nicht verletzt.
[24] Die Herstellung von Vervielfältigungsstücken, wie sie Gegenstand des Rechtsstreits ist, erfüllt allerdings den Tatbestand des § 16 UrhG (vgl. dazu auch BGH, Urt. v. 28. 1. 1999 – I ZR 208/96 – Telefaxgeräte; Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 9. Aufl., § 16 Rdn. 2; vgl. auch Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 2. Aufl., § 54a Rdn. 8 f.). Entgegen der Ansicht der Revision sind aber die im Rahmen des Kopienversanddienstes der TIB hergestellten Vervielfältigungen nach der Regelung des § 53 UrhG nur den jeweiligen Bestellern zuzurechnen, die – nach eigener Auswahl der zu vervielfältigenden Beiträge – die TIB mit der Herstellung der Vervielfältigungsstücke beauftragt haben. Es genügt deshalb, daß sich die Besteller ihrerseits auf § 53 Abs. 2 Nr. 4 a UrhG berufen können, der es zuläßt, zum eigenen Gebrauch einzelne in einer Zeitschrift erschienene Beiträge zu vervielfältigen. Darauf, ob im Einzelfall (auch) die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 UrhG (privater Gebrauch), des § 53 Abs. 2 Nr. 1 UrhG (eigener wissenschaftlicher Gebrauch) oder des § 53 Abs. 2 Nr. 4 b UrhG (vergriffene Werke) gegeben sind, kommt es nicht an.
[25] a) Die Vorschrift des § 53 Abs. 2 Nr. 4 a UrhG ist auf die von der TIB bei ihrem Kopienversand vorgenommenen Vervielfältigungen von Zeitschriftenbeiträgen anwendbar, obwohl die TIB als öffentliche Bibliothek – auch als Grundlage ihres Kopienversands – besondere Dienstleistungen erbringt, die über die einfachen Dienstleistungen etwa eines gewerblichen Kopierladens hinausgehen. Die TIB stellt den Nutzern ihres Kopienversands selbst die Vorlagen für die Herstellung der in Auftrag gegebenen Vervielfältigungsstücke aus ihren Beständen zur Verfügung und erschließt ihre Bestände durch einen Katalog, der – als elektronische Datenbank – auch für Nutzer von auswärts online zugänglich ist. In dieser elektronischen Datenbank sind zwar nur die Titel der geführten Zeitschriften, nicht die Titel der dort abgedruckten Beiträge gespeichert; deren Ermittlung wird Interessenten aber in weitem Umfang durch Online-Datenbanken erleichtert.
[26] Nach Wortlaut und Sinn des § 53 Abs. 2 UrhG sind Vervielfältigungen zum eigenen Gebrauch auch dann freigestellt, wenn eine Bibliothek nicht nur die Herstellung der Kopien, sondern auch Dienstleistungen der vorstehend genannten Art erbringt.
[27] Nach § 53 Abs. 2 UrhG muß derjenige, der ein geschütztes Werk zu einem privilegierten Zweck vervielfältigen darf, die Vervielfältigungsstücke nicht selbst fertigen; er kann sie vielmehr auch von einem Dritten herstellen lassen. Dies bedeutet, daß Umstände, die eine Freistellung der Vervielfältigung nicht verhindern, wenn der Werknutzer die Vervielfältigungsstücke selbst herstellt, ihr auch dann nicht entgegenstehen, wenn der Werknutzer die Vervielfältigungsstücke von einem anderen herstellen läßt. Vervielfältigt ein Werknutzer selbst zu einem privilegierten Zweck, wird die Freistellung dieser Nutzungshandlung – wie ein Umkehrschluß aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 UrhG ergibt – nicht dadurch ausgeschlossen, daß ihm ein Dritter das Werkexemplar als Kopiervorlage zur Verfügung gestellt hat (vgl. BGHZ 134, 250, 260 f. – CB-infobank I). Ebensowenig hindert es die Freistellung einer vom Werknutzer selbst vorgenommenen Vervielfältigung, wenn ihm eine Bibliothek das Werkexemplar als Kopiervorlage gegeben hat, die in der Öffentlichkeit für ihre Inanspruchnahme wirbt und ihre Bestände durch einen online zugänglichen elektronischen Katalog erschließt. Diese Umstände können daher als solche auch nicht der Freistellung einer Vervielfältigung auf Bestellung entgegenstehen. Ob für die Anfertigung der Kopien – wie hier von der TIB – ein Entgelt verlangt wird, ist für die Freistellung reprographischer Vervielfältigungen durch § 53 UrhG ohnehin bedeutungslos (vgl. BGHZ 134, 250, 265 – CB-infobank I).
[28] b) Für die Privilegierung durch § 53 UrhG ist es aber auch entgegen der Ansicht der Revision unschädlich, wenn die TIB Kopieraufträge von auswärtigen Nutzern entgegennimmt und im Wege des Versands erledigt.
[29] (1) Dem Wortlaut des § 53 UrhG läßt sich nicht entnehmen, daß die Vorschrift nicht auch dann anwendbar ist, wenn eine öffentliche Bibliothek einen Kopierauftrag eines Nutzers vor Ort in der Weise ausführt, daß sie ihm die erstellten Kopien nicht von Hand zu Hand übergibt, sondern – z. B. wegen zeitweiser Überlastung der Kopierstelle – zusendet oder die Bestellung eines auswärtigen Nutzers zur Erledigung im Versandweg übernimmt.
[30] (2) Entscheidend für die Auslegung des § 53 UrhG ist die Zweckbestimmung der Vorschrift, wie sie in der Gesetzesgeschichte ihren Ausdruck gefunden hat. Danach ist die Schrankenbestimmung des § 53 Abs. 2 UrhG auch dann anzuwenden, wenn ein Werknutzer bei Vorliegen eines privilegierten Zwecks einem Dritten, insbesondere einer öffentlichen Bibliothek, einen Kopierauftrag erteilt, der durch Versand der Kopien abgewickelt werden soll.
[31] aa) Den Materialien des Urheberrechtsgesetzes vom 9. September 1965 läßt sich allerdings noch keine ausdrückliche Stellungnahme dazu entnehmen, ob die Erledigung von Kopieraufträgen durch öffentliche Bibliotheken auf dem Weg des Kopienversands unter § 53 Abs. 2 UrhG (der dem damaligen § 54 UrhG entspricht) fällt (vgl. auch Nippe, ZUM 1998, 382, 385).
[32] Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, daß die Fassung der Vorschrift sicherstellen sollte, daß ein Werknutzer Kopien, die er nach § 53 UrhG ohne Zustimmung des Urheberberechtigten fertigen darf, auch durch einen Dritten herstellen lassen kann (vgl. dazu die Begründung zu § 55 des Regierungsentwurfs eines Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte, BT-Drucks. IV/270 S. 74 = UFITA 45 (1965) S. 240; BGHZ 134, 250, 261 f. – CB-infobank I). Diese Regelung sollte nicht über die Vervielfältigung als solche hinaus weitere als urheberrechtlich bedeutsam angesehene Nutzungen freistellen. Ein Nutzer sollte sich vielmehr lediglich für die rein technische Durchführung der Vervielfältigung gegebenenfalls auch der Hilfe eines Dritten bedienen können, weil sonst diejenigen benachteiligt würden, die kein eigenes Vervielfältigungsgerät besitzen. Der Sache nach war dies nur eine Klarstellung, weil die Tatbestände der Verwertungsrechte und ihrer Schranken Vorgänge der Werknutzung, nicht technische Vorgänge als solche umschreiben. Werknutzer ist nicht, wer die Nutzung technisch bewerkstelligt, sondern derjenige, der sich des technischen Vorgangs zum Zweck der Werknutzung bedient (vgl. dazu – zum Recht der öffentlichen Wiedergabe – Schricker/v. Ungern-Sternberg aaO § 15 Rdn. 46, § 20 Rdn. 16).
[33] Die Materialien des Urheberrechtsgesetzes vom 9. September 1965 sprechen danach dafür, daß das Gesetz nur in engen Grenzen gestattet, Vervielfältigungsstücke für einen privilegierten Zweck von Dritten herstellen zu lassen. Davon ist der Senat auch in seinen Urteilen vom 16. Januar 1997 (BGHZ 134, 250 – CB-infobank I; BGH, Urt. v. 16. 1. 1997 – I ZR 38/96, GRUR 1997, 464 – CB-infobank II) ausgegangen, auf die sich die Revision zur Stützung ihrer Rechtsauffassung berufen hat. Der Senat hat in diesen Fällen entschieden, daß ein Unternehmen, das geschützte Werke auf der Grundlage eines Rechercheauftrags kopiert, dabei nicht lediglich als Hilfsperson des Auftraggebers tätig wird, sondern in das Vervielfältigungsrecht eingreift. Die damals zu beurteilenden Recherchedienste waren selbst Werknutzer, weil sie ihre Bestände an Exemplaren geschützter Werke dazu verwendeten, ihre Auftraggeber mit Vervielfältigungen von Werken zu beliefern, die sie – auf der Grundlage einer eigenen Recherche – selbst ausgewählt hatten (vgl. BGHZ 134, 250, 264 f. – CB-infobank I).
[34] Mit den Gesetzesmaterialien läßt sich dagegen nicht begründen, daß auch eine öffentliche Bibliothek, die Kopieraufträge unter Versendung der Kopien abwickelt, verpflichtet ist, für die Herstellung der Vervielfältigungsstücke die Zustimmung der Urheberberechtigten einzuholen. Die Vervielfältigung eines geschützten Werkes, wie sie ein Kopienversanddienst nach Art der TIB vornimmt, ist allerdings eine besondere Form der Werknutzung, die sich der Art nach von Vervielfältigungen unterscheidet, die ein Endverbraucher in seiner Sphäre zum eigenen Gebrauch selbst oder mit Hilfe eines Dritten vornimmt. Der Kopienversand durch eine der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtung ist eine selbständige Werkvermittlungsart, bei der urheberrechtlich geschützte Werke dadurch genutzt werden, daß auf Bestellung mit Hilfe erworbener oder durch Ausleihe bei Dritten beschaffter Werkexemplare Vervielfältigungsstücke gefertigt und an die Endverbraucher übermittelt werden. Anders als bei einem Recherchedienst liegt aber bei einem Kopienversanddienst die Auswahl des zu kopierenden Beitrags und die Erteilung des Kopierauftrags in jedem Fall allein in der Hand des Bestellers.
[35] Die Gesetzesmaterialien zum Urheberrechtsgesetz 1965 sprechen eher dagegen, daß der Kopienversand auf Bestellung einem auf das Vervielfältigungsrecht gestützten Verbotsrecht des Urhebers unterworfen werden sollte (vgl. dazu auch Kappes, Rechtsschutz computergestützter Informationssammlungen, 1996, S. 59 ff.). Denn in der Begründung zu § 55 des Regierungsentwurfs (BT-Drucks. IV/270 S. 73) wurde darauf hingewiesen, daß zwischen Bibliotheken des In- und Auslands ein reger Austausch von fotokopierten und mikrokopierten Zeitschriftenaufsätzen bestehe, und dazu ausgeführt, das praktische Bedürfnis für eine solche Handhabung könne kaum in Abrede gestellt werden.
[36] bb) Den Materialien der Urheberrechtsnovelle 1985 ist dagegen unzweideutig zu entnehmen, daß die Vervielfältigung durch öffentliche Bibliotheken im Rahmen eines Kopienversanddienstes auch ohne Zustimmung der Urheberberechtigten als urheberrechtlich zulässig angesehen wurde und weiter zugelassen werden sollte.
[37] Der Regierungsentwurf für die Urheberrechtsnovelle 1985 hatte nach seiner Begründung (vgl. BT-Drucks. 10/837 S. 1, 10, 11, 19 f. = UFITA 96 (1983) S. 113) zum Ziel, angesichts des schon damals außerordentlichen Umfangs von reprographischen Vervielfältigungen zum eigenen Gebrauch die verfassungsrechtlich gebotene wirtschaftliche Beteiligung der Urheber an der Nutzung ihrer Werke auch für diesen Bereich zu gewährleisten. Der Regierungsentwurf ging jedoch als selbstverständlich davon aus, daß bei reprographischen Vervielfältigungen zum eigenen Gebrauch kein Verbotsanspruch des Urhebers besteht und dafür – soweit als erforderlich angesehen – ein Ausgleich durch Vergütungsansprüche geschaffen werden sollte (vgl. dazu auch Raczinski/Rademacher, GRUR 1989, 324, 328; Nippe, ZUM 1998, 382, 386 f.; a. A. Baronikians, ZUM 1999, 126, 128 f.).
[38] Die Ablehnung eines Verbotsanspruchs des Urhebers zeigt sich am deutlichsten in den Ausführungen der Begründung des Regierungsentwurfs zu dem Vorschlag des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels e. V., des Klägers des vorliegenden Verfahrens, von Verlegern betriebene Kopierzentralen zu errichten, an die sich ein zur Vervielfältigung Befugter wenden solle, wenn ihm für die Vervielfältigung kein eigenes oder von ihm persönlich entliehenes Werkexemplar zur Verfügung stehe. Dieser Vorschlag, der ein Verbotsrecht begründet hätte, wurde mit der Begründung abgelehnt, eine moderne, technisch hochentwickelte Industrienation wie die Bundesrepublik Deutschland sei auf Wissenschaft und Forschung angewiesen und brauche deshalb ein gut ausgebautes, schnell funktionierendes und wirtschaftlich arbeitendes Informationssystem. Auch deshalb sei das Vervielfältigungsrecht bei Vervielfältigungen zum eigenen Gebrauch in gewissem Rahmen zugunsten eines vereinfachten Zugangs zu Informationen eingeschränkt. Dieser Gesetzeszweck könne bei einer Monopolisierung des Zugangs zu Informationen durch die vorgeschlagenen Kopierzentralen vereitelt werden. Anders als Verwertungsgesellschaften würden solche Kopierzentralen keinem Kontrahierungszwang unterliegen und in der Preisgestaltung frei sein; zumindest bei ausländischen Publikationen seien deshalb prohibitive Preisgestaltungen nicht auszuschließen. Gegen den Vorschlag, den Kopienversand ausschließlich berechtigten Kopierzentralen zu überlassen, sprächen auch die zu erwartenden Auswirkungen auf die Bibliotheken: Wenn den Bibliotheken, insbesondere den großen Zentralbibliotheken, die Versendung von Fotokopien untersagt werde, dürfte es sich für diese unter allgemeinwirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht mehr lohnen, einen umfassenden Bestand wissenschaftlicher Literatur anzuschaffen, da dieser dann nur von wenigen Personen am Ort benutzt werden könne und Fotokopien erst nach Ablauf der urheberrechtlichen Schutzfrist versendet werden dürften (Begründung zu § 54 des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 10/837 S. 19 f.; vgl. auch die Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 10/837 S. 38 f. = UFITA 102 (1986) S. 133; Möller, Die Urheberrechtsnovelle '85, 1986, S. 37 f.).
[39] Entgegen der Ansicht der Revision ist es in diesem Zusammenhang im übrigen unerheblich, ob der in der Begründung des Regierungsentwurfs angesprochene Kopienversand der Bibliotheken – wie der Kläger behauptet – zum damaligen Zeitpunkt die Besteller noch nicht unmittelbar, sondern nur auf dem Weg über den innerbibliothekarischen Leihverkehr erreichte. Auf den angebotenen Sachverständigenbeweis kommt es daher nicht an.
[40] Auch im weiteren Gesetzgebungsverfahren wurde ausweislich der Materialien nicht in Frage gestellt, daß den Urhebern bei der Herstellung und dem Versand von Vervielfältigungsstücken zum eigenen Gebrauch eines Bestellers auch dann kein Verbotsrecht zusteht, wenn für die Vervielfältigung kein eigenes oder von dem Besteller entliehenes Werkexemplar benutzt worden ist. Die Urheberrechtsnovelle 1985 zielte statt dessen darauf ab, die Beteiligung des Urhebers an der Werknutzung durch reprographische Vervielfältigungen zum eigenen Gebrauch durch Vergütungsansprüche, die nur durch eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden können, sicherzustellen (vgl. die Regelung der Geräte- und der Betreibervergütung durch § 54 UrhG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiet des Urheberrechts vom 24. 6. 1985, BGBl. I S. 1137).
[41] cc) Der bisherige § 54 UrhG wurde gemäß Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung des Patentgebührengesetzes und anderer Gesetze vom 25. Juli 1994 (BGBl. I S. 1739, 1741) durch die §§ 54 bis 54h UrhG n. F. ersetzt. Für die Beurteilung des Streitfalls ist diese Gesetzesänderung jedoch bedeutungslos (vgl. dazu auch Nippe, ZUM 1998, 382, 387; Baronikians, ZUM 1999, 126, 129).
[42] (3) Entgegen der Ansicht der Revision gebieten im Fall des Kopienversands auf Einzelbestellung durch öffentliche Bibliotheken und andere öffentliche Einrichtungen weder die Vorschriften der Berner Übereinkunft noch das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS-Übereinkommen) noch die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG eine einschränkende Auslegung des § 53 UrhG. Für dieses Ergebnis ist allerdings tragend, daß im Hinblick auf die technische und wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre nunmehr ein gesetzlicher Anspruch der Urheber auf eine angemessene Vergütung für diese Werknutzung anzuerkennen ist (vgl. dazu nachstehend unter III. 2.).
[43] 2. Dem Kläger steht gegen den Beklagten auch kein urheberrechtlicher Unterlassungsanspruch aus § 97 Abs. 1 i. V. mit § 17 UrhG zu.
[44] a) Die TIB bringt die von ihr im Rahmen ihres Kopienversanddienstes auf Einzelbestellung hin gefertigten Kopien nicht im Sinne des § 17 Abs. 1 UrhG in den Verkehr, wenn sie die Kopien an die Besteller mit der Post oder durch Telefax übermittelt.
[45] Die Privilegierung der Herstellung von Vervielfältigungsstücken durch § 53 UrhG schließt auch das Herstellenlassen durch Dritte ein. Unter den Voraussetzungen des § 53 UrhG wird die Herstellung von Vervielfältigungsstücken durch den Dritten dem Auftraggeber als Vervielfältigungshandlung zugerechnet. Dies hat notwendig zur Folge, daß kein Verbreiten in der Form des Inverkehrbringens anzunehmen ist, wenn Kopien von einer für ihre Herstellung eingeschalteten Hilfsperson dem Auftraggeber übergeben oder zugesandt werden (vgl. Katzenberger, GRUR 1973, 629, 634). Nichts anderes kann für die Übermittlung von Vervielfältigungen geschützter Werke durch einen Kopienversanddienst gelten, wenn dieser auf Einzelbestellung eines Endverbrauchers als Dritter im Sinne des § 53 UrhG für diesen Vervielfältigungsstücke herstellt (a. A. Nordemann in Fromm/Nordemann aaO § 53 Rdn. 2; Baronikians, ZUM 1999, 126, 132). Da die Kopien dem jeweiligen Besteller zuzurechnen sind, steht auch § 53 Abs. 6 [früher § 53 Abs. 5] UrhG der Abgabe der Vervielfältigungen an diesen nicht entgegen.
[46] Die elektronische Übermittlung beim Faxversand vom Faxgerät des Kopienversanddienstes bis zum Empfangsgerät des Bestellers fällt als solche – entgegen der Ansicht des Klägers – als reiner unkörperlicher Übertragungsvorgang (d. h. als Einzelkommunikation im Wege der Datenfernübertragung von Punkt zu Punkt) ohnehin nicht unter ein Verwertungsrecht des Urhebers (vgl. dazu Schricker/v. Ungern-Sternberg aaO § 15 Rdn. 26).
[47] b) Der Beklagte haftet auch nicht deshalb nach § 97 Abs. 1 i. V. mit § 17 UrhG, weil die TIB öffentlich für ihren Kopienversanddienst wirbt.
[48] Ein Dritter, der bereit ist, unter den Voraussetzungen des § 53 UrhG Vervielfältigungsstücke für andere herzustellen und für diese Tätigkeit wirbt, nimmt keine Verbreitungshandlung durch öffentliches Angebot von Vervielfältigungsstücken vor. Eine Verbreitungshandlung kann allerdings auch dann vorliegen, wenn Vervielfältigungsstücke angeboten werden, die im Zeitpunkt des Angebots noch nicht hergestellt worden sind (vgl. BGHZ 113, 159, 163 – Einzelangebot; vgl. dazu auch Schricker/Loewenheim aaO § 17 Rdn. 8; Baronikians, Kopienversanddienste – Die Beurteilung im deutschen Urheber- und Wettbewerbsrecht im Vergleich zur englischen Regelung, Diss. München 1999, S. 56 ff., jeweils m. w. N.). Eine Verbreitungshandlung durch öffentliches Angebot von Vervielfältigungsstücken scheidet hier aber deshalb aus, weil die von der TIB im Rahmen ihres Kopienversanddienstes angebotene Übermittlung der herzustellenden Vervielfältigungen – wie dargelegt – kein unter § 17 UrhG fallendes Inverkehrbringen von Vervielfältigungsstücken geschützter Werke darstellt.
[49] 3. Der Unterlassungsantrag ist auch nicht unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des unlauteren Wettbewerbs (§ 1 UWG) begründet. Es trifft zwar zu, daß die Vervielfältigung von Zeitschriftenbeiträgen auf Bestellung, wie sie von der TIB betrieben wird, auf den Leistungen der Verleger der betreffenden Zeitschriften aufbaut und geeignet ist, deren Umsatz zu beeinträchtigen. Die TIB handelt aber – wie dargelegt – urheberrechtlich rechtmäßig, wenn sie für Besteller, die sich auf § 53 UrhG berufen können, Vervielfältigungen vornimmt.
[50] Die Anwendung des § 1 UWG käme unter diesen Umständen nur in Betracht, wenn besondere Umstände vorliegen würden, welche die beanstandeten Handlungen trotz ihrer urheberrechtlichen Unbedenklichkeit als unlauter im Sinne des § 1 UWG erscheinen ließen (vgl. dazu auch BGHZ 134, 250, 267 – CB-infobank I; BGH, Urt. v. 10. 12. 1998 – I ZR 100/96, WRP 1999, 417, 419 – Elektronische Pressearchive, zum Abdruck in der amtlichen Sammlung vorgesehen). Auf solche Umstände stellt der zur Entscheidung stehende Klageantrag jedoch nicht ab.
[51] III. Das Berufungsgericht hat auch den auf die Leistung von Schadensersatz gerichteten Klageantrag im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
[52] 1. Aus den vorstehenden Darlegungen zum Unterlassungsantrag ergibt sich, daß dem Kläger weder aus § 97 Abs. 1 i. V. mit § 16 oder § 17 UrhG noch aus § 1 UWG ein materiell-rechtlicher Schadensersatzanspruch zusteht.
[53] 2. Dem Kläger steht eine Entschädigung für die Werknutzungen der TIB beim Kopienversand, wie er sie mit seinem Antrag begehrt (vgl. dazu auch BGH, Urt. v. 4. 7. 1997 – V ZR 48/96, WM 1997, 2262, 2263 = VersR 1997, 1496), auch nicht in Form eines Anspruchs auf angemessene Vergütung zu.
[54] a) Der Urheber hat allerdings einen Anspruch auf angemessene Vergütung gegen eine öffentliche Bibliothek, wenn diese für einen Besteller, der sich auf die Voraussetzungen des § 53 UrhG berufen kann, reprographische Vervielfältigungen seines Werkes fertigt, um sie dem Besteller im Wege des Post- oder Faxversands zu übermitteln. Die Anerkennung eines solchen Anspruchs ist angesichts der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung der letzten Jahre geboten, um den Anforderungen des Art. 9 RBÜ, der Art. 9 und 13 des TRIPS-Übereinkommens, der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG sowie dem im gesamten Urheberrecht zu beachtenden Grundsatz, daß der Urheber tunlichst angemessen an dem wirtschaftlichen Nutzen seines Werkes zu beteiligen ist, Rechnung zu tragen. Grundlage für die Anerkennung des Anspruchs ist eine rechtsanaloge Anwendung des § 27 Abs. 2 und 3 UrhG (sog. Bibliothekstantieme), des § 49 Abs. 1 UrhG (Zeitungsartikel und Rundfunkkommentare) sowie des § 54a Abs. 2 i. V. mit § 54h Abs. 1 UrhG (Betreibervergütung).
[55] (1) Die Verhältnisse, die bestanden, als der Gesetzgeber seine Entscheidung getroffen hat, mit § 53 UrhG auch die Werknutzung durch Kopienversanddienste freizustellen, haben sich – wie allgemein bekannt ist – im Laufe der letzten Jahre entscheidend verändert. Der Kopienversand öffentlicher Bibliotheken hatte zwar schon in früheren Jahren den Charakter einer Werknutzung besonderer Art. Die mit dem Kopienversand verbundenen Zugriffsmöglichkeiten auf urheberrechtlich geschützte Werke haben sich aber aufgrund der technischen Entwicklung und des erreichten Standes der technischen Ausrüstung der Endverbraucher erheblich verstärkt. In den letzten Jahren sind elektronische Datenbanken zur Katalogisierung von öffentlich zugänglichen Bibliotheksbeständen und zur Materialsuche für die Nutzung durch eine breite Öffentlichkeit eingeführt worden. Das Internet ermöglicht nunmehr einem Massenpublikum – zunehmend unabhängig von Ort und Zeit –, auf solche Datenbanken zuzugreifen, um Literatur zu suchen und zur Kopienbestellung auszuwählen. Die Zeit für die Ausführung einer Bestellung kann, falls eine Bestellung per Telefon, Telefax oder online möglich ist und zur Übermittlung – wie von der TIB – Telefaxgeräte eingesetzt werden, in einer Weise verkürzt werden, die bei der Übersendung von Werkexemplaren schwerlich unterboten werden kann. Da Telefaxgeräte inzwischen weiteste Verbreitung gefunden haben, kann dieser Vertriebsweg von einer breiten Öffentlichkeit genutzt werden. Die Bibliotheksbestände sind schon dadurch für Nutzer unvergleichlich stärker als früher erschlossen.
[56] Hinzu kommt, daß bei der Materialsuche vielfach auch von anderen Unternehmen betriebene Online-Datenbanken benutzt werden können. Wenn in diese – wie erfahrungsgemäß bereits weithin der Fall – die Titel von Zeitschriftenbeiträgen unmittelbar nach dem Erscheinen der Zeitschrift eingespeichert werden, erleichtert dies den Kopienversanddiensten, schon ab diesem Zeitpunkt – weit mehr als früher (vgl. dazu auch Katzenberger, GRUR Int. 1984, 391, 394) – in Wettbewerb zum Vertrieb der Originalzeitschrift zu treten. Der Funktion nach ist der Kopienversand damit unter den Verhältnissen, die sich aufgrund der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung ergeben haben, geeignet, als wichtiger Weg zur Werkvermittlung neben den Verlagsvertrieb zu treten.
[57] Ein Kopienversanddienst ist unter den heutigen Verhältnissen weit mehr als eine Hilfseinrichtung, die im Auftrag eines Bestellers, der bereits auf ein Werkexemplar Zugriff hat, nur den technischen Vorgang des Vervielfältigens erledigt, den der Besteller aus praktischen Gründen – etwa aus Zeitgründen oder mangels eines Vervielfältigungsgeräts – nicht in seiner eigenen Sphäre selbst vornehmen kann oder will. Die technische und wirtschaftliche Entwicklung hat zudem die Grundlage dafür gelegt, im Wege des Kopienversands die Bestände öffentlicher Bibliotheken und anderer öffentlicher Einrichtungen in größtem Umfang für gewerbliche oder sonst gewinnorientierte Nutzungen durch umgehende Versorgung von Interessenten weit über den Kreis der Nutzer vor Ort hinaus zu erschließen. Durch die Übersendung selbst hergestellter Vervielfältigungsstücke übt ein Kopienversanddienst eine Funktion aus, die nicht nur die Tendenz in sich trägt, sich der Tätigkeit eines Verlegers anzunähern (vgl. dazu auch Baronikians, ZUM 1999, 126, 130; ders., Kopienversanddienste, S. 46 f., 82 ff.; Nippe, ZUM 1998, 382, 389), sondern die auch mit der Werkvermittlung durch Abrufdatenbanken verglichen werden kann (zur rechtlichen Erfassung dieser Form der Werknutzung vgl. Art. 8 des – noch nicht ratifizierten – WIPO Copyright Treaty und Art. 3 Abs. 1 des Vorschlags einer Multimediarichtlinie [abgedruckt GRUR Int. 1998, 402]; zur Rechtslage nach deutschem Recht vgl. Nordemann in Fromm/Nordemann aaO § 15 Rdn. 2; Schricker/v. Ungern-Sternberg aaO § 15 Rdn. 23 ff., § 20 Rdn. 9; Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, Rdn. 419 ff., jeweils m. w. N. zum Meinungsstand). Wegen der Überlassung einer Werkkopie auf Dauer ist der Kopienversand auf Bestellung eine stärkere Werknutzung als das Verleihen von Werkexemplaren durch eine der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtung, bei der dem Urheber zwar kein Verbotsrecht, aber ein Anspruch auf angemessene Vergütung zusteht (§ 27 Abs. 2 und 3 UrhG).
[58] (2) Infolge der dargestellten Entwicklung in der jüngsten Zeit gebieten es Art. 9 Abs. 2 RBÜ (Pariser Fassung, im folgenden: RBÜ), Art. 9, 13 des TRIPS-Übereinkommens, die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG sowie der im gesamten Urheberrecht zu beachtende Grundsatz, daß der Urheber tunlichst angemessen an dem wirtschaftlichen Nutzen seines Werkes zu beteiligen ist, Kopienversanddienste, die einen Kopierauftrag eines nach § 53 UrhG privilegierten Nutzers erledigen, jedenfalls zur Zahlung einer angemessenen Vergütung zu verpflichten.
[59] aa) Gemäß Art. 9 Abs. 1 RBÜ genießen die Urheber von Werken der Literatur und Kunst, die durch die Berner Übereinkunft geschützt sind, das ausschließliche Recht zur Vervielfältigung dieser Werke. Nach Art. 9 Abs. 2 RBÜ bleibt der Gesetzgebung der Verbandsländer (lediglich) vorbehalten, die Vervielfältigung in gewissen Sonderfällen zu gestatten, jedoch nur unter der Voraussetzung, daß eine solche Vervielfältigung weder die normale Auswertung des Werkes beeinträchtigt noch die berechtigten Interessen des Urhebers unzumutbar verletzt.
[60] aaa) Die Vervielfältigung geschützter Werke auf Einzelbestellung im Rahmen eines Kopienversanddienstes stellt wegen ihrer gemeinsamen Züge mit der Vervielfältigung zum eigenen Gebrauch und des Gewichts des betroffenen Interesses der Allgemeinheit an dem ungehinderten Zugang zu Informationen einen Sonderfall im Sinne des Art. 9 Abs. 2 RBÜ dar (vgl. dazu auch Maus, Die digitale Kopie von Audio- und Videoprodukten, 1991, S. 134 ff.; Baronikians, ZUM 1999, 126, 131).
[61] bbb) Die berechtigten Interessen der Urheber würden aber unzumutbar beeinträchtigt, wenn diesen bei der Nutzung ihrer Werke durch Kopienversanddienste eine angemessene Beteiligung versagt bliebe.
[62] Die Freistellung der Vervielfältigung durch einen Kopienversanddienst ohne Ausgleich durch einen Anspruch auf angemessene Vergütung war allerdings unter den früher gegebenen Verhältnissen keine unzumutbare Beeinträchtigung der berechtigten Interessen der Urheber. Im Hinblick auf die damals wesentlich geringeren technischen Möglichkeiten bei der Bibliothekennutzung hatte der Kopienversand bis in die jüngste Zeit noch nicht die ihm gegenwärtig zukommende Bedeutung als ein Weg, Endverbrauchern Kopien selbst neuester Zeitschriftenveröffentlichungen in kürzester Zeit zu übermitteln. Es war deshalb bisher vertretbar, den Kopienversand als eine dem Verlagsgeschäft nachfolgende Nutzung geringerer Bedeutung zu behandeln und durch § 53 UrhG vom Verbotsrecht des Urhebers freizustellen, ohne diesem als Ausgleich einen dieser Werknutzungsform angepaßten Vergütungsanspruch zu geben. Dafür spricht auch, daß Urheber und Verlage in der Vergangenheit – zumindest seit der Urheberrechtsnovelle 1985 – gegen den Kopienversand nicht vorgegangen sind, obwohl schon vor Jahren in der Literatur Bedenken gegen diese Praxis der öffentlichen Bibliotheken erhoben worden sind (vgl. Katzenberger, GRUR 1973, 629, 634 f.; ders., GRUR Int. 1984, 391, 395 f.; Raczinski/Rademacher, GRUR 1989, 324, 328; vgl. dazu auch Pannier, Festschrift Havekost, 1995, S. 345, 352 f.).
[63] Die urheberrechtliche Beurteilung muß jedoch der eingetretenen grundlegenden Veränderung der Verhältnisse Rechnung tragen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die normale Auswertung urheberrechtlich geschützter Werke in der bisherigen Form durch Kopienversanddienste bereits beeinträchtigt ist (vgl. dazu auch Baronikians, Kopienversanddienste, S. 3 ff.; ders., ZUM 1999, 126, 131). Zu den berechtigten Interessen des Urhebers, die Art. 9 Abs. 2 RBÜ schützen will, gehört jedenfalls seine angemessene Beteiligung bei jeder Form der Auswertung seines Werkes, die – aufgrund der technischen oder wirtschaftlichen Entwicklung – als wirtschaftlich bedeutsame Möglichkeit der Nutzung in Betracht kommt (vgl. dazu auch Frotz in Festschrift 50 Jahre Urheberrechtsgesetz, 1986, S. 119, 126 f.; Maus aaO S. 138 ff.; vgl. weiter – zum nationalen Recht – BGHZ 17, 266, 287, 289 f. – Grundig-Reporter). Der Urheber ist an einer bedeutsam gewordenen Form der Werknutzung nicht erst dann wirtschaftlich angemessen zu beteiligen, wenn nachgewiesen ist, daß die Urheber in ihrer Gesamtheit durch derartige Nutzungen bereits erheblich geschädigt worden sind. Die urheberrechtliche Beurteilung muß deshalb schon daraus Konsequenzen ziehen, daß sich der Kopienversand inzwischen neben dem herkömmlichen Zeitschriftenvertrieb als ein Vertriebsweg anbietet, der nach dem erreichten Stand der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung zur Massennutzung geeignet ist.
[64] Für die Entscheidung kommt es dementsprechend nicht auf die Frage an, ob der Kopienversand öffentlicher Bibliotheken im Vergleich der Jahre zahlenmäßig zugenommen hat, noch weniger darauf, wie sich der Umfang des Kopienversands gerade bei der TIB im Laufe der Jahre entwickelt hat. Ein sachlicher Grund, die Werkvermittlung durch einen Kopienversanddienst der streitgegenständlichen Art anders als vergleichbare Werkvermittlungsarten ohne Ausgleich durch eine angemessene Vergütung vom Verbotsrecht des Urhebers freizustellen, besteht unter den gegenwärtigen Verhältnissen um so weniger, als zur Ermittlung des Umfangs der Werknutzung durch Kopienversand keine Erhebungen in der Sphäre der Endverbraucher durchgeführt werden müssen, weil dafür die Bestellunterlagen bei den Kopienversanddiensten ausreichen.
[65] ccc) Die Vorschrift des Art. 9 Abs. 2 RBÜ läßt es – in ihrem auf Sonderfälle beschränkten Anwendungsbereich – zu, eine unzumutbare Verletzung der berechtigten Interessen des Urhebers ebenso wie eine – etwa gegebene – Beeinträchtigung der normalen Auswertung des Werkes, die mit der Freistellung vom Ausschließlichkeitsrecht des Urhebers verbunden wäre, durch die Zuerkennung eines Vergütungsanspruchs zu beseitigen (vgl. dazu auch Ulmer/Reimer, GRUR Int. 1967, 431, 444; Masouy', Kommentar zur Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst, 1981, Anm. 9. 8; Stewart, International Copyright and Neighbouring Rights, 2. Aufl. 1989, S. 122, 315; Frotz aaO S. 119, 128 f.). Die nach nationalem Recht durch § 54a UrhG (Geräte- und Betreibervergütung) gewährten Vergütungsansprüche sind dafür jedoch – abweichend von der Ansicht des Berufungsgerichts – schon im Hinblick auf die gesetzliche Regelung zur Vergütungshöhe unzureichend. Den Anforderungen des Konventionsrechts kann nur entsprochen werden, wenn den Urhebern jedenfalls ein zusätzlicher, auf Werknutzungen der streitgegenständlichen Art zugeschnittener Vergütungsanspruch zugestanden wird.
[66] Die nach § 54d UrhG für die Höhe der Vergütungsansprüche aus § 54a UrhG maßgebenden Vergütungssätze genügen offensichtlich nicht als Ausgleich für die beim Kopienversand vorgenommenen Werknutzungen durch Vervielfältigung und Übermittlung geschützter Werke. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß die Geräte- und die Betreibervergütung nicht nur für herkömmliche Kopiergeräte, sondern auch für Telefaxgeräte, soweit diese für den Kopienversand eingesetzt werden, zu entrichten sind (vgl. BGH, Urt. v. 28. 1. 1999 – I ZR 208/96 – Telefaxgeräte). Bei der Gerätevergütung besteht nach § 54d Abs. 1 UrhG i. V. mit Nr. II. 1 und 3 der Anlage zu dieser Vorschrift nach dem Gesetz nur ein einmaliger Anspruch auf höchstens 150 DM je schwarzweiß kopierendes Gerät und von höchstens 300 DM bei Farbkopierern. Bei der Betreibervergütung ist – von Ablichtungen aus Schulbüchern abgesehen – als Vergütung für alle Berechtigten je DIN-A4-Seite urheberrechtlich geschützter Vorlagen nur ein Betrag von 0,02 DM festgelegt (§ 54d Abs. 1 UrhG i. V. mit Nr. II. 2 der Anlage zu dieser Vorschrift).
[67] ddd) Bei der Anwendung des Urheberrechtsgesetzes ist den Anforderungen des Art. 9 RBÜ Rechnung zu tragen.
[68] Die als völkerrechtlicher Vertrag geschlossene Berner Übereinkunft hat zwar innerstaatlich kein übergeordnetes internationales Gemeinschaftsrecht begründet; dementsprechend hat auch Art. 9 RBÜ aufgrund des Zustimmungsgesetzes zur Pariser Fassung der Berner Übereinkunft innerstaatlich den Rang eines einfachen Gesetzes (vgl. BGHZ 11, 135, 138 – Schallplatten-Lautsprecherübertragung; 64, 183, 191 – August Vierzehn; 72, 63, 67 – Jeannot; Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, 3. Aufl., S. 66 f., 93; Nordemann/Vinck/Hertin, International Copyright and Neighboring Rights Law, Einl. Rdn. 15; Schricker/Katzenberger aaO Vor §§ 120 ff. Rdn. 118; Drexl, Entwicklungsmöglichkeiten des Urheberrechts im Rahmen des GATT, 1990, S. 41 f.). Dies ändert nichts daran, daß Art. 9 Abs. 2 RBÜ der entscheidende Maßstab für die Anwendung der einschlägigen Vorschriften des Urheberrechtsgesetzes zu entnehmen ist. Dies gilt bereits deshalb, weil das inländische Urheberrecht nach allgemeiner Meinung konventionsfreundlich auszulegen ist (vgl. Nordemann/Vinck/Hertin aaO Einl. Rdn. 33; Schricker/Katzenberger aaO Vor §§ 120 ff. Rdn. 118, jeweils m. w. N.; vgl. dazu auch – zur Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes bei der Anwendung der Berner Übereinkunft – Ulmer, GRUR Int. 1972, 429, 430; Dillenz, GRUR Int. 1995, 731, 732; Walter, MR 1995, 107, 108; ders., MR 1997, 309, 312 f.).
[69] bb) Ebenso wie aus Art. 9 RBÜ ergibt sich aus Art. 9, 13 des TRIPS-Übereinkommens, das insoweit den Schutzgehalt der Berner Übereinkunft in deren Pariser Fassung übernommen hat (vgl. Reinbothe, ZUM 1996, 735, 736, 739; Katzenberger, GRUR Int. 1995, 447, 456, 459, 467), daß Vervielfältigungen in der Art, wie sie die TIB im Rahmen ihres Kopienversanddienstes vornimmt, nicht vom Ausschließlichkeitsrecht des Urhebers freigestellt werden dürfen, ohne daß diesem ein Ausgleich durch einen Anspruch auf eine angemessene Vergütung gewährt wird. Das TRIPS-Übereinkommen hat wie die Berner Übereinkunft aufgrund des Zustimmungsgesetzes innerstaatlich den Rang eines einfachen Gesetzes und ist in seinen Art. 9 und 13 unmittelbar anwendbar (vgl. dazu auch Katzenberger, GRUR Int. 1995, 447, 459).
[70] cc) Unter den nunmehr gegebenen Verhältnissen darf den Urhebern bei einem Kopienversand der streitgegenständlichen Art ein Anspruch auf eine dieser Werknutzung angemessene Vergütung auch mit Rücksicht darauf nicht verweigert werden, daß das Urheberrecht als Eigentum im Sinne des Art. 14 GG grundrechtlich geschützt ist und – auch mit Rücksicht auf diese Garantie – im gesamten Urheberrecht der Grundsatz zu beachten ist, daß der Urheber tunlichst angemessen an dem wirtschaftlichen Nutzen seines Werkes zu beteiligen ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 3. 7. 1986 – I ZR 159/84, GRUR 1987, 36 – Liedtextwiedergabe II; BGHZ 116, 305, 308 – Altenwohnheim II; 135, 1, 9 – Betreibervergütung, jeweils m. w. N.).
[71] Der Schutz des Urheberrechts als geistiges Eigentum durch Art. 14 GG schließt zwar Schranken des Rechts aufgrund der Sozialpflichtigkeit des Eigentums nicht aus, verlangt aber auch, daß bei der inhaltlichen Ausprägung des Urheberrechts sachgerechte Maßstäbe festgelegt werden, die eine der Natur und der sozialen Bedeutung des Rechts entsprechende Nutzung und angemessene Verwertung sicherstellen (vgl. BVerfGE 31, 229, 240 ff. = GRUR 1972, 481 – Kirchen- und Schulgebrauch; BVerfGE 49, 382, 392, 394, 400 = GRUR 1980, 44 – Kirchenmusik; BVerfGE 77, 263, 270 f. = GRUR 1988, 687 – Zeitschriftenauslage; BVerfGE 79, 1, 25, 28 = NJW 1992, 1303 – Leerkassette; BVerfGE 79, 29, 40 f. = GRUR 1989, 193 – Vollzugsanstalten; BVerfG NJW 1999, 414). Beschränkungen des Nutzungsrechts im Hinblick auf das Allgemeinwohl müssen vom geregelten Sachbereich her geboten sein und dürfen nicht weiter gehen, als der Schutzzweck reicht, dem die Regelung dient. Eine übermäßige, durch den sozialen Bezug des Urheberrechts nicht geforderte Einschränkung kann nicht mit Art. 14 Abs. 2 GG gerechtfertigt werden (vgl. BVerfGE 49, 382, 400 – Kirchenmusik; BVerfG NJW 1999, 414). Dabei gelten für Eingriffe in das Verbotsrecht und für die Aberkennung von Vergütungsansprüchen gestufte Anforderungen. Eine Beschränkung des Ausschließlichkeitsrechts – etwa durch einen Kontrahierungszwang oder eine gesetzliche Lizenz – beeinträchtigt bereits den Wert des geschützten Werkes ganz erheblich, weil sie dem Urheber die Möglichkeit nimmt, für die Nutzung seines Werkes vorweg eine Vergütung aushandeln zu können; ein statt dessen gegebener gesetzlicher Vergütungsanspruch ist stets nur Ersatz. Wenn dem Urheber darüber hinaus bei einem Ausschluß des Verbotsrechts auch kein Vergütungsanspruch zuerkannt wird, sind deshalb hohe Anforderungen an die Rechtfertigung der Regelung durch Gemeinwohlbelange zu stellen (vgl. BVerfGE 31, 229, 243 – Kirchen- und Schulgebrauch; BVerfGE 49, 382, 400 – Kirchenmusik; BVerfGE 79, 29, 41 – Vollzugsanstalten; BVerfG NJW 1999, 414, 415). Entsprechendes gilt, wenn für den Ausschluß des Verbotsrechts kein hinreichend angemessener Vergütungsanspruch gewährt wird.
[72] Die Beschränkung des ausschließlichen Vervielfältigungsrechts des Urhebers durch § 53 UrhG ist nach diesen Grundsätzen durch das Interesse der Allgemeinheit an einem ungehinderten Zugang zu Informationen gerechtfertigt. Es besteht jedoch im Hinblick auf die dargelegte Veränderung der Umstände der Werknutzung kein sachlicher Grund, auch einen Anspruch der Urheber auf eine angemessene Vergütung auszuschließen, wenn eine für die Öffentlichkeit zugängliche Einrichtung unter den Voraussetzungen des § 53 UrhG urheberrechtlich geschützte Werke vervielfältigt, um Bestellungen im Rahmen eines Kopienversanddienstes zu erledigen.
[73] (3) Die Beurteilung, daß Vervielfältigungen durch Kopienversanddienste für Besteller, die sich auf einen nach § 53 UrhG privilegierten Zweck berufen können, nicht mehr in der bisherigen Weise von Ansprüchen der Urheber freigestellt werden können, hat dagegen nicht zur Folge, daß § 53 UrhG nunmehr einschränkend auszulegen und demgemäß bei derartigen Vervielfältigungen nicht mehr anzuwenden ist (im Ergebnis ebenso Nippe, ZUM 1998, 382, 387 f., m. w. N. auch zur älteren Literatur; Kappes aaO S. 59 ff.; a. A. Schricker, EWiR 1996, 223, 224; Baronikians, Kopienversanddienste, S. 25 ff.; ders., ZUM 1999, 126, 127 ff.).
[74] Ein Verbotsrecht der Urheber ist – wie dargelegt – durch die Urheberrechtsnovelle 1985 für die Fälle des Kopienversands öffentlicher Bibliotheken abgelehnt worden. Der dafür maßgebende Grund, daß der für eine Industrienation unentbehrliche freie Zugang der Allgemeinheit zu Informationen nicht behindert werden dürfe, besteht fort. Sinn und Zweck des § 53 UrhG schließen es daher aus, den Urhebern in den Fällen des Kopienversands durch einschränkende Auslegung der Vorschrift ein Verbotsrecht gegen die im Rahmen des Kopienversands notwendigen Vervielfältigungshandlungen zuzuerkennen. Die Freistellung durch § 53 UrhG bezieht sich auf alle Vervielfältigungen, die für die Werkübermittlung an den Besteller notwendig sind, weil diese Vorschrift die Vervielfältigung zum Zweck des Kopienversands auf Einzelbestellung als Nutzungsvorgang von Verbotsansprüchen freihalten wollte und deshalb nicht lediglich auf die einzelne technische Vervielfältigungshandlung abstellt.
[75] (4) Durch die Anwendung des § 53 UrhG auch auf reprographische Vervielfältigungen im Rahmen eines Kopienversanddienstes ist infolge der neueren technischen und wirtschaftlichen Entwicklung eine Gesetzeslücke entstanden. Wie dargelegt, fordern Art. 14 GG, Art. 9 RBÜ und Art. 9, 13 des TRIPS-Übereinkommens, daß den Urhebern bei Versagung eines Verbotsanspruchs in Fällen der vorliegenden Art als Ausgleich zumindest ein Anspruch auf eine angemessene Vergütung gewährt wird. Diese nachträglich entstandene Gesetzeslücke ist – solange der Gesetzgeber nicht tätig wird – durch rechtsanaloge Anwendung des § 27 Abs. 2 und 3 UrhG, des § 49 Abs. 1 UrhG sowie des § 54a Abs. 2 i. V. mit § 54h Abs. 1 UrhG zu schließen (vgl. dazu auch BGHZ 17, 266, 275 f. – Grundig-Reporter). Danach steht dem Urheber immer dann ein Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Vergütung zu, wenn auf Einzelanforderung von einer der Öffentlichkeit zugänglichen Einrichtung unter den Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG Vervielfältigungen seines Werkes zum Zweck der Versendung hergestellt und im Wege des Post- oder Faxversands übermittelt werden. Dieser Anspruch ist unabhängig davon, ob die als Kopienversanddienst tätige Einrichtung für die Herstellung des Vervielfältigungsstücks eigene oder fremde Werkexemplare benutzt.
[76] Die Vorschrift des § 27 Abs. 2 UrhG begründet für den Urheber bei dem Verleihen von Originalen oder Vervielfältigungsstücken eines geschützten Werkes durch eine der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtung (insbesondere eine Bibliothek) einen Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Vergütung. Der Vergütungsanspruch wird dem Urheber als Ausgleich dafür zuerkannt, daß das Verleihen – anders als das Vermieten – im Hinblick auf das Interesse der Allgemeinheit an einem freien Informationsfluß nicht von der Erschöpfung des Verbreitungsrechts ausgenommen ist (§ 17 Abs. 2 UrhG; vgl. Schricker/Loewenheim aaO § 27 Rdn. 11).
[77] In gleicher Weise wird den Urhebern durch § 49 Abs. 1 UrhG ein Anspruch auf angemessene Vergütung als Ausgleich dafür gewährt, daß sie unter bestimmten Voraussetzungen die Nutzung einzelner Zeitungsartikel und Rundfunkkommentare mit Rücksicht auf das Informationsinteresse der Allgemeinheit dulden müssen (vgl. Schricker/Melichar aaO § 49 Rdn. 1; Nordemann in Fromm/Nordemann aaO § 49 Rdn. 1).
[78] Der in § 27 Abs. 2 und § 49 Abs. 1 UrhG zum Ausdruck gekommene Rechtsgedanke trifft auch zu in den Fällen des Kopienversands an Besteller, die sich auf einen nach § 53 UrhG privilegierten Zweck berufen können. Auch in diesen Fällen muß zwar das Verbotsrecht des Urhebers dem Interesse der Allgemeinheit am freien Zugang zu Informationen weichen; es wäre aber ein ungerechtfertigter Eingriff in die Rechtsstellung des Urhebers, wenn ihm mit der Beseitigung seines Verbotsrechts, das ihm auch die Beteiligung an der wirtschaftlichen Nutzung seines Werkes sichern soll, jede rechtliche Möglichkeit, eine angemessene Vergütung für die Nutzung seines Werkes zu erhalten, versagt bliebe.
[79] Entsprechend der Regelung in § 27 Abs. 2 UrhG erfaßt der Vergütungsanspruch nicht – die ohnehin nicht kontrollierbaren – Vorgänge außerhalb der öffentlichen Sphäre; der Anspruch ist vielmehr auf die Fälle des Kopienversands durch öffentlich zugängliche Einrichtungen beschränkt (vgl. dazu auch Schricker/Loewenheim aaO § 27 Rdn. 17). Ebenso werden Vervielfältigungen für Nutzer innerhalb eines Unternehmens oder einer Behörde, auch wenn sich ein Versand der Kopien anschließt, nicht erfaßt, weil diesen keine rechtlich selbständigen Bestellvorgänge zugrunde liegen.
[80] Für die Höhe der angemessenen Vergütung ist es unerheblich, ob sich der betreffende Anspruch auf ein ausschließliches Recht des Urhebers stützen kann oder ob sein Recht im Hinblick auf überwiegende Interessen der Allgemeinheit auf einen gesetzlichen Vergütungsanspruch beschränkt worden ist (vgl. Scheuermann/Strittmatter, ZUM 1990, 338, 340). Die Verweigerung eines Verbotsanspruchs hat den Zweck, der Allgemeinheit den Zugang zur Werknutzung zu eröffnen und gegebenenfalls zu verhindern, daß das Ausschließlichkeitsrecht zur Forderung überhöhter Vergütungen eingesetzt wird; sie soll aber nicht ein Mittel dafür sein, dem Urheber selbst eine angemessene Vergütung zu verweigern. Eine andere Auffassung wäre gerade auch in den hier in Rede stehenden Fällen mit Art. 14 Abs. 1 GG, Art. 9 RBÜ und Art. 9, 13 des TRIPS-Übereinkommens unvereinbar.
[81] b) Der Umstand, daß dem Urheber bei Vervielfältigungen, wie sie die TIB hier im Rahmen ihres Kopienversanddienstes vorgenommen hat, ein Anspruch auf angemessene Vergütung zusteht, verhilft der Klage jedoch nicht zum Erfolg. Dies gilt schon deshalb, weil der Vergütungsanspruch gegen einen Kopienversanddienst entsprechend der Regelung in § 27 Abs. 3, § 49 Abs. 1 Satz 3, § 54h Abs. 1 UrhG nur durch eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden kann. Diese Art und Weise der Wahrnehmung des Anspruchs sichert die Werknutzung zu angemessenen Bedingungen, weil eine Verwertungsgesellschaft verpflichtet ist, Tarife aufzustellen (§ 13 WahrnG; vgl. dazu auch §§ 18 ff. WahrnG), über deren Anwendbarkeit und Angemessenheit im Streitfall die Schiedsstelle und die Gerichte entscheiden (§§ 14 ff. WahrnG). Ermöglicht werden auf diese Weise auch Pauschalverträge zum Zweck der Verwaltungsvereinfachung für die Werknutzer sowie Gesamtverträge (§ 12 WahrnG). Die Pflicht zur Einschaltung einer Verwertungsgesellschaft erleichtert aber auch die Durchsetzung des Vergütungsanspruchs, weil die in § 13b Abs. 2 WahrnG verankerte Vermutung der Sachbefugnis der Verwertungsgesellschaft für die Geltendmachung von Vergütungsansprüchen aus § 27 Abs. 2 und § 54a Abs. 2 UrhG für diesen Vergütungsanspruch entsprechend gilt (vgl. dazu auch die Begründung zu Art. 1 Nr. 2 des Regierungsentwurfs der Urheberrechtsnovelle 1985, BT-Drucks. 10/837 S. 14; Möller aaO S. 50 f.).
[82] IV. Die Revision beruft sich schließlich ohne Erfolg darauf, daß es die TIB durch ihren Kopienversand gewerblichen Unternehmen ermögliche, von ihr hergestellte Kopien unter Verletzung der Rechte der Urheberberechtigten weiter zu veräußern. Dieser – bestrittene – Vorwurf ist nicht Gegenstand der Klageanträge.
[83] V. Aus den vorstehenden Erwägungen sind auch der zum Unterlassungsantrag gestellte Hilfsantrag sowie der Antrag auf Verurteilung des Beklagten zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung unbegründet.