Bundesarbeitsgericht
Kündigungsschutz im Kleinbetrieb

BAG, Urteil vom 15. 3. 2001 – 2 AZR 151/00 (lexetius.com/2001,2845)

[1] Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 1. Dezember 1999 – 17 Sa 1925/99 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
[2] Tatbestand: Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Änderungskündigung.
[3] Der 1957 geborene Kläger (verheiratet; gegenüber zwei Kindern unterhaltsverpflichtet) war seit 1972 bei der D I W GmbH (im folgenden: DIW) auf deren Werksgelände in Berlin beschäftigt. Als Schiffsbauhelfer in der Tischlerei verdiente er zuletzt ca. 4.000,00 DM brutto monatlich. 1998 übertrug die DIW ihre Tischlerei im Wege des Betriebsteilübergangs auf die Beklagte, die in der Rechtsform der GmbH eine Bau- und Möbeltischlerei mit Sitz in H betreibt. In ihrer Betriebsstätte in H, die zumindest 200 km von Berlin entfernt liegt, sind etwa 80 bis 90 Arbeitnehmer beschäftigt. Die Tischlerei in Berlin, in der zuletzt insgesamt drei Arbeitnehmer tätig waren, stand unter der örtlichen Leitung eines Meisters.
[4] Nachdem der Kläger einer schriftlichen Anweisung der Beklagten vom 9. Dezember 1998, am 14. Dezember 1998 in der Werkstatt in H zu erscheinen, um vom 14. bis 18. Dezember auf einem Bauvorhaben in G zu arbeiten, keine Folge geleistet hatte, erteilte die Beklagte dem Kläger zwei Abmahnungen. Mit Schreiben vom 18. Januar 1999 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger ordentlich zum 31. August 1999 und bot ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen an. Neben Lohnreduzierungen und einer Verlängerung der Wochenarbeitszeit sah das vom Kläger mit Schreiben vom 3. Februar 1999 unter Vorbehalt angenommene Änderungsangebot als Arbeitsort künftig nicht nur Berlin, sondern auch alle anderen Baustellen der Beklagten vor.
[5] Am 28. April 1999 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos und hilfsweise ordentlich zum 31. Oktober 1999, nachdem der Kläger einer schriftlichen Aufforderung, ab 21. April 1999 seine Arbeitsleistung auf einer Schiffsbaustelle der Beklagten in T zu erbringen, nicht nachgekommen war. Wegen beabsichtigter Stillegung ihrer Betriebsstätte in Berlin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis erneut mit Schreiben vom 11. August 1999 zum 29. Februar 2000. Die Wirksamkeit dieser Beendigungskündigungen ist nicht bzw. nicht mehr Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.
[6] Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Änderung seiner Arbeitsbedingungen durch die Kündigung vom 18. Januar 1999 sei sozial ungerechtfertigt, da die Beklagte keine Kündigungsgründe vorgetragen habe. Das Kündigungsschutzgesetz finde Anwendung. Die Betriebsstätten in Berlin und H bildeten einen Betrieb. Die Tischlerei in Berlin verfüge über keine eigenständige Organisation. Die einheitliche Leitung werde durch die Geschäftsführer der Beklagten von H aus ausgeübt. Er bestreite, daß in der Betriebsstätte in Berlin Aufträge kalkuliert und akquiriert würden. Der in Berlin beschäftigte Mitarbeiter K übe die normale Tätigkeit eines Meisters aus und habe keinerlei Personalverantwortung. Jedenfalls müsse der Betriebsbegriff des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG im Wege verfassungskonformer Auslegung auf die Einheiten beschränkt werden, für deren Schutz die Kleinbetriebsklausel allein bestimmt sei.
[7] Der Kläger hat, soweit für die Revision von Bedeutung, beantragt: Es wird festgestellt, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen des Klägers durch die Kündigung der Beklagten vom 18. Januar 1999 unwirksam ist.
[8] Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
[9] Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger sei in einem Kleinbetrieb iSd. § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG beschäftigt. Deshalb sei das mit der Änderungskündigung vom 18. Januar 1999 verbundene Änderungsangebot nicht auf seine soziale Rechtfertigung hin zu überprüfen. Die Betriebsstätte in Berlin sei nach § 4 Satz 1 BetrVG als eigenständiger Betrieb anzusehen, da sie räumlich weit vom Hauptbetrieb in H entfernt liege und auch nach Aufgabenbereich und Organisation eigenständig sei. Der spezifische Aufgabenbereich der Tischlerei in Berlin sei ein anderer als der des Hauptbetriebs in H. Die Tischlerei in Berlin arbeite überwiegend der Binnenwerft der DIW in Berlin zu, während die Betriebsstätte in H schwerpunktmäßig als Zulieferer von Schiffsmöbeln und Inneneinrichtungen für verschiedene Seeschiff- und Binnenwerften sowie in größerem Umfang auch als Fensterbau- und Montagebetrieb und Hersteller von Einbaumöbeln und Inneneinrichtungen tätig sei. Die Betriebsstätte in Berlin verfüge über eine eigenständige Organisation. Durch den Betriebsmeister K würden vor Ort unter Beachtung der Vorgaben der Geschäftsführung Ausschreibungen kalkuliert, Aufträge akquiriert, die Organisation der Arbeitsabläufe einschließlich der Zuweisung der Arbeitsschritte an die einzelnen Mitarbeiter vorgenommen, sowie die Arbeitsergebnisse nach Qualität und Termineinhaltung laufend überwacht. Aus dem Umstand, daß die Kündigungsschreiben, die Abmahnungen und der sonstige Schriftwechsel mit dem Kläger jeweils von der Geschäftsführung der Beklagten unterschrieben worden seien, könne nicht geschlossen werden, daß es dem Betrieb in Berlin an der organisatorischen Eigenständigkeit fehle.
[10] Auch verfassungsrechtlich bestünden keine Bedenken dagegen, die Kleinbetriebsklausel des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG auf ihren Betrieb in Berlin anzuwenden, obwohl er zu einem Unternehmen gehöre, in dem zusammengerechnet mehr als fünf Beschäftigte tätig seien.
[11] Das Arbeitsgericht hat der Klage mit dem oben wiedergegebenen Antrag stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Änderungsschutzklage.
[12] Entscheidungsgründe: Die Revision ist unbegründet. Die Betriebsstätte des Beklagten in Berlin ist kündigungsschutzrechtlich dem Betrieb in H zuzurechnen.
[13] I. Das Landesarbeitsgericht hat – kurz zusammengefaßt – angenommen, der Kläger genieße Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz. Dabei könne zugunsten der Beklagten unterstellt werden, daß es sich bei ihrer Berliner Betriebsstätte um einen eigenständigen Betrieb handele, für den angesichts der Zahl der dort beschäftigten Arbeitnehmer der allgemeine Kündigungsschutz nach § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG nicht gelten würde. Eine verfassungskonforme Auslegung der Kleinbetriebsklausel ergebe jedoch im Hinblick auf die weitere Betriebsstätte der Beklagten in H, daß auch die in Berlin beschäftigten Arbeitnehmer vom betrieblichen Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes erfaßt seien.
[14] II. Dem folgt der Senat jedenfalls im Ergebnis. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung vom 18. Januar 1999 sozial ungerechtfertigt ist (§ 2 Satz 1, § 1 Abs. 2 KSchG).
[15] 1. Die Revision rügt ohne Erfolg eine Verletzung des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG. Der betriebliche Anwendungsbereich des ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes ist gegeben. Dem Landesarbeitsgericht ist im Ergebnis darin zuzustimmen, daß bei der Ermittlung der Zahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer iSd. § 23 Abs. 1 KSchG die Arbeitnehmer der Betriebsstätten in Berlin und H zusammenzurechnen sind. Allerdings bedarf es hierzu keiner verfassungskonformen Auslegung der Kleinbetriebsklausel, denn bei der Betriebsstätte der Beklagten in Berlin handelt es sich nicht um einen selbständigen Betrieb, wie vom Landesarbeitsgericht unterstellt, sondern um einen unselbständigen Betriebsteil.
[16] a) Auch nach der Änderung des § 23 Abs. 1 KSchG durch das am 1. Januar 1999 in Kraft getretene Gesetz zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte vom 19. Dezember 1998 (BGBl. I S 3843) hat der Gesetzgeber für den Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes am Betriebsbegriff festgehalten. Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG in der ab 1. Januar 1999 geltenden Fassung finden die Vorschriften des ersten Abschnitts über den allgemeinen Kündigungsschutz ua. nicht auf Betriebe Anwendung, in denen in der Regel fünf oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten tätig werden. Diese Kleinbetriebsklausel ist verfassungsrechtlich, wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 27. Januar 1998 (- 1 BvL 15/87BVerfGE 97, 169) zu der – mit der vorliegend einschlägigen Gesetzesfassung wortgleichen – bis 30. September 1996 geltenden Vorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG entschieden hat, sowohl hinsichtlich der Größe des Kleinbetriebes als auch hinsichtlich der Anknüpfung an den Begriff "Betrieb" nicht zu beanstanden; soweit darunter im Einzelfall auch Teile größerer Unternehmen fallen, für die die Gesichtspunkte nicht zutreffen, die eine Benachteiligung der Arbeitnehmer von Kleinbetrieben bei der Ausgestaltung des Kündigungsrechts rechtfertigen, ist im Wege der verfassungskonformen Auslegung eine Beschränkung des Betriebsbegriffs auf solche Einheiten vorzunehmen, für deren Schutz die Kleinbetriebsklausel allein bestimmt ist.
[17] b) Das Kündigungsschutzgesetz enthält keine eigenständige Definition des Betriebsbegriffs. Nach dem in Rechtsprechung und Rechtslehre entwickelten Betriebsbegriff ist ein Betrieb die organisatorische Einheit, innerhalb derer der Arbeitgeber mit seinen Arbeitnehmern durch Einsatz technischer und immaterieller Mittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt, die sich nicht in der Befriedigung von Eigenbedarf erschöpfen (vgl. zB BAG 26. August 1971 – 2 AZR 233/70 – AP KSchG 1969 § 23 = EzA KSchG § 23 Nr. 1 zu II 1 der Gründe; Hueck/v. Hoyningen-Huene KSchG 12. Aufl. § 23 Rn 5 mwN). Da mit und in einem Betrieb mehrere Zwecke verfolgt werden können, ist in erster Linie auf die Einheit der Organisation, nicht auf die Einheit der arbeitstechnischen Zweckbestimmung abzustellen. Erforderlich ist ein Leitungsapparat, um insbesondere in personellen und sozialen Angelegenheiten wesentliche Entscheidungen selbständig treffen zu können (vgl. BAG 23. September 1982 – 6 ABR 42/81BAGE 40, 163, 165 f.). Von Betrieben zu unterscheiden sind Betriebsteile, die gegenüber dem Hauptbetrieb organisatorisch unselbständig sind und eine Teilfunktion von dessen arbeitstechnischem Zweck wahrnehmen. Betriebsteile zeichnen sich dadurch aus, daß sie über einen eigenen Arbeitnehmerstamm, eigene technische Hilfsmittel und eine durch die räumliche und funktionale Abgrenzung vom Hauptbetrieb bedingte relative Selbständigkeit verfügen. Andererseits fehlt ihnen aber ein eigenständiger Leitungsapparat (vgl. BAG 20. August 1998 – 2 AZR 84/98 – AP KSchG 1969 § 2 Nr. 50 = EzA KSchG § 2 Nr. 23 zu II 2 a aa der Gründe; 17. Februar 1983 – 6 ABR 64/81BAGE 41, 403, 405 f.). Die Vorschrift des § 23 KSchG differenziert nicht zwischen Betrieb und Betriebsteil, der unter den Voraussetzungen des § 4 Satz 1 BetrVG lediglich im Sinne einer Fiktion als selbständiger Betrieb iSd. Betriebsverfassungsgesetzes gilt. Ein Betrieb im kündigungsschutzrechtlichen Sinn setzt daher keine räumliche Einheit voraus (BAG 21. Juni 1995 – 2 AZR 693/94AP BetrVG 1972 § 1 Nr. 16 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 89; 21. Juni 1995 – 2 AZR 783/94 – nv., zu II 2 b aa der Gründe). Eine nur teilweise Verselbständigung eines Betriebsteils iSv. § 4 Satz 1 BetrVG hat nach der Senatsrechtsprechung nicht zur Konsequenz, daß dieser nach § 23 KSchG als selbständiger Betrieb iSd. Kündigungsschutzgesetzes anzusehen wäre (BAG 20. August 1998 – 2 AZR 84/98 – aaO zu II 2 a cc der Gründe). Auf die Kritik von Kania/Gilberg (NZA 2000, 678) an dieser Rechtsprechung kommt es hier nicht an, weil die Betriebsstätte der Beklagten in Berlin nicht die Voraussetzungen erfüllt, nach § 4 BetrVG als selbständiger Betrieb zu gelten.
[18] c) Nach dem im wesentlichen unstreitigen Parteivorbringen ist die Betriebsstätte in Berlin, in der der Kläger beschäftigt ist, lediglich ein unselbständiger Teil des Betriebes der Beklagten in H.
[19] Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen des betrieblichen Geltungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes trifft jedenfalls nach der bisherigen Rechtsprechung grundsätzlich den Arbeitnehmer (vgl. zB BAG 4. Juli 1957 – 2 AZR 86/55 – BAGE 4, 203, 207; 9. September 1982 – 2 AZR 253/80BAGE 40, 145, 155 f.; 18. Januar 1990 – 2 AZR 355/89AP KSchG 1969 § 23 Nr. 9 = EzA KSchG § 23 Nr. 9, zu III 2 der Gründe; Hueck/v. Hoyningen-Huene KSchG 12. Aufl. § 23 Rn 28; HK-KSchG/Kriebel 3. Aufl. § 23 Rn 36; aA KR-Weigand 5. Aufl. § 23 KSchG Rn 54a; Löwisch KSchG 8. Aufl. § 23 Rn 23; Reinecke NZA 1989, 577, 583 f.; Bader NZA 1997, 905, 910; Bepler AuR 1997, 56; jeweils mwN). Der Arbeitnehmer muß danach im einzelnen darlegen und gegebenenfalls beweisen, in einem Betrieb tätig zu sein, in dem in der Regel mehr als fünf Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten tätig sind. Dabei ist aber zu beachten, daß dem objektiven Gehalt der Grundrechte – hier des Art. 12 GG – auch im Verfahrensrecht Bedeutung zukommt (BVerfG 27. Januar 1998 – 1 BvL 15/87BVerfGE 97, 169). Nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast, die auch für die Fragen des Betriebsbegriffs gelten, dürfen keine strengen Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitnehmers gestellt werden (Stahlhacke/Preis/Vossen Kündigung und Kündigungsschutz 7. Aufl. Rn 606 c; Hueck/v. Hoyningen-Huene KSchG 12. Aufl. § 23 Rn 28). Es reicht in der Regel aus, wenn der Arbeitnehmer die äußeren Umstände schlüssig darlegt, die für die Annahme sprechen, daß die Betriebsstätte, in der er beschäftigt ist, über keinen eigenständigen Leitungsapparat verfügt, diese vielmehr zentral gelenkt wird. Hat der Arbeitnehmer schlüssig derartige Umstände behauptet, so hat der Arbeitgeber hierauf gemäß § 138 Abs. 2 ZPO im einzelnen zu erklären, welche rechtserheblichen Umstände gegen die Annahme eines einheitlichen Leitungsapparates für mehrere Betriebsstätten sprechen (zu der Konstellation des Gemeinschaftsbetriebs mehrerer Unternehmer vgl. BAG 18. Januar 1990 – 2 AZR 355/89AP KSchG 1969 § 23 Nr. 9 = EzA KSchG § 23 Nr. 9, zu III 2 der Gründe; 23. März 1984 – 7 AZR 515/82BAGE 45, 259, 268). Nach dem Prinzip der Sachnähe ist regelmäßig nur der Arbeitgeber in der Lage, nähere Auskunft über die betrieblichen Führungsstrukturen zu geben.
[20] Ob der Grundrechtsschutz des Arbeitnehmers noch weitergehende Konsequenzen hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast erfordert, kann hier offenbleiben, da schon nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast feststeht, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers dem Kündigungsschutzgesetz unterfällt. Der Kläger hat schlüssig Umstände dargelegt, die für die organisatorische Unselbständigkeit der Betriebsstätte in Berlin sprechen. Er hat insbesondere auf die verschiedenen schriftlichen Abmahnungen und auf die schriftlichen Aufforderungen der Geschäftsführung der Beklagten verwiesen, zu Arbeitseinsätzen auf auswärtigen Baustellen der H Betriebsstätte zu erscheinen. Demgegenüber hat die Beklagte keine Gesichtspunkte vorgetragen, die die Annahme tragen, die Tischlerei in Berlin mit nur drei Arbeitnehmern verfüge über eine eigenständige betriebliche Organisation. Die Entfernung der Betriebsstätten Berlin und H ist unerheblich. Die Fiktion des § 4 Satz 1 BetrVG könnte vorliegend schon deshalb nicht dazu führen, die Betriebsstätte in Berlin als selbständigen Betrieb anzusehen, weil diese mit nur drei Arbeitnehmern nicht die Voraussetzungen des § 1 BetrVG erfüllt. Auf die von der Beklagten behaupteten, nur teilweise unterschiedlichen Aufgabenbereiche der beiden Betriebsstätten kommt es nicht an, da die in einem einheitlichen Betrieb verfolgten arbeitstechnischen Zwecke verschieden sein können. Insbesondere rechtfertigt der Vortrag der Beklagten nicht den Schluß auf einen eigenständigen Leitungsapparat der Betriebsstätte in Berlin. Schon vor der Übernahme der Tischlerei der DIW durch die Beklagte nach § 613 a BGB stellte diese Tischlerei keine eigenständige organisatorische Einheit dar. Die Beklagte trägt selbst vor, sie habe die Tischlerei als einen aus der DIW abgespaltenen Betriebsteil übernommen. Der Vorarbeiter, der die Arbeitsorganisation schon bei der DIW leitete, blieb auch nach der Betriebsübernahme als Meister Vorgesetzter des Klägers und seines Kollegen. Soweit die Beklagte vorgetragen hat, durch den in Berlin tätigen Betriebsmeister würden unter Beachtung der Vorgaben der Geschäftsführung Ausschreibungen kalkuliert, Aufträge akquiriert, die Organisation der Arbeitsabläufe einschließlich der Zuweisung der Arbeitsschritte an die einzelnen Arbeitnehmer vorgenommen, sowie die Arbeitsergebnisse nach Qualität und Termineinhaltung laufend überwacht, so mögen in wirtschaftlich-kaufmännischer Hinsicht zwar in diesem Umfang gewisse organisatorische Strukturen bestehen. Für die Annahme eines selbständigen Betriebes reichen diese allerdings nicht aus. Es handelt sich, wie der Kläger zutreffend geltend macht, um die üblichen Tätigkeiten eines Meisters, die ihm im Rahmen seiner Vorgesetztenfunktion nach den Vorgaben der Geschäftsführung obliegen. Die wesentlichen Arbeitgeberfunktionen in sozialen und personellen Angelegenheiten wurden durch den Hauptbetrieb in H ausgeübt. Der Hauptbetrieb erteilte Abmahnungen, sprach Kündigungen aus und nahm das Direktionsrecht wahr (Weisung, auf bestimmten Baustellen bzw. Schiffsbaustellen zu erscheinen). Der Meister in Berlin wurde beispielsweise nur informiert, man "erwarte" die beiden Berliner Arbeitnehmer an dem fraglichen Tag um 6. 50 Uhr in H. Die Kompetenzen des Meisters der Berliner Betriebsstätte sind damit allenfalls denen des Leiters einer Betriebsabteilung vergleichbar.
[21] d) Auf die vom Landesarbeitsgericht in erster Linie geprüfte Frage, ob, unterstellt, die Berliner Betriebsstätte wäre als selbständiger Betrieb mit eigenständigem Leitungsapparat anzusehen, der betriebliche Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes gleichwohl eröffnet wäre, kommt es damit nicht mehr an. Ebenso kann unerörtert bleiben, ob dem Landesarbeitsgericht, was bedenklich erscheint, darin zu folgen ist, die Anwendung des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG setze voraus, daß für den Kleinbetrieb alle Gesichtspunkte zutreffen, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluß 27. Januar 1998 – 1 BvL 15/87BVerfGE 97, 169) einen Ausschluß des Kündigungsschutzes für die betroffenen Arbeitnehmer rechtfertigen (für einen Kleinbetrieb typische Art der Zusammenarbeit der Arbeitnehmer und des Arbeitgebers, geringe Finanzausstattung und Verwaltungskapazität des Unternehmers).
[22] 2. War nach alledem der erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes anwendbar, weil bei der Ermittlung der Zahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer die Mitarbeiter der Betriebsstätte in H in die Berechnung einzubeziehen waren, hätte die Änderung der Arbeitsbedingungen des Klägers der sozialen Rechtfertigung bedurft (§ 2 Satz 1, § 1 Abs. 2 KSchG). Die Beklagte hat aber kein dringendes betriebliches Erfordernis für die Änderung der Arbeitsbedingungen dargelegt. Die Änderung der Arbeitsbedingungen ist auch nicht kraft Gesetzes wirksam geworden. Der vom Kläger innerhalb der Frist des § 2 Satz 2 KSchG erklärte Vorbehalt ist nicht gemäß § 7 Halbsatz 2 KSchG erloschen, da der Kläger die Änderungsschutzklage rechtzeitig am 3. Februar 1999 beim Arbeitsgericht eingereicht hat (§ 4 KSchG, § 270 Abs. 3 ZPO).