Bundesverwaltungsgericht
Wertausgleich; Ersatzanspruch; Genossenschaft, sozialistische; sozialistische Genossenschaft; Produktionsgenossenschaft des Handwerks.
VermG § 7 Abs. 5; GG Art. 14
Gläubiger des sich aus § 7 Abs. 1 oder Abs. 2 VermG ergebenden Ersatzanspruchs kann allein der gegenwärtig Verfügungsberechtigte oder der Entschädigungsfonds, nicht aber ein Dritter sein; wer die Kosten der zu ersetzenden Maßnahmen getragen hat, ist insoweit ohne Bedeutung.

BVerwG, Urteil vom 29. 5. 2002 – 8 C 13.01; VG Weimar (lexetius.com/2002,2137)

[1] In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 29. Mai 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Pagenkopf, Krauß, Golze und Postier für Recht erkannt:
[2] Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar vom 27. September 2000 wird zurückgewiesen.
[3] Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des früheren Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
[4] Gründe: I. Die Klägerin begehrt die Verpflichtung des Beklagten zur Feststellung, dass der gemäß § 7 VermG festgesetzte Wertausgleich für Umbaumaßnahmen auf dem "Doppelgrundstück" … 20, früher: … 20, in G. anstelle des Entschädigungsfonds ihr zustehe.
[5] Die Grundstücke standen seit 1969 im Eigentum des Volkes. Rechtsträger war der VEB KWV G. Im Juli 1990 wurde die Produktionsgenossenschaft … (nachfolgend: PGH Autodienst), die bereits mehrere Jahre mit einem Betriebsteil auf den Grundstücken ansässig war, rückwirkend zum 1. April 1990 neue Rechtsträgerin. Ausweislich des Rechtsträgernachweises erfolgte dies nach dem "Gesetz vom 11. 10. 1974 (GBl Teil I Nr. 53, S. 489 § 4)" aufgrund eines Nutzungsvertrages gemäß der "Anordnung für die Übertragung volkseigener unbeweglicher Grundmittel an sozialistische Genossenschaften" des Ministers für Finanzen vom 11. Oktober 1974.
[6] Die PGH Autodienst wurde 1991 aufgrund der "Verordnung über die Gründung, Tätigkeit und Umwandlung von Produktionsgenossenschaften des Handwerks" vom 8. März 1990 (nachfolgend: Verordnung vom 8. März 1990) in die Klägerin umgewandelt. Deren Eintragung ins Handelsregister erfolgte im August 1992.
[7] 1993 wurde die Bundesrepublik Deutschland aufgrund eines Vermögenszuordnungsbescheides als neue Eigentümerin der Grundstücke im Grundbuch eingetragen. Mit bestandskräftigem Bescheid wurden die Grundstücke 1997 an den früher beigeladenen Rechtsnachfolger des Alteigentümers zurückübertragen.
[8] Mit Bescheid vom 23. Mai 1997 setzte das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen beim Landratsamt G. einen Wertausgleich gemäß § 7 VermG in Höhe von 22 346,15 DM zugunsten der Klägerin fest.
[9] Hiergegen legte u. a. die Klägerin wegen der Höhe des Wertausgleichs Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 1998 wies das Thüringer Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen u. a. diesen Widerspruch zurück und änderte in Ziff. 2 den Ausgangsbescheid dahin gehend ab, dass der festgesetzte Wertausgleich nicht der Klägerin, sondern dem Entschädigungsfonds zustehe.
[10] Mit der dagegen erhobenen Klage hat die Klägerin zunächst die Festsetzung eines höheren Wertausgleiches zu ihren Gunsten begehrt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat sie nur noch die Verpflichtung des Beklagten zur Festsetzung eines Wertausgleichs in Höhe von 22 346,15 DM zu ihren Gunsten beantragt.
[11] Mit Urteil vom 27. September 2000 hat das Verwaltungsgericht das Verfahren eingestellt, soweit die Klage zurückgenommen worden war, und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, Gläubiger des Wertausgleichsanspruchs sei nach § 7 Abs. 5 VermG grundsätzlich der Verfügungsberechtigte im Zeitpunkt der Rückübertragung und, wenn dies – wie hier – eine öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaft oder die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben sei, der Entschädigungsfonds. Das Gesetz gehe hierbei unwiderleglich davon aus, dass die Kosten der ausgleichspflichtigen Maßnahmen nicht vom Verfügungsberechtigten, sondern aus staatlichen Mitteln finanziert worden seien. Vorliegend stehe der Wertausgleich somit dem Entschädigungsfonds und nicht der Klägerin zu.
[12] Dagegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Klägerin, die beantragt, unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Weimar vom 27. September 2000 Ziffer 2 des Widerspruchsbescheides des Thüringer Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 15. Juli 1998 aufzuheben.
[13] Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt, die Revision zurückzuweisen.
[14] II. Die zulässige Revision ist unbegründet. Das angefochtene Urteil verletzt nicht Bundesrecht (§ 137 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat das klägerische Begehren, den Beklagten zu verpflichten festzustellen, dass der Anspruch auf Wertausgleich ihr zustehe, zu Recht abgewiesen; denn der Anspruch steht dem Entschädigungsfonds zu.
[15] Formal ist der angefochtene Widerspruchsbescheid nicht zu beanstanden. Die Widerspruchsbehörde durfte den Ausgangsbescheid zu Lasten der Klägerin ändern. Denn im vermögensrechtlichen Vorverfahren ist die reformatio in peius zu Lasten des Widerspruchsführers zulässig (vgl. Urteil vom 28. November 2001 – BVerwG 8 C 14.01ZOV 2002, 111).
[16] Der Anspruch auf Ersatz der Kosten für vom damaligen Verfügungsberechtigten bis zum 2. Oktober 1990 durchgeführte Maßnahmen für eine Bebauung, Modernisierung oder Instandsetzung des Vermögenswerts steht grundsätzlich dem gegenwärtig Verfügungsberechtigten zu. Ist der gegenwärtig Verfügungsberechtigte eine öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaft oder die Treuhandanstalt, ist der Gläubiger des Anspruchs jedoch der Entschädigungsfonds (§ 7 Abs. 5 Satz 1 VermG). Dies ist hier der Fall. Gegenwärtig verfügungsberechtigt im Sinne des § 7 Abs. 5 VermG ist der im Zeitpunkt der Unanfechtbarkeit der Rückgabe Verfügungsberechtigte. Dies ist diejenige Person, in deren Eigentum oder Verfügungsmacht der Vermögenswert steht (§ 2 Abs. 3 VermG). Maßgebend ist, wer formaler Inhaber eines Rechts ist (vgl. Beschluss vom 21. August 2000 – BVerwG 8 B 178.00 – Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 46 S. 6). Verfügungsberechtigter ist hier die Bundesrepublik Deutschland, die im Zeitpunkt der Restitution an den früheren Beigeladenen – ausweislich der 1993 erfolgten Vermögenszuordnung der ehemals volkseigenen Grundstücke – Eigentümer der streitgegenständlichen Grundstücke war. Das Grundstückseigentum der Bundesrepublik Deutschland erfasste auch die auf den Grundstücken befindlichen Gebäude. Die PGH-Autodienst war nur Rechtsträgerin der volkseigenen Grundstücke. Ihr war kein dingliches Nutzungsrecht an diesen verliehen. Auch die Übertragung unbeweglicher Grundmittel – dies sind nach § 1 Abs. 3 der Verordnung über den Verkauf und Kauf volkseigener unbeweglicher Grundmittel durch Betriebe der volkseigenen Wirtschaft vom 28. August 1968 (GBl DDR II S. 797) auch Gebäude – gemäß der Anordnung für die Übertragung volkseigener unbeweglicher Grundmittel an sozialistische Genossenschaften vom 11. Oktober 1974 (GBl DDR I S. 489) im Rahmen des Rechtsträgerwechsels an volkseigenen Grundstücken und auf dieser Grundlage durchgeführte bauliche Investitionen begründeten kein Eigentum der sozialistischen Genossenschaften an den volkseigenen Grundstücken oder den hierauf befindlichen Gebäuden (§ 2 Abs. 3 der Anordnung vom 11. Oktober 1974, a. a. O.; vgl. auch Beschluss vom 19. Dezember 1994 – BVerwG 7 B 148.94 – Buchholz 115 Sonstiges Wiedervereinigungsrecht Nr. 1 S. 3 f.).
[17] Ist eine öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaft oder die Treuhandanstalt gegenwärtig Verfügungsberechtigte, so steht der Ersatzanspruch nach dem eindeutigen Wortlaut von § 7 Abs. 5 Satz 1 VermG dem Entschädigungsfonds zu. Auch wenn diese Voraussetzungen nicht vorlägen, wäre die Revision gleichwohl erfolglos. Der Anspruch stünde dann nämlich dem gegenwärtig Verfügungsberechtigten, also der Bundesrepublik Deutschland, zu. Ein Ersatzanspruch der Klägerin könnte deshalb nur dann bestehen, wenn § 7 Abs. 5 Satz 1 VermG im Wege der Auslegung folgendermaßen zu lesen wäre:
[18] "Ist eine öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaft … gegenwärtig Verfügungsberechtigter, so steht der Ersatzanspruch dem Entschädigungsfonds bzw. – wenn die wertsteigernden Maßnahmen von einer sozialistischen Genossenschaft durchgeführt worden sind – dem Rechtsnachfolger der Genossenschaft, in den übrigen Fällen dem gegenwärtig Verfügungsberechtigten zu."
[19] Ein solcher Gesetzesinhalt ist nicht durch Auslegung – auch nicht durch verfassungskonforme – erreichbar, sondern nur durch eine Änderung des Gesetzes.
[20] Auch die Voraussetzungen für eine Analogie liegen nicht vor. Hierfür fehlt es an einer Regelungslücke, weil § 7 Abs. 5 Satz 1 VermG für alle denkbaren Fälle einen Gläubiger des Ausgleichsbetrages bestimmt.
[21] Der eindeutige Wortlaut der Vorschrift entspricht auch dem Sinn und Zweck der Bestimmung und dem in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers.
[22] In seiner ursprünglichen Fassung regelte § 7 VermG nur den Ersatz von aus Mitteln des Staatshaushalts finanzierten Werterhöhungen. Der Ersatz sonstiger Werterhöhungen richtete sich – mangels einer Regelung im Vermögensgesetz – nach den Bestimmungen des Zivilrechts.
[23] § 7 VermG in seiner heute gültigen Fassung wurde eingefügt durch das Zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz vom 14. Juli 1992 (BGBl I S. 1257). Zum Gläubiger des sich aus den – ebenfalls neu gefassten – Bestimmungen des § 7 Abs. 1 oder Abs. 2 VermG ergebenden Ersatzanspruchs wird in § 7 Abs. 5 Satz 1 grundsätzlich der gegenwärtig Verfügungsberechtigte bestimmt. Ob dieser die Kosten der zu ersetzenden Maßnahmen selbst getragen hatte, ist dabei ohne Bedeutung. Dies erspart es den Vermögensämtern zu prüfen, wer – und gegebenenfalls welcher von mehreren Investoren zu welchem Anteil – die Kosten der zu ersetzenden Maßnahmen getragen hat. Geregelt wird damit nur das Verhältnis zwischen dem Berechtigten und dem gegenwärtig Verfügungsberechtigten. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz hat der Gesetzgeber nur für den Fall vorgesehen, dass eine öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaft oder die Treuhandanstalt gegenwärtig Verfügungsberechtigte ist. Dann wird der Ersatzanspruch dem Entschädigungsfonds zugewiesen. Insoweit geht das Gesetz zurück auf einen Vorschlag des Bundesrats, der Folgendes ausgeführt hatte: "Erfolgt die Rückübertragung des Eigentums aus ehemaligem Volkseigentum, so soll der Ersatzanspruch dem Entschädigungsfonds zustehen. Denn für diese Fälle wird unwiderleglich vermutet, dass die ausgleichspflichtigen Verwendungen aus öffentlichen Mitteln im weitesten Sinne finanziert worden sind …" (vgl. BTDrucks 12/2695). In seiner – dann Gesetz gewordenen – Beschlussempfehlung schloss sich der Rechtsausschuss des Bundestags dem an (vgl. BTDrucks 12/2944). Der Gesetzgeber wollte also lediglich in dem genannten Sonderfall Mittel dem Entschädigungsfonds zuführen, die sonst einer öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaft – beispielsweise einer Gemeinde – oder der Treuhandanstalt zugeflossen wären. Dagegen hat er nicht übersehen, dass es zahlreiche Fälle gibt, in denen der gegenwärtig Verfügungsberechtigte die Kosten für zu ersetzende Maßnahmen nicht selbst getragen hat.
[24] Die Bestimmungen des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes vermögen an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Denn das Sachenrechtsbereinigungsgesetz regelt zivile Rechtsverhältnisse insbesondere zwischen Grundstückseigentümern und Grundstücksnutzern (§ 1 Abs. 1 SachenRBerG). Für die Beantwortung der Frage, wer Inhaber eines Ersatzanspruchs nach § 7 VermG ist, kann dem Gesetz schon deshalb nichts entnommen werden. Welchen Einfluss die Festsetzung eines Ersatzanspruchs nach § 7 VermG auf sich aus dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz ergebende Ansprüche hat, ist allein von den ordentlichen Gerichten zu klären.
[25] § 7 Abs. 5 VermG verletzt die Klägerin auch nicht in ihrem Eigentumsrecht (Art. 14 GG). Durch die Verordnung über die Gründung, Tätigkeit und Umwandlung von Produktionsgenossenschaften des Handwerks vom 8. März 1990 (GBl DDR I S. 164) wurden die Produktionsgenossenschaften des Handwerks reformiert. Ob bereits die reformierte Produktionsgenossenschaft des Handwerks mit dem 3. Oktober 1990 Trägerin des Rechts aus Art. 14 GG wurde oder ob sie dies erst durch die – hier nach In-Kraft-Treten des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes erfolgte – Umwandlung in eine GmbH werden konnte, kann dahinstehen.
[26] Ebenfalls dahinstehen kann, ob der Klägerin vor dem In-Kraft-Treten des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes überhaupt ein zivilrechtlicher Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen gegen den Berechtigten zustand, der ihr durch das Gesetz genommen wurde. Denn jedenfalls stand ein möglicher Anspruch der Genossenschaft nicht unter dem Schutz des Art. 14 GG. Er wäre nämlich durch Investitionen aus dem sozialistischen Eigentum erworben worden und zunächst selbst Bestandteil des sozialistischen Eigentums gewesen. Dagegen wäre er nicht durch Leistungen aus dem privaten Eigentum der Mitglieder der Genossenschaft erworben worden.
[27] Dies zeigt die Stellung, die diese Genossenschaften nach dem Recht der DDR in deren Wirtschaftssystem hatten. Nach § 1 Abs. 1 des Musterstatuts der Produktionsgenossenschaften des Handwerks (GBl DDR 1973 I S. 122), das nach § 1 der Verordnung über dieses Musterstatut vom 21. Februar 1973 (GBl DDR I S. 121) verbindlich war, waren die Produktionsgenossenschaften des Handwerks sozialistische Genossenschaften. Die Geräte, Maschinen, Anlagen und Bauten der sozialistischen Genossenschaften und das aus genossenschaftlicher Nutzung des Bodens sowie genossenschaftlichen Produktionsmitteln erzielte Ergebnis waren genossenschaftliches Eigentum (Art. 13 der Verfassung der DDR von 1968). Das genossenschaftliche Eigentum war sozialistisches Eigentum (Art. 10 Abs. 1 Verfassung der DDR). Das sozialistische Eigentum bildete die ökonomische Grundlage der Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft (vgl. Art. 9 und 10 Abs. 2 der Verfassung der DDR) und war damit diejenige Eigentumsform, mit deren Hilfe die sozialistische Gesellschafts- und Staatsordnung aufgebaut und durchgesetzt werden sollte (vgl. hierzu Urteil vom 13. Oktober 1994 – BVerwG 7 C 38.93BVerwGE 97, 24). Es stand im bewussten Gegensatz zum persönlichen Eigentum, das der Befriedigung der materiellen und kulturellen Bedürfnisse der Bürger diente (vgl. Art. 11 Abs. 1 Verfassung der DDR). Das genossenschaftliche Eigentum war als sozialistisches Eigentum "gesellschaftliches, gemeinsames Eigentum" (vgl. Kommentar zur DDR-Verfassung, Hrsg.: K. Sorgenicht u. a. Art. 10, Anm. 1) und nicht etwa "isoliertes Gruppeneigentum" (vgl. DDR-Handbuch, 3. Aufl., 1985, Stichwort "Genossenschaften"). Der Erwerb und der Übergang von Sachen, die Grundlage der wirtschaftlichen Tätigkeit der Betriebe waren, aus dem sozialistischen in persönliches Eigentum war unzulässig (§ 20 Abs. 3 Satz 1 ZGB). Der geschilderten Stellung der Produktionsgenossenschaften des Handwerks entsprach es auch, dass deren Mitglieder nicht an den genossenschaftlichen Fonds zur Finanzierung der Grund- und Umlaufmittel und der Bildung von Reserven – u. a. für geplante In-vestitionen – (§ 6 des Musterstatuts a. a. O.) sowie allgemein nicht am Zuwachs des genossenschaftlichen Vermögens privat beteiligt waren. Vielmehr wurde an sie lediglich über den genossenschaftlichen Konsumtionsfonds ein Anteil am Ergebnis der wirtschaftlichen Tätigkeit der Genossenschaft ausbezahlt (§ 7 des Musterstatuts a. a. O.).
[28] Auch im Rahmen der Sozialisierung auf der Grundlage des Beschlusses des Präsidiums des Ministerrats vom 9. Februar 1972 wurde den Mitgliedern der Produktionsgenossenschaften des Handwerks, soweit diese den Charakter eines Handwerksbetriebs verloren und sich zu einem Industriebetrieb entwickelt hatten, nur ihr eingezahlter Genossenschaftsanteil und der ihnen zustehende Anteil am Konsumtionsfonds ausgezahlt, nicht jedoch ein Anteil an dem Vermögen der Genossenschaft (vgl. Grundsätze für die finanzielle Abwicklung des Kaufs von Produktionsgenossenschaften des Handwerks in Dokumente 4 und 5: BARoV, Heft 2, Die Aktion '72 zur Verstaatlichung von Betrieben in der ehemaligen DDR).
[29] Dass bei der Rückübertragung volkseigener Grundmittel – insbesondere von Gebäuden – Wertänderungen auszugleichen bzw. der Zeitwert zu bezahlen war (§ 6 Abs. 5 und Abs. 4 der Anordnung für die Übertragung volkseigener unbeweglicher Grundmittel an sozialistische Genossenschaften vom 11. Oktober 1974, a. a. O.) war deshalb allein eine Verrechnung zwischen verschiedenen Trägern sozialistischen Eigentums.
[30] Auch verstößt das Gesetz nicht gegen das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG). Es ist schon deshalb sachlich gerechtfertigt, den Ersatzanspruch grundsätzlich dem gegenwärtig Verfügungsberechtigten zuzusprechen, weil dadurch den Vermögensämtern zeitaufwendige Prüfungen erspart werden und die zivilrechtlichen Ansprüche Dritter gegen den heutigen Verfügungsberechtigten unberührt bleiben. Ebenso ist es sachlich gerechtfertigt, den Anspruch unter den genannten Voraussetzungen ausnahmsweise dem Entschädigungsfonds zuzuweisen. Im Übrigen wäre das Recht der Klägerin aus Art. 3 GG selbst dann nicht verletzt, wenn Letzteres willkürlich wäre.
[31] Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
[32] Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 11 425,40 € (entspricht 22 346,15 DM) festgesetzt.