Bundesgerichtshof
HGB § 89b Abs. 1 Satz 1
Zur Berechnung des Handelsvertreterausgleichsanspruchs eines Tankstellenhalters kann der Anteil des Umsatzes und der Provisionseinnahmen, der auf Geschäfte mit Stammkunden entfällt, für Barzahler auf der Basis der Geschäfte mit Kartenzahlern (EC-Karten, Kreditkarten, Tankkarten) hochgerechnet werden. Dabei sind solche Karten auszunehmen, bei denen an der betreffenden Tankstelle konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie von Kunden eingesetzt werden, die ihrer Art nach nicht mit derselben Häufigkeit und in demselben Umfang Bargeschäfte tätigen.

BGH, Urteil vom 15. 7. 2009 – VIII ZR 171/08; OLG Hamm (lexetius.com/2009,2431)

[1] Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. Juli 2009 durch den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Frellesen, die Richterinnen Hermanns und Dr. Milger sowie den Richter Dr. Achilles für Recht erkannt:
[2] Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 29. Mai 2008 aufgehoben.
[3] Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
[4] Tatbestand: Die Klägerin war Pächterin einer Autobahnraststätte der T. & R. GmbH & Co. KG an der Autobahn A in der Nähe von E. Die T. & R. GmbH & Co. KG hatte der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden: Beklagte) das Recht eingeräumt, über den jeweiligen Pächter Kraftstoffe an der Tankstelle der Raststätte zu vertreiben. Die Klägerin und die Beklagte schlossen am 3./14. Mai 1992 einen Vertriebsvertrag, aufgrund dessen die Klägerin im Namen und für Rechnung der Beklagten als deren Handelsvertreter den Verkauf von Kraft- und Schmierstoffen an der Tankstelle übernahm. In der Zeit zwischen dem 1. Juli 2002 und dem 30. Juni 2003 bezog sie von der Beklagten Provision in Höhe von 134.000 €.
[5] Zum 30. Juni 2003 kündigte die T. & R. GmbH & Co. KG das Pachtverhältnis mit der Klägerin und vereinbarte mit dieser zum selben Zeitpunkt die einvernehmliche Aufhebung des Pachtvertrags. Damit endete nach § 2 Buchst. c des Vertriebsvertrags auch das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien. Die Beklagte schloss einen Vertriebsvertrag mit dem neuen Pächter.
[6] Die Klägerin begehrte mit Schreiben vom 3. Juni 2004 von der Beklagten Handelsvertreterausgleich, den die Beklagte mit Schreiben vom 7. Juni 2004 ablehnte.
[7] Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin zunächst Handelsvertreterausgleich in Höhe von 38.726,10 € nebst Zinsen sowie Kosten von 1.767,50 € für die Einholung eines Privatgutachtens geltend gemacht. Das Landgericht hat der Klägerin unter Abweisung der Klage im Übrigen einen Anspruch auf Handelsvertreterausgleich in Höhe von 8.975,37 € nebst Zinsen zuerkannt. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von Handelsvertreterausgleich in Höhe von insgesamt 19.066,97 € nebst Zinsen verurteilt. Die weitergehende Berufung hat es mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage wegen der Nebenforderung von 1.767,50 € unzulässig sei. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
[8] Entscheidungsgründe: Die Revision hat Erfolg.
[9] I. Das Berufungsgericht hat, soweit dies für die Revisionsinstanz noch von Interesse ist, zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
[10] Der Klägerin stehe gemäß § 89b HGB ein Anspruch auf Handelsvertreterausgleich in Höhe von 19.066,97 € zu. Der Berechnung des Ausgleichsanspruchs sei die letzte Jahresprovision von 134.000 € zugrundezulegen. Davon seien 10 % für verwaltende Tätigkeiten abzuziehen. Von der für werbende Tätigkeiten gezahlten Jahresprovision sei nur der Teil zu berücksichtigen, den der Tankstellenhalter für Umsätze mit von ihm geworbenen Stammkunden erhalten habe, weil nur mit diesen Kunden eine Geschäftsbeziehung im Sinne von § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB bestehe.
[11] Stammkunde eines Tankstellenhalters sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 12. September 2007 – VIII ZR 194/06, BB 2007, 2475, Tz. 35 ff.) jeder, der mindestens viermal im Jahr bei derselben Tankstelle tanke. Für die gemäß § 287 ZPO gebotene Schätzung des auf Stammkunden entfallenden Anteils am Umsatz seien die elektronisch erfassten Kartenumsätze heranzuziehen. Anhand dieser Umsätze könne ermittelt werden, ob mit den Karten mehrfach in einem bestimmten Zeitraum getankt worden sei, und der Umsatzanteil der Mehrfachkunden an dem Umsatz der gesamten Kartenkundschaft festgestellt werden. Dieser Umsatzanteil könne auf die Barzahler hochgerechnet werden, weil es keine in den Verhältnissen der konkreten Tankstelle der Klägerin begründeten Anhaltspunkte dafür gebe, dass die aus den Kartenumsätzen gewonnenen Erkenntnisse über Mehrfachkunden eine ungeeignete Schätzungsgrundlage seien.
[12] Eine Differenzierung zwischen den bei der Tankstelle der Klägerin eingesetzten Karten (EC-Karten, T + E-Karten, Tankkarten, W. Card, Routex und A. -Card) sei dafür nicht geboten. Es sei vertretbar, im Regelfall auf eine Unterscheidung zwischen den Karten, mit denen aufgrund einer vom Mineralölunternehmen eingeräumten Vergünstigung preiswerter an den Markentankstellen des Unternehmens getankt werden könne, und den Karten, mit deren Einsatz keine kraftstoffmarkenbezogenen Vergünstigungen verbunden seien, ebenso zu verzichten wie auf eine Differenzierung zwischen den möglicherweise unterschiedlichen Kundeninteressen, die zum Einsatz einer Kreditkarte oder einer EC-Karte führten. Denn jeder Tankkunde könne die Kaufpreisforderung des Tankstellenbetreibers auch mit Bargeld statt mit dem Einsatz seiner Karte bezahlen, sei also ein "potentieller" barzahlender Kunde.
[13] Bei sogenannten Flotten- und Firmenkundenkarten sei für die Stammkundeneigenschaft auf die einzelne Karte, nicht auf den juristischen Großkunden abzustellen, der mehrere Karten habe. Dafür spreche, dass der vom Tankstellenbetreiber vermittelte provisionspflichtige Kaufvertrag (Umsatz) erst mit dem Einsatz der Karte bei der Tankstelle und nicht schon aufgrund früherer Rahmenvereinbarungen des Unternehmens mit einzelnen Großkunden zustande komme.
[14] Diese Handhabung führe zwar zu einer in gewissem Umfang pauschalierten Betrachtung der Kundenbeziehungen. Es sei jedoch nicht sachgerecht, die Höhe des Ausgleichsanspruchs eines Tankstellenhalters im Regelfall und nicht nur in Fällen, in denen Besonderheiten der konkreten Tankstelle eine besondere Betrachtung erforderten, mit sehr kleinteiligen Berechnungen zu ermitteln, weil es um das Schaffen einer Schätzungsgrundlage im Sinne von § 287 ZPO gehe. Auf der Grundlage der vorgenannten Berechnungsweise ergebe sich für die Tankstelle der Klägerin ein Stammkundenumsatzanteil von 8, 37 %.
[15] Mangels ausreichender Anhaltspunkte für die tatsächlichen Kundenbewegungen sei der Verlustprognose nach § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB eine Abwanderungsquote von jährlich 20 % zugrunde zu legen. Hieraus errechne sich in einem insgesamt fünfjährigen Abwanderungszeitraum ein Gesamtprovisionsverlust von 20 % + 40 % + 60 % + 80 % = 200 %.
[16] Der vom Landgericht vorgenommene Billigkeitsabzug (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB) von 10 % wegen der Sogwirkung der Marke A. sei nicht zu beanstanden. Weitere Abzüge oder Zuschläge unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit seien nicht gerechtfertigt. Aus der allgemeinen Benzinpreisentwicklung lasse sich entgegen der Auffassung der Klägerin kein Billigkeitszuschlag ableiten. Auch ein Billigkeitsabzug wegen der Lage der Tankstelle an einer Bundesautobahn sei nicht gerechtfertigt. Dass Autobahntankstellen regelmäßig einen geringeren Stammkundenanteil als eine normale Straßentankstelle aufwiesen, werde bereits durch die Merkmale des Stammkundenbegriffs hinreichend erfasst. Auch die Abhängigkeit des Vertriebsvertrags vom Bestehen des Pachtvertrags führe nicht zu einem Billigkeitsabzug. Der Beklagten seien die Unternehmervorteile erhalten geblieben, weil sie mit dem Nachfolgepächter einen neuen Vertriebsvertrag habe abschließen können.
[17] Die vom Landgericht nach den Barwertfaktoren von Gillardon vorgenommene Abzinsung sei sachgerecht. Zuzüglich 16 % Umsatzsteuer ergebe sich danach ein der Klägerin zustehender Ausgleichsbetrag in Höhe von 19.066,97 €, der gemäß §§ 286, 288 Abs. 2 BGB ab dem 7. Juni 2004 mit 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen sei.
[18] II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.
[19] 1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Berechnung des Ausgleichsanspruchs eines Tankstellenhalters nach § 89b HGB die letzte Jahresprovision im Kraftstoff- und Schmierstoffgeschäft zugrunde zu legen ist. Dem liegt die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 29. März 1990 – I ZR 2/89, WM 1990, 1496, unter 3 c) gemäß § 287 ZPO zulässige Schätzung zugrunde, dass die der Beklagten nach Beendigung des Vertragsverhältnisses verbleibenden Vorteile aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die die Klägerin geworben hat (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB), der Höhe nach identisch sind mit den Provisionsverlusten, die die Klägerin infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses erleidet (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB). Dass die der Beklagten verbleibenden Vorteile höher zu bewerten wären, macht auch die Revisionserwiderung nicht geltend. Es kann deshalb dahinstehen, welche Rechtsfolgen sich in einem solchen Fall für den Anspruch aus § 89b HGB aus der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 26. März 2009 (Rs. C-348/07 – Turgay Semen/Deutsche Tamoil GmbH, EuZW 2009, 304) ergeben, nach der Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter (ABl. EG Nr. L 382 S. 17) dahin auszulegen ist, dass er nicht erlaubt, dass der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters in einem solchen Fall von vornherein durch seine Provisionsverluste infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses begrenzt wird.
[20] 2. Zutreffend ist auch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, dass für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs von der letzten Jahresprovision nur der Teil zu berücksichtigen ist, den der Tankstellenhalter für Umsätze mit von ihm geworbenen Stammkunden erhalten hat, weil nur mit diesen Kunden eine Geschäftsverbindung im Sinne des § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB besteht (st. Rspr., Senatsurteile vom 12. September 2007, aaO, Tz. 22, und vom 17. Dezember 2008 – VIII ZR 159/07, VersR 2009, 355, Tz. 35, jeweils m. w. N.).
[21] Stammkunde einer Tankstelle ist entgegen der Auffassung der Revision jeder, der dort mindestens viermal im Jahr tankt, ohne dass es darauf ankommt, wie sich die Tankvorgänge auf die Quartale verteilen; Stammkunde ist also nicht nur derjenige, der tatsächlich wenigstens einmal im Quartal an der Tankstelle tankt. Das hat der Senat, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, bereits in seinem Urteil vom 12. September 2007 (aaO, Tz. 42) entschieden, indem er ausgeführt hat, als Stammkunden (Mehrfachkunden) eines Tankstellenhalters könnten im Allgemeinen die Kunden angesehen werden, die mindestens viermal im Jahr – also durchschnittlich wenigstens einmal pro Quartal – bei ihm getankt hätten. Diese Rechtsprechung hat der Senat nach Erlass des Berufungsurteils mit der Begründung bestätigt, beim vierten Tanken innerhalb eines Jahres sei – unabhängig davon, ob dies in gleichmäßigen Zeitabständen geschehe oder vier Tankvorgänge in engem zeitlichen Zusammenhang zu verzeichnen seien – in der Regel die Annahme berechtigt, dass der Kunde die Tankstelle nicht nur zufällig, sondern gezielt zum wiederholten Mal aufgesucht habe und dementsprechend eine Bindung des Kunden an die Tankstelle bestehe (Senatsurteil vom 17. Dezember 2008, aaO, Tz. 40). Daran hält der Senat fest.
[22] Eine Geschäftsverbindung im Sinne von § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB kann auch dann entstehen, wenn sich ein Kunde nicht dauerhaft im räumlichen Einzugsbereich der Tankstelle aufhält und deshalb dort nicht in gleichmäßigen zeitlichen Abständen tankt, sie aber immer dann aufsucht, wenn er sich in ihrem Umkreis befindet, und dies – wenn auch in ungleichen zeitlichen Abständen oder nur in einem der vier Quartale – wenigstens viermal im Jahr geschieht.
[23] 3. Das Berufungsgericht durfte ferner, anders als die Revision meint, ungeachtet der oben (unter 2) dargelegten, relativ niedrigen Anforderungen an die Tankhäufigkeit zur Begründung der Stammkundeneigenschaft die Abwanderungsquote ohne Verstoß gegen §§ 286, 287 ZPO auf 20 % pro Jahr schätzen.
[24] Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 12. September 2007, aaO, Tz. 50) liegt die Annahme einer solche Abwanderungsquote auch bei einer Tankstelle, bei der die Stammkundeneigenschaft durch nur vier Tankvorgänge im Jahr begründet wird, im Rahmen des tatrichterlichen Schätzungsermessens, wenn ausreichende Anhaltspunkte für die tatsächlichen Kundenbewegungen während der Vertragszeit nicht vorliegen. Solche hat die Beklagte hier in den Instanzen nicht vorgetragen. Dass Kunden, die immerhin viermal im Jahr an einer Tankstelle tanken, eher abwandern werden als solche, die eine höhere Tankfrequenz aufweisen, ist eine bloße Vermutung. Dagegen spricht, dass die geringe Tankhäufigkeit auch darauf zurückzuführen sein kann, dass diese Kunden insgesamt einen geringen Kraftstoffbedarf haben, weil sie wenig fahren, oder dass sie sich nur unregelmäßig in der Region aufhalten, die die Tankstelle bedient, und sich dadurch die vier Tankvorgänge zudem auf einen kurzen Zeitraum innerhalb eines Jahres konzentrieren können.
[25] 4. Von Rechtsfehlern beeinflusst ist jedoch die Ermittlung des Stammkundenumsatzanteils der Barkunden der Klägerin.
[26] a) Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 12. September 2007, aaO, Tz. 28 m. w. N.) kann der Stammkundenumsatzanteil der Barzahler im letzten Vertragsjahr auf der Grundlage des Stammkundenumsatzanteils des Teils der Kunden, die mit Kreditkarten oder vergleichbaren Karten (z. B. EC-Karten) bezahlen, geschätzt werden (§ 287 ZPO). Deren Tankvorgänge werden elektronisch erfasst und können deshalb daraufhin ausgewertet werden, ob mit ein und derselben Karte in einem bestimmten Zeitraum mehrfach getankt wurde, so dass sich der Umsatzanteil der Mehrfachkunden am Gesamtumsatz der Kartenkundschaft für einen bestimmten Zeitraum errechnen lässt. Der sich so ergebende Stammkundenumsatzanteil innerhalb der Kartenkunden kann hochgerechnet werden auf den Gesamtumsatz des letzten Vertragsjahres, falls keine Anhaltspunkte dafür sprechen, dass dieses Verhältnis bei den anonymen "Barzahlern" wesentlich anders ist als innerhalb der Kartenkundschaft. Davon geht auch das Berufungsgericht zutreffend aus.
[27] b) Das Berufungsgericht hat der Hochrechnung sämtliche Kartenumsätze zugrunde legt, also sowohl die Umsätze mit EC-Karten und Kreditkarten als auch solche mit verschiedenen Tankkarten. Dabei hat es auf der Grundlage des revisionsrechtlich maßgeblichen Sachvortrags der Beklagten rechtsfehlerhaft (§§ 286, 287 ZPO) angenommen, dass es keine in den Verhältnissen der Tankstelle der Klägerin begründeten Anhaltspunkte dafür gebe, dass die aus allen Kartenumsätzen gewonnenen Erkenntnisse über Mehrfachkunden keine geeignete Schätzungsgrundlage für den Stammkundenumsatzanteil der Barzahler darstellten. Die Revision macht zu Recht geltend, dass die Beklagte solche Anhaltspunkte in den Instanzen vorgetragen hat, die das Berufungsgericht hätte berücksichtigen müssen.
[28] aa) Schon vor dem Landgericht hat die Beklagte – bezogen auf die Annahme, die Stammkundeneigenschaft werde erst durch sieben Tankvorgänge pro Jahr begründet – dargelegt, an der ehemaligen Tankstelle der Klägerin betrage der Stammkundenumsatzanteil von EC-Kartenkunden nur 0, 98 % und derjenige von Kreditkartenkunden nur 0, 86 %, während der Stammkundenumsatzanteil von ROUTEX-Kartenkunden bei 15, 83 % und derjenige von sonstigen Tankkartenkunden immerhin bei 8, 30 % liege. Gleichzeitig hat sie vorgetragen, dass Tankkartenkunden einen durchschnittlichen Umsatz pro Tankvorgang von 114, 14 l und ROUTEX-Kartenkunden von 78, 85 l aufwiesen, während er bei EC- und Kreditkartenkunden nur zwischen 41, 47 l und 46, 49 l liege und bei den Barumsätzen sogar nur 38, 63 l betrage. Daraus hat sie zu Recht den Schluss gezogen, dass sich unter den Tank- und ROUTEX-Kartenkunden überdurchschnittlich viele LKW-Fahrer befinden, während der Durchschnittsumsatz bei Barzahlern auf PKW-Fahrer hindeutet.
[29] In der Berufungsinstanz hat die Beklagte – nunmehr ausgehend von einem Stammkundenumsatz bei nur vier Tankvorgängen pro Jahr – geltend gemacht, der Stammkundenumsatzanteil von EC-Kartenkunden betrage lediglich 1, 43 % und derjenige von Kreditkartenkunden nur 1, 99 %. Dagegen liege der Stammkundenumsatzanteil von ROUTEX-Kartenkunden bei 23, 46 %, von A. -Card-Kunden bei 20, 67 %, von W. Card-Kunden bei 10, 40 % und von sonstigen Tankkartenkunden bei 9, 20 %. Der durchschnittliche Literabsatz pro Tankvorgang sei auch bei dieser Berechnung bei Tankkartenkunden (116, 95 l) und ROUTEX-Kartenkunden (91, 22 l) am höchsten, während er bei Barzahlern (37, 79 l) noch geringer sei als bei EC-Kartenkunden (41, 57 l) und Kreditkartenkunden (46, 50 l).
[30] Aus diesem Vortrag ergeben sich deutliche Hinweise darauf, dass es sich insbesondere bei den ROUTEX- und Tankkartenkunden an der ehemaligen Tankstelle der Klägerin um solche Kunden handelt, die ihrer Art nach nicht mit derselben Häufigkeit und in demselben Umfang Bargeschäfte tätigen, auch wenn der Gesamtumsatz der Klägerin nach dem Vortrag der Beklagten etwa gleichmäßig zwischen Barzahlern und Kartenkunden aufgeteilt ist. Bei den ROUTEX- und sonstigen Tankkartenkunden ist – wie ausgeführt – aufgrund der Absatzmenge pro Tankvorgang der Schluss gerechtfertigt, dass es sich dabei vielfach um LKW-Fahrer handelt. Es ist naheliegend, dass diese von ihren Arbeitgebern ganz überwiegend mit Tankkarten ausgestattet werden, damit sie damit verbundene Vergünstigungen in Anspruch nehmen können, kein Bargeld benötigen und die Abrechnung unmittelbar im Verhältnis zum Arbeitgeber erfolgen kann. Fahrer, die aus diesem Grund über eine Tankkarte verfügen, werden diese in der Regel auch nutzen.
[31] Dass sich unter den Barzahlern eine ähnliche Menge von LKW-Fahrern befindet, die keine Tankkarte haben, aber hinsichtlich ihres Tankverhaltens den ROUTEX- und sonstigen Tankkartenkunden vergleichbar sind, ist angesichts der Tatsache, dass die Absatzmenge pro Tankvorgang bei Barzahlern im Durchschnitt signifikant niedriger ist, zumindest unwahrscheinlich. Dazu bedarf es deshalb jedenfalls näherer Feststellungen, ob es auch bei den Barumsätzen an der Tankstelle der Klägerin Absatzmengen pro Tankvorgang gibt, die darauf schließen lassen, dass sich unter den Barkunden in vergleichbarer Menge LKW-Fahrer befinden, die hinsichtlich ihres Tankverhaltens den ROUTEX- und sonstigen Tankkartenkunden entsprechen.
[32] Anders als das Berufungsgericht meint, sind entsprechende Feststellungen nicht deshalb entbehrlich, weil es nur um das Schaffen einer Schätzungsgrundlage im Sinne von § 287 ZPO geht. Es muss gleichwohl das Ziel sein, die Schätzung des Stammkundenumsatzanteils an die tatsächlichen Verhältnisse der konkreten Tankstelle weitestgehend anzunähern, soweit dies im Wege einer elektronischen Auswertung der vorhandenen Daten möglich ist (Senatsurteile vom 10. Juli 2002 – VIII ZR 58/00, WM 2003, 491, unter B I 1 b aa, und VIII ZR 158/01, WM 2003, 499, unter II 1 b dd; vom 12. September 2007, aaO, Tz. 28).
[33] bb) Entgegen der Auffassung der Revision ist allerdings – wie die Revisionserwiderung zu Recht geltend macht – kein Grund ersichtlich, die Basis für die Hochrechnung der Stammkundenumsatzanteile von Kartenkunden auf diejenigen von Barzahlern an der Tankstelle der Klägerin von vornherein auf EC-Kartenkunden zu verengen und dabei auch Kreditkartenkunden außer Betracht zu lassen. Bei diesen beiden Kundengruppen weichen nach dem eigenen Vortrag der Beklagten weder die Stammkundenumsatzanteile noch der durchschnittliche Absatz pro Tankvorgang erheblich voneinander ab. Sie weisen zudem beide ebenso wie Barzahler und anders als Kunden mit einer Tankkarte eines Mineralölunternehmens nicht schon von vornherein eine höhere Bindung an Tankstellen einer bestimmten Marke auf. Dafür, dass sich unter Kreditkartenkunden eine höhere Anzahl von Stammkunden befindet, hat die Beklagte keine tragfähigen Anhaltspunkte vorgetragen.
[34] c) Ob bei sogenannten Flotten- und Firmenkundenkarten für die Stammkundeneigenschaft auf die einzelne Karte abzustellen ist, wie das Berufungsgericht meint, oder auf den Großkunden, der mehrere Karten hat, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung, weil die Revision die Auffassung des Oberlandesgerichts als ihr günstig nicht angreift.
[35] 5. Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht habe rechtsfehlerhaft einen Billigkeitsabzug wegen der Lage der Tankstelle an einer Bundesautobahn und der hierdurch bedingten Besonderheiten der Wettbewerbssituation abgelehnt. Die Zahlung eines Ausgleichs kann nach § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB verlangt werden, wenn und soweit dies unter Berücksichtigung aller Umstände der Billigkeit entspricht. Ein Billigkeitsabschlag vom Ausgleichsbetrag kann gerechtfertigt sein, wenn für die Auswahl einer Tankstelle Gründe maßgebend sind, die nichts mit den Verkaufsbemühungen des Tankstellenhalters zu tun haben. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Verkaufsbemühungen des Tankstellenhalters durch eine von der Lage der Tankstelle oder der Marke des Produkts ausgehende "Sogwirkung" in nicht unerheblichem Maße gefördert werden (vgl. Senatsurteil vom 12. September 2007, aaO, Tz. 53; BGH, Urteil vom 29. November 1984 – I ZR 149/82, BB 1985, 353, unter II 2). Die Abwägung der Ursächlichkeit von werbender Tätigkeit des Tankstellenhalters einerseits und der "Sogwirkung" von Lage, Marke oder Preis andererseits gehört indes zum Kernbereich des tatrichterlichen Schätzungsermessens im Rahmen der Billigkeitsprüfung nach § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB (Senatsurteile vom 12. September 2007, aaO, Tz. 54; vom 10. Juli 2002 – VIII ZR 158/01, aaO, unter II 4; vom 26. Februar 1997 – VIII ZR 272/95, NJW 1997, 1503, unter C I 4, insoweit in BGHZ 135, 14, nicht abgedruckt). Die Erwägungen, die das Berufungsgericht hierzu angestellt hat, lassen keinen Rechtsfehler erkennen. Das gefundene Ergebnis hält sich in den Grenzen des tatrichterlich Vertretbaren.
[36] Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist ein Billigkeitsabschlag nicht gerechtfertigt, weil sich die besondere Wettbewerbssituation von Autobahntankstellen regelmäßig darin niederschlägt, dass sie einen geringeren Stammkundenanteil als eine normale Straßentankstelle ausweisen, und dies bereits durch die Merkmale des Stammkundenbegriffs hinreichend erfasst wird. Dem hält die Revision vergeblich entgegen, das Berufungsgericht habe damit den Vortrag der Beklagten nicht ausgeschöpft, nach dem der Halter einer Autobahntankstelle aufgrund einer monopolähnlichen Stellung kaum die Möglichkeit habe, seinen Absatz durch Werbemaßnahmen oder einen besonderen Service zu steigern, sondern lediglich am Rande der Autobahn sitzen und auf Kundschaft warten müsse. Zum einen steht, worauf die Revisionserwiderung zu Recht hinweist, auch der Betreiber einer Autobahntankstelle in Konkurrenz zu den vor und hinter seiner eigenen gelegenen sonstigen Autobahntankstellen sowie zu Autohöfen und Straßentankstellen in unmittelbarer Umgebung der Autobahn, auf die die Kunden durch eine entsprechende Ausschilderung oder Navigationssysteme hingewiesen werden. Zum andern schließt es die Lage von Autobahntankstellen nicht aus, dass es ihren Betreibern jedenfalls in eingeschränktem Umfang gelingt, Stammkunden zu werben, zum Beispiel durch für Fernfahrer oder Omnibusunternehmen besonders attraktive gastronomische Leistungen in der mit der Tankstelle verbundenen Raststätte. Dass die so geworbene Zahl von Stammkunden möglicherweise hinter derjenigen einer Straßentankstelle zurückbleibt, hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei als durch eine niedrigere Stammkundenquote erfasst angesehen.
[37] III. Das Berufungsurteil kann nach alledem insgesamt keinen Bestand haben und ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, weil es, wie ausgeführt, gegebenenfalls auf der Grundlage ergänzenden Sachvortrags der Parteien weiterer tatsächlicher Feststellungen zum Stammkundenumsatzanteil der Barzahler bedarf. Sie ist deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).