Bundesarbeitsgericht
Kirchliche Arbeitsrechtsregelung – normative Wirkung
1. Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV begründet ohne entsprechende kirchengesetzliche Regelung keine unmittelbare und zwingende (normative) Geltung einer kirchlichen Arbeitsrechtsregelung des Dritten Weges für Arbeitsverhältnisse mit kirchlichen Arbeitgebern.
2. Ohne eine einschlägige kirchengesetzliche Regelung bestand kein Anlaß darüber zu entscheiden, ob und inwieweit eine solche normative Geltung durch Kirchengesetz herbeigeführt werden kann.
BAG, Urteil vom 20. 3. 2002 – 4 AZR 101/01 (lexetius.com/2002,1407)
[1] 1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 17. Oktober 2000 – 7 Sa 1122/00 – wird zurückgewiesen.
[2] 2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
[3] Tatbestand: Die Parteien streiten darüber, ob auf das Arbeitsverhältnis über den 1. Oktober 1999 hinaus die Regelungen des sog. Bundes-Angestelltentarifvertrages in kirchlicher Fassung (BAT-KF) anzuwenden sind und nicht die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR-DW/EKD).
[4] Die am 10. November 1949 geborene, verheiratete und drei Personen zum Unterhalt verpflichtete Klägerin war seit dem 2. November 1991 bei dem Rechtsvorgänger der Beklagten, dem Kirchenkreis S, als Krankenschwester in den Ambulanten Diakonischen Diensten im Bereich der häuslichen Krankenpflege im Umfang von zuletzt 19, 25 Arbeitsstunden wöchentlich tätig. Der Kirchenkreis S betrieb bis zum 1. Oktober 1998 insgesamt drei Sozialstationen im Stadtgebiet S und eine Sozialstation in F. In dem Arbeitsvertrag vom 17. Februar 1998 war in § 2 bestimmt: "Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag in der für die Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen jeweils geltenden Fassung (BAT/KF) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Arbeitgeber geltenden Fassung sowie den jeweils gültigen Dienstvereinbarungen."
[5] Für ihre Tätigkeit erhielt die Klägerin – wie in § 6 des Arbeitsvertrages ausgewiesen – eine Vergütung entsprechend der VergGr. V b BAT-KF. Der Kirchenkreis S hat die Ambulanten Diakonischen Dienste zum 1. Oktober 1998 ausgegliedert und in eine eigenständige gemeinnützige GmbH, die Beklagte, überführt. Die Beklagte ist ab dem 1. Oktober 1998 Mitglied im Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche von Westfalen – Landesverband der Inneren Mission eV (im Folgenden: Diakonisches Werk Westfalen) geworden. Über die sich aus diesen Änderungen ergebenden Konsequenzen informierte die Beklagte die Beschäftigten in der Mitarbeiterversammlung vom 22. September 1999. Mit Schreiben vom 14. Oktober 1999 teilte die Beklagte der Klägerin folgendes mit: "mit Wirkung vom 01. 10. 1998 hat der Übergang des Beschäftigungsverhältnisses vom Kirchenkreis S auf die Ambulanten diakonischen Dienste gGmbH stattgefunden. Verbunden mit der Mitgliedschaft beim Diakonischen Werk in Münster wurde die Anwendung der Arbeitsvertragsrichtlinien für Einrichtungen, die dem Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland angeschlossen sind, einschließlich der Vergütungsordnung verbindlich vereinbart. Der Betriebsübergang zum 01. 10. 1998 hatte gemäß den Bestimmungen von § 613 a BGB zur Folge, daß die vertraglich vereinbarten Bedingungen – Grundlage BAT-KF – für ein Jahr unverändert Bestand hatten. Die Anwendung der AVR-EKD für alle Beschäftigten unserer Einrichtung ab 01. 10. 1999 ist unserer Auffassung nach folgerichtig. Durch die Umstellung auf die AVR-EKD ändert sich für Sie auch die Höhe der monatlichen Vergütung. Die Vergütungsumstellung wird mit der Gehaltsabrechnung für den Monat Oktober vorgenommen. Die Differenz zwischen der bisherigen und der neuen Vergütung wird durch eine Besitzstandszulage ausgeglichen. Die Besitzstandszulage in Höhe von DM 302, 48 wird zunächst unter Vorbehalt gezahlt. In der am 22. 09. 1999 stattgefundenen Mitarbeiterversammlung wurden Sie über die Gründe und Folgen dieser Umstellung ausführlich informiert. Die Umstellung auf die AVR-EKD und Absenkung Ihrer Vergütung wird sozialverträglich und arbeitsplatzsichernd vorgenommen. Die in der Mitarbeiterversammlung vorgetragenen Bedingungen und Zusagen bestätigen wir Ihnen heute verbindlich wie folgt: 1. Anwendung der AVR-EKD ab 01. 10. 1999 2. Zahlung einer Besitzstandszulage in Höhe der Differenz zwischen der bisherigen monatlichen Bruttovergütung und der Vergütung ab 01. 10. 1999. Auf diese Zulage werden in den Jahren 2000 und 2001 die jeweiligen Tarifanhebungen, sowie ab 01. 10. 1999 etwaige Höhergruppierungen, Anhebung der Grundvergütung durch eine höhere Altersstufe und sich erhöhend auswirkende Ereignisse für den Ortszuschlag, angerechnet. Ab dem 01. 01. 2002 entfällt die Zahlung der evtl. noch bestehenden restlichen Zulage. Bis zum 31. 12. 2001 ist somit gewährleistet, daß die monatliche Bruttovergütung in Höhe der Bruttovergütung bezogen auf den Monat Oktober 1999 nicht unterschreiten wird. 3. Die Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses aus betriebsbedingten Gründen ist in der Zeit vom 01. 10. 1999 bis zum 31. 12. 2001 ausgeschlossen. Sie erhalten dieses Schreiben in 2-facher Ausfertigung. Ein Exemplar senden Sie uns bitte mit Ihrer Einverständniserklärung versehen bis zum 04. 11. 1999 zurück."
[6] Die Klägerin erklärte ihr Einverständnis nicht.
[7] Mit ihrer Klage wehrt sie sich gegen die von der Beklagten vollzogene Anwendung der AVR-DW/EKD auf das Arbeitsverhältnis. Sie hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, auch nach dem Betriebsübergang die Bestimmungen des BAT-KF anzuwenden. Die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf den BAT-KF könne nur mit individualrechtlichen Mitteln verändert werden. Durch den Betriebsübergang hätten die AVR-DW/EKD nicht kraft § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB Geltung erlangt. Bei den allgemeinen Arbeitsbedingungen der Evangelischen Kirche, dem BAT-KF und den AVR-DW/EKD, handele es sich nicht um Tarifverträge iSd. § 613 a BGB und auch nicht um Kollektivverträge iSd. EG-Betriebsübergangsrichtlinie. Ihnen komme keine normative Wirkung zu. Eine Gleichwertigkeit der durch die arbeitsrechtliche Kommission aufgestellten arbeitsrechtlichen Regelungen mit den Tarifverträgen sei nicht gegeben.
[8] Die Klägerin hat zuletzt beantragt festzustellen, daß auf das bestehende Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien über den 1. Oktober 1999 hinaus der BAT-KF anzuwenden ist; hilfsweise festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, weiterhin Vergütungsansprüche entsprechend den Bestimmungen der innehabenden Tarifgruppe nach BAT-KF zu zahlen.
[9] Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, daß sie mit der Anwendung der AVR-DW/EKD lediglich umsetze, was bereits gesetzliche Folge des Betriebsübergangs vom 1. Oktober 1998 sei. Auf Grund ihrer Mitgliedschaft im Diakonischen Werk Westfalen seien auf die Arbeitsverhältnisse die AVR-DW/EKD anzuwenden. Es sei ein Fall des § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB gegeben, wonach die bis zum Betriebsübergang anzuwendenden tariflichen Bestimmungen verdrängt würden, wenn bei dem Betriebsübernehmer andere tarifliche Bestimmungen zur Anwendung gelangten. Zwar seien weder der BAT-KF noch die AVR-DW/EKD als Tarifverträge iSd. Tarifvertragsgesetzes zu qualifizieren, jedoch seien diese Regelungen des Dritten Weges als Tarifsurrogate insoweit nicht anders zu behandeln als Tarifverträge. Der Gesetzgeber habe bei Arbeitsgesetzen mit Öffnungsklauseln für Tarifverträge die Arbeitsvertragsordnungen der Kirchen und Religionsgemeinschaften vielfach gleichgestellt. Auch die europarechtskonforme Auslegung des § 613 a Abs. 1 BGB gebiete im Hinblick auf den Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 der Betriebsübergangsrichtlinie (Richtlinie -RL- 2001/23/EG vom 12. März 2001, vormals 98/50/EG, früher 77/187/EWG) eine Gleichbehandlung der durch paritätisch besetzte Kommissionen festgelegten Arbeitsbedingungen der Kirchen mit den Tarifverträgen.
[10] Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Abweisung der Klage. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
[11] Entscheidungsgründe: Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben auf den Hauptantrag im Ergebnis zutreffend erkannt, daß auf das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 1. Oktober 1999 hinaus der BAT-KF anwendbar ist.
[12] I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts ist form- und fristgerecht eingelegt worden. Zwar hat die Beklagte zunächst nur unter Mitteilung des Kurzrubrums und des Aktenzeichens erklärt, daß im Auftrage und namens der Beklagten Berufung eingelegt werde. Die Beklagte hat dann aber noch innerhalb der Berufungsfrist eine Kopie des angefochtenen Urteils eingereicht. Damit sind die nach § 518 Abs. 2 ZPO aF (iVm. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG) für die Berufungseinlegung erforderlichen Angaben fristgemäß gemacht worden.
[13] II. Die Klage ist zulässig.
[14] 1. Der Hauptantrag bedarf der Auslegung. Sein Wortlaut ist auf die Anwendbarkeit des BAT-KF auf das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 1. Oktober 1999 hinaus gerichtet, ohne eine ausdrückliche Klarstellung dahingehend, daß sich der Antrag auf den BAT-KF in der jeweils gültigen Fassung beziehen soll. Davon ist hier auszugehen. Denn dies ist im Arbeitsvertrag vereinbart. Demgemäß geht der Streit der Parteien darum, ob der BAT-KF über den 1. Oktober 1999 in seiner jeweiligen Fassung Anwendung findet oder aber, wie von der Beklagten vertreten, die AVR-DW/EKD in der jeweiligen Fassung. Das haben die Parteien in der Revisionsverhandlung bestätigt.
[15] 2. Der so verstandene Feststellungsantrag ist gem. § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts muß sich die Feststellungsklage nicht notwendigerweise auf das Rechtsverhältnis in seiner Gesamtheit beziehen, sondern kann sich auf einzelne Aspekte des Rechtsverhältnisses beschränken, zB auf die Anwendbarkeit eines bestimmten Tarifvertrages auf das Arbeitsverhältnis (so schon 27. Juli 1956 – 1 AZR 430/54 – BAGE 3, 303). Zwar handelt es sich bei dem BAT-KF bzw. den AVR-DW/EKD nicht um Tarifverträge iSd. Tarifvertragsgesetzes. Dieser Unterschied ist indessen für das Feststellungsinteresse unerheblich. Ähnlich wie Tarifverträge enthalten der BAT-KF und die AVR-DW/EKD abstrakte Regelungen für alle Arbeitsverhältnisse, für die die Anwendbarkeit dieser Regelungswerke vereinbart worden ist. Streiten die Parteien – wie hier – darüber, welches dieser Regelungswerke für ihr bestehendes Arbeitsverhältnis maßgeblich ist, so stellt dies den Streit über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses iSd. § 256 Abs. 1 ZPO dar.
[16] Auch das gem. § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung ist gegeben, weil durch die Klärung der zwischen den Parteien strittigen Frage über die weitere Anwendbarkeit des BAT-KF schon jetzt eine Vielzahl von einzelnen Streitigkeiten über den Vollzug des Arbeitsverhältnisses vermieden werden kann. Dem steht nicht entgegen, daß die Beklagte der Klägerin eine anrechenbare und zum 1. Januar 2002 weggefallene Besitzstandszulage gewährt hat. Sie war nur auf die bisherige Vergütung nach dem BAT-KF bezogen, nicht aber auf die nach dem BAT-KF in der jeweils gültigen Fassung.
[17] III. Die Klage ist begründet. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet auf Grund der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auch über den 1. Oktober 1999 hinaus der BAT-KF Anwendung. Entgegen der Ansicht der Beklagten ergibt sich weder im Wege der Auslegung der Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag noch infolge der von ihr postulierten normativen Wirkung kirchlicher Arbeitsrechtsregelungen noch auf Grund einer von ihr angenommenen analogen Anwendbarkeit des § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB, daß an die Stelle des BAT-KF die Regelungen der AVR-DW/EKD getreten wären.
[18] 1. Die Anwendbarkeit des BAT-KF in der jeweiligen Fassung über den 1. Oktober 1999 hinaus folgt aus § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB iVm. § 2 des Arbeitsvertrages vom 17. Februar 1998.
[19] a) Die Ausgliederung der Ambulanten Diakonischen Dienste aus dem Kirchenkreis S und deren Überführung in die Beklagte zum 1. Oktober 1998 ist ein Betriebs (teil) übergang gem. § 613 a BGB. Davon ist auch das Landesarbeitsgericht in Übereinstimmung mit der Auffassung der Parteien ausgegangen.
[20] b) Auf Grund des Betriebsteilübergangs zum 1. Oktober 1998 ist das Arbeitsverhältnis gem. § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB mit den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Rechten und Pflichten auf die Beklagte übergegangen.
[21] c) Zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses zählt auch die Bezugnahme auf den BAT-KF in § 2 des Arbeitsvertrages. Aus ihr ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht, daß auf Grund der Mitgliedschaft der Beklagten im Diakonischen Werk die Anwendbarkeit des BAT-KF durch die der AVR-DW/EKD abgelöst worden ist.
[22] aa) Nach § 2 des Arbeitsvertrages vom 17. Februar 1998 bestimmt sich das Arbeitsverhältnis "nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag in der für die Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen jeweils geltenden Fassung (BAT-KF) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Arbeitgeber geltenden Fassung …".
[23] bb) Der BAT-KF ist eine kirchliche, von der Rheinisch-Westfälisch-Lippischen Arbeitsrechtlichen Kommission (ARK-RWL) für den Bereich der Evangelischen Kirche im Rheinland, der Evangelischen Kirche von Westfalen und der Lippischen Landeskirche sowie ihrer Diakonischen Werke beschlossene Arbeitsrechtsregelung. Nach § 2 Abs. 2 des Gesetzes für die Evangelische Kirche von Westfalen über das Verfahren zur Regelung der Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter im kirchlichen Dienst (Arbeitsrechts-Regelungsgesetz; ARRG) ebenso wie nach der gleichlautenden Bestimmung in den ARRG der Evangelischen Kirche im Rheinland und der Lippischen Landeskirche hat die ARK-RWL die Aufgabe, Regelungen zu erarbeiten, die den Inhalt, die Begründung und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen betreffen. In § 1 der von der ARK-RWL beschlossenen Ordnung über die Anwendung des Bundes-Angestelltentarifvertrages vom 26. Juni 1986 (BAT-AO) ist bestimmt, daß im Geltungsbereich für die Arbeitsverhältnisse der Angestellten grundsätzlich der Bundes-Angestelltentarifvertrag vom 23. Februar 1961 anzuwenden ist. In § 2 BAT-AO sind die den BAT ändernden besonderen kirchlichen Bestimmungen zusammengestellt. Nach § 3 BAT-AO ergibt sich daraus der Wortlaut des BAT-KF, der dem BAT-AO als Anhang 1 beigefügt ist.
[24] cc) Aus der arbeitsvertraglichen Formulierung "und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Arbeitgeber geltenden Fassung" kann nicht abgeleitet werden, daß mit der Mitgliedschaft der Beklagten im Diakonischen Werk Westfalen die AVR-DW/EKD Anwendung finden sollen. Diese Regelung beinhaltet vielmehr, daß die Bezugnahme sich nicht nur auf Änderungen des BAT-KF selbst beziehen soll, sondern auch auf sonstige kirchliche Arbeitsrechtsregelungen (nicht "Tarifverträge" im rechtstechnischen Sinn des Wortes), soweit sie den BAT-KF ergänzen, ändern oder ersetzen.
[25] Die AVR-DW/EKD sind keine den BAT-KF ergänzende, ändernde oder ersetzende Regelung im Sinne dieser Klausel, sondern eine andere eigenständige kirchliche Arbeitsrechtsregelung. Für das Diakonische Werk der EKD besteht eine eigene Arbeitsrechtliche Kommission. Deren Aufgabe ist nach § 2 des ARRG-EKD die Ordnung der Arbeitsbedingungen und deren Fortentwicklung für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Bereich des Diakonischen Werkes der EKD, soweit für sie nicht die Arbeitsrechtsregelung der jeweiligen Gliedkirche bzw. Freikirche oder des gliedkirchlichen Diakonischen Werkes gilt.
[26] dd) Entgegen der Auffassung der Revision kann die Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrags nicht als sog. große dynamische Bezugnahmeklausel bzw. Tarifwechselklausel in dem Sinne verstanden werden, daß jeweils die kirchliche Regelung gelten soll, zu deren Anwendung die jeweilige Arbeitgeberin auf Grund kirchlichen Rechts oder Satzungsrechts verpflichtet ist.
[27] Die Revision meint, die Bezugnahmeklausel diene im Hinblick auf die bislang durch die Rechtsprechung nicht anerkannte unmittelbare normative Geltung der Regelungen des Dritten Weges nur dem Zweck, die Anwendbarkeit der jeweils einschlägigen Regelung durch die individualrechtliche Bezugnahme sicherzustellen. Die Bezugnahmeklausel beziehe sich nicht allein auf den BAT-KF. Sobald ein anderes Vertragswerk für den Arbeitgeber gelte, solle dieses in Bezug genommen sein. Für die Beklagte gölten im Sinne der arbeitsvertraglichen Bezugnahme die AVR-DW/EKD. Denn die Beklagte sei gegenüber dem Diakonischen Werk, dem sie angeschlossen sei, zu deren Anwendung verpflichtet.
[28] Dem kann nicht gefolgt werden. Für diese Auslegung geben die Bezugnahmeklausel und die sonstigen bei der Vertragsauslegung zu berücksichtigenden Umstände keine Grundlage. Wie dargelegt, bezieht sich die Bezugnahme nur auf den BAT-KF und die den BAT-KF ändernden, ergänzenden oder ersetzenden Regelungen. Der Annahme der Beklagten steht auch entgegen, daß für sie ein Zwang zur Anwendung der AVR-DW/EKD nicht besteht. Sie ist nicht auf Grund ihrer Mitgliedschaft im Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche von Westfalen verpflichtet, die AVR-DW/EKD anzuwenden. Als Mitglied des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche von Westfalen muß sie kirchenrechtliche Arbeitsrechtsregelungen anwenden. Nach § 4 Abs. 2 Ziff. 7 a der Satzung des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche von Westfalen kann sie aber wählen, ob sie den für dieses Diakonische Werk geschaffenen BAT-KF anwendet oder die für das Diakonische Werk des EKD geschaffenen AVR-DW/EKD.
[29] 2. An der durch die arbeitsvertragliche Bezugnahme begründeten Anwendbarkeit des BAT-KF in seiner jeweiligen Fassung ändert die von der Beklagten behauptete normative Geltung der kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen des Dritten Weges nichts.
[30] a) Die Beklagte vertritt die Auffassung, daß den kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen des Dritten Weges normative Wirkung zukomme. Dies werde zunehmend auch im Schrifttum vertreten. Die normative Wirkung könne zum einen verfassungsrechtlich mit dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht gem. Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV und zum anderen privatrechtlich im Sinne der mitgliedschaftlichen Legitimation begründet werden. Die fehlende gesetzliche Anordnung der normativen Wirkung kirchlicher Arbeitsrechtsregelungen sei kein Grund, die unmittelbare und zwingende Wirkung zu verneinen. Die Gerichte seien vielmehr verpflichtet, dieses Rechtsinstitut systemkonform zu entfalten. Entscheidend seien die intendierte Drittwirkung der kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen und die funktionale Repräsentation der normativ erfaßten Dritten bei der Aufstellung dieser Regelungen. Für die Anerkennung der normativen Wirkung spreche auch die neuere Entwicklung bei der Ausgestaltung des "Dritten Weges", wobei teilweise die normative Wirkung der Arbeitsrechtsregelungen ausdrücklich bestimmt worden sei. Auch ohne entsprechende ausdrückliche Regelung gelte die normative Wirkung nach dem Selbstverständnis des Diakonischen Werks Westfalen für seine Mitglieder. Deshalb könne sich der einzelne Arbeitnehmer unmittelbar auf die kirchliche Arbeitsrechtsregelung berufen, zu deren Anwendung der Dienstgeber (Arbeitgeber) verpflichtet sei. Die arbeitsvertragliche Bezugnahme habe nur deklaratorische Bedeutung. Mit dem Beitritt der Beklagten zum Diakonischen Werk Westfalen hätten die AVR-DW/EKD für das Arbeitsverhältnis der Parteien normative Geltung.
[31] b) Dem kann schon deshalb nicht gefolgt werden, weil weder dem BAT-KF zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch den AVR-DW/EKD nach dem Beitritt der Beklagten zum Diakonischen Werk Westfalen normative Wirkung zukommen.
[32] aa) Das säkulare Recht ordnet für kirchliche Arbeitsrechtsregelungen keine unmittelbare und zwingende Geltung, dh. normative Wirkung an. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können kirchliche Arbeitsrechtsregelungen die Arbeitsverhältnisse nicht unmittelbar und zwingend gestalten, sondern bedürfen stets der vertraglichen Transformation durch Einzelvertrag, Gesamtzusage oder Einheitsregelung (ua. 6. Dezember 1990 – 6 AZR 159/89 – BAGE 66, 314, 320 mwN; 17. April 1996 – 10 AZR 558/95 – AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 24 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 140; 24. September 1997 – 4 AZR 452/96 – AP AVR Caritasverband § 12 Nr. 10; 15. November 2001 – 6 AZR 88/01 – nv.; vgl. auch 28. Januar 1998 – 4 AZR 491/96 – AP AVR Caritasverband § 12 Nr. 11 = EzA BGB § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 44 und 6. November 1996 – 5 AZR 334/95 – BAGE 84, 282, wo die Frage nicht eindeutig beantwortet wird).
[33] Aus dem Selbstbestimmungsrecht der Religionsgesellschaften (Art. 140 GG, Art. 137 Abs. 3 WRV), hier der Kirchen, läßt sich keine normative Geltung kirchlicher Arbeitsrechtsregelungen herleiten. Zwar ermöglicht das kirchliche Selbstbestimmungsrecht, auf dem Dritten Weg Arbeitsrechtsregelungen herbeizuführen. Indessen enthält das säkulare Recht keine Bestimmung, die die normative Wirkung kirchlicher Arbeitsrechtsregelungen anordnet. Insbesondere kann insoweit nicht auf das Tarifvertragsgesetz – TVG –, dort vor allem auf § 4 Abs. 1, zurückgegriffen werden. Eine unmittelbare Anwendung dieses Gesetzes scheidet schon deshalb aus, weil es sich bei den kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen nicht um Tarifverträge handelt. Die Bezeichnung "BAT-KF" macht nur deutlich, an welchem Tarifwerk sich die derart bezeichneten Arbeitsrechtsregelungen orientieren. Eine analoge Anwendung des TVG scheidet ebenfalls aus. Denn die Grundvoraussetzungen für Tarifverträge einerseits und Arbeitsrechtsregelungen andererseits sind zu unterschiedlich, um einer analogen Anwendung des TVG näher treten zu können. Die unmittelbare und zwingende Geltung von Tarifverträgen ist auf das Grundrecht des Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG zurückzuführen, die Schaffung kirchlicher Arbeitsrechtsregelungen auf dem Dritten Weg dagegen auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht.
[34] bb) Ob das kirchliche Recht eine normative Wirkung kirchlicher Arbeitsrechtsregelungen für alle mit einem kirchlichen Arbeitgeber abgeschlossenen Arbeitsverhältnisse anordnen kann, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.
[35] Die Frage der Anerkennung der normativen Wirkung von kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen im Sinne der unmittelbaren und zwingenden Wirkung stellt sich nur, wenn eine Arbeitsrechtsregelung die normative Wirkung überhaupt beansprucht. Auf Grund ihres Selbstbestimmungsrechts entscheiden die Kirchen über das "Ob" und das "Wie" der Einbeziehung der Arbeitsrechtsregelungen des "Dritten Weges" in die Arbeitsverträge. Will die Kirche sich dabei nicht auf die anerkannten vertraglichen Instrumentarien der Einbeziehung der Arbeitsrechtsregelungen in die Arbeitsverhältnisse (siehe oben unter aa) beschränken, sondern einen normativen Geltungsanspruch erheben, so muß sie einen solchen Geltungsbefehl kirchengesetzlich anordnen. Dabei müssen der Inhalt und die Reichweite des normativen Geltungsanspruchs in der einschlägigen kirchenrechtlichen Regelung enthalten sein, ua. für wen die unmittelbare und zwingende Wirkung gelten soll (kirchlicher Dienst- oder Arbeitgeber, verfaßte Kirche, Diakonie, Caritas, Mitglieder der Kirche oder auch kirchlich gebundene Mitarbeiter bzw. Mitglieder anderer Kirchen). Nur wenn entsprechende kirchenrechtliche Regelungen vorliegen, wird zu entscheiden sein, ob und inwieweit diese von dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht gedeckt sind.
[36] cc) Vorliegend ergibt sich aus den einschlägigen kirchlichen Regelungen der normative Geltungsanspruch weder für den BAT-KF in dem ursprünglichen Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Kirchenkreis S noch für die AVR-DW/EKD in dem auf die Beklagte übergegangenen Arbeitsverhältnis.
[37] (1) Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gab es für die normative Geltung des BAT-KF für das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit dem Kirchenkreis S in den einschlägigen kirchlichen Regelungen keine Grundlage. Zwar bestimmt § 3 des Arbeitsrechtsregelungsgesetzes für die Evangelische Kirche Westfalen, daß die von der ARK-RWL beschlossenen Arbeitsrechtsregelungen verbindlich sind und "normativ wirken". Indessen erfaßt diese Regelung, die im übrigen erst seit dem 1. April 2000 in Kraft ist, nur die nach dem ARRG-RWL geschaffenen Arbeitsrechtsregelungen, dh. den BAT-KF. Schon deshalb gibt es keine Grundlage für die Auffassung der Beklagten, daß der Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag lediglich deklaratorische Wirkung zukomme.
[38] (2) Auch für das auf die Beklagte übergegangene Arbeitsverhältnis besteht auf Grund deren Beitritt zum Diakonischen Werk Westfalen kein normativer Geltungsanspruch der AVR-DW/EKD. Die AVR-DW/EKD werden auf der Grundlage des für die Evangelische Kirche in Deutschland geltenden ARRG-EKD geschaffen. Dort ist eine normative Geltung nicht angeordnet. Zudem scheitert die Ansicht der Beklagten, die AVR-DW/EKD gölten hier normativ, auch daran, daß sie – wie oben dargelegt – zur Anwendung dieses Regelungswerkes nicht gezwungen ist. § 4 Abs. 2 Nr. 7 a der Satzung des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche von Westfalen (DW-W) läßt zu, daß Mitglieder des DW-W frei wählen dürfen, ob sie den auf Grund des ARRG-RWL geschaffenen BAT-KF oder die auf Grund des ARRG-DW/EKD geschaffenen AVR-DW/EKD anwenden wollen. Eine solche einseitige Auswahlmöglichkeit steht dem Postulat der normativen Geltung kirchlicher Arbeitsrechtsregelungen entgegen und erinnert, wenn auch in Grenzen, an den Ersten Weg, dessen Kennzeichen darin liegt, daß der kirchliche Dienstgeber die Arbeitsbedingungen festsetzte.
[39] Somit gibt es schon nach den einschlägigen kirchenrechtlichen Regelungen keine Grundlage für die normative Geltung der AVR-DW/EKD für das Arbeitsverhältnis der Parteien nach dem Beitritt der Beklagten zu dem Diakonischen Werk Westfalen.
[40] 3. Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich die Anwendbarkeit der AVR-DW/EKD auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nach dem Betriebsübergang auch nicht aus der analogen Anwendbarkeit des § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB.
[41] a) Die Revision begründet ihre Auffassung damit, daß der BAT-KF und die AVR-DW/EKD wie Tarifverträge und damit analog § 613 a Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB zu behandeln seien. In Bezug auf die kollektiven Arbeitsrechtsregelungen des kirchlichen und diakonischen Dienstes liege eine Regelungslücke vor, denn diese kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen würden in § 613 a BGB nicht erwähnt. Es liege auch eine vergleichbare Interessenlage wie bei Tarifverträgen vor. Die Regelungen des Dritten Weges seien Tarifsurrogate, die grundsätzlich wie Tarifverträge zu behandeln seien. Dafür spreche insbesondere das kirchliche Selbstbestimmungsrecht gem. Art. 137 Abs. 3 WRV iVm. Art. 140 GG. Die Notwendigkeit der Gleichbehandlung ergebe sich auch aus den europarechtlichen Vorgaben in Art. 3 Abs. 3 der Betriebsübergangsrichtlinie (RL 2001/23/EG, vormals 98/50/EG, früher 77/187/EWG), weil kirchliche Arbeitsrechtsregelungen Kollektivverträge im Sinne dieser Richtlinie seien. Für die Anwendbarkeit des § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB auf kirchliche Arbeitsrechtsregelungen spreche auch die Tendenz zur Gleichbehandlung von Tarifverträgen und kirchlichen Arbeitsvertragsregelungen durch den Gesetzgeber und durch die neuere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Bei der analogen Anwendung des § 613 a Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB trete in Vordergrund, daß eine kollektive Ordnung durch eine andere ersetzt werde, zu der der kirchliche Arbeitgeber schon nach dem eigenen Selbstverständnis verpflichtet sei. Auf die Frage der beiderseitigen Tarifgebundenheit, die nach der Rechtsprechung für die Ablösung der bisherigen tariflichen Regelungen gem. § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB erforderlich sei, komme es nicht an.
[42] b) Dem kann nicht gefolgt werden. Die Annahme der Beklagten setzt voraus, daß zumindest die AVR-DW/EKD für das Arbeitsverhältnis wie ein Tarifvertrag normativ gelten. Daran fehlt es aber. Es kann deshalb dahinstehen, inwieweit bei normativer Geltung von kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen die Bestimmungen des § 613 a Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB einer analogen Anwendung zugänglich sind oder Europäisches Recht (RL 2001/23/EG, vormals 98/50/EG, früher 77/187 EWG) eine entsprechende Regelung erfordert. Zur Wahrung der Arbeitsbedingungen bei einem Betriebsübergang genügt die Regelung in § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn – wie hier – im Arbeitsvertrag vereinbart ist, daß und welche kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen anzuwenden sind. Hier ist lediglich die Anwendbarkeit des BAT-KF im Vertrag mit dem früheren Arbeitgeber, dem Kirchenkreis S, vereinbart worden; der BAT-KF galt nicht normativ. Schon deshalb scheidet die analoge Anwendung des § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB aus. Im übrigen liegen die Voraussetzungen nicht vor, weil auch die AVR-DW/EKD für das Arbeitsverhältnis nicht normativ gelten. Daran hat der Betriebsübergang nichts geändert.