Bundesgerichtshof
UrhG § 31 Abs. 4, § 89 Abs. 1
1. Die Bekanntheit einer Nutzungsart (hier: Videozweitauswertung von Kinospielfilmen) i. S. d. § 31 Abs. 4 UrhG erfordert, daß die Nutzungsart nicht nur mit ihren technischen Möglichkeiten bekannt ist, sondern auch als wirtschaftlich bedeutsam und verwertbar. Der Zeitpunkt der Bekanntheit kann auch schon vor dem Zeitpunkt liegen, in dem die neue Verwertungsform tatsächlich einen wirtschaftlichen bedeutsamen Umfang erreicht hat.
2. Risikogeschäfte über eine technisch zwar bekannte, aber wirtschaftlich zunächst noch bedeutungslose Nutzungsart sind zulässig, sofern die neue Nutzungsart konkret benannt, ausdrücklich vereinbart und von den Vertragspartnern auch erörtert und damit erkennbar zum Gegenstand von Leistung und Gegenleistung gemacht wird. § 31 Abs. 4 UrhG greift in diesen Fällen nicht ein.

BGH, Urteil vom 26. 1. 1995 – I ZR 63/93 – Videozweitauswertung III; OLG München (lexetius.com/1995,466)

[1] Auf die Revision des Klägers und die Anschlußrevision der Beklagten wird das Urteil des 29. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 10. Dezember 1992 aufgehoben.
[2] Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
[3] Tatbestand: Der Kläger ist Drehbuchautor und Regisseur. Die Beklagte vertreibt Videokassetten. Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte zur Videozweitauswertung von (Kino-) Spielfilmen berechtigt ist, an denen der Kläger als Regisseur und – zumindest teilweise – auch als Co-Autor des Drehbuchs mitgewirkt hat.
[4] Es handelt sich um folgende Spielfilme, die – mit Ausnahme des Films zu 1, der aus dem Jahre 1969 stammt – in den Jahren zwischen 1972 und 1975 hergestellt wurden: 1. Abarten der körperlichen Liebe, 2. Laß jucken Kumpel (1. Teil), 3. Laß jucken Kumpel (2. Teil), 4. Liebesgrüße aus der Lederhose (1. Teil), 5. Die Stoßburg, 6. Liebesgrüße aus der Lederhose (2. Teil), 7. Laß jucken Kumpel (3. Teil), 8. Laß jucken Kumpel (4. Teil), 9. Champagner aus dem Knobelbecher.
[5] Hinsichtlich der Filme Nr. 2 und 3 ist streitig, ob der Kläger neben seiner Regietätigkeit auch als Co-Autor mitgewirkt hat.
[6] Der Kläger sieht in der Videozweitauswertung der Filme eine Verletzung seines urheberrechtlichen Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechts als Mitautor des Drehbuchs und Regisseur und hat gegen die Beklagte Klage auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzverpflichtung erhoben.
[7] Der Kläger hat vorgebracht, die Videozweitauswertung von Kinofilmen sei bis 1975 eine noch nicht bekannte Nutzungsart im Sinne des § 31 Abs. 4 UrhG gewesen. Der Filmproduzent habe daher weder vertraglich noch aufgrund der §§ 43, 89 Abs. 1 UrhG Rechte zur Videoauswertung von ihm – dem Kläger – erwerben können, so daß die Beklagte von diesem keine Rechte ableiten könne.
[8] Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat bestritten, daß der Kläger hinsichtlich der Filme Nr. 2 und 3 Mitautor der Drehbücher gewesen sei. Im übrigen hat sie die Ansicht vertreten, die Verwertung von Spielfilmen auf Videokassetten sei in Fachkreisen spätestens seit Ende der 60-er Jahre bekannt gewesen. Dementsprechend werde auch in den vorgelegten Drehbuchverträgen im Rahmen der Allgemeinen Bedingungen auf die Möglichkeit der audiovisuellen Verwertung hingewiesen. Die Weiterübertragung der Rechte an sie sei daher wirksam.
[9] Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich der Filme Nr. 1 und 4 stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen. Die Verurteilung hinsichtlich des Films Nr. 1 ist rechtskräftig geworden.
[10] Auf die Berufung des Klägers ist die Beklagte auch hinsichtlich der Filme Nr. 2 und 3 verurteilt worden; im übrigen ist die Berufung erfolglos geblieben (Filme Nr. 5 bis 9). Die auf den Film Nr. 4 beschränkte Anschlußberufung der Beklagten hat insoweit zur Klageabweisung geführt (OLG München GRUR 1994, 115 ff. – Audiovisuelle Verfahren).
[11] Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge hinsichtlich der Filme Nr. 4 bis 9 weiter. Mit ihrer Anschlußrevision begehrt die Beklagte die Abweisung der Klage auch hinsichtlich der Filme Nr. 2 und 3. Die Parteien haben wechselseitig beantragt, die Rechtsmittel zurückzuweisen.
[12] Entscheidungsgründe: I. Das Berufungsgericht hat die Urheberstellung und damit die Aktivlegitimation des Klägers bejaht. Er habe sowohl als Mitarbeiter an den Drehbüchern als auch als Regisseur entscheidenden Einfluß auf die schöpferische Gestaltung der Filme genommen.
[13] Hinsichtlich der Filme Nr. 2 und 3 hat das Berufungsgericht die Klage auf die Berufung des Klägers für begründet erachtet und dazu ausgeführt: Es sei davon auszugehen, daß die Rechte an der Videozweitauswertung beider Filme beim Kläger verblieben seien. Eine vertragliche Rechtsübertragung lasse sich nicht feststellen. Drehbuchverträge seien insoweit nicht vorgelegt und wohl auch nicht abgeschlossen worden. Den beiden vorgelegten Regieverträgen (Anl. B 15 und B 17) lasse sich eine Rechtsübertragung nicht entnehmen. Eine solche folge auch nicht aus der Auslegungsregel des § 89 Abs. 1 UrhG. Denn die Videozweitauswertung sei zum Zeitpunkt der Herstellung der beiden Spielfilme im Jahre 1972 noch keine bekannte Nutzungsart gewesen; zwar sei die technische Möglichkeit der Videoauswertung bekannt gewesen, sie sei aber noch nicht als wirtschaftlich bedeutsam und verwertbar erkannt worden. Auch aus § 43 UrhG lasse sich eine Rechtsübertragung nicht herleiten.
[14] Hinsichtlich der Filme Nr. 5 bis 9 hat das Berufungsgericht der Berufung des Klägers den Erfolg versagt und dazu ausgeführt: Die Rechte an diesen fünf Filmen seien wirksam übertragen worden. Die vorgelegten Drehbuchverträge (Anl. B 8 bis B 12) enthielten in ihren Allgemeinen Bedingungen die Klausel, daß die Rechte auch an Nutzungsarten, die "im Wege audiovisueller Verfahren" geschaffen werden, übertragen werden. Damit sei auch die Videozweitauswertung gemeint, denn es werde auch die Nutzung in Kassettenform, und zwar auch für den privaten Bereich ausdrücklich erwähnt. Die Regelung des § 31 Abs. 4 UrhG stehe der vereinbarten Rechtsübertragung nicht entgegen. Die technische Möglichkeit der Nutzung durch Videozweitauswertung sei im Jahre 1972 bereits bekannt gewesen. Der Umstand, daß diese Nutzungsart damals wirtschaftlich noch bedeutungslos gewesen sei, stehe der Wirksamkeit der getroffenen Vereinbarung nicht entgegen. Insoweit hätten die Parteien ein Risikogeschäft abgeschlossen, bei dem für den Urheber nicht hinnehmbare Nachteile über § 36 UrhG ausgeglichen werden könnten.
[15] Hinsichtlich des Films Nr. 4 gelangt das Berufungsgericht auf die Anschlußberufung der Beklagten zu dem Ergebnis, daß die Klage unbegründet sei. Aus dem Drehbuchvertrag (Anl. B 7) ergebe sich, daß der Kläger seine Nutzungsrechte auch für diesen Film übertragen habe.
[16] II. Die Revision des Klägers hat Erfolg. Sie führt hinsichtlich der Filme Nr. 4 bis 9 zur Aufhebung und Zurückverweisung.
[17] 1. Ohne Rechtsverstoß hat das Berufungsgericht die Aktivlegitimation des Klägers bejaht. Es hat dazu festgestellt, daß der Kläger als Mitautor an den Drehbüchern und als Regisseur entscheidenden Einfluß auf die schöpferische Gestaltung der Filme genommen habe. Da dies von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen worden ist, bedurfte es keiner näheren Begründung, um den Kläger als Miturheber an den Drehbüchern und als Urheber der Filme anzusehen (vgl. BGH, Urt. v. 11. 10. 1990 – I ZR 59/89, GRUR 1991, 133, 134 f. – Videozweitauswertung I).
[18] Soweit der Kläger nur Miturheber ist, hat das Berufungsgericht berücksichtigt, daß er nach § 8 Abs. 2 Satz 3 UrhG zwar Ansprüche aus Verletzungen des gemeinsamen Urheberrechts geltend machen, grundsätzlich aber – den Unterlassungsanspruch ausgenommen – nur Leistung an alle Miturheber verlangen kann, woran es hier fehlt. Zu Recht hat das Berufungsgericht aber darauf hingewiesen, daß der Kläger seine Ansprüche auch auf seine Rechte als Filmregisseur stützt, die ihm allein zustünden und die alle geltend gemachten Ansprüche umfaßten. Allerdings könnte es hinsichtlich der Schadensersatzansprüche von Bedeutung sein, ob der Schaden aus einer Verletzung seiner Rechte am Drehbuch (§ 23 UrhG) oder seines Rechts am Filmwerk (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG) hergeleitet wird. Da die Revision dies nicht aufgreift, ist für die Prüfung in der Revisionsinstanz davon auszugehen, daß der Kläger jedenfalls seine Ansprüche auf Auskunftserteilung, Rechnungslegung und der Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz auch allein mit der Verletzung seiner ihm als Filmregisseur zustehenden Rechte begründen will.
[19] 2. Leitet aber das Berufungsgericht die Aktivlegitimation des Klägers hinsichtlich dieser Ansprüche ausschließlich aus der Verletzung seiner Rechte als Filmurheber her, so hätte es die Verletzung dieser Rechte folgerichtig auch bei der Begründetheit der Ansprüche prüfen müssen. Die Revision rügt daher zu Recht, das Berufungsgericht habe sich nur mit der Rechtseinräumung hinsichtlich der Filmdrehbücher und nicht auch der Regieleistung befaßt.
[20] a) Es kommt daher zunächst darauf an, ob der Kläger die Rechte zur Videozweitauswertung in seiner Eigenschaft als Filmregisseur aufgrund der mit den Filmherstellern abgeschlossenen Regieverträge eingeräumt hat, so daß die Beklagte diese Rechte im Wege der Weiterübertragung wirksam erwerben konnte. Diese vom Berufungsgericht hinsichtlich der hier in Rede stehenden Filme Nr. 4 bis 9 ungeprüft gelassene Frage bedarf weiterer tatrichterlicher Aufklärung.
[21] Aus den Akten läßt sich für das Revisionsgericht nicht hinreichend entnehmen, ob der Kläger die streitgegenständlichen Rechte in seiner Eigenschaft als Filmregisseur übertragen hat. Es sind ohnehin nur die Regieverträge für vier Filme vorgelegt worden: Film Nr. 4 vom 30. Juni 1972 (Anl. B 16), Nr. 5 vom 22. Februar 1973 (Anl. B 18), Nr. 8 vom 10. Juni 1974 (Anl. B 19) und Nr. 9 vom 20. Juli 1975 (Anl. B 20). Diese Formularverträge enthalten selbst keine ausdrückliche Regelung hinsichtlich der Videozweitauswertung. Der Regievertrag vom 30. Juni 1972 (Anl. B 16) verweist unter Nr. 15 ergänzend auf den Tarifvertrag für Filmschaffende vom 19. Dezember 1959 und die Allgemeinen Anstellungsbedingungen; weder der Tarifvertrag noch die Bedingungen befinden sich jedoch bei den Akten. Die drei weiteren Regieverträge (Anl. B 18 bis B 20) verweisen unter Nr. 16 jeweils übereinstimmend auf den Tarifvertrag für Filmschaffende vom 1. März 1968. Dieser als Anlage B 21 auszugsweise vorgelegte Tarifvertrag sieht in § 3 Nr. 1 eine umfassende Rechtsübertragung auf den Filmhersteller vor, die die "Verwertung durch andere zur Zeit bekannte Verfahren, gleichgültig, ob sie bereits in Benutzung sind oder in Zukunft genutzt werden" einschließt. Das Berufungsgericht hat in anderem Zusammenhang (BU 18 unten) offengelassen, ob aus dieser Klausel die Übertragung der Nutzungsrechte für die Videozweitauswertung abgeleitet werden kann.
[22] Das Berufungsgericht wird dazu in dem wiedereröffneten Berufungsrechtszug, in dem die Parteien Gelegenheit haben, ergänzend vorzutragen und Unterlagen vorzulegen, weitere Feststellungen zu treffen haben. Es wird bei der Prüfung der Regieverträge von den bisherigen Grundsätzen der Senatsrechtsprechung auszugehen haben, die das Berufungsgericht seinen Erörterungen im übrigen bereits zugrunde gelegt hat und die nachfolgend zusammengefaßt und ergänzt werden.
[23] Nach der Rechtsprechung des Senats kommt es für die Beurteilung der Klausel des genannten Tarifvertrags auf die Bekanntheit der in Rede stehenden Nutzungsart im Sinne des § 31 Abs. 4 UrhG an (vgl. BGH GRUR 1991, 133, 135 – Videozweitauswertung I). Maßgebend ist grundsätzlich, daß die Nutzungsart nicht nur mit ihren technischen Möglichkeiten, sondern auch als wirtschaftlich bedeutsam und verwertbar bekannt ist (vgl. BGHZ 95, 274, 284 – GEMA-Vermutung I; BGH, Urt. v. 15. 10. 1987 – I ZR 96/85, GRUR 1988, 296, 298 – GEMA- Vermutung IV; BGH GRUR 1991, 133, 136 – Videozweitauswertung I). Der Zeitpunkt der Bekanntheit ist dabei nicht – wie der Kläger gemeint hat – grundsätzlich mit dem Zeitpunkt gleichzusetzen, in dem die Auswertung tatsächlich einen wirtschaftlich bedeutsamen Umfang erreicht hat. Vielmehr kann eine neue Nutzungsart schon vorher bekannt sein. Für die Videozweitauswertung bedeutet dies, daß sie nicht erst mit dem ab 1977 einsetzenden und die Annahme einer wirtschaftlich selbständigen Verwertungsform rechtfertigenden Massengeschäft als bekannt anzusehen ist. Nach den im Verfahren "Videozweitauswertung I" (BGH aaO S. 136) getroffenen Feststellungen zeichnete sich die Entwicklung schon früher ab; erste Prognosen wurden ab 1971 gestellt. Dementsprechend schwanken die Angaben im Schrifttum zwischen 1970 und 1978 (vgl. Fromm/Nordemann/Hertin, UrhG, 8. Aufl., §§ 31/32 Rdn. 15; Schricker, UrhG, §§ 31/32 Rdn. 30; Poll, ZUM 1985, 248; Scheuermann, Urheber- und vertragsrechtliche Probleme der Videoauswertung von Filmen, 1990, S. 92 f.).
[24] Von dem Grundsatz, daß die Nutzungsart nicht nur mit ihren technischen Möglichkeiten, sondern auch als wirtschaftlich bedeutsam und verwertbar bekannt sein muß, ist in all den Fällen auszugehen, in denen die Rechtsübertragung durch eine allgemeine Formulierung – wie hier in § 3 Nr. 1 des in Rede stehenden Tarifvertrages – vertraglich oder – wie bei der Auslegungsregel des § 89 Abs. 1 UrhG – gesetzlich "auf alle bekannten Nutzungsarten" erstreckt wird. Dies entspricht dem Schutzzweck der Bestimmung des § 31 Abs. 4 UrhG, nach dem in jedem Fall dem Urheber die Entscheidung darüber vorbehalten bleiben soll, "ob und gegen welches Entgelt er mit der Nutzung seines Werkes auch für die neu erfundene Art einverstanden ist" (Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. IV/270, S. 56; BGHZ 95, 274, 282 f. – GEMA-Vermutung I; BGH GRUR 1991, 133, 136 – Videozweitauswertung I). Dieser Schutzzweck steht allerdings – wie das Berufungsgericht im Zusammenhang mit der Rechtseinräumung hinsichtlich der Filmdrehbücher zu Recht ausgeführt hat (BU 17 unten) – der Zulässigkeit von Risikogeschäften im Vorfeld einer sich erst abzeichnenden Entwicklung zu einer wirtschaftlich eigenständigen Verwertungsform nicht entgegen, so daß § 31 Abs. 4 UrhG in derartigen Fällen nicht eingreift (im Ergebnis ebenso v. Gamm, UrhG, § 31 Rdn. 15; E. Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, 3. Aufl., S. 364). Dementsprechend hat der Senat schon in seiner bisherigen – vom Berufungsgericht insoweit angeführten – Rechtsprechung angenommen, daß die Parteien zwar über eine bekannte, aber wirtschaftlich zunächst noch bedeutungslose Nutzungsform in zulässiger Weise ausdrückliche Vereinbarungen treffen können (BGH GRUR 1991, 133, 136 – Videozweitauswertung I). Denn es muß möglich sein, Verträge zu schließen, aufgrund deren mit dem Einsatz der neuen Techniken begonnen werden kann. Ergibt sich später ein grobes Mißverhältnis zwischen der vereinbarten Vergütung und den tatsächlichen Erträgnissen aus der Nutzung des Werkes, so kann grundsätzlich gemäß § 36 UrhG eine Änderung des Vertrages verlangt werden, die eine angemessene Beteiligung des Urhebers gewährleistet (so E. Ulmer aaO S. 364; vgl. auch v. Gamm aaO § 31 Rdn. 15); allerdings wird der Beteiligungsanspruch beim Filmurheber selbst durch die – wenn auch abdingbare – Regelung des § 90 Satz 2 UrhG zwar ausgeschlossen, aber auch hier verbleibt es jedenfalls bei den aus § 242 BGB hergeleiteten allgemeinen Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (vgl. Schricker/Katzenberger aaO § 90 Rdn. 15; Fromm/Nordemann/Hertin aaO § 90 Rdn. 7). Die Wirksamkeit derartiger Risikoverträge – mögen sie als Individual- oder als Formularverträge geschlossen sein – erfordert allerdings, daß die neue, wirtschaftlich noch bedeutungslose Nutzungsart konkret benannt, ausdrücklich vereinbart und von den Vertragspartnern auch erörtert und damit erkennbar zum Gegenstand von Leistung und Gegenleistung gemacht wird. Denn nur unter diesen Voraussetzungen werden die vom Schutzzweck des § 31 Abs. 4 UrhG erfaßten Interessen des Urhebers hinreichend gewahrt.
[25] b) Nach den vorangegangenen Erörterungen würde es auch bei einer Anwendung der Auslegungsregel des § 89 Abs. 1 UrhG darauf ankommen, ab wann die technische Möglichkeit der Nutzung durch Videoauswertung als wirtschaftlich bedeutsam und verwertbar erkannt worden ist. Insoweit verweist die Revision auf die unter Beweis gestellten Ausführungen des Klägers, wonach die Videozweitauswertung zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitgegenständlichen Verträge – also jedenfalls bis 1975 – noch keine bekannte Nutzungsart im Sinne des § 31 Abs. 4 und des § 89 Abs. 1 UrhG gewesen sei. Das Berufungsgericht hat eine fehlende Bekanntheit bisher nur für das Jahr 1972 festgestellt (BU 13). Auch diese Feststellung wird allerdings von der Anschlußrevision als verfahrensfehlerhaft gerügt (vgl. nachfolgend unter III.).
[26] c) Führt die weitere Prüfung zu dem Ergebnis, daß hinsichtlich der Filmurheberrechte bei keinem der genannten Filme eine Rechtsübertragung festgestellt werden kann, so erweist sich die Klage bereits deshalb in vollem Umfang als begründet, ohne daß es noch auf die Rechtseinräumung hinsichtlich der Drehbuchrechte ankommt (vgl. oben unter II. 2.). Anderenfalls würde eine Verletzung der Miturheberrechte des Klägers am Drehbuch nur hinsichtlich der Unterlassungsansprüche in Betracht kommen, da er insoweit den Beschränkungen des § 8 Abs. 2 Satz 3 UrhG nicht unterliegen würde (vgl. v. Gamm aaO § 8 Rdn. 14).
[27] 3. Die Revision hat auch Erfolg, soweit sie sich gegen die Annahme des Berufungsgerichts wendet, aus den Allgemeinen Bedingungen der vorgelegten Drehbuchverträge ergebe sich die Einräumung der Rechte zur Videozweitauswertung der Filme Nr. 4 bis 9.
[28] a) Allerdings ist die Auslegung des Berufungsgerichts, die hier in Betracht kommende Klausel unter II. 5. der Allgemeinen Bedingungen, in der die Nutzung "im Wege audiovisueller Verfahren" genannt werde, erfasse auch die Videozweitauswertung, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Revision meint, zum Zeitpunkt der Vertragsabschlüsse (1972 bis 1974) sei zwar "Video" als Technik, nicht aber als Nutzungsart bekannt gewesen; audiovisuelle Nutzung könne deshalb nicht mit Videozweitauswertung von Kinospielfilmen gleichgesetzt werden. Damit kann sie revisionsrechtlich keinen Erfolg haben. Die Feststellung der technischen Nutzungsmöglichkeit der Videozweitauswertung von Kinospielfilmen durch das Berufungsgericht liegt auf tatrichterlichem Gebiet; sie läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Das Berufungsgericht stützt sich auf die Gutachten Prof. Dr. H. und Prof. Dr. R. und führt ergänzend an, die Möglichkeit der Videozweitauswertung sei unstreitig bereits auf der Mitgliederversammlung der GEMA am 27./28. Juni 1972 erörtert und anschließend in deren Berechtigungsverträge übernommen worden. Aus diesen Umständen konnte das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei schließen, daß bei der in Rede stehenden Klausel erkennbar auch diese Nutzungsmöglichkeit gemeint ist, zumal darin auch die Nutzung in Kassettenform, und zwar auch für den privaten Bereich, angesprochen wird.
[29] b) Die Revision rügt weiter, eine so weitgehende Rechtsübertragung könne jedenfalls nicht wirksam in Allgemeinen Geschäftsbedingungen getroffen werden. Sie bringt vor, es handele sich zumindest um eine Überraschungsklausel; dieser Gesichtspunkt sei auch für die Zeit vor dem Inkrafttreten des AGBG mit der dortigen Regelung des § 3 gemäß § 242 BGB zu berücksichtigen. Dieser Einwand begegnet Bedenken. Von einer Überraschungsklausel kann nur dann gesprochen werden, wenn die Klausel nach den Umständen so ungewöhnlich ist, daß der Vertragspartner mit ihr keinesfalls zu rechnen brauchte, wenn ihr also ein Überrumpelungs- oder Überraschungseffekt innewohnt (BGHZ 84, 109, 112 f.). Ob davon für den hier maßgebenden Zeitraum angesichts der vorstehend unter II. 2. a wiedergegebenen Feststellungen ausgegangen werden kann, erscheint zweifelhaft, zumal in der Branche bekannt ist, daß Filmhersteller wegen ihres wirtschaftlichen Risikos auf einer möglichst weitreichenden Rechtseinräumung bestehen und sich deshalb alle denkbaren Filmverwertungen übertragen lassen (vgl. v. Hartlieb, Hdb. des Film-, Fernseh- und Videorechts, 3. Aufl., Kap. 100 Rdn. 11 ff. und Kap. 101 Rdn. 13 ff.).
[30] Darauf kommt es aber bei der Fallgestaltung, von der das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang ausgeht (BU 17), nämlich daß eine zwar technisch schon bekannte, aber wirtschaftlich zunächst noch bedeutungslose Nutzungsart vorliegt, im Streitfall letztlich nicht an. Denn die Wirksamkeit einer Vereinbarung über eine solche Nutzungsform erfordert als Risikogeschäft angesichts des Schutzzwecks des § 31 Abs. 4 UrhG nicht nur eine konkrete Benennung der neuen Nutzungsart, sondern eine ausdrückliche, von den Vertragspartnern auch erörterte und damit erkennbar zum Gegenstand von Leistung und Gegenleistung gemachte Vereinbarung (vgl. oben unter II. 2. a). Dazu bedarf es weiterer tatrichterlicher Feststellungen, soweit es auf die Frage einer Verletzung der Drehbuchrechte ankommen sollte.
[31] III. Auch die Anschlußrevision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt hinsichtlich der Filme Nr. 2 und 3 zur Aufhebung und Zurückverweisung.
[32] 1. Das Berufungsgericht hat von der Anschlußrevision unbeanstandet festgestellt, daß sich aufgrund der für die Filme Nr. 2 und 3 vorgelegten Regieverträge vom 21. Februar 1972 (Anl. B 15) und 5. Juni 1972 (Anl. B 17) keine ausdrückliche Einräumung der Videozweitauswertungsrechte feststellen lasse. Beide Verträge verwiesen in Ziff. 15 auf den Tarifvertrag für Filmschaffende vom 19. Dezember 1959, der nicht vorgelegt worden sei.
[33] 2. Die weitere Annahme des Berufungsgerichts (BU 13), eine Einräumung der Videozweitauswertungsrechte lasse sich auch bei Anwendung der Auslegungsregel des § 89 Abs. 1 UrhG nicht feststellen, hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung aber nicht stand. Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, daß es für die Frage der Bekanntheit im Sinne des § 89 Abs. 1 UrhG nicht nur auf die technische Nutzungsmöglichkeit ankommt, sondern auch darauf, daß die Nutzungsart als wirtschaftlich bedeutsam und verwertbar erkannt worden ist (vgl. oben unter II. 2. a und b). Die Anschlußrevision rügt jedoch – wie auch die Revision des Klägers (vgl. oben unter II. 2. b) – zu Recht, das Berufungsgericht habe nicht hinreichend festgestellt, ab wann die Videozweitauswertung als wirtschaftlich eigenständige Verwertungsform anzusehen sei. Die Feststellung des Berufungsgerichts (BU 13), die wirtschaftliche Bedeutung dieser Zweitverwertung sei zum Zeitpunkt des Abschlusses der beiden hier maßgebenden Verträge im Jahre 1972 noch nicht erkannt worden, ist, da nicht näher begründet, revisionsrechtlich nicht nachprüfbar. Die Beklagte hat verschiedene Umstände vorgetragen, aus denen sich ergebe, daß die Fachkreise die Videozweitauswertung als Nutzungsart schon vor Beginn des Jahres 1972 gekannt und sich darauf eingerichtet hätten, und zwar nicht nur als eine technische Möglichkeit, sondern als eine wirtschaftlich bedeutende – wenn auch noch nicht als Massengeschäft in Erscheinung getretene – zusätzliche Verwertungschance. Sie hat dazu u. a. darauf verwiesen, daß die Nutzungsmöglichkeit bereits auf der Mitgliederversammlung der GEMA im Jahre 1972 erörtert und anschließend in deren Berechtigungsverträge übernommen worden sei. Weiter hat sie vorgetragen, mit dem Kläger sei darüber gesprochen worden, daß die Videozweitauswertung der Filme für den Produzenten von entscheidender Bedeutung sei. Gegebenenfalls wird das Berufungsgericht aber auch dem Vorbringen des Klägers, eine hinreichende Bekanntheit sei jedenfalls nicht vor 1976 anzunehmen, weiter nachzugehen haben (vgl. oben unter II. 2. b).
[34] IV. Das Berufungsurteil war danach auf die Revision des Klägers und die Anschlußrevision der Beklagten insgesamt in vollem Umfang aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.