Bundesgerichtshof
AGB-Banken 2002 Nr. 19 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1; BGB § 242
Eine ordentliche Kündigung nach Nr. 19 Abs. 1 AGB-Banken 2002 setzt nicht voraus, dass die Bank eine Abwägung ihrer Interessen an einer Beendigung des Vertragsverhältnisses mit den Interessen des Kunden an dessen Fortbestand vornimmt.
Das vom Grundsatz der Privatautonomie beherrschte bürgerliche Recht enthält keine über eine mittelbare Drittwirkung des allgemeinen Gleichheitssatzes begründbare allgemeine Pflicht zur gleichmäßigen Behandlung sämtlicher Vertragspartner (hier bei der Ausübung eines vertraglich vereinbarten ordentlichen Kündigungsrechts). Die mittelbare Geltung des Art. 3 Abs. 1 GG im Verhältnis einzelner Privatrechtssubjekte zueinander setzt ein soziales Machtverhältnis voraus. Dieses Machtverhältnis ergibt sich nicht allein aus der kreditwirtschaftlichen Betätigung einer privaten Bank.

BGH, Urteil vom 15. 1. 2013 – XI ZR 22/12; OLG Bremen (lexetius.com/2013,186)

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. Januar 2013 durch den Vorsitzenden Richter Wiechers, die Richter Dr. Grüneberg, Maihold und Pamp sowie die Richterin Dr. Menges für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 9. Dezember 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
[1] Tatbestand: Die als Kapitalgesellschaft organisierte Klägerin nimmt die beklagte Bank auf Feststellung des Fortbestehens eines Girovertrages in Anspruch.
[2] Die Klägerin unterhielt bei der Beklagten seit dem 11. September 2006 ein Girokonto, das sie für ihr Verlagsgeschäft nutzte. Ihrer Vertragsbeziehung zur Beklagten lagen deren Allgemeine Geschäftsbedingungen Stand Mai 2002 (nachfolgend: AGB-Banken 2002) zugrunde, die unter anderem folgende Klausel enthielten:
"19. Kündigungsrechte der Bank
(1) Kündigung unter Einhaltung einer Kündigungsfrist Die Bank kann die gesamte Geschäftsverbindung oder einzelne Geschäftsbeziehungen, für die weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart ist, jederzeit unter Einhaltung einer angemessenen Kündigungsfrist kündigen (zum Beispiel den Scheckvertrag, der zur Nutzung von Scheckvordrucken berechtigt). Bei der Bemessung der Kündigungsfrist wird die Bank auf die berechtigten Belange des Kunden Rücksicht nehmen. Für die Kündigung der Führung von laufenden Konten und Depots beträgt die Kündigungsfrist mindestens sechs Wochen. […]"
[3] Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 22. Juli 2009 mit, sie sehe sich "aus grundsätzlichen Erwägungen" nicht mehr in der Lage, "die Kontoverbindung" mit der Klägerin aufrecht zu erhalten. Zugleich kündigte sie "gemäß Ziffer 19 unserer Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Kontoverbindung" zum 3. September 2009.
[4] Die Klägerin erwirkte am 4. September 2009 eine einstweilige Verfügung des Inhalts, der Beklagten werde aufgegeben, das Girokonto "bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache weiterzuführen".
[5] Das Landgericht hat die auf Feststellung des Fortbestehens des Girovertrages gerichtete Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin, mit der sie ihr Feststellungsbegehren weiterverfolgt.
[6] Entscheidungsgründe: Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
[7] I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung (veröffentlicht WM 2012, 1239 ff.) ausgeführt:
[8] Die Klage sei unbegründet, da die Beklagte den Girovertrag durch Kündigung wirksam beendet habe. Dabei könne dahinstehen, ob die Beklagte bei Abgabe der Erklärung vom 22. Juli 2009 – wie von der Klägerin bestritten – wirksam vertreten worden sei. Jedenfalls mittels der Klageerwiderung habe die Beklagte die Kündigung "bekräftigt und sie damit erneut ausgesprochen". Dass sie mit der Klageerwiderung nicht neuerlich eine Frist gesetzt habe, sei unerheblich, weil die (erneute) Kündigung gemäß der gegen die Beklagte erlassenen einstweiligen Verfügung erst mit einer Entscheidung des Rechtsstreits in erster Instanz habe wirken können und sollen. Art. 3 GG habe die Beklagte an einer Kündigung nicht gehindert, weil sie nicht Grundrechtsverpflichtete sei. Art. 21 Abs. 2 Satz 2 GG habe zugunsten der Klägerin einer Kündigung nicht widerstritten, weil die Klägerin nicht eine von dieser Bestimmung privilegierte politische Partei sei. Berechtigte Belange der Klägerin habe die Beklagte nicht bei der Kündigung selbst, sondern nur bei der Bemessung der Frist berücksichtigen müssen. Insbesondere habe ihr keine "Angemessenheitsprüfung" oder Interessenabwägung mit den Belangen der Klägerin oblegen, zumal sich die Klägerin nicht darauf berufen habe, es sei kein anderes Kreditinstitut bereit, mit ihr einen Girovertrag einzugehen. Die Wirksamkeit der Kündigung scheitere auch nicht an § 242 BGB oder § 226 BGB.
[9] II. Dies hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
[10] 1. Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, der Klageantrag, der auf die Feststellung des Fortbestands des Girovertrages als eines Rechtsverhältnisses über den Schluss der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung hinaus gerichtet ist, entspreche den Bestimmtheitsanforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
[11] 2. Im Ergebnis richtig hat es weiter angenommen, mittels Nr. 19 Abs. 1 AGB-Banken 2002 sei ein ordentliches Kündigungsrecht wirksam vereinbart, auch wenn die Bestimmung der Beklagten nicht abverlange, vorab eine Abwägung ihrer Interessen an einer Beendigung des Vertragsverhältnisses mit den Interessen der Klägerin an dessen Fortbestand vorzunehmen, und sie eine Mindestkündigungsfrist von (nur) sechs Wochen vorsehe. Nr. 19 Abs. 1 AGB-Banken 2002 hält einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB stand (vgl. Senatsurteil vom 8. November 2005 – XI ZR 74/05, WM 2006, 179, 181; Bunte in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 24 Rn. 11; Fandrich in Graf von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Banken- und Sparkassen-AGB [Stand: Oktober 2008], Rn. 94).
[12] a) Nr. 19 Abs. 1 AGB-Banken 2002 unterliegt der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB. Gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen kontrollfähig, die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen enthalten. Hierunter fallen Regelungen über das Recht zur (ordentlichen) Kündigung.
[13] b) Nr. 19 Abs. 1 AGB-Banken 2002 benachteiligt die Klägerin nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen.
[14] aa) Eine unangemessene Benachteiligung ergibt sich bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht vom 29. Juli 2009 (BGBl. I 2355, nachfolgend: Zahlungsdiensterichtlinie-Umsetzungsgesetz) nach Maßgabe seines Art. 11 Abs. 2 nicht aus einer Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der den Girovertrag beherrschenden gesetzlichen Regelung (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Das Giroverhältnis ist ein Geschäftsbesorgungsverhältnis, das durch dienstvertragliche Elemente geprägt ist. Da der Girovertrag Dienste höherer Art zum Gegenstand hat, die aufgrund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen, konnte er bis zum 1. November 2009 nach §§ 627, 675 BGB ordentlich gekündigt werden (Senatsurteil vom 11. Dezember 1990 – XI ZR 54/90, WM 1991, 317, 318), ohne dass nach diesen Regelungen ein Kündigungsgrund angegeben werden musste oder gesetzliche Vorschriften eine längere Mindestkündigungsfrist verlangten (vgl. Hadding in Festschrift Hopt, 2010, S. 1893, 1899).
[15] bb) Aber auch nach Inkrafttreten des Zahlungsdiensterichtlinie- Umsetzungsgesetzes kommt Nr. 19 Abs. 1 AGB-Banken 2002 keine unangemessen benachteiligende Wirkung im Sinne des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu.
[16] Dieses Gesetz sieht ein (allerdings der Vereinbarung bedürftiges) Kündigungsrecht des Zahlungsdienstleisters in § 675h Abs. 2 BGB vor. Begründungspflichten für die ordentliche Kündigung führt es nicht ein. Zwar weicht Nr. 19 Abs. 1 AGB-Banken 2002 bei der Bemessung der Mindestkündigungsfrist von § 675h Abs. 2 Satz 2 BGB ab. Diese Abweichung ist aber im Verhältnis zur Klägerin, bei der es sich nicht um einen Verbraucher handelt, von § 675e Abs. 4 BGB gedeckt. Eine gegenüber dem gesetzlichen Leitbild im Verhältnis zum Verbraucher verkürzte Kündigungsfrist konnte auch in (fortwirkenden) Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten vereinbart werden (BT-Drucks. 16/11643, S. 100 rechte Spalte unten; Pfeifer in Ellenberger/Findeisen/Nobbe, Kommentar zum Zahlungsverkehrsrecht, 2010, § 675e Rn. 6; Staudinger/Omlor, BGB, Neubearb. 2012, § 675e Rn. 8 f.; MünchKommBGB/Casper, 6. Aufl., § 675e Rn. 10, § 675h Rn. 17).
[17] cc) Eine nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB relevante Abweichung vom gesetzlichen Leitbild lässt sich – die Beklagte ist weder aufgrund ihrer Organisationsstruktur noch aufgrund der Verfasstheit ihrer Anteilseigner nach Art. 1 Abs. 3 GG unmittelbar an die Grundrechte gebunden (vgl. BVerfGE 128, 226, 244 ff.; einen anderen Sachverhalt betrafen Senatsurteil vom 2. Dezember 2003 – XI ZR 397/02, WM 2004, 317, 318 und BVerfG, NVwZ 2002, 847 [jeweils Postbank]) – nicht mit einem Verweis auf die mittelbare Drittwirkung des Art. 3 GG begründen. Unterstellt, Art. 3 GG wirke über § 307 BGB auf privatrechtliche Beziehungen ein (vgl. Wolf in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 5. Aufl., § 307 Rn. 176), reicht seine Ausstrahlung höchstens so weit, eine systematische Diskriminierung einzelner Personen oder Gruppen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu verbieten (dazu Dammann, Die Grenzen zulässiger Diskriminierung im allgemeinen Zivilrecht, 2005, S. 172 f.; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 11. Aufl., § 307 Rn. 161; Wolf aaO). Solche Vorgaben macht Nr. 19 Abs. 1 AGB-Banken 2002 nicht, so dass er mit § 307 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 3 GG nicht in Kollision geraten kann.
[18] dd) Die Bestimmung weicht schließlich nicht so wesentlich von § 242 BGB ab, dass eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB anzunehmen wäre.
[19] Zwar gehören auch Leistungs- und Schutzpflichten gemäß § 242 BGB zu den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, wenn sie nur im Hinblick auf den Vertragszweck so bedeutsam sind, dass eine Freizeichnung des Verwenders die angemessene Risikoverteilung empfindlich störte (BGH, Urteil vom 25. März 1982 – III ZR 198/80, BGHZ 83, 301, 308; Erman/Roloff, BGB, 13. Aufl., § 307 Rn. 28; Palandt/Grüneberg, BGB, 72. Aufl., § 307 Rn. 32).
[20] Auf dieser Ebene ist § 242 BGB, der an sich von den Spezialregelungen der §§ 307 ff. BGB verdrängt wird (H. Schmidt in Bamberger/Roth, BGB, 3. Aufl., § 307 Rn. 14; Palandt/Grüneberg, BGB, 72. Aufl., Überbl v § 305 Rn. 16), für die Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen unvermindert von Belang. Weiter ist eine Kündigung mit § 242 BGB unvereinbar, wenn sie eine marktbeherrschende Stellung unzulässig ausnutzt (BGH, Urteil vom 30. April 1957 – VIII ZR 217/56, BGHZ 24, 148, 150), und entsprechend eine Regelung, die eine solche Kündigung ermöglicht, im Sinne des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unangemessen.
[21] Der Beklagten kommt indessen weder eine marktbeherrschende Stellung zu, die sich spiegelbildlich in einem Kontrahierungszwang ausdrückte, noch unterliegt sie aufgrund sonstiger gesetzlicher Bestimmungen einem Kontrahierungszwang (zum Kontrahierungszwang bei den Sparkassen vgl. Senatsurteil vom 11. Dezember 1990 – XI ZR 54/90, WM 1991, 317, 318; OLG Brandenburg, NJW 2001, 450, 451; Hadding in Festschrift Hopt, 2010, S. 1893, 1900 ff.; Köndgen, NJW 2004, 1288, 1291; gegen einen Kontrahierungszwang außerhalb öffentlich-rechtlicher Sonderregelungen Brömmelmeyer, WuB I A 3. Nr. 26 AGB-Sparkassen 1993 1. 03; Reiff, EWiR 2003, 501, 502; Segna, BKR 2006, 274, 275; Erman/Berger, BGB, 13. Aufl., § 675 Rn. 31; differenzierend Berresheim, ZBB 2005, 420, 422). Entsprechend hindert § 242 BGB unter diesem Gesichtspunkt die Ermächtigung zu einer grund- und begründungslosen ordentlichen Kündigung in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht.
[22] 3. Die Ausübung des Kündigungsrechts auf der Grundlage der Nr. 19 Abs. 1 AGB-Banken 2002 war im konkreten Fall auch nicht verbots- oder treuwidrig.
[23] a) Die Nichtigkeit einer Kündigung ergab sich zunächst nicht aus § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG i. V. m. § 134 BGB (zur Rechtsfolge vgl. Adomeit/Mohr, AGG, 2. Aufl., § 21 Rn. 6 a. E.; Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, 3. Aufl., § 21 Rn. 8; Erman/Armbrüster, BGB, 13. Aufl., § 21 AGG Rn. 5 und 28; Hey/Kremer, AGG, 2009, § 21 Rn. 7 f.; Palandt/Grüneberg, BGB, 72. Aufl., § 21 AGG Rn. 2 a. E.).
[24] Sollte die Beklagte, was die Klägerin in den Vorinstanzen vermutet, die Beklagte aber nicht geltend gemacht hat, das Vertragsverhältnis wegen der weltanschaulichen Ausrichtung der Klägerin gekündigt haben, ist § 19 Abs. 1 AGG ohne Rücksicht auf seine weiteren Voraussetzungen schon deshalb nicht einschlägig, weil der Gesetzgeber bewusst davon Abstand genommen hat, das zivilrechtliche Diskriminierungsverbot auf Benachteiligungen wegen solcher Überzeugungen zu erstrecken (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/2022, S. 13). Auch die der Regelung zugrunde liegenden Richtlinien 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (ABl. EG 2000 Nr. L 180 S. 22) und 2004/113/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (ABl. EU 2004 Nr. L 373 S. 37) enthalten insoweit keine weitergehenden Anforderungen (im Einzelnen BGH, Urteil vom 9. März 2012 – V ZR 115/11, WM 2012, 2168 Rn. 9; vgl. auch Rösmann, Kontrahierungspflichten der Kreditwirtschaft aufgrund von Selbstverpflichtungen und § 21 AGG, Diss. 2009, S. 276).
[25] Dass auf sie ein sonstiger Grund im Sinne des § 19 AGG zutreffe, hat die Klägerin ebenso wenig dargetan wie Indizien im Sinne des § 22 AGG für eine Benachteiligung wegen eines solchen Grundes. Es bedarf daher auch im Licht der neueren Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu den möglichen Voraussetzungen der Vermutung einer diskriminierenden Behandlung (vgl. EuGH, NJW 2012, 2497 Rn. 47) keiner weiteren Ausführungen dazu, ob § 19 AGG auf Giroverträge Anwendung findet.
[26] b) Eine Kündigung nach Maßgabe der Nr. 19 Abs. 1 AGB-Banken 2002 scheitert auch nicht an § 242 BGB.
[27] aa) Dass Nr. 19 Abs. 1 AGB-Banken 2002 eine Inhaltskontrolle besteht, schließt eine Überprüfung einer danach ausgesprochenen Kündigung anhand des § 242 BGB nicht aus. Nach allgemeinen Grundsätzen kann die Berufung des Verwenders auf eine Klausel unter besonderen Umständen des Einzelfalls gegen Treu und Glauben verstoßen, auch wenn die Klausel an sich einer Inhaltskontrolle standhält (BGH, Beschluss vom 6. Juli 1988 – VIII ARZ 1/88, BGHZ 105, 71, 88).
[28] bb) Ein Verstoß gegen § 242 BGB lässt sich unter Verweis auf eine mittelbare Drittwirkung des Art. 3 Abs. 1 GG nicht daraus herleiten, die Beklagte habe der Klägerin gekündigt, indessen Vertragsbeziehungen zu anderen solventen Geschäftskunden aufrecht erhalten und damit ohne Rechtfertigung Gleiches ungleich behandelt.
[29] Das vom Grundsatz der Privatautonomie beherrschte bürgerliche Recht enthält keine über eine mittelbare Drittwirkung des allgemeinen Gleichheitssatzes begründbare allgemeine Pflicht zur gleichmäßigen Behandlung (Palandt/Grüneberg, BGB, 72. Aufl., § 242 Rn. 10; Schwabe, Die sogenannte Drittwirkung der Grundrechte, 1971, S. 149 ff.; zum Konzept der mittelbaren Drittwirkung neuerdings grundsätzlich Jestaedt, VVDStRL 64, 298, 330 ff.). Eine der unmittelbaren Geltung gleichkommende generelle Bindung von Privatrechtssubjekten an den Gleichheitssatz besteht nicht, da dies die privatrechtliche Vertragsfreiheit und die grundgesetzlichen Freiheitsrechte aushebelt. Ob der allgemeine Gleichheitssatz gilt, richtet sich danach, ob im Verhältnis einzelner Privatrechtssubjekte zueinander ein (soziales) Machtverhältnis besteht (vgl. Dreier/Heun, GG, 2. Aufl., Art. 3 Rn. 69 f.). Ein solches soziales Machtverhältnis existiert zwischen den Parteien nicht. Es kann insbesondere nicht allein mit der (kredit-) wirtschaftlichen Betätigung der Beklagten belegt werden. Erst recht ist für einen Missbrauch eines Machtverhältnisses nichts ersichtlich. Entsprechend oblag es der Beklagten nicht, eine Ungleichbehandlung der Klägerin im Verhältnis zu anderen Kunden mittels einer Angemessenheits- oder Verhältnismäßigkeitsprüfung sachlich zu rechtfertigen.
[30] Dass die Beklagte im Sinne eines selbständigen (mittelbaren) Geltungsgrundes des Art. 3 Abs. 1 GG über § 242 BGB das Angebot, Girokonten zu führen, unterschiedslos und ohne Ansehen der Person ihres Vertragspartners gleichsam "an die Öffentlichkeit" gerichtet und dadurch ihre Bereitschaft verlautbart habe, generell und unter Verzicht auf eine Prüfung im Einzelfall jedem den Zugang zu ihren Leistungen dauerhaft zu eröffnen, der sich im Rahmen des üblichen Verhaltens bewege, so dass sie sich – vergleichbar den zur Einschränkung des Hausrechts entwickelten Grundsätzen (vgl. BGH, Urteil vom 30. Oktober 2009 – V ZR 253/08, NJW 2010, 534 Rn. 13; Urteil vom 9. März 2012 – V ZR 115/11, WM 2012, 2168 Rn. 22 f. mwN) – eine Beschränkung ihres Kündigungsrechts gefallen lassen müsse, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich (aA offenbar Reifner, ZBB 1995, 243, 257). Schon die Vereinbarung der Nr. 19 Abs. 1 AGB-Banken 2002 streitet dagegen. Aus der Empfehlung des Zentralen Kreditausschusses zum "Girokonto für jedermann" (abgedruckt von Mayen in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 47 Rn. 4), die sich nicht auf Kapitalgesellschaften bezieht, ergibt sich keine in diesem Zusammenhang beachtliche Einschränkung des Kündigungsrechts (vgl. Segna, BKR 2006, 274, 276 ff.; Palandt/Ellenberger, BGB, 72. Aufl., Einf v § 145 Rn. 10 a. E.; Erman/Berger, BGB, 13. Aufl., § 675 Rn. 31).
[31] cc) Eine Kündigung war auch nicht aufgrund einer mittelbaren Drittwirkung des Art. 3 Abs. 3 GG treuwidrig, wenn sie – wie mangels Aufklärung der Beweggründe der Beklagten durch das Berufungsgericht im Revisionsverfahren hier zugunsten der Klägerin zu unterstellen – von deren politischer Anschauung motiviert war. Abgesehen davon, ob die Klägerin als Kapitalgesellschaft nach Art. 19 Abs. 3 GG überhaupt spezielle Diskriminierungsverbote des Art. 3 Abs. 3 GG für sich in Anspruch nehmen könnte (dafür Rüfner in Isensee/Kirchhof, HStR IX, 3. Aufl., § 196 Rn. 74; differenzierend Tettinger in Merten/Papier, HGR II, 2006, § 51 Rn. 63; Starck in v. Mangoldt/Klein, GG, 6. Aufl., Art. 3 Rn. 374; Dreier, GG, 2. Aufl., Art. 19 Abs. 3 Rn. 38; Boysen in v. Münch/Kunig, GG, 6. Aufl., Art. 3 Rn. 133), reicht die Ausstrahlungswirkung des Art. 3 Abs. 3 GG unabhängig davon, ob ihr im Wege der mittelbaren Drittwirkung eine im Vergleich zum allgemeinen Gleichheitssatz größere Durchschlagskraft zukommt (vgl. BGH, Urteil vom 9. März 2012 – V ZR 115/11, WM 2012, 2168 Rn. 26 mwN; zur mittelbaren Drittwirkung des Art. 3 Abs. 3 GG auch Britz, VVDStRL 64, 355, 361 ff.), parallel zu den Wertungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes nicht so weit, dass die Beklagte bei ihrer Entscheidung über den Fortbestand des Girovertrages nicht die politischen Auffassungen ihres Vertragspartners berücksichtigen durfte (im Ergebnis ebenso Brömmelmeyer, WuB I A 3. Nr. 26 AGB-Sparkassen 1993 1. 02; auf die Öffentlichkeit des Angebots als Differenzierungsmerkmal rekurrieren Eckertz-Höfer in AK-GG, 3. Aufl., Art. 3 Abs. 2, 3 Rn. 93; Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl., Art. 3 Rn. 133; Dreier/Heun, GG, 2. Aufl., Art. 3 Rn. 138). Gleiches gilt, soweit sich die Klägerin auf Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG beruft.
[32] dd) Der konkrete Fall bietet schließlich keine Besonderheiten, die nach den allgemein zu § 242 BGB entwickelten Grundsätzen eine Kündigung als rechtsmissbräuchlich (Senatsurteil vom 8. November 2005 – XI ZR 74/05, WM 2006, 179, 181; dazu Jungmann, WuB I A 1. Nr. 19 AGB-Banken 1. 06) bzw. als schikanös (§ 226 BGB) oder eine Kündigungsfrist von sechs Wochen als zu kurz bemessen erscheinen ließen. Die Klägerin hat einen Girovertrag mit der Beklagten geschlossen, bei dem das Recht zur ordentlichen (begründungslosen) Kündigung vereinbart war. Der Vorwurf eines treuwidrig widersprüchlichen Verhaltens ist der Beklagten bei Ausübung ihres Kündigungsrechts nach Abschluss des Vertrages daher nicht zu machen. Eine Kündigung zur Unzeit ist nicht erkennbar. Dass sich andere Kreditinstitute geweigert hätten, mit der Klägerin in Geschäftsverbindung zu treten, und der Geschäftsbetrieb der Klägerin im Falle der Beendigung ihrer Geschäftsbeziehungen zur Beklagten aufgrund seiner besonderen Struktur auch als Ansichtsversand zum Erliegen kommen müsste, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Dass mit der Beendigung des Girovertrages Unbequemlichkeiten verbunden sein mögen, die sich etwa in der Neuauflage von Geschäftspapier, der Änderung von Datenverarbeitungsprozessen oder dem Erfordernis der Benachrichtigung von Geschäftspartnern ergeben, begründet den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs nicht.
[33] 4. Rechtsfehlerhaft ist aber die Annahme des Berufungsgerichts, jedenfalls mittels der Klageerwiderung habe die Beklagte den Girovertrag gekündigt, so dass es auf die Frage ihrer wirksamen Vertretung bei Abgabe der Kündigungserklärung vom 22. Juli 2009 nicht ankomme. Das wird von der Revision freilich nicht ausdrücklich moniert. Sie stellt das Berufungsurteil jedoch – wie in der Revisionsverhandlung nochmals ausdrücklich bekräftigt – "in vollem Umfange und unter jedem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt zur Überprüfung durch den Bundesgerichtshof" und rügt "die Verletzung des gesamten materiellen Rechts".
[34] a) Zwar durfte das Berufungsgericht nach der Fassung des Klageantrags, dessen Begründetheit den Fortbestand des Vertragsverhältnisses bis zum Schluss der letzten mündlichen (Tatsachen-) Verhandlung voraussetzte, jede beliebige Kündigung herausgreifen, ohne an eine bestimmte Prüfungsreihenfolge gebunden zu sein (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2001 – XII ZR 263/98, BGHReport 2001, 539, 540).
[35] b) Die Auslegung der Klageerwiderung als Kündigung durch das Berufungsgericht verletzt indessen anerkannte Grundsätze der Auslegung, weil sie den Wortlaut der Erklärung verfehlt.
[36] aa) Die tatrichterliche Auslegung einer Prozesshandlung, die zugleich eine materiell-rechtliche Erklärung enthält oder enthalten kann, unterliegt der revisionsrechtlichen Prüfung jedenfalls darauf, ob anerkannte Auslegungsgrundsätze, gesetzliche Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind (BGH, Urteil vom 4. April 1968 – VII ZR 152/65, MDR 1968, 576; Urteil vom 11. Mai 1995 – VII ZR 116/94, WM 1995, 1545, 1546). Ob Prozesshandlungen, denen in diesem Sinne eine Doppelnatur zukommt, vom Revisionsgericht – was ihren materiell-rechtlichen Teil betrifft – in weitergehendem Umfang unbeschränkt und selbständig ausgelegt werden können (vgl. zur Auslegung von Prozessvergleichen BGH, Urteil vom 4. April 1968 – VII ZR 152/65, MDR 1968, 576; Urteil vom 6. März 1985 – VIII ZR 123/84, WM 1985, 739; Urteil vom 15. Juni 1994 – XII ZR 38/93, NJW 1994, 2362; Urteil vom 11. Mai 1995 – VII ZR 116/94, WM 1995, 1545, 1546; Urteil vom 8. Dezember 1999 – I ZR 101/97, ZIP 2000, 1131, 1139), bedarf keiner Entscheidung, weil sich die Auslegung des Tatrichters schon aufgrund einer beschränkten Nachprüfung als rechtsfehlerhaft erweist.
[37] bb) Das Berufungsgericht hat die Klageerwiderung in einer Weise interpretiert, die mit ihrem klaren Wortlaut in Widerspruch steht.
[38] Zu den allgemein anerkannten Auslegungsgrundsätzen gehört, dass in erster Linie der von den Parteien gewählte Wortlaut und der dem Wortlaut zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille zu berücksichtigen sind (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 2009 – II ZR 222/08, WM 2009, 2321 Rn. 18; Palandt/Ellenberger, BGB, 72. Aufl., § 133 Rn. 30). Aus der Formulierung der Klageerwiderung, die sich allein mit der Wirksamkeit der Erklärung vom 22. Juli 2009 auseinandersetzt, ergibt sich unmissverständlich, dass mit ihr nicht selbst die Beendigung des Vertragsverhältnisses mit der Klägerin ausgesprochen werden sollte.
[39] Zwar kann das Verhalten einer Partei, die in einem Rechtsstreit mit ihrem Vertragspartner über das (Fort-) Bestehen eines Vertragsverhältnisses streitet, als Ausdruck des Kündigungswillens gewertet werden (vgl. BGH, Urteil vom 19. März 1957 – VIII ZR 43/56, LM Nr. 2 zu § 595 BGB). Voraussetzung ist allerdings, dass dieser Kündigungswille in Übereinstimmung mit der vertraglichen Regelung, auf die das Kündigungsrecht gestützt wird, zum Ausdruck kommt.
[40] Hier hat die Beklagte nicht nur jede Äußerung des Inhalts unterlassen, sie wolle (wenigstens) mit dem Zugang der Klageerwiderung das Vertragsverhältnis zur Klägerin beenden, sondern darüber hinaus von jeglicher Fristsetzung nach Nr. 19 Abs. 1 Satz 1 AGB-Banken 2002 abgesehen. Dieses Versäumnis kann nicht, wie vom Berufungsgericht versucht, durch einen Verweis auf die Geltungsdauer einer einstweiligen Verfügung ersetzt werden, an der sich die Beklagte erkennbar nicht orientiert hat.
[41] III. Die Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Insbesondere lässt sich die Abweisung der Klage nicht damit rechtfertigen, die Beklagte habe den Girovertrag mit der Klägerin durch das Schreiben vom 22. Juli 2009 wirksam gekündigt.
[42] 1. Allerdings brachte dieses Schreiben auf der Grundlage der Nr. 19 Abs. 1 AGB-Banken 2002 eine Kündigung klar zum Ausdruck. Eines sachlichen Grundes anhand einer Interessenabwägung bedurfte es für eine Wirksamkeit der Kündigung nicht. Auch war die Fristsetzung angemessen.
[43] 2. Das Berufungsgericht hat aber nicht aufgeklärt, ob die Beklagte – was die Klägerin bestritten hat – bei der Erklärung der Kündigung wirksam vertreten war. Im Revisionsverfahren ist deshalb von einer unzureichenden Vertretung der Beklagten mit der Folge auszugehen, dass die Kündigung nicht als wirksam angesehen werden kann.
[44] 3. Eine Würdigung des Prozessverhaltens der Beklagten als Genehmigung der etwa mangels wirksamer Vertretung schwebend unwirksamen Erklärung vom 22. Juli 2009 kommt nicht in Betracht. Die Kündigung vom 22. Juli 2009 war – unabhängig von den Voraussetzungen des § 180 Satz 2 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 2001 – VI ZR 206/00, WM 2001, 1515, 1516) – als Gestaltungsakt einer Genehmigung jedenfalls nach Ablauf der gesetzten Kündigungsfrist bis zum 3. September 2009 mittels der Klageerwiderung vom 26. Februar 2010 (nicht 22. Januar 2010) nicht mehr zugänglich (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 72. Aufl., § 185 Rn. 2, § 180 Rn. 1). Hat die Fristsetzung Gestaltungswirkung dadurch, dass nach Fristablauf die gegenseitigen Verpflichtungen aus dem Vertrag erlöschen, muss die Genehmigung jedenfalls bis zum Ablauf der gesetzten Frist erfolgen (BGH, Urteil vom 29. Mai 1991 – VIII ZR 214/90, BGHZ 114, 360, 366; Urteil vom 22. Oktober 1999 – V ZR 401/98, BGHZ 143, 41, 46). Eine nach Fristablauf erteilte Genehmigung der Erklärung eines vollmachtlosen Vertreters ist wirkungslos (BGH, Urteil vom 15. April 1998 – VIII ZR 129/97, WM 1998, 2038, 2041). Zu einer Genehmigung mittels der von der Klägerin vorgelegten Schreiben vom 20. August 2009 und 27. August 2009 hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen. Es wird entsprechend die Vertretungsverhältnisse bei Abgabe der Erklärung vom 22. Juli 2009 aufzuklären haben.