Bundesverwaltungsgericht
Berufsständisches Versorgungsrecht
Beitragsminderung; Ehe; Familie; gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft; Gleichheitssatz; Hinterbliebenenversorgung; Lebensgemeinschaft; Unterhaltspflicht
GG Art. 3 Abs. 1
1. Ist nach der Satzung eines berufsständischen Versorgungswerks den Angehörigen eines Mitglieds nach dessen Tode eine Hinterbliebenenrente zu gewähren, so folgt aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht, daß ein entsprechender Anspruch auch dem Partner einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft zusteht.
2. Bundesrecht gebietet es grundsätzlich nicht, die Beiträge zur berufsständischen Versorgung zu ermäßigen, wenn Ansprüche auf Hinterbliebenenversorgung etwa deswegen voraussichtlich nicht entstehen werden, weil das Mitglied des Versorgungswerks in gleichgeschlechtlicher Gemeinschaft lebt.

BVerwG, Beschluss vom 29. 2. 2000 – 1 B 82.99; OVG Berlin; VG Berlin (lexetius.com/2000,512)

[1] In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 29. Februar 2000 durch den Vorsitzenden Richter Meyer und die Richter Groepper und Dr. Gerhardt beschlossen:
[2] Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 7. Juli 1999 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 32 360,40 DM festgesetzt.
[3] Gründe: Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
[4] Nach § 132 Abs. 2 VwGO kann die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Berufungsurteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem das Berufungsurteil beruhen kann. Wird wie hier die Nichtzulassung der Revision mit der Beschwerde angefochten, muß in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Berufungsurteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden. Die Prüfung des Senats ist demgemäß auf fristgerecht geltend gemachte Beschwerdegründe beschränkt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
[5] Der Kläger beruft sich allein auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Eine Rechtssache hat eine solche Bedeutung nur dann, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche und revisibles Recht betreffende, bisher noch nicht geklärte Frage aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt zudem, daß die grundsätzliche Bedeutung dargelegt wird. Dies erfordert die Bezeichnung einer für die Revisionsentscheidung erheblichen Frage des revisiblen Rechts und einen Hinweis auf den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll.
[6] Der Kläger erstrebt von der Beklagten die Zusicherung, daß im Falle seines Todes sein Lebenspartner eine Hinterbliebenenversorgung in dem für Ehepartner vorgesehenen Umfang erhalten werde, hilfsweise eine Herabsetzung seiner Beiträge. Vor diesem Hintergrund hält er für klärungsbedürftig, ob ein in einer auf Dauer angelegten gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft lebendes Pflichtmitglied eines berufsständischen Versorgungswerks, das gleiche Beiträge leistet wie verheiratete Mitglieder, einen Anspruch aus Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 1 GG i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG auf Gewährung einer Hinterbliebenenrente an seinen Partner entsprechend der Rente für hinterbliebene Ehepartner hat, oder ob jedenfalls seine Beiträge in dem Umfang herabzusetzen sind, wie er zur Hinterbliebenenversorgung von Witwen und Witwern berechnet wird.
[7] Beide Fragen, die im wesentlichen dem als Haupt- und Hilfsantrag formulierten Klageantrag entsprechen, rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Kläger im Hinblick auf seinen Hauptantrag überhaupt einen sich nach Landesrecht bestimmenden Anspruch auf eine Zusicherung von Leistungen besitzt, die im Falle seines Todes seinem Lebenspartner zustehen sollen (vgl. zum Feststellungsinteresse eines Beamten bezüglich des Anspruchs auf Witwengeld BVerwGE 38, 346 [347 ff.]).
[8] Rechtsgrundlage der Hinterbliebenenversorgung ist nach den Darlegungen des Berufungsgerichts § 12 Abs. 1 und 2 i. V. m. § 11 Abs. 1 der Satzung der Beklagten über die Berliner Ärzteversorgung. Diese Rechtsgrundlage gehört dem nichtrevisiblen Landesrecht an. Mit Ausführungen gegen die Auslegung des maßgeblichen Landesrechts durch das Berufungsgericht läßt sich die grundsätzliche Bedeutung selbst dann nicht darlegen, wenn der Kläger zur Begründung seiner abweichenden Rechtsauffassung verfassungsrechtliche Erwägungen anführt (Beschlüsse vom 18. März 1980 – BVerwG 6B 69. 79 – Buchholz 238. 95 SZG Nr. 14 und vom 7. Juni 1996 – BVerwG 1B 127. 95 – Buchholz 430. 4 Versorgungsrecht Nr. 32). Deshalb kann auch die Rüge, das maßgebliche Landesrecht verstoße gegen vorrangiges Bundesrecht, die Zulassung der Grundsatzrevision nicht rechtfertigen, wenn sie nicht auf eine klärungsbedürftige Frage des Bundesrechts führt, sondern allenfalls das Landesrecht klärungsbedürftig ist (Beschluß vom 12. Mai 1993 – BVerwG 1B 95. 92 – Buchholz 430. 4 Versorgungsrecht Nr. 24). Daß hier über das Landesrecht hinaus Bundesrecht weiterer Klärung bedarf, ist vom Kläger nicht hinreichend dargelegt worden.
[9] 1. Die Frage, ob sich ein Versorgungsanspruch zugunsten des Lebenspartners des Klägers bei Fortbestehen der Partnerschaft bis zum Tode des Klägers unmittelbar aus Art. 3 Abs. 1 GG ergibt, ist zu verneinen, ohne daß es dafür der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.
[10] Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet es, niemanden im Vergleich zu anderen Normadressaten anders zu behandeln, ohne daß zwischen ihnen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen (BVerfGE 97, 332 [344]; BVerwGE 100, 287 [295]; Urteil vom 26. Juni 1990 – BVerwG 1C 45. 87 – Buchholz 430. 3 Kammerbeiträge Nr. 22). Die Satzung gewährt, wie sich aus der das Revisionsgericht bindenden Auslegung des Berufungsgerichts ergibt, im Falle des Todes des Mitglieds eine Rente nur den Hinterbliebenen, worunter Kinder und Ehepartner, nicht aber Partner gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften zu verstehen sind. Diese Regelung knüpft nicht an das Geschlecht des Mitglieds oder des Hinterbliebenen an, sondern allein an eine zwischen beiden bestehende, mit gesetzlichen Unterhaltspflichten verbundene familienrechtliche Beziehung. Mit der Anknüpfung an bestehende familienrechtliche Beziehungen trägt der Satzungsgeber dem Verfassungsgebot des Art. 6 Abs. 1 GG Rechnung, der "Ehe und Familie" unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stellt. Der Begriff der Ehe nach Art. 6 Abs. 1 GG umfaßt nur die Vereinigung von Mann und Frau zu einer Lebensgemeinschaft (BVerfG, Kammerbeschluß vom 4. Oktober 1993 1 BvR 640/93 NJW 1993, 3058). Regeln, die diesen Schutz der Ehe gewährleisten, stehen schon deswegen regelmäßig nicht mit dem Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG in Widerspruch, weil die Zugehörigkeit zu dem durch den Begriff "Ehe und Familie" umschriebenen Personenkreis eine Förderung und damit eine Ungleichbehandlung gegenüber dem nicht hierzu gehörigen Personenkreis grundsätzlich rechtfertigt. Das Berufungsgericht hat im einzelnen zutreffend ausgeführt, warum es sachlich gerechtfertigt ist, die Hinterbliebenenversorgung nur denen zu gewähren, die in dem dargelegten Sinne in einer familienrechtlichen Beziehung zu dem Mitglied des Versorgungswerks stehen und deshalb ihm gegenüber unterhaltsberechtigt sind. Dem Begehren des Klägers auf eine Begünstigung seines Lebenspartners kann daher auch unter Berücksichtigung des Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG (vgl. dazu BVerwGE 100, 287 [299]) nicht aufgrund des Art. 3 Abs. 1 GG entsprochen werden, ohne daß dies der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob Art. 3 Abs. 1 GG überhaupt einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung über die Satzung hinaus zu begründen vermag. Das könnte nur der Fall sein, wenn der Satzungsgeber verpflichtet ist, den in Rede stehenden, von der Hinterbliebenenversorgung ausgeschlossenen Personenkreis in diese Versorgung einzubeziehen, nicht aber dann, wenn ihm nach Art. 3 Abs. 1 GG ein normatives Ermessen verbleibt (BVerwGE 102, 113 [118]).
[11] Der Hinweis des Klägers auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Oktober 1993 (a. a. O.) führt ebenfalls nicht auf eine grundsätzlich klärungsbedürftige Frage. Das Bundesverfassungsgericht hat in jener Entscheidung ausgeführt, grundsätzliche Bedeutung könne der Frage zukommen, ob der Gesetzgeber verpflichtet sei, gleichgeschlechtlichen Partnern eine rechtliche Absicherung ihrer Lebensgemeinschaft zu ermöglichen. Wie in dem vom Bundesverfassungsgericht zu entscheidenden Fall ist diese Frage auch hier nicht entscheidungserheblich. Aus Gründen des Gleichheitssatzes des Art. 3 GG könnte sieht man von dem Gesichtspunkt der Förderung von Ehe und Familie ab eine Verpflichtung der Beklagten, Partnern gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften ebenfalls Hinterbliebenenversorgung zu gewähren, allenfalls dann in Betracht kommen, wenn der dafür zuständige Gesetzgeber solche Gemeinschaften in den für die Hinterbliebenenversorgung maßgebenden Punkten gleichstellt, also insbesondere eine gegenseitige gesetzliche Unterhaltspflicht und wohl auch als Voraussetzung dafür eine der Eheschließung ähnliche förmliche Begründung der Gemeinschaft einführt. Das aber ist bisher nicht geschehen.
[12] 2. Ebensowenig führt der Umstand, daß der Kläger nach der Satzung keinen Anspruch auf Herabsetzung seines Beitrages hat, auf ein klärungsbedürftiges Problem des Art. 3 GG. Nach der Satzung der Beklagten haben verheiratete Mitglieder Beiträge in gleicher Höhe wie nichtverheiratete Mitglieder zu leisten. Daß die Beklagte grundsätzlich berechtigt ist, ihren Finanzbedarf in dieser Weise zu decken, ist nicht klärungsbedürftig; diese in der gesetzlichen Rentenversicherung in vergleichbarer Weise bestehende Regelung steht mit dem Solidaritätsgedanken in Einklang, der es rechtfertigt, Belastungen auf möglichst viele Mitglieder zu verteilen und sie in gewissem Rahmen auch für die Finanzierung solcher Versorgungsleistungen heranzuziehen, auf die voraussichtlich kein (abgeleiteter) Anspruch entstehen wird. Insoweit wird die Satzung von dem Gedanken des sozialen Ausgleichs geprägt, wie er für die Sozialversicherung kennzeichnend ist. Aus der Sicht des Bundesrechts ist der Landesgesetzgeber nicht gehindert, das berufsständische Versorgungsrecht als Sozialversicherungsrecht im materiellen Sinne zu regeln (vgl. dazu BVerwGE 87, 324 [325 f.]; Beschluß vom 22. November 1994 BVerwG 1 NB 1. 93 Buchholz 430. 4 Versorgungsrecht Nr. 28). Der Kläger wird deswegen durch diese Regelung weder gegenüber verheirateten noch gegenüber unverheirateten Mitgliedern in einer mit Art. 3 GG nicht zu vereinbarenden Weise benachteiligt. Daß die Gegebenheiten des vorliegenden Falles in diesem Zusammenhang sonst auf eine klärungsbedürftige Problematik des Bundesrechts führen könnten, zeigt die Beschwerde nicht auf.
[13] Auch die vom Kläger aufgeworfene Frage nach den Anforderungen an die gesetzliche Ermächtigung für die Hinterbliebenenversorgung im Hinblick auf die mit der Regelung der Beklagten verbundene "Umverteilung" zugunsten verheirateter Mitglieder führt nicht auf eine klärungsbedürftige Problematik des Bundesrechts. Das Berufungsgericht hat in Auslegung und Anwendung des nicht revisiblen Berliner Kammergesetzes ausgeführt, die gesetzliche Ermächtigung zur Einführung einer Versorgungseinrichtung für die Kammerangehörigen und ihre Hinterbliebenen auf versicherungsmathematischer Grundlage und unter Berücksichtigung bestehender Versorgungsverhältnisse sei dahin zu verstehen, daß die berufsständische Versorgung als Teil der öffentlich-rechtlich organisierten sozialen Sicherung sich wie in der gesetzlichen Rentenversicherung auch von dem Gedanken sozialer Fürsorge leiten lassen und deswegen wie dort Leistungen vorsehen dürfe, die ohne erhöhte Beiträge des Versicherten an seine Hinterbliebenen zu zahlen seien. Läßt sich im Wege der Auslegung der Ermächtigung ein derartig bestimmter Inhalt entnehmen, wirft die Rechtssache mit Blick auf den Gesetzesvorbehalt keine ungeklärte bundesrechtliche Problematik auf. Ob die Ermächtigung eine Auslegung in dem genannten Sinne zuläßt oder nicht, ist in erster Linie eine Frage des nicht revisiblen Landesrechts. Daß sich in diesem Zusammenhang ungeklärte Fragen des Bundesrechts stellten, zeigt die Beschwerde nicht auf.
[14] 3. Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 154 Abs. 2 VwGO und § 13 Abs. 1 GKG i. V. m. einer entsprechenden Anwendung des § 17 Abs. 3 Satz 1 GKG.