Bundesarbeitsgericht
Anhörung des Betriebsrats des Hauptbetriebs zur Kündigung eines Arbeitnehmers der Niederlassung?; Sozialauswahl zwischen Hauptbetrieb und Niederlassung
BAG, Urteil vom 3. 6. 2004 – 2 AZR 577/03 (lexetius.com/2004,3102)
[1] Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 27. August 2003 – 2 Sa 78/03 – aufgehoben.
[2] Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
[3] Tatbestand: Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.
[4] Die Beklagte betreibt Autohäuser, in denen Nutzfahrzeuge der Marken Iveco und Fiat verkauft und repariert werden, sowie eine Vertragswerkstatt der Firma SETRA. Ihr Stammhaus und Hauptbetrieb befindet sich in Bremen, eine weitere Betriebsstätte befand sich in Bremerhaven. In der Niederlassung Bremerhaven betrieb die Beklagte im Wesentlichen eine Werkstatt und einen Ersatzteileverkauf. Die hierfür erforderliche Bedarfsplanung, die Bestellung von Waren, die Buchhaltung und die Personalaktenverwaltung erfolgten im Wesentlichen im Stammhaus Bremen. Leiter der Niederlassung Bremerhaven war der Werkstattleiter K., der in Absprache mit der Geschäftsleitung auch Einstellungen vornahm. Eine nennenswerte Fluktuation von Mitarbeitern der Betriebsstätten Bremen und Bremerhaven fand in der Vergangenheit nicht statt. Nur zur Urlaubsvertretung wurden Arbeitnehmer wechselseitig in beiden Betriebsstätten eingesetzt. Bestimmte Reparaturen wurden wegen der notwendigen Spezialwerkzeuge und -gerätschaften nur im Hauptbetrieb Bremen ausgeführt. Auch kamen zur Ausführung spezieller Arbeiten Arbeitnehmer des Stammhauses wegen ihrer besonderen Kenntnisse nach Bremerhaven.
[5] Im Stammbetrieb Bremen besteht ein Betriebsrat. An dessen Wahl nahmen die zwölf Arbeitnehmer der Betriebsstätte Bremerhaven nicht teil.
[6] Der am 21. Juli 1950 geborene Kläger war seit dem 1. April 1966 als Kfz-Mechaniker ausschließlich in der Niederlassung Bremerhaven beschäftigt.
[7] Im November 2002 beschloss die Beklagte die Niederlassung Bremerhaven zum 30. Juni 2003 stillzulegen und allen Arbeitnehmern zu kündigen. Sie veräußerte zum 1. Juli 2003 das Betriebsgrundstück in Bremerhaven an die Firma Lidl.
[8] Die Beklagte kündigte dem Kläger mit Schreiben vom 13. November 2002 zum 30. Juni 2003 wegen Schließung der Niederlassung Bremerhaven. Den anderen elf Arbeitnehmern der Niederlassung Bremerhaven wurde gleichfalls gekündigt. Den Betriebsrat des Stammhauses hörte die Beklagte zu dieser Kündigung nicht an. Nach Ausspruch der Kündigungen wählten die Arbeitnehmer der Niederlassung Bremerhaven einen eigenen Betriebsrat.
[9] Der Kläger hat Kündigungsschutzklage erhoben und die Auffassung vertreten, die Kündigung sei schon wegen fehlender Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG unwirksam. Der Betriebsrat des Stammhauses sei zu den Kündigungen anzuhören gewesen. Die Niederlassung Bremerhaven sei unselbständig, ihre Leitung erfolge durch das Bremer Stammhaus. Die beiden Betriebsstätten lägen auch nicht räumlich weit auseinander; die ca. 70 km könnten mit einem PKW in 45 Minuten zurückgelegt werden.
[10] Der Kläger hat ferner die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Insbesondere hätte sich die Sozialauswahl auf die Mitarbeiter des Stammhauses Bremen erstrecken müssen. Die Beklagte hätte ihm auf Grund ihres Direktionsrechtes einen Arbeitsplatz in Bremen zuweisen können.
[11] Der Kläger hat beantragt festzustellen, dass die Kündigung der Beklagten vom 13. November 2002 das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht zum 30. Juni 2003 beendet hat.
[12] Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags die Auffassung vertreten, die Niederlassung Bremerhaven sei eine nach Aufgabenbereich und Organisation eigenständige betriebsratsfähige Einheit; jedenfalls sei sie räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt. Man benötige für die Fahrtstrecke mit dem Pkw mehr als eine Stunde, mit öffentlichen Verkehrsmitteln erheblich länger. Auf Grund der erheblichen Distanz habe sich zwischen den Arbeitnehmern des Stammhauses und der Niederlassung keine Betriebsgemeinschaft gebildet. Der Betriebsrat des Stammhauses könne die Arbeitnehmer der Niederlassung nicht ordnungsgemäß betreuen. Im Übrigen sei die Kündigung auf Grund der Betriebsschließung sozial gerechtfertigt. Einer Sozialauswahl habe es nicht bedurft. Der Kläger könne nicht mit den Arbeitnehmern des Stammhauses verglichen werden, er könne nämlich nicht ohne Vertragsänderung nach Bremen versetzt werden.
[13] Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers das erstinstanzliche Urteil abgeändert und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht durch die Kündigung vom 13. November 2003 aufgelöst worden ist. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte weiterhin ihren Klageabweisungsantrag.
[14] Entscheidungsgründe: Auf die Revision der Beklagten war das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen, da es zur Entscheidung noch weiterer tatsächlicher Feststellungen bedarf (§ 563 Abs. 1 ZPO).
[15] A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Kündigung sei nach § 102 BetrVG unwirksam, weil die Beklagte den Betriebsrat ihres Stammhauses zur beabsichtigten Kündigung des Klägers nicht angehört habe. Die Niederlassung in Bremerhaven erfülle nicht die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BetrVG. Auf Grund der begrenzten Befugnisse des Werkstattleiters liege kein Betriebsteil vor, der durch Aufgabenbereich und Organisation selbständig sei. Der Werkstattleiter habe keine hinreichenden Kompetenzen in personellen und sozialen Fragen. Er nehme nur begrenzte Arbeitgeberfunktionen wahr; so könne er beispielsweise nicht entscheiden, wem gekündigt werde. Er habe auch kein eigenes Budget, um selbständig handeln zu können; bei Bedarf könne er nicht einmal Aushilfskräfte selbst einstellen. Der unselbständige Betriebsteil Bremerhaven sei nicht räumlich weit vom Stammhaus entfernt. Dabei komme es nicht allein auf die tatsächliche Entfernung an. Es sei vielmehr darauf abzustellen, ob trotz der Entfernung eine ordnungsgemäße Betreuung durch den Betriebsrat des Stammbetriebes gewährleistet sei. Dem Betriebsrat müsse es bei Beachtung der Verkehrsmöglichkeiten genauso möglich sein, kurzfristig zusammenzutreten, wie für den einzelnen Arbeitnehmer die Möglichkeit bestehen müsse, zeitnah die einzelnen Mitglieder des Betriebsrats aufsuchen zu können. Obwohl die Fahrtzeit zwischen den beiden Betriebsstätten bei einer Entfernung von 66 km zwischen 35 und 40 Minuten betrage, stehe diese räumliche Distanz der Entwicklung einer Betriebsgemeinschaft objektiv nicht entgegen. Die Betreuung der Mitarbeiter in Bremerhaven durch die Bremer Betriebsratsmitglieder sei gesichert. Dem Umstand, dass die Mitarbeiter der Beklagten in Bremerhaven nicht von der Möglichkeit des neu gefassten § 4 Abs. 2 BetrVG Gebrauch gemacht hätten, schließe eine Zuständigkeit des Betriebsrats des Stammbetriebs für die Niederlassung Bremerhaven nicht aus.
[16] B. Dem folgt der Senat nicht. Der Betriebsrat des Stammhauses war zur Kündigung des Klägers selbst dann nicht anzuhören (§ 102 BetrVG), wenn – wofür im Übrigen angesichts der räumlich weiten Entfernung der beiden Betriebsstätten und der unzureichenden Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel wenig spricht – die Niederlassung Bremerhaven die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nicht erfüllte. Die Zuständigkeit des Bremer Betriebsrats erstreckt sich nämlich nur auf den Betrieb des Stammhauses Bremen und nicht auf die Niederlassung Bremerhaven.
[17] Bei einer nicht angefochtenen Betriebsratswahl repräsentiert der Betriebsrat nur die Belegschaft, die ihn mitgewählt hat (KR-Etzel 6. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 46; HaKo-Griebeling 2. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 52). Der Betriebsrat des Stammhauses vertritt dementsprechend nur die Bremer Belegschaft. Der Kläger kann sich deshalb nicht darauf berufen, die Beklagte hätte den Betriebsrat auch zu seiner Kündigung anhören müssen. Selbst wenn der Betriebsrat unter Verstoß gegen die zwingenden Organisationsnormen der §§ 1, 3 und 4 BetrVG, dh. unter Verkennung des Betriebsbegriffs, gewählt worden sein sollte, beeinträchtigt dies seine Funktionsfähigkeit und Zuständigkeit grundsätzlich nicht. Nur ausnahmsweise, im Fall einer Nichtigkeit der Wahl – die vorliegend aber nicht gegeben ist –, gilt etwas anderes (KR-Etzel aaO; HaKo-Griebeling aaO). Es würde dem Erfordernis der Rechtssicherheit, dem § 19 BetrVG dient (BAG 13. November 1991 – 7 ABR 8/91 – BAGE 69, 41 und – 7 ABR 18/91 – BAGE 69, 49), widersprechen, wenn bei Ausübung eines jeden einzelnen Beteiligungsrechts jeweils zu klären wäre, ob der gewählte Betriebsrat überhaupt für den Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes gewählt bzw. zuständig ist (BAG 27. Juni 1995 – 1 ABR 62/94 – AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 7 = EzA BetrVG 1972 § 111 Nr. 31). Deshalb kann auch der entgegenstehenden Auffassung von Kittner (in: DKK-Kittner BetrVG 9. Aufl. § 102 Rn. 122) nicht gefolgt werden. Sie steht im Widerspruch zu der aus § 19 BetrVG fließenden Wertung, nach der ein Rechtsverstoß, der eine Wahlanfechtung begründen würde, unbeachtlich wird, wenn keine Wahlanfechtung erfolgt ist. Da die Wahl des Betriebsrats im Bremer Stammhaus nicht – insbesondere nicht von den Arbeitnehmern der Niederlassung Bremerhaven – angefochten worden ist, kann sich der Kläger nicht darauf berufen, der Betriebsrat des Stammhauses sei auch für ihn zuständig und bei der beabsichtigten Kündigung anzuhören gewesen.
[18] C. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Auf Grund der bisherigen tatsächlichen Feststellungen lässt sich noch nicht abschließend beurteilen, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien auf Grund der Kündigung vom 13. November 2002 zum 30. Juni 2003 aus betriebsbedingten Gründen rechtswirksam beendet worden ist (§ 563 Abs. 1 ZPO).
[19] Das Landesarbeitsgericht hat – konsequenterweise – den betriebsbedingten Kündigungsgrund sachlich nicht überprüft. Dies wird es nachzuholen haben. Dabei wird es auch näher klären müssen, ob trotz Kündigung sämtlicher Arbeitnehmer in Bremerhaven eine Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG überhaupt durchzuführen war, weil die Beklagte auch die in Bremen beschäftigten Arbeitnehmer in die Auswahl hätte einbeziehen müssen.
[20] I. Nach der Konzeption des § 1 Abs. 3 KSchG ist die Sozialauswahl betriebsbezogen. Regelmäßig sind deshalb alle vergleichbaren Arbeitnehmer in die Auswahlentscheidung einzubeziehen, die in demselben Betrieb wie der unmittelbar kündigungsbedrohte Arbeitnehmer beschäftigt sind.
[21] 1. Da die Sozialauswahl betriebsbezogen vorzunehmen ist und eine Beschränkung auf Betriebsteile oder Betriebsabteilungen ausscheidet (Senat 25. April 1985 – 2 AZR 140/84 – BAGE 48, 314; 15. Juni 1989 – 2 AZR 580/88 – BAGE 62, 116), steht der Notwendigkeit einer Sozialauswahl nicht schon die räumliche Entfernung der Niederlassung Bremerhaven vom Stammbetrieb Bremen entgegen. Auch ein Hauptbetrieb und eine räumlich weit entfernte Betriebsstätte iSv. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG können einen Betrieb iSd. § 23 KSchG bilden. § 23 KSchG differenziert nicht zwischen Betrieben und räumlich entfernten Betriebsteilen, die als selbstständige Betriebe im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes gelten (§ 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG). Eine mögliche betriebsverfassungsrechtliche Eigenständigkeit einzelner Betriebsteile steht einer betriebsteilübergreifenden Sozialauswahl nicht im Wege (Senat 21. Juni 1995 – 2 AZR 693/94 – AP BetrVG 1972 § 1 Nr. 16 = EzA KSchG § 23 Nr. 14; 21. Juni 1995 – 2 AZR 783/94 –; Bütefisch Die Sozialauswahl S. 59; APS-Kiel 2. Aufl. § 1 KSchG Rn. 663c; von Hoyningen-Huene/Linck KSchG 13. Aufl. § 1 Rn. 434a; KR-Etzel 6. Aufl. § 1 KSchG Rn. 609; Stahlhacke/Preis/Vossen Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 8. Aufl. Rn. 1056). § 23 KSchG stellt nicht auf die räumliche, sondern vielmehr auf die organisatorische Einheit ab, mit der der Unternehmer allein oder in Gemeinschaft mit seinen Mitarbeitern mit Hilfe von sachlichen oder immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt. Auch Arbeitnehmer eines räumlich weit entfernten Betriebsteils müssen daher in die Sozialauswahl einbezogen werden (Senat 21. Juni 1995 – 2 AZR 693/94 – aaO).
[22] 2. Ob die beiden Betriebsstätten in Bremen und Bremerhaven einheitlich vom Stammhaus aus geleitet werden, wird das Landesarbeitsgericht im Einzelnen noch festzustellen haben. Sollte es zu dem Ergebnis kommen, die beiden Betriebsstätten bildeten eine organisatorische Einheit – wofür manches spricht –, so steht jedenfalls die räumliche Entfernung einer betriebsbezogenen Sozialauswahl nicht entgegen.
[23] II. Das Landesarbeitsgericht wird dann weiter prüfen müssen, ob der Kläger überhaupt mit den Kfz-Mechanikern des Stammhauses vergleichbar ist.
[24] 1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats bestimmt sich der Kreis der in die Sozialauswahl einzubeziehenden vergleichbaren Arbeitnehmer in erster Linie nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen, also zunächst nach ihrer ausgeübten Tätigkeit. Der kündigungsbedrohte Arbeitnehmer muss die Funktion eines anderen Arbeitnehmers, dessen Arbeitsplatz nicht weggefallen ist, wahrnehmen können. Die Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer vollzieht sich hierbei nur auf derselben Ebene der Betriebshierarchie und setzt voraus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer einseitig auf einen anderen Arbeitsplatz um- oder versetzen kann (beispielsweise 15. Juni 1989 – 2 AZR 580/88 – BAGE 62, 116; 29. März 1990 – 2 AZR 369/89 – BAGE 65, 61; 17. September 1998 – 2 AZR 725/97 – AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 36 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 36; 17. Februar 2000 – 2 AZR 142/99 – AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 46 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 43; zusammenfassend: von Hoyningen-Huene/Linck KSchG 13. Aufl. § 1 Rn. 499; ErfK/Ascheid 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 481).
[25] 2. Ist der Arbeitnehmer nach seinem Arbeitsvertrag nur für Tätigkeiten in einem bestimmten Betriebsteil eingestellt worden, beschränkt sich sein Beschäftigungsanspruch nur auf diesen Betriebsteil. Der Arbeitnehmer ist nur mit den Arbeitnehmern dieses Betriebsteils, nicht aber mit den Arbeitnehmern anderer Betriebsteile vergleichbar. Die Sozialauswahl bleibt auf den betroffenen Betriebsteil beschränkt bzw. entfällt ganz, wenn der Betrieb stillgelegt worden ist.
[26] Lässt hingegen der Arbeitsvertrag eine Tätigkeit in mehreren bzw. allen Betriebsteilen zu oder enthält er keine örtlichen Einsatzbeschränkungen, sind in die Sozialauswahl alle Arbeitnehmer oder Betriebsteile einzubeziehen.
[27] a) Nach den bisherigen tatsächlichen Feststellungen haben die Parteien den Ort der Arbeitspflicht des Klägers vertraglich nicht ausdrücklich geregelt und festgelegt, so dass eine Beschränkung der Sozialauswahl auf die Niederlassung Bremerhaven hieraus nicht abgeleitet werden kann. Das Landesarbeitsgericht wird noch zu prüfen haben, ob sich aus den sonstigen Umständen bei Vertragsschluss gegebenenfalls eine konkludente Beschränkung des Einsatzes des Klägers ausschließlich in der Niederlassung Bremerhaven folgern lässt.
[28] b) Eine vertraglich beiderseits bindende nachträgliche Beschränkung des Einsatzortes ergibt sich noch nicht allein aus dem Umstand, dass der Kläger jahrelang immer am gleichen Arbeitsort eingesetzt worden ist.
[29] Der langjährige Einsatz eines Arbeitnehmers kann unter Umständen zwar zu einer örtlichen Konkretisierung seiner Leistungspflicht führen und im laufenden Arbeitsverhältnis bei der Ausübung des Weisungsrechts nach § 106 GewO bzw. des billigen Ermessens iSd. § 315 Abs. 1 BGB maßgeblich zu berücksichtigen sein. Diese Grundsätze können jedoch nicht ohne weiteres auf die Frage der Umsetzbarkeit im Rahmen der Sozialauswahl übertragen werden (Bütefisch aaO S. 62). Die Konkretisierung der Arbeitspflicht soll, wie gerade § 106 GewO, § 315 Abs. 1 BGB zeigen, zu Gunsten des Arbeitnehmers wirken. Es würde nicht nur dem Schutzzweck des § 1 Abs. 3 KSchG widersprechen, wenn sich eine solche Konkretisierung bei einer durchzuführenden Sozialauswahl zu Lasten des zu kündigenden Arbeitnehmers auswirkte (Stahlhacke/Preis/Vossen aaO Rn. 1058; von Hoyningen-Huene/Linck aaO § 1 Rn. 450). Sie würde auch den in § 242 BGB verankerten Vertrauensschutzgrundsätzen zuwider laufen. Deshalb kann eine jahrelange Handhabung allein eine – konkludente – Änderungsvereinbarung nicht begründen (BAG 10. November 1992 – 1 AZR 185/92 – AP LPVG NW § 72 Nr. 6; von Hoyningen-Huene/Linck aaO § 1 Rn. 450; Bütefisch aaO S. 65). Vielmehr müssen neben das jahrelang nicht ausgeübte Direktionsrecht weitere Umstände treten, die den Schluss rechtfertigen, der Arbeitgeber wolle den Arbeitnehmer zukünftig nur noch zu bestimmten Arbeiten an einem bestimmten Ort heranziehen und der Arbeitnehmer nehme eine solche Beschränkung seiner Einsatzmöglichkeiten – auch im Hinblick auf eine damit verbundene mögliche zukünftige Einschränkung bei der Sozialauswahl – an. Dies dürfte nur im Ausnahmefall anzunehmen sein. In der Regel wird es nur zu einer Konkretisierung in dem Sinne kommen, dass der Arbeitnehmer lediglich darauf vertraut und vertrauen kann, er könne bei Fortbestand des bisherigen Arbeitsplatzes seine Tätigkeit auch künftig zu gleichbleibenden Bedingungen ausüben. Dieses Vertrauen ist im Rahmen des § 106 GewO bzw. § 315 BGB zu berücksichtigen, führt aber noch nicht zu einer beiderseits bindenden Vertragsänderung. Entfällt hingegen der bisherige Arbeitsbereich insgesamt, bleibt es bei einem ursprünglich weiten Direktionsrecht bei der dann auch im Rahmen der Sozialauswahl zu beachtenden Umsetzbarkeit.
[30] Diese Überlegungen zeigen, dass auch im Falle einer möglichen Konkretisierung der Tätigkeit des Klägers auf die Niederlassung Bremerhaven der Kreis der in die Sozialauswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer grundsätzlich nicht allein auf diese zu schließende Niederlassung beschränkt bleiben kann, es sei denn, es wäre zu einer übereinstimmenden Vertragsänderung gekommen, was das Landesarbeitsgericht gegebenenfalls aufzuklären haben wird.
[31] 3. Schließlich wird das Landesarbeitsgericht im Einzelnen weiter klären müssen, ob und ggf. mit welchen Sozialdaten im Stammhaus Bremen Kraftfahrzeugmechaniker beschäftigt sind, ob deren Sozialdaten im Verhältnis zum Kläger deutlich sozial geringer sind.