Bundesgerichtshof
BGB § 826; BörsG § 47 Abs. 2
Zur haftungsbegründenden Kausalität fehlerhafter Ad-hoc-Publizität auf dem Sekundärmarkt und falscher Prospektangaben im Bereich des Primärmarktes für den Willensentschluss des Anlegers.

BGH, Urteil vom 3. 3. 2008 – II ZR 310/06 – ComROAD VIII; OLG Frankfurt a. M. (lexetius.com/2008,657)

[1] Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 3. März 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly, Kraemer, Caliebe und Dr. Drescher für Recht erkannt:
[2] Auf die Revisionen der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 17. Januar 2006 aufgehoben.
[3] Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
[4] Tatbestand: Die Kläger machen im Zusammenhang mit dem Erwerb von ComROAD-Aktien Schadensersatz aus dem Gesichtspunkt kapitalmarktrechtlicher Informationsdeliktshaftung gegen die ComROAD AG (Beklagte zu 1) sowie deren vormaligen Vorstandsvorsitzenden und Mehrheitsgesellschafter, den Beklagten zu 2, geltend.
[5] Die Aktien der Beklagten zu 1 wurden im November 1999 zum geregelten Markt mit Handel im Neuen Markt zugelassen und am 26. November 1999 mit dem Emissionskurs von 20,50 € (entsprechend 5,13 € nach dem späteren Aktiensplitt 1: 4) notiert. Der Kurs der Aktie stieg binnen weniger Wochen bis Ende Februar 2000 auf den Höchststand von – splittbereinigt – 64,00 €, der – nach zwischenzeitlich reduzierten Kursen von ca. 25,00 € – im September 2000 erneut erreicht wurde. Der Kläger zu 1 erwarb am 7. Mai 2000 insgesamt 1. 703 Aktien der Beklagten zu 1 für 31.329,34 €, der Kläger zu 2 am 11. August 2000 insgesamt 48 Aktien für 2.499,36 €.
[6] Nach der ersten Aktiennotierung trat die Beklagte zu 1 über den Beklagten zu 2 bis zum Ende des Jahres 2001 mit mehr als 40 Ad-hoc-Mitteilungen an die Öffentlichkeit. In diesen Mitteilungen wurden im Wesentlichen neue Geschäftspartner und aktualisierte Unternehmenszahlen bekannt gegeben; dabei wurde für jedes Quartal eine erhebliche Erhöhung von Umsatz und Gewinn gegenüber dem vorangegangenen Quartal mitgeteilt. Nachdem am 20. Februar 2002 die von der Beklagten zu 1 beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ihr Mandat niedergelegt hatte, stellte sich heraus, dass der Beklagte zu 2 – der aufgrund dieser Vorgänge zwischenzeitlich zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden ist – wesentliche Teile der angeblichen Umsätze der Beklagten zu 1 mit Hilfe von Scheinfirmen fingiert hatte. Im Rahmen einer Sonderprüfung wurde u. a. nachgewiesen, dass der im Verkaufsprospekt für 1998 ausgewiesene Umsatz zu 63 % auf fingierten Geschäften beruhte, während von den zuletzt durch Ad-hoc-Mitteilungen bekannt gegebenen Umsätzen der Beklagten zu 1 von 93, 6 Mio. € für das Kalenderjahr 2001 in Wirklichkeit nur 1, 4 % getätigt worden waren. Seit Bekanntwerden dieser Umstände liegt der Kurs der Aktie der Beklagten zu 1 überwiegend deutlich unter 1,00 €.
[7] Mit der Klage verlangen die Kläger von den Beklagten – Zug um Zug gegen Übereignung der noch von ihnen gehaltenen Aktien, bei gleichzeitiger Feststellung des Annahmeverzugs – Schadensersatz in Höhe des Erwerbspreises der Aktien. Zur Begründung berufen sie sich darauf, die Bekanntgabe der weitgehend fingierten Umsatz- und Ergebniszahlen durch den Beklagten zu 2 habe am Markt zu einer Kaufstimmung und auch zu ihrem eigenen Engagement in Aktien der Beklagten zu 1 geführt. Bei Angabe wahrheitsgemäßer Zahlen wäre es nicht zu einem Börsengang der Beklagten zu 1 und damit auch nicht zu ihrem Engagement in deren Aktien gekommen. Für das sittenwidrige Fehlverhalten des Beklagten zu 2 habe die Beklagte zu 1 einzustehen. Demgegenüber bestreiten die Beklagten die Ursächlichkeit des fehlerhaften Verkaufsprospektes sowie der die fingierten Zahlen enthaltenden Ad-hoc-Mitteilungen für die Kaufentschlüsse der Kläger. Die Beklagte zu 1 stellt weiterhin eine Verantwortlichkeit für das Handeln des Beklagten zu 2 im Hinblick auf die §§ 57, 71 ff. AktG in Abrede.
[8] Das Landgericht hat die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit als unzulässig abgewiesen. Auf die hiergegen von beiden Klägern eingelegte Berufung hat das Berufungsgericht den Klagen auch in der Sache stattgegeben und die Revision beschränkt auf die Frage der Zulässigkeit der Klage zugelassen. Mit der vom Senat – auf die weitergehenden Nichtzulassungsbeschwerden der Beklagten – darüber hinaus umfassend zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
[9] Entscheidungsgründe: Die Revisionen der Beklagten sind begründet und führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
[10] I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
[11] Das Schadensersatzbegehren der Kläger sei aus dem Gesichtspunkt der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung (§ 826 BGB) gerechtfertigt. Die vom Beklagten zu 2 als Organ der Beklagten zu 1 zur Täuschung des Börsenpublikums in den Verkaufsprospekt aufgenommenen, überwiegend frei erfundenen Unternehmenszahlen seien für die Aktienkäufe der Kläger ursächlich geworden.
[12] Ohne dass es auf eine Kenntnis der Kläger von diesem Verkaufsprospekt ankomme, wäre es bei Angabe zutreffender Umsatzzahlen im Prospekt zu keinem Börsengang der Beklagten zu 1 gekommen, da sich dann keine Bank bereit gefunden hätte, die – in diesem Falle nicht Erfolg versprechende – Emission zu begleiten. Auf eine Kenntnis der Kläger von den nachfolgenden Ad-hoc-Mitteilungen komme es danach nicht an. Die Beklagte zu 1 müsse für das Fehlverhalten ihres Vorstandsvorsitzenden, des Beklagten zu 2, nach § 31 BGB einstehen und könne den Klägern weder das Verbot der Einlagenrückgewähr (§ 57 Abs. 1 Satz 1 AktG) noch das Verbot des Erwerbs eigener Aktien (§§ 71 ff. AktG) entgegenhalten.
[13] II. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung in dem entscheidenden Punkt der Beurteilung der haftungsbegründenden Kausalität des fehlerhaften Verkaufsprospekts als Grundlage für die späteren Kaufentscheidungen der Kläger nicht stand.
[14] 1. Im Ansatz geht das Berufungsgericht allerdings noch zutreffend davon aus, dass die direkt vorsätzliche unlautere Beeinflussung des Kapitalmarktpublikums durch Mitteilung grob unrichtiger Unternehmenskennzahlen – wie sie hier unzweifelhaft in Form des Verkaufsprospekts wie auch der späteren Ad-hoc-Mitteilungen vorliegt – gegen die Mindestanforderungen des lauteren Rechtsverkehrs auf dem Kapitalmarkt verstößt und im Falle der Ursächlichkeit für den Kaufentschluss des potentiellen Aktienerwerbers diesem gegenüber eine grundsätzlich auf Naturalrestitution gerichtete Schadensersatzhaftung nach § 826 BGB begründet (st. Sen. Rspr. BGHZ 160, 134 – Infomatec I; 160, 149 – Infomatec II).
[15] Ebenfalls noch zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass für die von dem Beklagten zu 2 – als verfassungsmäßig berufenem Vertreter der Beklagten zu 1 – durch die falschen Angaben in dem Verkaufsprospekt sowie den Ad-hoc-Mitteilungen begangenen sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigungen auch die beklagte Gesellschaft analog § 31 BGB – gesamtschuldnerisch mit diesem – einzustehen hat. Dabei ist – wie der Senat bereits durch Urteil vom 9. Mai 2005 (II ZR 287/02, ZIP 2005, 1270, 1272 f. – EM. TV) entschieden hat – die Naturalrestitution als Form des Schadensausgleichs nicht durch die besonderen aktienrechtlichen Gläubigerschutzvorschriften über das Verbot der Einlagenrückgewähr (§ 57 AktG) und das Verbot des Erwerbs eigener Aktien (§ 71 AktG) begrenzt oder gar ausgeschlossen; die hiergegen gerichtete Kritik der Revision der Beklagten zu 1 gibt dem Senat zu einer Änderung seiner Rechtsprechung keine Veranlassung (vgl. dazu schon: Sen. Beschl. v. 28. November 2005 – II ZR 80/04, ZIP 2007, 681 Tz. 3 – ComROAD I; v. 26. Juni 2006 – II ZR 153/05, ZIP 2007, 326, 327 Tz. 9 – ComROAD III; Urt. v. 4. Juni 2007 – II ZR 147/05, ZIP 2007, 1560, 1561 Tz. 11 – ComROAD IV; Urt. v. 7. Januar 2008 – II ZR 229/05 und – II ZR 68/06, ZIP 2008, 407 ff. und 410 ff., jeweils Tz. 11 – ComROAD VI und VII). Dies gilt gleichermaßen für einen von der Revision gerügten Verstoß gegen das Gebot der Gleichbehandlung der Aktionäre (§ 53 a AktG), da auch insoweit die Ersatzforderungen der in sittenwidriger Weise geschädigten Anleger gegen die Gesellschaft in erster Linie nicht auf ihrer – durch die unerlaubten Handlungen des Vorstands erst begründeten – mitgliedschaftlichen Sonderrechtsbeziehung als Aktionäre, sondern auf ihrer Stellung als Drittgläubiger beruhen. Das Integritätsinteresse der durch vorsätzlich sittenwidriges oder strafbares – der Gesellschaft zurechenbares – Handeln des Vorstandes geschädigten Anleger auf Herbeiführung eines Zustandes, der dem schadensfreien möglichst nahe kommt, hat daher Vorrang vor dem Gebot der Gleichbehandlung der Aktionäre (vgl. Sen. Urt. v. 9. Mai 2005 aaO S. 1273).
[16] 2. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet demgegenüber die Begründung des Berufungsgerichts für die von ihm bejahte Kausalität zwischen den falschen Angaben in dem Verkaufsprospekt und dem Erwerb der Aktien durch die Kläger.
[17] a) Täuschungshandlungen der Beklagten im Rahmen des Börsenzulassungsverfahrens ("im Vorfeld des Börsenganges") führen unter dem Blickwinkel des § 826 BGB jedenfalls nicht ohne den – auch insoweit – von den Klägern als Anspruchstellern im Rahmen des Delikts zu führenden Nachweis (BGHZ 160, 134, 145 m. w. Nachw.; Baumgärtel, Handbuch der Beweislast § 826 Rdn. 1) der konkreten haftungsbegründenden Kausalität für ihre Willensentschließung zur Schadensersatzpflicht der Beklagten im Wege der Naturalrestitution durch Rückerstattung des Erwerbspreises gegen Rückgabe der Aktien (§ 249 BGB).
[18] b) Die vom Berufungsgericht in den Vordergrund seiner Überlegungen gestellte Annahme, die unrichtige Umsatzangabe im Verkaufs- bzw. Emissionsprospekt könne nicht weggedacht werden, ohne dass der Erfolg in Gestalt des späteren Aktienerwerbs des jeweiligen Käufers entfiele, greift zu kurz.
[19] Bei der Frage, welche Anforderungen an die haftungsbegründende Kausalität im Rahmen der Fallgruppe der sog. Informationsdeliktshaftung nach § 826 BGB auf dem Primärmarkt wie auch auf dem Sekundärmarkt zu stellen sind, ist die – im Strafrecht geltende – reine Bedingungstheorie (condicio-sinequa-non-Formel) ein untaugliches Instrument, weil im Zivilrecht – namentlich im Bereich des Rechts der unerlaubten Handlungen (§§ 823 ff. BGB) – auf die adäquate Kausalität und ergänzend auf den Schutzzweck der Norm abzustellen ist (vgl. nur: Palandt/Heinrichs, BGB 67. Aufl. Vorb. v. § 249 Rdn. 58 ff., 62 m. w. Nachw.; st. Rspr.: vgl. BGHZ 57, 137, 142; Sen. Urt. v. 11. November 1985 – II ZR 109/84, ZIP 1986, 14, 16 – jew. m. w. Nachw.). Geschützt wird sowohl im Bereich des Primärmarktes der sog. Verkaufsprospekthaftung als auch bei der den Sekundärmarkt betreffenden Informationsdeliktshaftung für fehlerhafte Adhoc-Mitteilungen die Integrität der Willensentschließung des potentiellen Anlegers vor einer unlauteren irreführenden Beeinträchtigung durch falsche Prospekt- oder Ad-hoc-Publizität (Sen. Urt. v. 4. Juni 2007 – II ZR 147/05, ZIP 2007, 1560, 1563 Tz. 30 – ComROAD IV; v. 7. Januar 2008 – II ZR 229/05 und – II ZR 68/06, ZIP 2008, 407 ff. und 410 ff., jeweils Tz. 15 – ComROAD VI und VII).
[20] aa) Dem entspricht es, dass der Senat bei der fehlerhaften Ad-hoc-Publizität des Sekundärmarktes im Rahmen des Tatbestandes des § 826 BGB auf den Nachweis der konkreten Kausalität für den Willensentschluss des Anlegers selbst bei extrem unseriöser Kapitalmarktinformation nicht verzichtet und dementsprechend das enttäuschte allgemeine Anlegervertrauen in die Integrität der Marktpreisbildung nicht ausreichend sein lässt (vgl. BGHZ 160, 134 – Infomatec I; Sen. Urt. v. 9. Mai 2005 – II ZR 287/02, ZIP 2005, 1270, 1274 – EM. TV; Sen. Beschl. v. 28. November 2005 – II ZR 80/04 aaO S. 682 Tz. 11 – ComROAD I; v. 28. November 2005 – II ZR 246/04, ZIP 2007, 680 Tz. 8 – ComROAD II; v. 26. Juni 2006 – II ZR 153/05 aaO S. 326 Tz. 5 – ComROAD III; Sen. Urt. v. 4. Juni 2007 – II ZR 147/05, ZIP 2007, 1560, 1562 Tz. 16 – ComROAD IV; v. 4. Juni 2007 – II ZR 173/05, ZIP 2007, 1564, 1565 Tz. 16 – ComROAD V; v. 7. Januar 2008 – II ZR 229/05 und – II ZR 68/06, ZIP 2008, 407 ff. und 410 ff., jeweils Tz. 16 – ComROAD VI und VII).
[21] bb) Diese zur Vermeidung einer uferlosen Ausweitung des ohnehin offenen Haftungstatbestandes der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung unabdingbare, aus dem Schutzzweck der Norm abzuleitende Tatbestandseingrenzung gilt – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – auch insoweit, als es im Bereich des Primärmarktes um die Haftung für Prospektmängel nach den §§ 45, 46 BörsG a. F. (nunmehr §§ 44, 45 BörsG n. F.) und die gemäß § 48 Abs. 2 BörsG a. F. (nunmehr § 47 Abs. 2 BörsG n. F.) nicht ausgeschlossene weitergehende Deliktshaftung wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung nach § 826 BGB geht.
[22] Das Börsengesetz verzichtet für die spezialgesetzliche – nach § 13 VerkProspG auch für das hier einschlägige Segment des Neuen Marktes entsprechend geltende – Prospekthaftung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 1 BörsG a. F. nicht auf das Erfordernis der haftungsbegründenden Kausalität, weil danach die Prospekthaftung nur eingreift, wenn ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem fehlerhaften Prospekt und dem Erwerb der Wertpapiere besteht. Für die weitergehenden Ansprüche aus unerlaubter Handlung, die kraft ausdrücklicher Normierung in § 48 Abs. 2 BörsG a. F. nicht ausgeschlossen sind, gilt in Bezug auf den haftungsrelevanten, weil das Anlegerpublikum des Primärmarktes irreführenden Prospektfehler unter dem Blickwinkel des Schutzzwecks der Norm nichts anderes.
[23] cc) Soweit das Berufungsgericht – in prozessual zweifelhafter Weise, da es an einem entsprechenden Vortrag der Kläger mangelt – den Kausalitätsansatz noch weiter in das Vorfeld des Börsenganges verlegen will, indem es meint, bei zutreffender Angabe der geringeren Umsatzzahlen im Verkaufsprospekt hätte sich keine Bank bereit gefunden, die Emission, die in diesem Fall nicht Erfolg versprechend gewesen wäre, zu begleiten, gilt dies erst recht. Denn geschützt wird auch insoweit im Rahmen des § 826 BGB nicht das allgemeine Vertrauen in die Zuverlässigkeit des der Neuemission an der Börse vorgelagerten Börsenzulassungsverfahrens einschließlich der Begleitung des Börsengangs durch eine Bank, sondern die konkrete Anlageentscheidung kaufwilliger Anleger vor unzutreffenden Angaben des Prospekts selbst, der als direkte Informationsquelle für die Börsenpreisbildung maßgeblich ist und daher die Anlageentscheidung unmittelbar beeinflusst (vgl. auch Sen. Urt. v. 26. September 2005 – II ZR 380/03, ZIP 2005, 2012, 2015 – zu § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 399 AktG: Erfordernis eines bewussten Verhaltens im – konkreten – Vertrauen in die Richtigkeit relevanter Angaben; Sen. Urt. v. 4. Juni 2007 – II ZR 147/05, ZIP 2007, 1560, 1562 Tz. 34 – ComROAD IV; v. 7. Januar 2008 – II ZR 229/05 und – II ZR 68/06, ZIP 2008, 407 ff. und 410 ff., jeweils Tz. 19 – ComROAD VI und VII).
[24] Auch im Übrigen erscheint unter Schutznormaspekten die vom Berufungsgericht konstruierte "generelle" – also unabhängig von der Kenntnis des potentiellen späteren Anlegers postulierte – Kausalität eines Prospektmangels unvertretbar, weil sie im Sinne einer "Dauerkausalität" auf unabsehbare Zeit auch jedem beliebigen späteren Aktienerwerber auf dem Sekundärmarkt – wie hier – stets zugute kommen würde ohne Rücksicht darauf, ob das Schutzgut der Norm – hier die Integrität seiner Willensentschließung – überhaupt berührt wird (Sen. Urt. v. 4. Juni 2007 – II ZR 147/05, ZIP 2007, 1560, 1564 Tz. 35 – ComROAD IV; v. 7. Januar 2008 – II ZR 229/05 und – II ZR 68/06, ZIP 2008, 407 ff. und 410 ff., jeweils Tz. 20 – ComROAD VI und VII).
[25] 3. Das angefochtene Urteil lässt sich auch nicht gemäß § 561 ZPO unter Rückgriff auf die fehlerhaften Ad-hoc-Mitteilungen der Beklagten zu 1 aufrechterhalten. Feststellungen, die eine konkrete Kausalität zwischen einem Fehlverhalten der Beklagten und den Aktienkäufen der Kläger begründen könnten, hat das Berufungsgericht nämlich nicht getroffen.
[26] III. Aufgrund des unter II 2 aufgezeigten Rechtsfehlers unterliegt das angefochtene Urteil der Aufhebung (§ 562 ZPO). Mangels Endentscheidungsreife ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
[27] 1. Zwar kann auf der Grundlage der bislang vom Berufungsgericht getroffenen – nur für seinen unzutreffenden Rechtsstandpunkt ausreichenden – Feststellungen nicht angenommen werden, dass die falschen Ad-hoc-Mitteilungen der Beklagten zu 1 kausal für die Aktienkäufe der Kläger waren. Ebenso mangelt es insoweit bislang an einem hinreichenden Vortrag der Kläger. Dennoch verbietet sich eine abschließende, klageabweisende Entscheidung durch den Senat.
[28] Der bisherige Verfahrensablauf in den Vorinstanzen lässt nämlich erkennen, dass die Kläger diesen rechtlichen Gesichtspunkt – trotz entsprechender Rügen der Beklagten – ersichtlich für unerheblich gehalten haben, so dass sowohl das Land- als auch das Oberlandesgericht bei zutreffender Beurteilung der Rechtslage den Klägern einen entsprechenden rechtlichen Hinweis hätten erteilen müssen. Stattdessen hat das Landgericht sich auf eine Verhandlung über die örtliche Zuständigkeit beschränkt, während das Berufungsgericht in der mündlichen Verhandlung offenbar nur seine dann auch in das Berufungsurteil als Begründung aufgenommene verfehlte, aber den Klägern günstige Rechtsauffassung erörtert hat. Bei einer solchen Verfahrenssituation bestand für die Kläger kein Anlass, ihren Vortrag zu einer Kausalität der Ad-hoc-Mitteilungen für ihre Kaufentschlüsse zu vertiefen.
[29] 2. Unabhängig davon, dass beide Revisionen insoweit keine Rüge erheben, hatte der Senat nicht zu prüfen, ob das Berufungsgericht zu Recht eine erstinstanzliche Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt am Main angenommen hat. Es entspricht gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, dass § 545 Abs. 2 ZPO einer Überprüfung der erstinstanzlichen Zuständigkeit selbst dann entgegensteht, wenn das Berufungsgericht zur Klärung einer insoweit aufgetretenen Rechtsfrage die Revision zugelassen hat (Sen. Beschl. v. 5. März 2007 – II ZR 287/05, WM 2007, 1678, 1679; BGH, Urt. v. 7. März 2006 – VI ZR 42/05, MDR 2006, 1126; BGH, Beschl. v. 26. Juni 2003 – III ZR 91/03, WM 2003, 2251 f.).
[30] 3. Eine Zurückverweisung der Sache unmittelbar an das Landgericht (§ 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO) scheidet aus. Gegen die vom Berufungsgericht getroffene Ermessensentscheidung, von der Möglichkeit der Zurückverweisung keinen Gebrauch zu machen, werden von den Revisionen mit Recht keine Einwände erhoben.
[31] In dem neu eröffneten Berufungsverfahren wird das Berufungsgericht den Klägern Gelegenheit zu geben haben, ihren Sachvortrag zum Kausalzusammenhang zu konkretisieren. Den – ergänzten – Sachvortrag wird es sodann – für jeden Kläger gesondert – auf seine Schlüssigkeit auch unter dem Blickwinkel der erforderlichen Anfangswahrscheinlichkeit im Hinblick auf die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Vernehmung der Kläger als Partei nach § 448 ZPO gemäß den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen (vgl. dazu Senat BGHZ 160, 134, 147 m. w. Nachw.; Sen. Urt. v. 9. Mai 2005 – II ZR 287/02 aaO S. 1274) zu prüfen haben. Von einer – nur ausnahmsweise in Betracht kommenden – Anlagestimmung mit der Folge einer Anwendbarkeit der Grundsätze des Anscheinsbeweises wird das Berufungsgericht allenfalls nach vorheriger Einholung eines Sachverständigengutachtens ausgehen können (Sen. Urt. v. 4. Juni 2007 – II ZR 147/05, ZIP 2007, 1560, 1562 Tz. 14 f. – ComROAD IV; v. 4. Juni 2007 – II ZR 173/05, ZIP 1564, 1565 Tz. 14 f. – ComROAD V; v. 7. Januar 2008 – II ZR 229/05 und – II ZR 68/06, ZIP 2008, 407 ff. und 410 ff., jeweils Tz. 24 – ComROAD VI und VII).