Bundesgerichtshof
UWG § 4 Nr. 11; Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken Art. 3 Abs. 8; MBO-Ä 1997 Kap. B § 3 Abs. 2, § 34 Abs. 5
Allein der Wunsch des Patienten, sämtliche Leistungen aus einer Hand zu erhalten, reicht nicht aus, um eine Verweisung an einen bestimmten Optiker sowie eine Abgabe und Anpassung der Brille durch den Augenarzt zu rechtfertigen.
BGH, Urteil vom 9. 7. 2009 – I ZR 13/07 – Brillenversorgung; OLG Celle (lexetius.com/2009,2023)
[1] Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. Mai 2009 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Bergmann und Dr. Kirchhoff für Recht erkannt:
[2] Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 21. Dezember 2006 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als auch die Hilfsanträge abgewiesen worden sind.
[3] Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
[4] Tatbestand: Der Beklagte ist als Augenarzt in L. bei Hannover niedergelassen. Patienten, die nach seinem Untersuchungsbefund eine Brille benötigen, bietet er an, sich in seiner Praxis unter ca. 60 Musterbrillen der D. Optik GbR (nachfolgend: D. Optik), die ein Optikergeschäft in R. bei Düsseldorf betreibt, eine Fassung auszusuchen. Nach Auswahl der Fassung misst der Beklagte oder eine seiner Arzthelferinnen den Abstand zwischen Brillenscharnier und Ohrmuschel. Das Ergebnis dieser Messung teilt der Beklagte zusammen mit der augenärztlichen Verordnung sowie den von ihm ermittelten Werten der Pupillendistanz und des Hornhaut-Scheitel-Abstands der D. Optik mit. Diese wählt die Brillengläser aus, fertigt die Brille an und schickt die Brille entweder direkt an den Patienten oder auf dessen Wunsch an die Praxis des Beklagten, wo der Sitz der Brille kontrolliert und gegebenenfalls korrigiert wird.
[5] Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs.
[6] Sie hält das Verhalten des Beklagten für wettbewerbswidrig, weil es gegen § 34 Abs. 5 und § 3 Abs. 2 der Berufsordnung der Ärztekammer Niedersachsen vom 22. März 2005 (NdsBOÄ) sowie gegen § 1 HandwO verstoße. Die Klägerin hat, soweit dies Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, in erster Instanz beantragt, es dem Beklagten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Patienten im Zusammenhang mit einer von ihm durchgeführten Refraktion den Abschluss eines Liefervertrags über eine Brille der D. Optik GbR zu vermitteln und/oder die Brillenanpassung selbst oder durch eine seiner Arzthelferinnen durchzuführen und die von der D. Optik GbR angefertigte Brille an den Patienten abzugeben.
[7] Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt.
[8] In der Berufungsinstanz hat die Klägerin hilfsweise beantragt, dem ersten Teil des Unterlassungsantrags mit dem Zusatz "ohne hinreichenden Grund" stattzugeben und dem zweiten Teil des Unterlassungsantrags mit der Einschränkung "soweit nicht die Abgabe des Produkts oder die Dienstleistung wegen ihrer Besonderheiten notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie sind".
[9] Das Berufungsgericht hat die Klage – soweit in der Revisionsinstanz von Bedeutung – abgewiesen (OLG Celle WRP 2007, 198 = GRUR-RR 2007, 109).
[10] Dagegen wendet sich die Klägerin mit der vom Senat zugelassenen Revision.
[11] Entscheidungsgründe: I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
[12] Der auf das allgemeine Verbot der Vermittlung von Brillenlieferungen gerichtete Hauptantrag sei nur begründet, wenn es für die Vermittlung keinen hinreichenden Grund i. S. des § 34 Abs. 5 NdsBOÄ geben könne oder wenn die Vermittlung eine gewerbliche Dienstleistung sei, die unter keinen Umständen notwendiger Bestandteil ärztlicher Therapie sei. Beides sei nicht der Fall. Entsprechendes gelte für den zweiten, auf ein Verbot der Brillenanpassung zielenden Hauptantrag, der auch nicht nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i. V. mit § 1 HandwO begründet sei. Die im Zusammenhang mit der Brillenanpassung vom Beklagten durchgeführten Tätigkeiten gehörten nicht nur zum Berufsbild des Augenoptikers, sondern auch zu demjenigen des Augenarztes.
[13] Mit den Hilfsanträgen habe die Klägerin ebenfalls keinen Erfolg. Ein Verstoß des Beklagten gegen § 34 Abs. 5 NdsBOÄ liege nicht vor, weil die vom Beklagten angebotene Versorgungsmöglichkeit gewährleiste, dass mit großer Sicherheit die vom Augenarzt vorgenommene Sehschärfenbestimmung bei der Anfertigung der Brille zugrunde gelegt werde. Darin liege ein hinreichender Grund i. S. des § 34 Abs. 5 NdsBOÄ, da Optiker vielfach von sich aus anböten, die Sehschärfenbestimmung des Augenarztes zu wiederholen und deshalb die Gefahr bestehe, dass sie ein Brillenglas auswählten, das die Fehlsichtigkeit des Patienten nicht optimal behandele. Keines Beweises bedürfe, ob die vom Beklagten vorgelegten Bescheinigungen der Patienten über die Gründe ihrer Entscheidung für den vom Beklagten angebotenen Versorgungsweg (Unzufriedenheit mit dem Optiker, Bequemlichkeit der Versorgung "aus einer Hand", kompetentere Beratung, medizinische Besonderheiten) zuträfen, was die Klägerin bestreite. Dafür, dass dem Beklagten ein sachlicher Grund für die Brillenlieferungen fehle, sei die Klägerin darlegungs- und beweispflichtig.
[14] Auch ein Verstoß gegen § 3 Abs. 2 NdsBOÄ liege nicht vor. Der Beklagte wolle zur besseren Versorgung seiner Patienten, insbesondere wenn bereits Beschwerden bei der Brillenbenutzung aufgetreten seien, eine größere Kontrolle hinsichtlich der Übereinstimmung der Brillengläser mit der Brillenverordnung erreichen. Dies liege im Rahmen der Kompetenz des Beklagten zur umfassenden medizinischen Versorgung der Patienten und sei deshalb notwendiger Bestandteil seiner ärztlichen Therapie.
[15] II. Die Revision hat nur hinsichtlich der Hilfsanträge Erfolg. Insoweit kann ein Unterlassungsanspruch der Klägerin aus § 4 Nr. 11 UWG i. V. mit § 34 Abs. 5, § 3 Abs. 2 NdsBOÄ auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts nicht verneint werden, so dass die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist. Im Übrigen hält das Revisionsurteil revisionsgerichtlicher Nachprüfung stand.
[16] 1. Auf den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch sind die Bestimmungen des am 30. Dezember 2008 in Kraft getretenen Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 22. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2949) anzuwenden, mit dem die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken umgesetzt worden ist. Der im Streitfall auf Wiederholungsgefahr gestützte Unterlassungsanspruch besteht allerdings nur, wenn das beanstandete Verhalten auch schon zum Zeitpunkt seiner Begehung wettbewerbswidrig war (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 20. 1. 2005 – I ZR 96/02, GRUR 2005, 442 = WRP 2005, 474 – Direkt ab Werk; Urt. v. 28. 6. 2007 – I ZR 153/04, GRUR 2008, 186 Tz. 17 = WRP 2008, 220 – Telefonaktion). Das von der Klägerin beanstandete Verhalten des Beklagten fällt in die Zeit nach Inkrafttreten des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3. Juli 2004 (BGBl. I S. 1414). Der Unterlassungsanspruch setzt daher voraus, dass das beanstandete Verhalten auch auf der Grundlage des UWG 2004 wettbewerbswidrig war.
[17] Die für die Entscheidung des Streitfalls maßgeblichen Vorschriften der § 3 Abs. 2, § 34 Abs. 5 NdsBOÄ sind Marktverhaltensregelungen i. S. von § 4 Nr. 11 UWG; diese Bestimmung hat durch die Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken keine Änderung erfahren. Der Anwendung des § 4 Nr. 11 UWG steht nicht entgegen, dass diese Richtlinie, die die vollständige Harmonisierung der verbraucherschützenden Vorschriften der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken bezweckt, keinen vergleichbaren Unlauterkeitstatbestand kennt. Denn sie lässt alle spezifischen Regeln für reglementierte Berufe unberührt (Art. 3 Abs. 8 Richtlinie 2005/29/EG). Dementsprechend ist die Anwendung des § 4 Nr. 11 UWG auf berufsrechtliche Bestimmungen, die – wie die Regelungen in § 3 Abs. 2, § 34 Abs. 5 NdsBOÄ -das Marktverhalten in gemeinschaftsrechtskonformer Weise regeln, auch nach der Richtlinie zulässig (vgl. Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl., § 4 Rdn. 11. 6a).
[18] 2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Abweisung der Klage mit dem ersten Teil des Hauptantrags, mit dem dem Beklagten generell untersagt werden soll, Patienten im Zusammenhang mit einer durchgeführten Refraktion zum Zwecke des Erwerbs einer Brille an D. Optik zu vermitteln.
[19] a) Zutreffend hat das Berufungsgericht diesen Antrag schon deshalb als unbegründet angesehen, weil eine solche Vermittlung – das Gesetz spricht vom Verweisen der Patienten an bestimmte Anbieter – gemäß § 34 Abs. 5 NdsBOÄ nur dann unzulässig ist, wenn für sie kein hinreichender Grund vorliegt (vgl. BGH, Urt. v. 29. 6. 2000 – I ZR 59/98, GRUR 2000, 1080, 1082 = WRP 2000, 1121 – Verkürzter Versorgungsweg). Dass ein solcher Grund bei der Verweisungstätigkeit des Beklagten stets fehlen würde, kann nicht angenommen werden. Wie der Senat bereits für eine Zusammenarbeit zwischen einem Hals-Nasen-Ohren-Arzt und einem Hörgeräteakustiker entschieden hat, kommen als sachlicher Grund für eine Verweisung beispielsweise die Vermeidung von Wegen bei gehbehinderten Patienten oder in der Vergangenheit gemachte schlechte Erfahrungen mit ortsansässigen Hilfsmittellieferanten in Betracht (BGH GRUR 2000, 1080, 1082 – Verkürzter Versorgungsweg).
[20] b) § 3 Abs. 2 NdsBOÄ untersagt dem Arzt unter anderem, im Zusammenhang mit der Ausübung seiner ärztlichen Tätigkeit gewerbliche Dienstleistungen zu erbringen, soweit die Dienstleistung nicht wegen ihrer Besonderheiten notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie ist. Diese Bestimmung kann auf die in Rede stehenden Verweisungen an bestimmte Anbieter, hier an D. Optik, nicht angewendet werden. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass der Beklagte die Verweisung als gewerbliche Dienstleistung erbringt. Es handelt sich dabei auch um keine typischerweise im Rahmen eines Gewerbes ausgeübte Tätigkeit. Die Revision erhebt insoweit zu Recht keine Rüge.
[21] 3. Ebenfalls unbegründet ist der zweite Teil des Hauptantrags, mit dem dem Beklagten generell untersagt werden soll, die Brillenanpassung selbst oder durch eine seiner Arzthelferinnen durchzuführen und die von D. Optik angefertigte Brille an den Patienten abzugeben.
[22] a) § 3 Abs. 2 NdsBOÄ steht der Anpassung und Abgabe einer Brille durch einen Augenarzt im Zusammenhang mit der Behandlung eines Patienten nur entgegen, soweit sie nicht wegen ihrer Besonderheiten notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie sind. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass die Anpassung und Abgabe einer Brille durch den Beklagten unter keinen Umständen ein solcher notwendiger Therapiebestandteil sein können. Das erscheint vielmehr jedenfalls bei Patienten denkbar, bei denen ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Sehbeschwerden und bisheriger Brillenversorgung naheliegt.
[23] b) Der Beklagte verstößt auch nicht gegen § 1 HandwO, wenn er die Brillenanpassung vornimmt. Zwar gehören Tätigkeiten wie die Brillenglasberatung, die Korrektur des Brillensitzes und die Messung des Abstands zwischen Brillenscharnier und Ohrmuschel, die der Beklagte bei der Brillenanpassung ausübt, zum Handwerk des Augenoptikers. Wie das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler angenommen hat, sind sie jedoch ebenso Teil der Tätigkeit eines Augenarztes oder stehen mit dessen Tätigkeit jedenfalls in engem Zusammenhang. Damit scheidet ein Verstoß gegen § 1 HandwO aus (vgl. BGH GRUR 2000, 1080, 1081 – Verkürzter Versorgungsweg). Entgegen der Ansicht der Revision ist Voraussetzung für die Ausübung von Tätigkeiten eines Augenoptikers durch einen Augenarzt nicht, dass diese Leistungen nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) oder dem einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) abrechenbar sind. In der genannten Entscheidung hat der Senat diesem Umstand lediglich eine indizielle Bedeutung für die Bejahung einer ärztlichen Tätigkeit beigemessen.
[24] 4. Die Revision der Klägerin hat jedoch Erfolg, soweit sie sich auf den Hilfsantrag zum ersten Teil des Hauptantrags bezieht. Mit diesem Antrag soll dem Beklagten untersagt werden, Patienten im Zusammenhang mit einer von ihm durchgeführten Refraktion ohne hinreichenden Grund den Abschluss eines Liefervertrags über eine Brille der D. Optik GbR zu vermitteln.
[25] a) Der erste Hilfsantrag genügt trotz der den Wortlaut des § 3 Abs. 2 NdsBOÄ wiederholenden Wörter "ohne hinreichenden Grund" den Bestimmtheitsanforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
[26] Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Verbotsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bliebe (st. Rspr.; vgl. BGHZ 156, 1, 8 f. – Paperboy; BGH, Urt. v. 24. 2. 2005 – I ZR 128/02, GRUR 2005, 304, 305 = WRP 2005, 739 – Fördermittelberatung, jeweils m. w. N.; Urt. v. 16. 11. 2006 – I ZR 191/03, GRUR 2007, 607 Tz. 16 = WRP 2007, 775 – Telefonwerbung für "Individualverträge"). Aus diesem Grund sind insbesondere Unterlassungsanträge, die lediglich den Wortlaut eines Gesetzes wiederholen, grundsätzlich als zu unbestimmt und damit unzulässig anzusehen (vgl. BGH, Urt. v. 24. 11. 1999 – I ZR 189/97, GRUR 2000, 438, 440 = WRP 2000, 389 – Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge; Urt. v. 12. 7. 2001 – I ZR 261/98, GRUR 2002, 77, 78 = WRP 2002, 85 – Rechenzentrum; GRUR 2007, 607 Tz. 16 – Telefonwerbung für "Individualverträge").
[27] Die Klägerin hat sich bemüht, mit ihrem ersten Hilfsantrag auf die konkrete Verletzungsform Bezug zu nehmen (Vermittlung von Patienten an die D. Optik im Zusammenhang mit einer Refraktion). Der Antrag stellt dabei klar, dass das begehrte Verbot nicht gelten soll, wenn "hinreichende Gründe" für die Vermittlung der Brillenlieferung vorliegen. Dabei ist der Begriff "hinreichende Gründe" auslegungsbedürftig. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen sich hinreichende Gründe i. S. des § 34 Abs. 5 NdsBOÄ nicht unmittelbar aus dem Bereich der Medizin ergeben (vgl. BGH GRUR 2000, 1080, 1082 – Verkürzter Versorgungsweg; BGH, Urt. v. 28. 9. 2000 – I ZR 141/98, GRUR 2001, 255, 256 = WRP 2001, 151 – Augenarztanschreiben), sondern können auch mit der Qualität der Versorgung, mit der Vermeidung von Wegen bei gehbehinderten Patienten und mit schlechten Erfahrungen mit anderen Anbietern begründet werden (BGH GRUR 2000, 1080, 1082 – Verkürzter Versorgungsweg). Eine weitere Konkretisierung dessen, was im konkreten Fall hinreichende Gründe sein können, ist im Rahmen eines Unterlassungsantrags nicht möglich und kann von der Klägerin auch nicht verlangt werden.
[28] Zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes ist die verbleibende Auslegungsbedürftigkeit der Antragsformulierung daher hinzunehmen (vgl. BGH, Urt. v. 4. 7. 2002 – I ZR 38/00, GRUR 2002, 1088, 1089 = WRP 2002, 1269 – Zugabenbündel; BGHZ 158, 174, 186 – Direktansprache am Arbeitsplatz I; BGH GRUR 2005, 604, 605 – Fördermittelberatung).
[29] b) Das Berufungsgericht hat bereits darin einen hinreichenden Grund für die Verweisung der Patienten an einen bestimmten Anbieter im Sinne von § 34 Abs. 5 NdsBOÄ gesehen, dass Augenoptiker in vielen Fällen die Sehschärfenbestimmung des Augenarztes wiederholen und im Falle einer Abweichung das nach ihrer Ansicht richtige Brillenglas auswählen, das hinter der für den Patienten aus ärztlicher Sicht optimalen Therapie der Fehlsichtigkeit zurückbleibt. Mit der Verweisung des Patienten an die D. Optik wirke der Beklagte dieser Gefahr entgegen. Damit hat das Berufungsgericht zu geringe Anforderungen an das Merkmal des hinreichenden Grundes im Sinne des § 34 Abs. 5 NdsBOÄ gestellt.
[30] Träfe die Auffassung des Berufungsgerichts zu, wäre es Augenärzten unbeschränkt gestattet, Patienten an bestimmte Optiker zu verweisen. Denn die Gefahr, dass vom Patienten aufgesuchte Augenoptiker die Sehschärfenbestimmung des Augenarztes wiederholen und zu abweichenden Ergebnissen kommen, besteht bei jeder Brillenverordnung. Eine generelle Zulässigkeit der Verweisung an einen bestimmten Optiker ist aber mit § 34 Abs. 5 NdsBOÄ unvereinbar. Diese Bestimmung lässt die Verweisung an einen bestimmten Anbieter nur im Ausnahmefall zu. Im Regelfall soll dagegen die unbeeinflusste Wahlfreiheit des Patienten unter den Anbietern gesundheitlicher Hilfsmittel gewährleistet sein. Es ist – worauf die Revision mit Recht hinweist – nicht ersichtlich, warum der Beklagte die Gefahr der Auswahl eines von der ärztlichen Verordnung abweichenden Brillenglases nicht auf andere Weise – etwa durch einen entsprechenden Hinweis auf der Verordnung – ausschließen kann.
[31] c) Die Abweisung des auf den ersten Teil des Unterlassungsantrags bezogenen Hilfsantrags erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig.
[32] Zwar kann den bislang getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts kein Verstoß gegen § 34 Abs. 5 NdsBOÄ entnommen werden. Die Revision rügt aber mit Erfolg, dass sich die – insofern grundsätzlich darlegungs- und beweispflichtige (vgl. BGH, Urt. v. 15. 11. 2001 – I ZR 275/99, GRUR 2002, 271, 273 = WRP 2002, 211 – Hörgeräteversorgung) – Klägerin auch auf die elf Patientenerklärungen berufen hat, die der Beklagte – im Rahmen der ihn treffenden sekundären Darlegungslast – in den Prozess eingeführt hat. Die Klägerin hat geltend gemacht, dass sich bereits aufgrund dieser Erklärungen ein berufs- und damit wettbewerbswidriges Verhalten des Beklagten ergebe. Dem ist insofern zuzustimmen, als sich den fraglichen Patientenerklärungen keine hinreichenden Gründe für eine Verweisung an einen bestimmten Optiker entnehmen lassen.
[33] Die meisten Patienten geben lediglich Gründe der Bequemlichkeit an, die es für sie als vorteilhaft erscheinen lassen, dass alle Leistungen "aus einer Hand" erbracht werden. Auch dort, wo sich einzelne Patienten auf schlechte Erfahrungen mit einem örtlichen Optiker berufen, wird nicht deutlich, weshalb nicht auf andere örtliche Optiker zurückgegriffen werden konnte. Zu diesem Vorbringen des Beklagten, das sich die Klägerin zumindest hilfsweise zu eigen gemacht hat, hat das Berufungsgericht bislang noch keine Feststellungen getroffen.
[34] 5. Die Klägerin wendet sich auch mit Erfolg gegen die Abweisung ihres auf den zweiten Teil des Hauptantrags bezogenen Hilfsantrags. Damit begehrt sie, es dem Beklagten zu untersagen, die Brillenanpassung selbst oder durch eine seiner Arzthelferinnen durchzuführen und die von der D. Optik GbR angefertigte Brille abzugeben, soweit nicht die Abgabe des Produkts oder die Dienstleistung wegen ihrer Besonderheiten notwendiger Bestandteil ärztlicher Therapie sind.
[35] a) Gegen die Bestimmtheit des zweiten Hilfsantrags bestehen auch insoweit keine Bedenken, als dort der Wortlaut des § 34 Abs. 5 NdsBOÄ wiedergegeben ist. Die Klägerin hat sich auch bei der Fassung des zweiten Hilfsantrags bemüht, die konkrete Verletzungsform zu erfassen (Durchführung der Brillenanpassung und Abgabe einer von der D. Optik angefertigten Brille).
[36] Sie hat deutlich gemacht, welche Dienstleistungen sie beanstandet und gegen die Abgabe welchen Produkts sie sich wendet. Der Antrag stellt ferner klar, dass das begehrte Verbot nicht gelten soll, wenn Abgabe oder Anpassung der Brille wegen Besonderheiten im konkreten Behandlungsfall notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie sind. Dabei bedarf der Begriff "notwendiger Bestandteil ärztlicher Therapie" zwar ebenfalls der Auslegung. Dabei steht aber außer Zweifel, dass andere als medizinische Gründe – etwa die Unzufriedenheit des Patienten mit seinem bisherigen Optiker, die Bequemlichkeit der Versorgung des Patienten oder wirtschaftliche Interessen des Beklagten – nicht zur Rechtfertigung herangezogen werden können. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist weiter geklärt, dass unter Berücksichtigung des Grundrechts der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) grundsätzlich eine enge Auslegung des in § 3 Abs. 2 NdsBOÄ enthaltenen Verbotstatbestands und dementsprechend eine weite Auslegung des Begriffs der Produkte oder Dienstleistungen geboten ist, die notwendiger Bestandteil ärztlicher Therapie sind (BGH, Urt. v. 2. 6. 2005 – I ZR 215/02, GRUR 2005, 875 = WRP 2005, 1240 – Diabetesteststreifen; Urt. v. 29. 5. 2008 – I ZR 75/05, GRUR 2008, 816 = WRP 2008, 1178 Tz. 19 – Ernährungsberatung). Eine weitere Konkretisierung dessen, was im konkreten Fall notwendiger Bestandteil ärztlicher Therapie sein kann, ist der Klägerin nicht möglich. Zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes ist die verbleibende Auslegungsbedürftigkeit der Antragsformulierung daher hinzunehmen (vgl. BGH, Urt. v. 4. 7. 2002 – I ZR 38/00, GRUR 2002, 1088, 1089 = WRP 2002, 1269 – Zugabenbündel; BGHZ 158, 174, 186 – Direktansprache am Arbeitsplatz I; BGH GRUR 2005, 604, 605 – Fördermittelberatung).
[37] b) Mit Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Beklagte mit der Abgabe und Anpassung der von D. Optik an ihn geschickten Brillen eine Tätigkeit nach § 3 Abs. 2 NdsBOÄ ausübt, die nur zulässsig ist, wenn sie notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie ist. Dies gilt nicht nur für die Abgabe, sondern auch für die Anpassung der Brille. Hierbei handelt es sich um eine typische Leistung des Optikerhandwerks, die unabhängig davon eine gewerbliche Dienstleistung darstellt, ob der Beklagte hierfür vom Optiker eine Vergütung erhält oder nicht.
[38] c) Aufgrund der bislang getroffenen Feststellungen kann nicht angenommen werden, dass der Beklagte nur dann Brillen abgegeben und angepasst hat, wenn diese Maßnahme als notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie angesehen werden konnte.
[39] aa) Im Gegensatz zur Bestimmung des § 34 Abs. 5 NdsBOÄ, die eine Verweisung an einen bestimmten Anbieter gesundheitlicher Leistungen auch aus Gründen gestattet, die nicht unmittelbar auf medizinischem Gebiet liegen (vgl. BGH GRUR 2001, 255, 256 – Augenarztanschreiben), lässt § 3 Abs. 2 NdsBOÄ die Abgabe von Produkten und die Erbringung gewerblicher Dienstleistungen nur aus medizinischen Gründen zu (vgl. BGH GRUR 2005, 875, 876 – Diabetesteststreifen, zur dort anwendbaren landesrechtlichen Bestimmung gleichen Inhalts).
[40] bb) Trotz der gebotenen weiten Auslegung der medizinischen Gründe gehören die Brillenanpassung und die Abgabe der Brille durch den Beklagten regelmäßig nicht ohne weiteres zu den notwendigen Bestandteilen ärztlicher Therapie. Soweit der Senat die Mitwirkung von HNO-Ärzten bei der Versorgung von Patienten mit Hörgeräten für medizinisch notwendig gehalten hat (BGH GRUR 2000, 1080, 1081 – Verkürzter Versorgungsweg; GRUR 2002, 271, 272 – Hörgeräteversorgung; GRUR 2005, 875, 876 – Diabetesteststreifen), lässt sich dies nicht auf den Streitfall übertragen. Denn der HNO-Arzt ist dort in den Prozess der Abgabe und Anpassung der Hörhilfe ohnehin eingebunden. Auch wenn der Patient das Hörgerät von einem örtlichen Hörgeräteakustiker erhalten hat, muss der HNO-Arzt erneut aufgesucht werden und gegenüber der Krankenkasse die ordnungsgemäße Versorgung bestätigen (BGH GRUR 2000, 1080, 1082 – Verkürzter Versorgungsweg).
[41] cc) Das Berufungsgericht hat einen Verstoß gegen § 3 Abs. 2 NdsBOÄ verneint, weil das beanstandete Verhalten notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie gewesen sei. Der Beklagte habe auf diese Weise verhindern wollen, dass ein Optiker die in der ärztlichen Verordnung angegebenen Werte nach erneuter, von ihm selbst durchgeführter Bestimmung der subjektiven Refraktion verändere und an den Patienten eine Brille mit einer anderen als der verschriebenen Stärke abgebe. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lässt sich mit dieser Begründung keine Ausnahme vom Verbot des § 3 Abs. 2 NdsBOÄ rechtfertigen.
[42] Die Vermeidung erneuter Sehschärfenmessungen durch Optiker stellt – wie dargelegt – keinen hinreichenden Grund für eine Verweisung gemäß § 34 Abs. 5 NdsBOÄ dar. Die entsprechende Maßnahme kann erst recht nicht als notwendiger Bestandteil ärztlicher Therapie betrachtet werden. Auch wenn dem Arzt bei der medizinischen Behandlung ein erhebliches therapeutisches Ermessen zusteht, erfordert die nach § 3 Abs. 2 NdsBOÄ gebotene Trennung merkantiler Gesichtspunkte vom Heilauftrag des Arztes eine Auslegung des Begriffs der Notwendigkeit, die das Verbot des § 3 Abs. 2 NdsBOÄ nicht leerlaufen lässt. Dementsprechend ist die medizinische Notwendigkeit der Abgabe eines Produkts oder der Erbringung einer gewerblichen Dienstleistung durch den Arzt jedenfalls dann, wenn sie im Ergebnis entgegen dem Zweck des § 3 Abs. 2 NdsBOÄ zu einer unbeschränkten Zulässigkeit der Zusammenarbeit zwischen dem Arzt und einem bestimmten Anbieter von Hilfsmitteln führen würde, nur dann zu bejahen, wenn das aus medizinischen Gründen verfolgte Ziel nicht auf andere zumutbare Weise erreicht werden kann. Wie bereits dargelegt, kommt in Betracht, eine eigene Sehschärfenbestimmung durch den Optiker mit einem entsprechenden Vermerk auf der Brillenverordnung ausdrücklich auszuschließen. Die stets bestehende Möglichkeit der Refraktion durch den Optiker kann deshalb die Notwendigkeit der Brillenanpassung und -abgabe durch den Beklagten gemäß § 3 Abs. 2 NdsBOÄ nicht begründen.
[43] dd) Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen lassen auch sonst keine Umstände erkennen, die im Streitfall eine Ausnahme vom Verbot des § 3 Abs. 2 NdsBOÄ rechtfertigen könnten. Auch insofern verweist die Revision mit Erfolg auf die vom Beklagten vorgelegten elf Patientenbescheinigungen, denen nicht entnommen werden kann, dass die Abgabe sowie die Anpassung der Brillen durch den Beklagten notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie waren. Der Umstand, dass es einzelne Patienten aus Bequemlichkeitsgründen vorziehen, alle Leistungen aus einer Hand zu erhalten, machen Anpassung und Abgabe der Brille noch nicht zum Bestandteil der ärztlichen Therapie.
[44] 6. Eine abschließende Sachentscheidung ist dem Senat verwehrt. Das Berufungsgericht hat es bislang bei der Prüfung der berufsrechtlichen Bestimmungen (§ 31 Abs. 5 und § 3 Abs. 2 NdsBOÄ) für ausreichend erachtet, dass der Beklagte einer Versorgung seiner Patienten mit Brillengläsern entgegenwirken wollte, die von der ärztlichen Verordnung abweichen. Aus seiner Sicht folgerichtig hat es zu dem Vorbringen des Beklagten, insbesondere zu den Patientenbescheinigungen, deren Inhalt sich die Klägerin jedenfalls hilfsweise zu eigen gemacht hat, noch keine Feststellungen getroffen. Dies wird nachzuholen sein.