Bundesarbeitsgericht
Ortszuschlag bei eingetragener Lebenspartnerschaft
1. Das familienstandsbezogene Stufensystem des Ortszuschlags nach § 29 BAT berücksichtigt den Familienstand der Lebenspartnerschaft nicht. Die tarifliche Regelung ist mit der für die Tarifvertragsparteien nicht absehbaren Einführung des neuen familienrechtlichen Instituts der Eingetragenen Lebenspartnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare nachträglich lückenhaft geworden.
2. Aus dem Regelungskonzept und der familienbezogenen Ausgleichsfunktion des Ortszuschlags ergeben sich ausreichende Anhaltspunkte für den mutmaßlichen Willen der Tarifvertragsparteien, den lückenhaften Tarifvertrag durch die für verheiratete Angestellte geltende Regelung des § 29 Abschnitt B Abs. 2 Nr. 1 BAT zu schließen.

BAG, Urteil vom 29. 4. 2004 – 6 AZR 101/03 (lexetius.com/2004,1711)

[1] 1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 5. Dezember 2002 – 11 Sa 933/02 – aufgehoben.
[2] 2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 6. Juni 2002 – 8 Ca 571/02 – abgeändert:
[3] 3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
[4] Tatbestand: Die Parteien streiten darüber, welche Stufe des Ortszuschlags dem Kläger nach der Begründung einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft zusteht.
[5] Der Kläger ist bei der Beklagten als Krankenpfleger beschäftigt. Für das Arbeitsverhältnis gelten die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrags (BAT). Danach besteht die Vergütung des Angestellten aus der Grundvergütung und dem Ortszuschlag (§ 26 Abs. 1 BAT). Die Höhe des Ortszuschlags richtet sich gemäß § 29 Abschnitt A Abs. 1 BAT nach Tarifklassen und entsprechend den Familienverhältnissen des Angestellten nach Stufen. Dazu ist im BAT im Einzelnen bestimmt: "§ 29 Ortszuschlag. … B. Stufen des Ortszuschlages … (1) Zur Stufe 1 gehören die ledigen und die geschiedenen Angestellten sowie Angestellte, deren Ehe aufgehoben oder für nichtig erklärt ist. (2) Zur Stufe 2 gehören 1. verheiratete Angestellte, 2. verwitwete Angestellte, 3. geschiedene Angestellte und Angestellte, deren Ehe aufgehoben oder für nichtig erklärt ist, wenn sie aus der Ehe zum Unterhalt verpflichtet sind, 4. andere Angestellte, die eine andere Person nicht nur vorübergehend in ihre Wohnung aufgenommen haben und ihr Unterhalt gewähren, weil sie gesetzlich oder sittlich dazu verpflichtet sind oder aus beruflichen oder gesundheitlichen Gründen ihrer Hilfe bedürfen. Dies gilt bei gesetzlicher oder sittlicher Verpflichtung zur Unterhaltsgewährung nicht, wenn für den Unterhalt der aufgenommenen Person Mittel zur Verfügung stehen, die, bei einem Kind einschließlich des gewährten Kindergeldes und des kinderbezogenen Teils des Ortszuschlages, das Sechsfache des Unterschiedsbetrages zwischen der Stufe 1 und der Stufe 2 des Ortszuschlages der Tarifklasse I c übersteigen. …"
[6] Am 5. Oktober 2001 begründete der Kläger mit einer Person gleichen Geschlechts eine Lebenspartnerschaft nach dem zum 1. August 2001 in Kraft getretenen Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft vom 16. Februar 2001 (- LPartG – BGBl. I S. 266). Er erhielt weiterhin Ortszuschlag der Stufe 1.
[7] Der Kläger hat gemeint, nach der Begründung der Lebenspartnerschaft stehe ihm wie einem verheirateten Angestellten der monatlich um 97,48 Euro brutto höhere Ortszuschlag der Stufe 2 zu. Im Bereich des Arbeitsentgelts sei eine Ungleichbehandlung von Angestellten in einer Lebenspartnerschaft und verheirateten Angestellten sachlich nicht gerechtfertigt. Eine unterschiedliche Behandlung verstoße gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und das in der Richtlinie 2000/78/EG des Rates zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf vom 27. November 2000 (ABl. Nr. L 303/16 – GleichbehandlungsRL -) geregelte Verbot der mittelbaren Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung.
[8] Der Kläger hat beantragt, 1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm für die Zeit ab dem 1. Juni 2002 Ortszuschlag nach Stufe 2, Tarifklasse II gem. § 29 BAT zu zahlen, 2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 779,84 Euro brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 1 DÜG aus dem jeweiligen sich aus dem Teilbetrag iHv. 97,48 Euro brutto ergebenden Nettobetrag seit dem 16. Oktober 2001, 16. November 2001, 16. Dezember 2001, 16. Januar 2002, 16. Februar 2002, 16. März 2002, 16. April 2002 und 16. Mai 2002 zu zahlen.
[9] Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
[10] Sie hat die Auffassung vertreten, die sachliche Rechtfertigung der Unterscheidung zwischen verheirateten Angestellten und solchen, die eine Lebenspartnerschaft begründet hätten, folge aus der verfassungsrechtlichen Wertentscheidung in Art. 6 Abs. 1 GG. Danach stehe die Ehe unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Daran hätten die Tarifvertragsparteien bei der Gewährung einer tariflichen Leistung anknüpfen können.
[11] Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.
[12] Entscheidungsgründe: Die Revision des Klägers hat Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Seit der Begründung einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft steht dem Kläger ein Ortszuschlag nach der Stufe 2 zu (§ 611 BGB iVm. § 26 Abs. 1, § 29 Abschnitt A Abs. 1, § 29 Abschnitt B Abs. 2 Nr. 1 BAT).
[13] 1. Nach § 26 Abs. 1 BAT ist der Ortszuschlag neben der Grundvergütung Teil des einem Angestellten zustehenden Arbeitsentgelts. Seine Höhe richtet sich gemäß § 29 Abschnitt A Abs. 1 BAT nach der Tarifklasse, der die Vergütungsgruppe des Angestellten zugeteilt ist (Absatz 2), und nach der Stufe, die den Familienverhältnissen des Angestellten entspricht (Abschnitt B).
[14] a) Mit der Anknüpfung an die Familienverhältnisse und der Verweisung auf die im Abschnitt B getroffenen Regelungen haben die Tarifvertragsparteien den gesetzlichen Familienständen Stufen des Ortszuschlags zugeordnet (§ 29 Abschnitt B Abs. 1 und Abs. 2 BAT). Der Begriff des Familienstandes bezeichnet den Personenstand des Angestellten, aus dem sich ergibt, ob dieser ledig oder verheiratet ist oder in einem anderen familienrechtlichen Status lebt (vgl. BVerwG 4. März 2004 – 1 WB 32/03NVwZ 2004, 626).
[15] b) Die jeweiligen Stufen des Ortszuschlags bestimmen sich nach einer mit diesen Verhältnissen verbundenen gesetzlichen Unterhaltspflicht oder darauf zurückgehende Bedarfssituation. Dementsprechend erhalten ledige oder geschiedene Angestellte, sowie die, deren Ehe für nichtig erklärt oder aufgehoben ist, nur den Ortszuschlag der Stufe 1 (§ 29 Abschnitt B Abs. 1 BAT). Den höheren Ortszuschlag der Stufe 2 beziehen nach Abs. 2 dieser Tarifnorm verheiratete Angestellte (Nr. 1), verwitwete Angestellte (Nr. 2) oder geschiedene Angestellte, soweit sie zum nachehelichen Unterhalt verpflichtet sind (Nr. 3). Allerdings können auch Angestellte, die der Stufe 1 zugeordnet sind, infolge des Zusammenlebens mit einer weiteren Person einen Anspruch auf den höheren Ortszuschlag erwerben (§ 29 Abschnitt B Abs. 2 Nr. 4 BAT). Das setzt voraus, dass sie mit einer anderen Person zusammenleben, auf deren Hilfe sie aus beruflichen oder gesundheitlichen Gründen angewiesen sind oder der sie ohnehin auf Grund einer gesetzlichen oder sittlichen Pflicht Unterhalt schulden. Bei einer solchen Einstandsgemeinschaft dürfen allerdings die eigenen Einkünfte der in die Wohnung aufgenommenen Person die in § 29 Abschnitt B Abs. 2 Satz 2 BAT geregelte Eigenmittelgrenze nicht überschreiten.
[16] c) Mit dieser Konzeption verfolgt der Ortszuschlag den Zweck, die mit einem bestimmten Familienstand oder einer bestimmten Lebensgemeinschaft verbundenen finanziellen Belastungen eines Angestellten zu mindern. Für die Gewährung dieses Vergütungsbestandteils konnten die Tarifvertragsparteien in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise an die mit einem gesetzlichen Familienstand typischerweise verbundenen Unterhaltslasten abstellen und bei sonstigen Lebensgemeinschaften den Bezug des höheren Ortszuschlags von besonderen Voraussetzungen abhängig machen (BVerfG 21. Mai 1999 – 1 BvR 726/98NZA 1999, 878).
[17] 2. Mit dem am 1. August 2001 in Kraft getretenen LPartG ist das familienrechtliche Institut der Eingetragenen Lebenspartnerschaft begründet und ein neuer Familienstand für gleichgeschlechtliche Paare eingeführt worden, der den bisherigen Personenstand der Lebenspartner ändert. Die Ortzuschlagsregelung in § 29 Abschnitt B BAT berücksichtigt diesen weiteren gesetzlichen Familienstand nicht.
[18] a) Nach Eingehung einer Lebenspartnerschaft ist ein Angestellter nicht mehr ledig iSd. § 29 Abschnitt B Abs. 1 BAT.
[19] aa) Das Rechtsinstitut der Eingetragenen Lebenspartnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare ist gegenüber dem Familienstand "ledig" ein anderer Personenstand (BVerfG 17. Juli 2001 – 1 BvF 1, 2/01 – BVerfGE 105, 313, 338, 345 f.). § 1 Abs. 2 Nr. 1 LPartG bestimmt, dass eine Lebenspartnerschaft mit einer Person, die verheiratet oder bereits mit einer anderen Person eine Lebenspartnerschaft führt, nicht begründet werden kann. Damit verlangt das Gesetz einen anderen familienrechtlichen Status als den einer Ehe oder einer Lebenspartnerschaft, um die wirksame Begründung einer – neuen – Lebenspartnerschaft zu ermöglichen. Das trifft allein auf den Familienstand "ledig", "geschieden" oder "verwitwet" zu. Gegenüber dem Familienstand "ledig" ist die Lebenspartnerschaft ein aliud (BVerwG 4. März 2004 – 1 WB 32/03NVwZ 2004, 626).
[20] bb) § 29 Abschnitt B Abs. 1 BAT enthält dem Wortlaut nach keine Auffangregel, nach der alle Angestellten, die nicht einer spezielleren Stufe zugeordnet werden können, zur Stufe 1 zählen. Die Tarifvertragsparteien haben in dieser Tarifvorschrift durch eine Aufzählung konkreter gesetzlicher Familienstände den Kreis der Anspruchsberechtigten bestimmt. Mit dieser Zuordnung haben sie die zur Stufe 1 gehörenden Angestellten abschließend festgelegt.
[21] b) Ein Angestellter, der eine Lebenspartnerschaft begründet hat, ist auch kein verheirateter Angestellter iSd. § 29 Abschnitt B Abs. 2 Nr. 1 BAT. Der von dieser Tarifnorm vorausgesetzte Familienstand wird durch das Eingehen einer bürgerlichen Ehe (§§ 1310 ff. BGB) vermittelt. Allerdings enthält das Bürgerliche Gesetzbuch selbst keine Begriffsbestimmung der Ehe. Deren Gehalt erschließt sich erst aus Art. 6 Abs. 1 GG. Danach gehört zu den wesentlichen Strukturprinzipien der Ehe die Verschiedengeschlechtlichkeit der Partner (BVerfG 17. Juli 2001 – 1 BvF 1, 2/01 – BVerfGE 105, 313, 342; 29. Juli 1959 – 1 BvR 205, 332, 333, 367/58, 1 BvL 27, 100/58 – BVerfGE 10, 59, 66; BAG 15. Mai 1997 – 6 AZR 26/96BAGE 85, 375, 378). Die Lebenspartnerschaft erfüllt diese Voraussetzung nicht. Sie ist keine Ehe iSd. Art. 6 Abs. 1 GG (BVerfG 17. Juli 2001 – 1 BvF 1, 2/01 – BVerfGE 105, 313, 345, 346). Wesensmerkmal der Lebenspartnerschaft ist die Gleichgeschlechtlichkeit der Partner. Sie kann nach § 1 Abs. 1 Satz 1 LPartG nur zwischen zwei Personen des gleichen Geschlechts begründet werden.
[22] c) Angestellte in einer Lebenspartnerschaft zählen auch nicht zum Kreis der nach § 29 Abschnitt B Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 BAT Bezugsberechtigten. Andere Angestellte iSd. Tarifnorm sind solche, die nicht bereits wegen eines in Nr. 1 bis Nr. 3 geregelten Familienstandes anspruchsberechtigt sind, sondern auf Grund ihres Familienstandes der Stufe 1 angehören. Die Zubilligung des höheren Ortszuschlags der Stufe 2 orientiert sich bei diesem Personenkreis an besonderen Unterhaltslasten, die nicht typischerweise mit der Begründung einer Lebensgemeinschaft verbunden sind und deshalb einschränkenden Voraussetzungen unterliegen. Nr. 4 erfasst danach solche Lebens- oder verwandtschaftlichen Einstandsgemeinschaften, die formlos begründet werden, den Familienstand des Angestellten unverändert lassen und deren Eingehen keine eigenständigen gesetzlichen Unterhaltspflichten zur Folge hat (vgl. BAG 15. Mai 1997 – 6 AZR 26/96BAGE 85, 375, 378). Schon diese Merkmale sind für eine Lebenspartnerschaft nicht kennzeichnend. Ihre Begründung bedarf staatlicher Mitwirkung (§ 1 Abs. 1 Satz 3 LPartG), sie ändert den Familienstand der Lebenspartner und löst gesetzliche Unterhaltspflichten aus (§ 5 LPartG).
[23] 3. Die Erweiterung der gesetzlichen Familienstände durch die Einführung des Rechtsinstituts der Eingetragenen Lebenspartnerschaft für gleichgeschlechtliche Partner war für die Tarifvertragsparteien bei der Regelung der Ortszuschläge nicht absehbar. Eine Ausgrenzung von Angestellten, die eine Lebenspartnerschaft führen, widerspräche der Vergütungsstruktur des BAT (§ 26 Abs. 1 BAT). Es handelt sich um eine unbewusste, nachträglich entstandene Regelungslücke.
[24] a) Das Ortszuschlagsrecht des BAT war ursprünglich geregelt durch einen bloßen Verweis auf die für die Beamten des Arbeitgebers geltenden Bestimmungen. Damit hatten die Tarifvertragsparteien für die Tarifunterworfenen ua. die Geltung des am 1. Juli 1975 in Kraft getretenen § 40 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG; BGBl. I S. 1173) vereinbart. Mit In-Kraft-Treten des 49. Änderungstarifvertrages zum BAT am 17. Mai 1982 haben sie die bis dahin sinngemäß anzuwendenden besoldungsrechtlichen Vorschriften durch die Tarifregelung des § 29 BAT ersetzt (vgl. BAG 6. August 1998 – 6 AZR 166/97 – AP BAT § 29 Nr. 14). Eine Berücksichtigung des Familienstandes der Lebenspartnerschaft im tariflichen System des Ortszuschlags war zum damaligen Zeitpunkt nicht möglich. Das familienrechtliche Institut der Eingetragenen Lebenspartnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare ist erst mit dem In-Kraft-Treten des LPartG zum 1. August 2001 eingeführt worden.
[25] b) Allerdings haben die Tarifvertragsparteien bei der Regelung des § 29 BAT durch den 49. Änderungstarifvertrag den Regelungsgehalt des damaligen § 40 BBesG zunächst sachlich unverändert übernommen. Das diente dem Ziel, durch Schaffung einer eigenständigen Tarifregelung und der damit verbundenen Abkoppelung von einseitig abänderbaren Regelungen des Besoldungsrechts einer Aushöhlung der Tarifautonomie entgegenzuwirken (BAG 6. August 1998 – 6 AZR 166/97 – AP BAT § 29 Nr. 14; 27. Juni 2002 – 6 AZR 209/01 – AP BAT § 29 Nr. 18). Der Annahme einer unbewussten Tariflücke steht deshalb nicht entgegen, dass der Gesetzgeber nach der Einführung des neuen Familienstandes der Lebenspartnerschaft diesen beim Familienzuschlag für Beamte (§ 40 BBesG) noch nicht berücksichtigt hat. Ob das Alimentationsprinzip des Art. 33 GG wegen der in § 5 LPartG geregelten Verpflichtung zum Lebenspartnerschaftsunterhalt und der weiteren familienrechtlichen Ausgestaltung dieses Rechtsinstituts sowie die GleichbehandlungsRL zu einer entsprechenden Änderung des Familienzuschlagsrechts für Beamte zwingen, die eine Lebenspartnerschaft eingegangen sind, ist nicht maßgebend. Die Tarifvertragsparteien haben die Stufen des Ortszuschlags ab dem 17. Mai 1982 eigenständig geregelt. Sie haben in den Redaktionsverhandlungen vom 10./17. Mai 1982 zwar einvernehmlich erklärt, im Falle der Änderung der Ortszuschlagsvorschriften des BBesG über die sich hieraus ergebenden Folgerungen auch bei ungekündigtem Tarifvertrag zu verhandeln (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese BAT § 29 Erl. 2). Diese schuldrechtliche Verpflichtung berührt die tarifliche Verselbständigung des Ortszuschlagsrechts nicht und lässt abweichende Regelungen gegenüber dem Besoldungsrecht für Beamte zu. Demzufolge waren die Tarifvertragsparteien auch nicht gehalten, das für die Beamten ab dem 1. Juli 1997 eingeführte System der Familienzuschläge zu übernehmen oder die durch Art. 9 § 2 BBVAnpG 99 geregelte Erhöhung des kinderbezogenen Familienzuschlags ab dem dritten Kind auch für Angestellte zu vereinbaren (vgl. BAG 3. April 2003 – 6 AZR 633/01- AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 182 = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
[26] c) Auch die in § 1 Nr. 12 des 77. Änderungstarifvertrages vom 29. Oktober 2001 getroffenen Regelungen sprechen nicht für eine bewusste Tariflücke. In diesem Tarifvertrag haben die Tarifvertragsparteien zwar auch § 29 Abschnitt B Abs. 2 Nr. 4, Abs. 5, Abs. 6 und Abs. 7 BAT geändert und die Protokollnotizen Nrn. 2 und 3 unter Beibehaltung der Nummernbezeichnung gestrichen. Daraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass sie Angestellte, die den neuen Familienstand der Lebenspartnerschaft eingegangen sind, gezielt keiner Stufe des Ortszuschlags zuordnen wollten. Das stünde nicht im Einklang mit den in § 26 Abs. 1 und § 29 Abschnitt A Abs. 1 BAT getroffenen Regelungen, wonach der Ortszuschlag Bestandteil der Vergütung des Angestellten ist und für die Höhe des Ortszuschlags neben der Tarifklasse die Stufe maßgebend ist, die den Familienverhältnissen des Angestellten entspricht. Eine solche Folgerung wäre auch nur dann gerechtfertigt, wenn die Tarifvertragsparteien Änderungen im Stufensystem des § 29 Abschnitt B Abs. 1 und Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 BAT vorgenommen hätten und damit ihr Wille zum Ausdruck käme, die regelungsbedürftige Frage, zu welcher Stufe des Ortszuschlags Angestellte gehören, die eine Lebenspartnerschaft eingegangen sind, bewusst ungeregelt zu lassen. Daran fehlt es. Die § 29 BAT betreffenden Regelungen waren ausschließlich redaktioneller Art. Sie passten lediglich die Konkurrenzregelungen beim Ortszuschlag an die mit dem Dienstrechtsreformgesetz vom 24. Februar 1997 (BGBl. I S. 322) erfolgte begriffliche Umgestaltung des Ortszuschlags in Familienzuschlag an. Die Streichung der Protokollnotizen betraf Übergangsvorschriften, für die ohnehin kein Anwendungsbereich mehr bestanden hatte (Otto ZTR 2002, 8, 12).
[27] 4. Die für Angestellte in einer Lebenspartnerschaft entstandene Regelungslücke ist durch eine analoge Anwendung der für verheiratete Angestellte geltenden Ortszuschlagsregelung des § 29 Abschnitt B Abs. 2 Nr. 1 BAT zu schließen.
[28] a) Auch tarifvertragliche Regelungen sind einer ergänzenden Auslegung zugänglich, soweit damit kein Eingriff in die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie verbunden ist. Eine solche Auslegung hat daher außer Betracht zu bleiben, wenn die Tarifvertragsparteien eine regelungsbedürftige Frage bewusst ungeregelt lassen und diese Entscheidung höherrangigem Recht nicht widerspricht. Demgegenüber haben die Gerichte für Arbeitssachen grundsätzlich die Pflicht, eine unbewusste Tariflücke zu schließen, wenn sich unter Berücksichtigung von Treu und Glauben ausreichende Anhaltspunkte für den mutmaßlichen Willen der Tarifvertragsparteien ergeben. Zwar haben die Tarifvertragsparteien in eigener Verantwortung darüber zu befinden, ob sie eine von ihnen geschaffene Ordnung beibehalten oder ändern. Solange sie daran festhalten, hat sich eine ergänzende Auslegung an dem bestehenden System und dessen Konzeption zu orientieren (vgl. BAG 21. Juni 2000 – 4 AZR 931/98 – AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 276; 21. März 1991 – 2 AZR 323/84 (A) – BAGE 67, 342; ErfK/Schaub 4. Aufl. § 1 TVG Rn. 23; Däubler TVG Einl. Rn. 523 ff.). Diese Möglichkeit scheidet erst aus, wenn den Tarifvertragsparteien ein Spielraum zur Lückenschließung bleibt und es ihnen wegen der verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie überlassen bleiben muss, die von ihnen für angemessen gehaltene Lösung zu finden (BAG st. Rspr. vgl. 20. Mai 1999 – 6 AZR 451/97BAGE 91, 358, 367).
[29] b) Hieran gemessen ist die nachträgliche Regelungslücke im Wege der Rechtsanalogie in der Weise zu schließen, dass Angestellte, die eine Lebenspartnerschaft eingegangen sind, der Stufe 2 des Ortszuschlags zuzuordnen sind, zu der nach § 29 Abschnitt B Abs. 2 Nr. 1 BAT verheiratete Angestellte gehören. Für diesen mutmaßlichen Willen der Tarifvertragsparteien sprechen Zweck und Ausgestaltung der Leistung.
[30] aa) Bei dem in § 29 BAT in Anlehnung an § 40 BBesG geregelten Ortszuschlag handelt es sich um eine soziale Komponente des Arbeitseinkommens (BVerfG 21. Mai 1999 – 1 BvR 726/98NZA 1999, 878). Sie dient dem Zweck, besondere Unterhaltslasten des Angestellten auszugleichen, die mit einem bestimmten Familienstand typischerweise und dauerhaft verbunden sind, ohne Rücksicht auf die damit einhergehende finanzielle Belastung im Einzelnen. Mit der Anknüpfung des Ortszuschlags der Stufe 2 an eine mit einem gesetzlichen Familienstand einhergehende Unterhaltspflicht verfolgen die Tarifvertragsparteien das zulässige Ziel, eine Massenerscheinung des Arbeitslebens sachgerecht zu ordnen (vgl. BAG 28. Juli 1992 – 9 AZR 308/90 – AP TVG § 1 Tarifvertrag: Senorität Nr. 10). Dazu soll der Arbeitgeber von der Feststellung einer konkreten Unterhaltsverpflichtung entlastet und der Nachweis der Leistungsberechtigung von vereinfachten Voraussetzungen abhängen. Deshalb genügt bei verheirateten Angestellten für den Bezug der Leistung die Vorlage einer Urkunde, die die Eheschließung belegt und damit zugleich für die Dauer der Ehe das Bestehen gesetzlicher Unterhaltspflichten (§§ 1360a, 1360b BGB) nach außen dokumentiert, unabhängig davon, in welchem Umfang der Angestellte für den Unterhalt seines Ehepartners finanzielle Mittel tatsächlich aufwendet.
[31] bb) Die Lebenspartnerschaft erfüllt sämtliche Merkmale, die der Vorschrift des § 29 Abschnitt B Abs. 2 Nr. 1 BAT in Bezug auf verheiratete Angestellte immanent sind. Die Lebenspartnerschaft ist wie die Ehe eine exklusive, auf Dauer angelegte Verantwortungsgemeinschaft. Sie kann nur mit einer Person begründet werden, die unverheiratet ist und auch keine andere Lebenspartnerschaft führt (§ 1 Abs. 2 LPartG). Wie die Ehe (§ 1353 Abs. 1 Satz 1 BGB) wird sie auf Lebenszeit eingegangen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 LPartG). Dazu bedarf es einer entsprechenden Erklärung gegenüber einer Behörde (§ 1 Abs. 1 Satz 3 LPartG). Eine Lebenspartnerschaft kann wie die Ehe nur durch gerichtliche Entscheidung aufgehoben werden (§ 15 Abs. 1 LPartG). Die familienrechtlichen Pflichten und Rechte der Lebenspartner sind denen von Ehegatten vergleichbar. Nach § 2 Satz 1 LPartG sind die Lebenspartner einander zu Fürsorge und Unterstützung sowie zur gemeinsamen Lebensgestaltung verpflichtet. Sie tragen wie Ehegatten (§ 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB) gemäß § 2 Satz 2 LPartG füreinander Verantwortung. Vor allem aber sind die Lebenspartner nach § 5 Satz 1 LPartG einander zum angemessenen Unterhalt verpflichtet. Das Maß des geschuldeten Unterhalts folgt nach § 5 Satz 2 LPartG aus § 1360a BGB und § 1360b BGB, die den Unterhalt zwischen Verheirateten regeln und für Lebenspartner entsprechend gelten.
[32] cc) Entgegen einer in der Entscheidung des Senats vom 15. Mai 1997 (- 6 AZR 26/96BAGE 85, 375, 379) nicht tragend geäußerten Rechtsaufassung, verfolgt die Typisierung der Nr. 1 nicht das Ziel, die Ehe als eine im Normalfall präsumtiv reproduktionsfähige Lebensgemeinschaft zu begünstigen. Dieses Regelungsziel kommt in der Tarifnorm nicht zum Ausdruck. Die Tarifnorm stellt nicht auf die Ehe, sondern den durch Heirat erworbenen Familienstand ab. Darüber hinaus wäre ein solches Ziel nicht durch Art. 9 Abs. 3 GG gedeckt. Das Fördergebot des Art. 6 Abs. 1 GG richtet sich an den Staat (BVerfG 17. Juli 2002 – 1 BvF 1, 2/01 – BVerfGE 105, 313, 346). Demgegenüber erstreckt sich die Tarifautonomie auf die Schaffung von Regelungen zu Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen. Diese Grenze gilt auch für einen öffentlichen Arbeitgeber, wenn er als Mitglied einer tarifvertragsschließenden Partei und nicht als staatlicher Gesetzgeber arbeitsvertragliche Regelungen schafft. Mit Blick auf die Kompetenzgrenze des Art. 9 Abs. 3 GG ist es den Tarifvertragsparteien zwar nicht verwehrt, arbeitsvertragliche Leistungen an das Institut der Ehe zu knüpfen, soweit ein Bezug zu beruflichen Aufgaben oder Arbeitsbedingungen besteht (ErfK/Dieterich 4. Aufl. Einl. GG Rn. 53). Dazu zählen ausschließlich bevölkerungspolitische Zielsetzungen nicht.
[33] c) Die Zuordnung von Angestellten in einer Lebenspartnerschaft zum Kreis der nach § 29 Abschnitt B Abs. 2 Nr. 4 BAT Bezugsberechtigten wäre sachwidrig und von der bisherigen Konzeption des Ortszuschlagsrechts nicht gedeckt.
[34] Das LPartG verfolgt das Ziel, der Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare einen rechtlichen Rahmen zu geben. Den Lebenspartnern soll es ermöglicht werden, verbindlich für einander einzustehen und wechselseitige Verantwortung zu übernehmen. Dazu legt das Rechtsinstitut der Eingetragenen Lebenspartnerschaft die aus der Entscheidung zu einem dauerhaften Zusammenleben in gleichgeschlechtlicher Identität folgenden Rechte und Pflichten verbindlich fest (BT-Drucks. 14/3751 S. 33). Die mit dem Eingehen einer Lebenspartnerschaft verbundenen gesetzlichen Unterhaltspflichten rechtfertigen daher die Vermutung, dass diese Unterhaltspflicht auch tatsächlich erfüllt wird. Darin unterscheidet sich die Lebenspartnerschaft wesentlich von anderen gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften, eheähnlichen Lebensgemeinschaften oder verwandtschaftlichen Einstandsgemeinschaften (BVerfG 17. Juli 2002 – 1 BvF 1, 2/01 – BVerfGE 105, 313, 352 f.). Die in einer solchen Gemeinschaft Lebenden gehen nicht zwingend eine auf Dauer angelegte Verantwortungsgemeinschaft ein. Ihr Zusammenleben kann sich auf die Bildung einer bloßen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft beschränken. Soweit sie tatsächlich für einander Verantwortung tragen, kann diese Entscheidung ohne rechtlichen Hinderungsgrund jederzeit rückgängig gemacht und das Einkommen überwiegend oder ausschließlich zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwendet werden (BVerfG 17. November 1992 – 1 BvL 8/87BVerfGE 87, 234, 264). Um eine damit verbundene Zweckverfehlung zu verhindern, haben die Tarifvertragsparteien den Erhalt des Ortszuschlags der Stufe 2 für diesen Personenkreis an engere Voraussetzungen geknüpft. Eine Gleichbehandlung von Lebenspartnern mit solchen in sonstigen Einstands- und Lebensgemeinschaften bedürfte daher einer sachlichen Rechtfertigung, die angesichts des Leistungszwecks des Ortszuschlags der Stufe 2 und dem für die Feststellung der zugrundeliegenden Bedarfssituation anzuerkennenden Typisierungsinteresse fehlt.
[35] 5. Auf den vom Kläger behaupteten Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG kommt es damit nicht an. Ohne Bedeutung ist auch, ob eine im Vergleich zu verheirateten Angestellten ungünstigere Einstufung beim Ortszuschlag Angestellte, die eine Lebenspartnerschaft eingegangen sind, iSd. Art. 2 der GleichbehandlungsRL wegen ihrer sexuellen Ausrichtung benachteiligen würde. Diese Richtlinie ist nach Ablauf der Umsetzungsfrist am 2. Dezember 2003 (Art. 17 Satz 2 GleichbehandlungsRL) von den Arbeitsgerichten im Wege richtlinienkonformer Auslegung zu beachten (BAG st. Rspr. 5. Juni 2003 – 6 AZR 114/02 – AP BGB § 611 Bereitschaftsdienst Nr. 7 = EzA ArbZG § 7 Nr. 6, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu A II 2 a cc der Gründe; 18. Februar 2003 – 1 ABR 2/02AP BGB § 611 Arbeitsbereitschaft Nr. 12 = EzA ArbZG § 7 Nr. 4, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B IV 3 b dd der Gründe). Welche Anforderungen dieses Diskriminierungsverbot stellt und ob die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind, braucht nicht entschieden zu werden. Bei der vom Senat vorgenommenen Schließung der Tariflücke kommt ein Verstoß gegen Art. 1 und Art. 2 der GleichbehandlungsRL nicht in Betracht.