Bundesarbeitsgericht
Mitbestimmung des Betriebsrats bei Maßnahmen des gesetzlichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes – Zulässigkeit von Feststellungsanträgen
1. Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG setzt eine Handlungspflicht des Arbeitgebers voraus, die aus Vorschriften des Arbeits- und Gesundheitsschutzes folgt und die wegen Fehlens einer zwingenden Vorgabe einer konkreten betrieblichen Regelung bedarf.
2. Der Antrag auf Feststellung eines Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG muß erkennen lassen, welche konkreten betrieblichen Regelungen zur Umsetzung dieser Handlungspflicht mitbestimmt werden sollen.

BAG, Beschluss vom 15. 1. 2002 – 1 ABR 13/01 (lexetius.com/2002,1085)

[1] Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 21. September 2000 – 7 TaBV 3/98 – teilweise aufgehoben, soweit das Landesarbeitsgericht der Anschlußbeschwerde des Betriebsrats hinsichtlich der Wideranträge zu 2. 1. – 2. 3. und 2. 5. – 2. 8. stattgegeben hat.
[2] Insoweit wird das Verfahren zur anderweiten Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
[3] Im übrigen wird die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen.
[4] Gründe: A. Die Beteiligten streiten über das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats für Regelungen zum Gesundheitsschutz.
[5] Die Arbeitgeberin ist ein Luftfahrtunternehmen. Der Betriebsrat ist die für den Landbetrieb in Hamburg gewählte Arbeitnehmervertretung. Für diesen Betrieb wurde durch Beschluß des Arbeitsgerichts Hamburg eine Einigungsstelle zur Erstellung einer Betriebsvereinbarung über ein EDV-System eingerichtet. Im Einigungsstellenverfahren legte der Betriebsrat zusätzlich den Entwurf einer Betriebsvereinbarung über Regelungen zum Gesundheitsschutz bei der Arbeit an Bildschirmgeräten vor. Nachdem die Arbeitgeberin Verhandlungen hierüber abgelehnt hatte, zog der Betriebsrat seinen Entwurf zurück und leitete statt dessen ein Verfahren zur Einsetzung einer Einigungsstelle ein. Durch Beschluß des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 27. Oktober 1997 wurde eine Einigungsstelle "zur Erstellung einer Betriebsvereinbarung Gesundheitsschutz im Rahmen des Arbeitsschutzgesetzes und der Bildschirmverordnung" errichtet.
[6] Mit ihrem Antrag begehrt die Arbeitgeberin vorab die Klärung der Zuständigkeit dieser Einigungsstelle. Sie hat die Auffassung vertreten, die im vorgelegten Entwurf einer Betriebsvereinbarung verlangten Regelungen seien nicht mitbestimmungspflichtig. Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG setze eine Regelungsbereitschaft des Arbeitgebers voraus. Es entfalle zudem, soweit dem Arbeitgeber bestimmte Maßnahmen gesetzlich vorgegeben seien. Selbst wenn ein Mitbestimmungsrecht bestehe, sei der Betriebsrat für dessen Ausübung nicht zuständig. Diese Regelungskompetenz stehe dem Gesamtbetriebsrat oder dem Konzernbetriebsrat zu. Regelungen zum Gesundheitsschutz müßten einheitlich für alle ihre Arbeitnehmer gelten.
[7] Die Arbeitgeberin hat beantragt festzustellen, daß I. dem Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich 1. des Gesundheitsschutzes zusteht; 2. des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit mit Bildschirmgeräten zusteht; 3. des Gesundheitsschutzes bei Regelungen über folgende Fragen zusteht: a) Informations- und Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers über allgemeine Informationen über den Gesundheitsschutz bei Bildschirmarbeit; b) Unterweisungspflicht des Arbeitgebers bezüglich der Arbeit an Bildschirmgeräten; c) Gestaltung des Arbeitsplatzes an Bildschirmgeräten und Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer; d) Unterweisungspflicht des Arbeitgebers bei der Einführung und Änderung neuer Techniken/Technologien bzw. bei der Veränderung von Arbeitsinhalten, Arbeitsfeldern oder Tätigkeiten oder anderen Änderungen am Bildschirmarbeitsplatz; e) Gestaltung und Durchführung der Qualifizierung und Unterweisungen am Arbeitsplatz mit Bildschirmgeräten; f) Einräumung eines Anspruchs der Arbeitnehmer auf ein Präventionsprogramm und Regelung von Zielen und Inhalten dieses Programms; g) Bildung eines Gesundheitsausschusses mit eigenen Aufgaben, Rechten und Pflichten; h) Verpflichtung des Arbeitgebers, die Arbeitsplätze einer Arbeitsplatzanalyse hinsichtlich der Beurteilung der Sicherheits- und Gesundheitsbedingungen unter Mitwirkung der Arbeitnehmer zu unterziehen und Verpflichtungen des Arbeitgebers, auf Grund einer Bewertung dieser Arbeitsanalyse Maßnahmen hinsichtlich des Gesundheitsschutzes neu zu treffen; i) Einräumung eines Anspruchs der Arbeitnehmer auf regelmäßige präventivmedizinische Untersuchungen; j) Informationspflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat über den Stand der präventivmedizinischen Untersuchungen; k) Verpflichtung des Arbeitgebers, auf Grund präventivmedizinischer Untersuchungsergebnisse in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsausschuß unter Mitbestimmung des Betriebsrats Maßnahmen zum Gesundheitsschutz festzulegen; l) Unterbrechung der Tätigkeit an Bildschirmgeräten durch Pausen, die Bestandteil der Arbeitszeit sind; II. die angerufene Einigungsstelle zur Beschlußfassung über 1. den Gesundheitsschutz; 2. den Gesundheitsschutz bei der Arbeit mit Bildschirmgeräten; 3. den Gesundheitsschutz bei Regelungen über die unter vorstehender Ziffer I. 3. genannten Fragen nicht zuständig ist.
[8] Der Betriebsrat hat beantragt, die Anträge abzuweisen.
[9] Er hat gemeint, die Anträge seien unzulässig. Es fehle das von § 256 Abs. 1 ZPO vorausgesetzte Feststellungsinteresse. Die Arbeitgeberin begehre die Erstattung eines Rechtsgutachtens über Angelegenheiten, bei denen es sich noch nicht einmal abzeichne, ob darüber zwischen den Betriebsparteien Streit entstehe.
[10] Das Arbeitsgericht hat die Anträge der Arbeitgeberin abgewiesen. Dagegen hat sich die Arbeitgeberin mit ihrer Beschwerde gewandt. Im Beschwerdeverfahren hat der Betriebsrat die Auffassung vertreten, hinsichtlich der Pflicht der Arbeitgeberin zur Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung nach § 5 Abs. 1 ArbSchG iVm. § 3 BildscharbV bestehe ein ausfüllungsbedürftiger Rahmen für die Festlegung des Gegenstandes der Analyse und der Prüfkriterien. Das Mitbestimmungsrecht erstrecke sich auch auf die Dokumentation der Gefährdungsanalyse, deren Umfang sowie deren Art und Weise, soweit sie einer betrieblichen Regelung zugänglich seien. Regelungsspielräume eröffne auch § 12 ArbSchG, soweit es um Inhalte, Art und Weise sowie die Häufigkeit der Unterweisung von Beschäftigtengruppen gehe. Mitbestimmungspflichtig sei zudem die Auswahl der anhand der Gefährdungsanalyse für Bildschirmarbeitsplätze in Betracht kommenden Arbeitsschutzmaßnahmen, zu denen die Arbeitgeberin nicht bereits gesetzlich verpflichtet sei. Das Mitbestimmungsrecht erfasse auch Regelungen des täglichen Arbeitsablaufs an Bildschirmarbeitsplätzen nach § 5 BildscharbV. Mitbestimmungspflichtig sei darüber hinaus eine Konkretisierung der Pflicht der Arbeitgeberin, nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ArbSchG die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu planen und durchzuführen. Weiterhin sei die Arbeitgeberin nach § 13 ArbSchG gehalten, für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach dem ArbSchG verantwortliche Personen zu bestimmen. Der Betriebsrat sei bei der Festlegung der Anzahl der zu beauftragenden Personen sowie bei deren Auswahl zu beteiligen. Schließlich könne er auch über die Zeiträume und die Art und Weise der Durchführung freiwilliger medizinischer Vorsorgeuntersuchungen und die Art präventiver Schutzmaßnahmen nach § 11 ArbSchG und § 6 BildscharbV mitbestimmen.
[11] Der Betriebsrat hat im Wege der Anschlußbeschwerde beantragt festzustellen, 1. daß der Betriebsrat zuständig ist bei Regelungen über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften des ArbSchG und der BildscharbV gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG; 2. daß dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bei folgenden Regelungsgegenständen des ArbSchG und der BildscharbV zusteht: 2. 1. der Gefährdungsbeurteilung gemäß § 5 ArbSchG und § 3 BildscharbV; 2. 2. Ausgestaltung der Dokumentation gemäß § 6 ArbSchG; 2. 3. Unterweisung der Arbeitnehmer gemäß § 12 ArbSchG; 2. 4. Beteiligung der Arbeitnehmer an den Maßnahmen des Gesundheitsschutzes im Rahmen von §§ 15 bis 17 ArbSchG; 2. 5. Maßnahmen des Gesundheitsschutzes gemäß § 3 Abs. 1 und § 4 ArbSchG sowie § 4 und § 5 BildscharbV einschließlich einer Pausenregelung und präventiver Maßnahmen des Gesundheitsschutzes; 2. 6. betriebliche Maßnahmen der Organisation des Gesundheitsschutzes gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ArbSchG; 2. 7. Beauftragung fachkundiger Personen mit Aufgaben des Gesundheitsschutzes gemäß § 13 Abs. 2 ArbSchG; 2. 8. arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung gemäß § 11 ArbSchG und § 6 BildscharbV.
[12] Die Arbeitgeberin hat die Abweisung der Wideranträge beantragt.
[13] Durch rechtskräftigen Teilbeschluß vom 7. Juni 1999 hat das Landesarbeitsgericht die Beschwerde der Arbeitgeberin hinsichtlich der Abweisung ihrer Anträge zu I. 1. und I. 2. sowie zu II. 1. und II. 2. zurückgewiesen. Darüber hinaus hat das Landesarbeitsgericht den Widerantrag zu 1. des Betriebsrats abgewiesen.
[14] Am 12. November 1999 hat die Einigungsstelle eine Betriebsvereinbarung zum Gesundheitsschutz beschlossen. Den Spruch der Einigungsstelle hat die Arbeitgeberin mit Antrag vom 9. Dezember 1999 beim Arbeitsgericht Hamburg (- 16 BV 18/99 -) angefochten.
[15] Durch Beschluß vom 21. September 2000 hat das Landesarbeitsgericht die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen die Zurückweisung ihrer Anträge zu I. 3. und II. 3. zurückgewiesen. Den Wideranträgen des Betriebsrats zu 2. 1. bis 2. 3. sowie zu 2. 5. bis 2. 8. hat es stattgegeben; den Widerantrag zu 2. 4. hat es abgewiesen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde wendet sich die Arbeitgeberin gegen die Zurückweisung ihrer Beschwerde und die Stattgabe der Wideranträge des Betriebsrats. Der Betriebsrat beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.
[16] B. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist teilweise begründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die noch rechtshängigen Anträge der Arbeitgeberin zu I. 3. und zu II. 3. abgewiesen (I.). Erfolg hat die Rechtsbeschwerde, soweit sie sich gegen die Feststellung eines Mitbestimmungsrechts im Sinne der Wideranträge des Betriebsrats zu 2. 1. bis 2. 3. und 2. 5. bis 2. 8. wendet. Diese Anträge sind mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig. Das hat das Landesarbeitsgericht verkannt und es deswegen versäumt, auf das Stellen hinreichend konkreter Anträge hinzuwirken (II.).
[17] I. Soweit sich die Arbeitgeberin gegen die Abweisung ihrer Anträge als unzulässig und im Falle der Anträge zu I. 3. b) sowie zu II. 3. als unbegründet wendet, hat ihre Rechtsbeschwerde keinen Erfolg. Im Ergebnis zutreffend hat das Landesarbeitsgericht das Rechtsschutzinteresse verneint. Unzulässig sind aber auch der Antrag zu I. 3. b) und der zu II. 3., für die das Landesarbeitsgericht zu Unrecht ein Feststellungsinteresse bejaht hat.
[18] 1. Die Anträge zu I. 3. zum Nichtbestehen von Mitbestimmungsrechten und der damit korrespondierende Antrag zu II. 3. zur Feststellung des Fehlens einer darauf gerichteten Regelungskompetenz der Einigungsstelle beziehen sich auf den Entwurf einer bestimmten Betriebsvereinbarung. Die darin aufgeführten Regelungsvorschläge hatte der Betriebsrat in einem Einigungsstellenverfahren zur Beilegung eines Mitbestimmungskonflikts nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG vorgelegt. Gegenstand des Entwurfs waren konkrete Regelungsvorschläge zum Gesundheitsschutz bei der Arbeit an Bildschirmgeräten, für die sich der Betriebsrat auf ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG berufen hatte. Wie anhand der Antragsbegründung und der Beschwerdebegründung deutlich wird, geht es der Arbeitgeberin darum, feststellen zu lassen, daß dem Betriebsrat für die von ihm zur Verhandlung gestellten Regelungen kein Mitbestimmungsrecht zusteht. Gegenstand des von der Arbeitgeberin eingeleiteten Beschlußverfahrens ist nicht die Klärung der Frage, ob der Betriebsrat in einer bestimmten, erst noch zu regelnden Angelegenheit ein Mitbestimmungsrecht hat, sondern, ob die im damaligen Entwurf einer Betriebsvereinbarung aufgeführten konkreten Regelungen mitbestimmungspflichtig sind. Das wird aus der Fassung der einzelnen Anträge, insbesondere denen zu I. 3. c) bis l), hinreichend deutlich.
[19] 2. Für diese Anträge fehlt das von § 256 Abs. 1 ZPO verlangte Feststellungsinteresse.
[20] a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kann ein Streit der Betriebsparteien über das Bestehen, den Inhalt oder den Umfang eines Mitbestimmungsrechts mit einem Feststellungsantrag zur gerichtlichen Entscheidung gestellt werden. Erledigt sich der Anlaß eines aktuellen Streits über ein Mitbestimmungsrecht, bleibt ein Interesse an der Feststellung dieses betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsverhältnisses gleichwohl erhalten, wenn zu erwarten ist, daß sich ein vergleichbarer Konflikt in dieser Form auch künftig wiederholen wird (BAG 29. Februar 2000 – 1 ABR 5/99AP BetrVG 1972 § 95 Nr. 36 = EzA BetrVG 1972 § 95 Nr. 31).
[21] Ein Rechtsschutzinteresse für die von der Arbeitgeberin begehrte gerichtliche Entscheidung läßt sich damit aber nicht begründen. Der Betriebsrat hat den Entwurf einer Betriebsvereinbarung, auf den sich die Feststellungsanträge der Arbeitgeberin beziehen, zurückgezogen und erklärt, ihn vor der damaligen Einigungsstelle nicht mehr weiterzuverfolgen. In der Folgezeit hat sich der Betriebsrat diesen Entwurf nicht mehr zu eigen gemacht und ihn auch nicht in der später nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG gebildeten Einigungsstelle zur Entscheidung gestellt. Ein fortbestehendes Regelungsverlangen folgt auch nicht aus den Ausführungen des Betriebsrats in der Anhörung vor dem Landesarbeitsgericht. Bei dieser Gelegenheit hatte der Betriebsrat erklärt, er behalte sich vor, unabhängig von dem Ausgang des Anfechtungsverfahrens die in den Anträgen der Arbeitgeberin und seinen eigenen Anträgen enthaltenen Punkte bezüglich des von ihm in Anspruch genommenen Mitbestimmungsrechts weiterzuverfolgen. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, läßt diese Erklärung nicht darauf schließen, der Betriebsrat werde erneut von der Arbeitgeberin den Abschluß einer Betriebsvereinbarung fordern, die dem früheren, aber zwischenzeitlich überholten Entwurf inhaltsgleich wäre. Dementsprechend handelt es sich um einen in der Vergangenheit liegenden Konflikt der Betriebsparteien, für den nicht absehbar ist, daß er sich in der zur Entscheidung gestellten Form wiederholen wird. Eine gerichtliche Entscheidung über das Fehlen eines Mitbestimmungsrechts käme demnach der Erstattung eines Rechtsgutachtens über eine frühere und mittlerweile aufgegebene Verhandlungsposition gleich. Das Erstellen von Rechtsgutachten zu abstrakten Rechtsfragen oder gar zu bloßen Verhandlungspositionen wird von § 256 Abs. 1 ZPO nicht gedeckt (BAG 11. September 2001 – 1 ABR 1/01 – nv.; 11. Oktober 1995 – 7 ABR 17/95 – AP BetrVG 1972 § 21 Nr. 2 = EzA ArbGG 1979 § 81 Nr. 16).
[22] b) Ein Rechtsschutzinteresse folgt auch nicht aus dem fortdauernden Streit der Betriebsparteien über die Wirksamkeit des Einigungsstellenspruchs vom 12. November 1999. Dieser Streit betrifft einen anderen Mitbestimmungskonflikt. Zwar ist auch in dem dazu anhängigen Anfechtungsverfahren über das Bestehen von Mitbestimmungsrechten für die durch den Einigungsstellenspruch geregelten Angelegenheiten des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu befinden. Doch sind diese Regelungen nicht inhaltsgleich mit den von der Arbeitgeberin im vorliegenden Verfahren zur Entscheidung gestellten Angelegenheiten.
[23] Im übrigen ist die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin begründet.
[24] II. Auch die Anträge des Betriebsrats zu 2. 1. bis 2. 3. und zu 2. 5. bis 2. 8. sind unzulässig. Sie genügen nicht dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 ZPO. Das Landesarbeitsgericht hätte ihnen mit diesem Inhalt nicht stattgeben dürfen, sondern zunächst auf eine hinreichend bestimmte Antragstellung hinwirken müssen. Dazu ist das Verfahren zur erneuten Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.
[25] 1. Die Anträge des Betriebsrats benennen unter Bezugnahme auf Normen des ArbSchG und der BildscharbV gesetzliche Handlungspflichten eines Arbeitgebers. Daraus wird nicht ersichtlich, welche danach zu treffenden betrieblichen Regelungen gemeint sind, die aus der Sicht der Betriebsrats mitbestimmt werden sollen. Ein konkretes Regelungsverlangen folgt auch nicht aus dem weiteren Vorbringen des Betriebsrats. Dieses beschränkt sich auf eine Aufzählung von Handlungspflichten, die bestimmte Normen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes einem Arbeitgeber auferlegen. Es läßt nicht erkennen, für welche danach zu treffenden Regelungen zur Umsetzung dieser Handlungspflichten im Betrieb der Arbeitgeberin der Betriebsrat eine Beteiligung anstrebt. Vielmehr haben die Anträge in ihrer derzeitigen Fassung lediglich die Klärung der mitbestimmungserheblichen Reichweite von Normen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zum Gegenstand.
[26] 2. Mit diesem Inhalt sind die Anträge schon nicht hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 ZPO. Sie sind bereits aus diesem Grunde unzulässig.
[27] a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats hat ein Betriebsrat in seinem Antrag diejenige Maßnahme des Arbeitgebers oder denjenigen betrieblichen Vorgang, für die er ein Mitbestimmungsrecht beansprucht, so genau zu bezeichnen, daß mit der Entscheidung über den Antrag feststeht, für welche Maßnahmen oder Vorgänge das Mitbestimmungsrecht bejaht oder verneint worden ist (BAG 26. Juli 1994 – 1 ABR 6/94BAGE 77, 262 mwN). Nur mit einem hinreichend bestimmten Antragsinhalt kann der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis abgegrenzt und Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der Entscheidung festgestellt werden (§ 308, § 322 ZPO; vgl. BAG 27. Oktober 1992 – 1 ABR 17/92AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 61 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 40, zu A I 2 der Gründe; 10. Dezember 1991 – 9 AZR 319/90 – AP ZPO § 253 Nr. 20 m. Anm. Vollkommer = EzA ZPO § 253 Nr. 11).
[28] b) Auf Grund der besonderen Struktur des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ist ein konkretes Regelungsverlangen zur Klärung von Inhalt und Umfang des Mitbestimmungsrechts im Einzelfall unentbehrlich.
[29] Nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG hat der Betriebsrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, mitzubestimmen bei Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Unfallverhütungsvorschriften. Der Zweck dieses Mitbestimmungsrechts folgt aus der gesetzlichen Ausgestaltung des Mitbestimmungstatbestandes. Der Betriebsrat soll an betrieblichen Regelungen beteiligt werden, die der Arbeitgeber zwar auf Grund einer öffentlich-rechtlichen Rahmenvorschrift zu treffen hat, bei deren Umsetzung ihm aber Handlungsspielräume verbleiben. Mitzubestimmen hat der Betriebsrat bei der Ausfüllung dieses Spielraums. Dadurch soll im Interesse der betroffenen Arbeitnehmer eine möglichst effiziente Umsetzung des gesetzlichen Arbeitsschutzes im Betrieb erreicht werden (Kohte AuR 1984, 263, 272; DKK-Klebe BetrVG 7. Aufl. § 87 Rn. 167; Fitting/Kaiser/Heither/Engels BetrVG 20. Aufl. § 87 Rn. 251; Wiese GK-BetrVG 6. Aufl. § 87 Rn. 585 ff.; Richardi BetrVG 7. Aufl. § 87 Rn. 582). Das Mitbestimmungsrecht setzt danach ein, wenn eine gesetzliche Handlungspflicht objektiv besteht und wegen Fehlens einer zwingenden Vorgabe betriebliche Regelungen verlangt, um das vom Gesetz vorgegebene Ziel des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu erreichen. Ob diese Rahmenvorschrift dem Gesundheitsschutz mittelbar oder unmittelbar dient, ist unerheblich (BAG 26. August 1997 – 1 ABR 16/97BAGE 86, 249). Ebensowenig kommt es auf eine subjektive Regelungsbereitschaft des Arbeitgebers an.
[30] c) Danach entsprechen die vom Betriebsrat gestellten Anträge nicht den Anforderungen des Bestimmheitsgebots zur Klärung des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Die Anträge müssen erkennen lassen, welche Regelungen zur betrieblichen Umsetzung einer sich aus Normen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes ergebenden konkreten Handlungspflicht der Arbeitgeberin aus der Sicht des Betriebsrats in Betracht kommen, an deren Ausgestaltung er mitzuwirken beabsichtigt. So bedürfte es etwa zur Konkretisierung des Antrags zu 2. 1. einer Festlegung des Betriebsrats, ob und in welcher Weise er bei der einer Gefährdungsbeurteilung vorausgehenden Gefahrenanalyse bezogen auf welche Art von Arbeitsplätzen mitbestimmen will oder ob und inwieweit ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der danach zu treffenden konkreten Maßnahmen beansprucht werden soll. Für die übrigen Anträge gilt Vergleichbares. Ohne eine solche Festlegung kann nicht geprüft werden, ob diesen Anträgen der Einwand der Rechtshängigkeit entgegengehalten zu halten ist, und ob für sie ein Feststellungsinteresse besteht. Weiterhin kann ohne eine solche Konkretisierung weder festgestellt werden, ob die zu regelnde Angelegenheit mitbestimmungspflichtig ist, noch ob sie zwingend einer überbetrieblichen Regelung bedarf, die der Regelungsbefugnis des örtlichen Betriebsrats entzogen wäre (vgl. BAG 11. Dezember 2002 – 1 AZR 193/01 – zVv.; 15. Januar 2002 – 1 ABR 10/01 – zVv.).
[31] 3. Das Fehlen dieser Prozeßvoraussetzung hat das Landesarbeitsgericht verkannt. Es hat deswegen versäumt, auf eine den Anforderungen des § 253 Abs. 2 ZPO genügende sachdienliche Antragstellung hinzuwirken und hierfür rechtliches Gehör zu gewähren. Dazu ist das Verfahren zur erneuten Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (vgl. BAG 20. Februar 2001 – 1 ABR 30/00AP BetrVG 1972 § 101 Nr. 23 = EzA BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 7).