Bundesarbeitsgericht
Baugewerbe – Auskunftsansprüche nach dem VTV – unzulässige Rechtsausübung

BAG, Urteil vom 9. 12. 2009 – 10 AZR 850/08 (lexetius.com/2009,4227)

[1] 1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. August 2008 – 10 Sa 908/08 – aufgehoben.
[2] 2. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 28. Februar 2008 – 70 Ca 62814/07 – abgeändert.
[3] 3. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin auf dem von ihr zur Verfügung gestellten Formular Auskunft darüber zu erteilen, wie viele gewerbliche Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den Monaten Oktober 2006 bis Juli 2007 in dem Betrieb der Beklagten beschäftigt wurden und welche Bruttolohnsumme und welche Sozialkassenbeiträge insgesamt für diese Arbeitnehmer in den genannten Monaten angefallen sind.
[4] 4. Im Übrigen wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
[5] Tatbestand: Die Parteien streiten über Auskunftsansprüche nebst Entschädigungszahlung nach dem Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 20. Dezember 1999 in den jeweils maßgeblichen Fassungen (VTV) für den Zeitraum von Oktober 2006 bis Juli 2007.
[6] Die Klägerin ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes.
[7] Im Betrieb der Beklagten übten die gewerblichen Arbeitnehmer seit dem Jahr 1996, auch im streitgegenständlichen Zeitraum, zu mehr als 50 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit folgende Arbeiten aus: Anstreich- und Tapezierarbeiten (nicht mehr als 40 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit), Elektroinstallationen (nicht mehr als 11 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit), Gas-, Wasser- und Heizungsinstallationen (nicht mehr als 16 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit), Betonarbeiten, Fliesenverlegearbeiten, Maurerarbeiten, Trockenbauarbeiten und Zimmererarbeiten.
[8] Zwischen den Parteien gab es bereits seit dem Jahr 1996 Erörterungen über die Frage, ob der Betrieb unter die Beitragspflicht des VTV fällt. Mit Schreiben vom 18. Oktober 2001 teilte die Klägerin der Beklagten mit:
"… wir nehmen Bezug auf den geführten Schriftwechsel sowie die im August 2001 erfolgten Betriebsbesuche unserer Außendienstmitarbeiterin, Frau G.
Nach einer eingehenden Überprüfung der vorliegenden Sach- und Rechtslage kommen wir zu folgendem Ergebnis:
Wir gehen – entgegen der von uns bislang vertretenen Auffassung – davon aus, dass es sich bei dem im Betreff genannten Unternehmen um einen einheitlich strukturierten Betrieb handelt, der – arbeitszeitlich gesehen – überwiegend baufremde Tätigkeiten (wie z. B. Sanitär-, Heizungs- u. Elektroinstallationen, Malerarbeiten) ausführt bzw. ausgeführt hat.
Deshalb haben wir das hier geführte Beitragskonto … für gewerbliche Arbeitnehmer per 01. 06. 1996 – also per Eröffnung – gelöscht.
Sobald sich die Betriebstätigkeit der P GmbH, hin zu überwiegend baugewerblichen Arbeiten, verändert oder die Unternehmensstruktur im Hinblick auf eine selbständige Betriebsabteilung 'Bau' geändert wird, besteht die Verpflichtung, aber auch die Berechtigung zur Teilnahme an den Sozialkassenverfahren der Bauwirtschaft. …"
[9] In einem weiteren Schreiben der Klägerin an die Beklagte vom 17. Dezember 2003 heißt es:
"… wir nehmen Bezug auf den geführten Schriftwechsel sowie den am 14. 10. 2003 erfolgten Betriebsbesuch unseres Außendienstmitarbeiters, Herrn S.
Nach eingehender Überprüfung der vor Ort getroffenen Feststellungen kommen wir zu dem Ergebnis, dass es sich bei Ihrem Unternehmen auch weiterhin um keinen baugewerblichen Betrieb im Sinne des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) handelt.
Sobald Sie in Ihrem Betrieb überwiegend Arbeiten ausführen, die unter den betrieblichen Geltungsbereich der Bau-Tarifverträge fallen, besteht für Sie die Verpflichtung, aber auch die Berechtigung zur Teilnahme an den Sozialkassenverfahren der Bauwirtschaft.
Sollten Sie uns trotz dieser Hinweise über künftige Veränderungen Ihres Betriebes hinsichtlich der baulichen Leistungen im Tarifsinne nicht informieren, müssen Sie gegebenenfalls mit Beitragsnachforderungen oder Schadensersatzansprüchen rechnen. …"
[10] Im Jahre 2006 bewertete die Klägerin – ohne dass sich die Struktur der Beklagten verändert hätte – den Sachverhalt anders. Sie hielt die Beklagte nunmehr für beitragspflichtig und eröffnete per 1. Oktober 2006 ein Beitragskonto. Nachdem sie die Beklagte zunächst mit Schreiben vom 27. Oktober 2006 darauf hingewiesen hatte, dass ihr zwischenzeitlich Informationen vorlägen, das Unternehmen führe überwiegend Arbeiten im Sinne der Bau-Tarifverträge aus, heißt es in einem weiteren Schreiben der Klägerin vom 19. Dezember 2006:
"… wir nehmen Bezug auf das in Ihrem Hause am 06. 12. 2006 geführte Gespräch zwischen Ihnen und Herrn D sowie unseren Mitarbeitern, Frau L und Herrn K.
Wie Sie dem Urteil des Landesarbeitsgerichtes Berlin, das Ihnen im Rahmen des oben genannten Gespräches übergeben wurde, entnehmen können, handelt es sich bei den von Ihnen ausgeübten Tätigkeiten (Maurer-, Fliesen-, Heizungs-, Elektro-, Tischlerarbeiten etc.) um baugewerbliche Leistungen im Sinne des § 1 Abs. 2 Abschn. II Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe. Da diese Arbeiten von Ihnen im Rahmen von Modernisierungs- und Renovierungsaufträgen erbracht werden, dienen diese der Instandsetzung und Instandhaltung von Bauwerken.
Aus diesem Sachverhalt heraus ergibt sich für Ihr Unternehmen eine Verpflichtung zur Teilnahme an den Sozialkassenverfahren der Bauwirtschaft. Wir beabsichtigen daher, ein Beitragskonto für gewerbliche Arbeitnehmer per 01. 10. 2006 einzurichten. …"
[11] Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei entgegen der ursprünglich in den Jahren 2001 und 2003 geäußerten Rechtsauffassung beitragspflichtig. Seinerzeit sei die Klägerin irrtümlich davon ausgegangen, dass die im Betrieb verrichteten Sanitär-, Heizungs-, Elektro- und Malerarbeiten baufremd seien. In Wirklichkeit handele es sich auch dabei um baugewerbliche Leistungen iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV. Die Ausnahmeregelung des § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV greife nicht, da die einzelnen Ausnahmetatbestände nicht zusammenzurechnen seien. Einen Vergleich mit der Beklagten, wonach diese bei unveränderter Betriebsstruktur von der Beitragspflicht befreit bleibe, habe sie nicht geschlossen. Die Schreiben aus den Jahren 2001 und 2003 hätten sich nicht auf die Zukunft, sondern auf den damals aktuellen Zeitpunkt und die Vergangenheit bezogen und enthielten einseitige Festsetzungen. Über die Tarifunterworfenheit könnten die Parteien ohnehin weder durch Vergleich noch durch Verzicht disponieren. Der Anspruch sei auch nicht verwirkt. Seine Geltendmachung verstoße nicht gegen Treu und Glauben. Der anwaltlich beratenen Beklagten hätte die maßgebliche Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bekannt sein müssen. Die Beklagte sei in den Schreiben vom 27. Oktober 2006 und 19. Dezember 2006 auf den Irrtum hingewiesen worden. Spätestens damit sei ein etwaiges Vertrauen auf die früheren Mitteilungen entfallen.
[12] Die Klägerin hat zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihr auf dem von ihr zur Verfügung gestellten Formular Auskunft darüber zu erteilen, wie viele gewerbliche Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den Monaten Oktober 2006 bis Juli 2007 in dem Betrieb der Beklagtenseite beschäftigt wurden, welche Bruttolohnsumme und welche Sozialkassenbeiträge insgesamt für diese Arbeitnehmer in den jeweils genannten Monaten angefallen sind; die Beklagte für den Fall, dass diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Urteilszustellung erfüllt wird, zu verurteilen, an sie eine Entschädigungssumme in Höhe von 249.500,00 Euro zu zahlen.
[13] Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, dass der betriebliche Geltungsbereich des VTV aufgrund der Ausnahmetatbestände in § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV nicht eröffnet sei. Wenn in einem Betrieb über zwei Drittel der Arbeitsstunden baufremd seien, müssten diese auch zusammengerechnet werden. Im Übrigen sei zweifelhaft, ob die Allgemeinverbindlicherklärung des VTV wirksam sei. Zum einen berücksichtige sie den Rechtsformwechsel der Klägerin in eine Aktiengesellschaft nicht, zum anderen verstoße sie gegen Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG, da die Beklagte keinerlei Leistungen der Klägerin in Anspruch nehmen könne. Jedenfalls stehe der Geltendmachung des Auskunftsanspruchs ein Tatsachenvergleich entgegen, der nach jahrelangem Streit auf der Grundlage des Schreibens der Klägerin vom 18. Oktober 2001 geschlossen worden sei. Da die Betriebsstruktur unverändert fortbestehe, gelte der Vergleich fort. Die Klägerin habe damit auf eine gerichtliche Klärung der Beitragspflicht verzichtet. Zumindest sei der geltend gemachte Anspruch verwirkt. Sie, die Beklagte, habe ihre Dispositionen hinsichtlich Rückstellungen und Kalkulation von Löhnen und Aufträgen im Vertrauen auf die Schreiben der Jahre 2001 und 2003 getroffen. Der Vertrauensschutz wirke auch in die Zukunft.
[14] Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter, während die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
[15] Entscheidungsgründe: Die Revision ist zulässig und begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Auskunftsanspruch nach § 21 Abs. 1 VTV zu. Dem steht weder der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung noch der Abschluss eines Vergleichs entgegen. Hinsichtlich der Höhe der Entschädigungszahlung war der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
[16] A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, wegen der Erklärungen der Klägerin aus den Jahren 2001 und 2003 sei der Auskunftsanspruch angesichts der unveränderten Struktur der Beklagten nicht begründet. Seine Geltendmachung sei ausgeschlossen, da eine unzulässige Rechtsausübung der Klägerin durch widersprüchliches Verhalten vorliege. § 4 Abs. 4 TVG beziehe sich nur auf Verzicht und Verwirkung, nicht auf andere Fälle der treuwidrigen Geltendmachung von Rechten. Die Klägerin habe trotz Kenntnis oder Kennenmüssens der Rechtslage im Jahre 2001 erklärt und im Jahre 2003 bekräftigt, dass die Beklagte nicht verpflichtet sei, am Sozialkassenverfahren teilzunehmen, solange sich an der Verteilung der Arbeitszeiten auf die einzelnen Gewerke nichts Wesentliches ändere. Auf die Wirksamkeit dieser Erklärungen habe die Beklagte vertrauen dürfen. Dies gelte erst recht dann, wenn der Beklagten die einschlägige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bekannt gewesen sei. Das Vertrauen der Beklagten sei angesichts der getroffenen Dispositionen auch schutzwürdig.
[17] B. Diese Begründung ist nicht frei von Rechtsfehlern.
[18] I. Die Revision ist zulässig. Die Revisionsbegründung der Klägerin genügt den Anforderungen.
[19] 1. Zur ordnungsgemäßen Begründung der Revision gehört bei Sachrügen gemäß § 72 Abs. 5 ArbGG, § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt. Die Revisionsbegründung muss die Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Sie muss sich mit den Urteilsgründen des angefochtenen Urteils auseinandersetzen (st. Rspr., vgl. etwa BAG 28. Januar 2009 – 4 AZR 912/07 – EzA ZPO 2002 § 551 Nr. 10; 11. Oktober 2006 – 4 AZR 544/05 – EzA ZPO 2002 § 551 Nr. 3).
[20] 2. Gemessen daran ist die Revision der Klägerin hinreichend begründet worden. Es trifft zwar zu, dass die Revisionsbegründung den vom Landesarbeitsgericht entscheidend herangezogenen Einwand des widersprüchlichen Verhaltens nicht ausdrücklich erwähnt, gleichwohl setzt sie sich mit dessen Voraussetzungen und der diesbezüglichen Argumentation des Berufungsgerichts auseinander. Insbesondere begründet sie, weshalb aus ihrer Sicht unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Sozialkassenverfahrens kein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten angenommen werden könne. Dies reicht aus, um Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar zu machen.
[21] II. Die Revision ist begründet.
[22] Die Klägerin hat für den Zeitraum von Oktober 2006 bis Juli 2007 gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erteilung der begehrten Auskünfte gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 und 2 VTV und für den Fall der Nichterteilung einen Anspruch auf eine Entschädigung gemäß § 61 Abs. 2 Satz 1 ArbGG.
[23] 1. Der VTV fand gemäß § 5 Abs. 4, § 4 Abs. 2 TVG im maßgeblichen Zeitraum aufgrund einer Allgemeinverbindlicherklärung mit unmittelbarer und zwingender Wirkung auf das Verhältnis der Parteien Anwendung.
[24] a) Der Rechtsformwechsel der Klägerin vom Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG) zur Aktiengesellschaft betrifft die für den streitgegenständlichen Zeitraum maßgebliche Allgemeinverbindlicherklärung des VTV bereits in zeitlicher Hinsicht nicht. Der VTV wurde gemäß der Bekanntmachung über die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifvertragswerken für das Baugewerbe vom 24. Februar 2006 mit Wirkung vom 1. Januar 2006 für allgemeinverbindlich erklärt. Diese Allgemeinverbindlichkeit endete am 30. September 2007. Der Rechtsformwechsel der Klägerin wurde erst am 21. Dezember 2007 ins Handelsregister eingetragen. Die Klägerin ist als Rechtsnachfolgerin Inhaberin der noch zugunsten des VVaG entstandenen Auskunftsansprüche geworden. Eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien kann auch als Aktiengesellschaft ausgestaltet werden (vgl. Wiedemann/Oetker TVG 7. Aufl. § 1 Rn. 819, 821; Däubler/Hensche TVG 2. Aufl. § 1 Rn. 936; Däubler Tarifvertragsrecht 3. Aufl. Rn. 1138; Löwisch/Rieble TVG 2. Aufl. § 4 Rn. 177; aA Kempen/Zachert/Kempen TVG 4. Aufl. § 4 Rn. 235). Nach behördlichen Vorgaben war die Wahl der Aktiengesellschaft als Rechtsform aus versicherungsaufsichtsrechtlichen Gründen sogar geboten (vgl. § 7 Abs. 1 VAG; Wiedemann/Oetker § 1 Rn. 819).
[25] b) Die Allgemeinverbindlicherklärung des VTV ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesarbeitsgerichts liegt in der Auferlegung von Beitragspflichten zu einer Sozialkasse für Außenseiter kraft Allgemeinverbindlicherklärung kein Verstoß gegen die negative Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG), die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) oder die Gewährleistung des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG; vgl. BVerfG 10. September 1991 – 1 BvR 561/89AP TVG § 5 Nr. 27; 15. Juli 1980 – 1 BvR 24/74, 1 BvR 439/79BVerfGE 55, 7; BAG 22. September 1993 – 10 AZR 371/92BAGE 74, 226). Das gilt unabhängig davon, ob und unter welchen tarifvertraglichen Voraussetzungen die Beklagte Leistungen der Sozialkasse in Anspruch nehmen kann.
[26] 2. Der Betrieb der Beklagten fiel im maßgeblichen Zeitraum unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV.
[27] a) Für die Frage, ob in einem Betrieb vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasste Tätigkeiten verrichtet werden, ist auf die arbeitszeitlich überwiegende Tätigkeit der Arbeitnehmer abzustellen, nicht hingegen auf wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz und Verdienst oder auf handels- und gewerberechtliche Kriterien (st. Rspr., vgl. etwa BAG 1. April 2009 – 10 AZR 593/08 –; 15. November 2006 – 10 AZR 698/05BAGE 120, 197). Nach § 1 Abs. 2 Abschn. VI VTV werden Betriebe als Ganzes vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasst, wenn in ihnen arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeführt werden, die unter die Abschn. I bis V des § 1 Abs. 2 VTV fallen.
[28] Betriebe, in denen überwiegend eine oder mehrere der in den Beispielen des § 1 Abs. 2 Abschn. V genannten Tätigkeiten ausgeführt werden, fallen unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV, ohne dass die Erfordernisse der allgemeinen Merkmale der Abschn. I bis III geprüft werden müssen (st. Rspr., vgl. etwa BAG 23. Februar 2005 – 10 AZR 413/04 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 271 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 118).
[29] Gemäß Abschn. II werden solche Betriebe vom VTV erfasst, die nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich bauliche Leistungen erbringen, die der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Bauliche Leistungen umfassen alle Arbeiten, die – wenn auch nur auf einem kleinen und speziellen Gebiet – der Errichtung und Vollendung von Bauwerken oder der Instandsetzung, Instandhaltung oder Änderung von Bauwerken zu dienen bestimmt sind, damit diese in vollem Umfange ihre bestimmungsgemäßen Zwecke erfüllen können. Hierzu gehören auch die Arbeiten des Ausbaugewerbes (BAG 20. April 2005 – 10 AZR 282/04 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Elektrohandwerk Nr. 3; 5. September 1990 – 4 AZR 82/90 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 135).
[30] b) Zwar wurden im Betrieb der Beklagten nicht überwiegend unter den Abschn. V des § 1 Abs. 2 VTV fallende Arbeiten ausgeführt, da die Beton-, Fliesenverlege-, Maurer-, Trockenbau- und Zimmererarbeiten (vgl. Nrn. 5, 15, 23, 37, 42 des Abschn. V) nicht überwogen. Das Landesarbeitsgericht hat aber unangefochten festgestellt, dass die weiteren Arbeiten (Anstreich- und Tapezierarbeiten, Elektro-, Gas-, Wasser- und Heizungsinstallationen) der Erstellung, Instandsetzung oder Änderung von Bauwerken dienten. Damit ist nach § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV der betriebliche Geltungsbereich des Tarifvertrags eröffnet.
[31] 3. Zugunsten der Beklagten greift kein Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV ein.
[32] a) § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV nimmt Betriebe verschiedener Handwerks- und Gewerbezweige vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV aus, so gemäß Nr. 6 und Nr. 12 Betriebe des Maler- und Lackiererhandwerks, des Klempnerhandwerks, des Gas- und Wasserinstallationsgewerbes, des Elektroinstallationsgewerbes, des Zentralheizungsbauer- und Lüftungsbauergewerbes sowie des Klimaanlagenbaus, soweit nicht Arbeiten der in Abschn. IV und V aufgeführten Art ausgeführt werden. Ein Betrieb im Sinne der Ausnahmetatbestände kann aber nur dann vorliegen, wenn in ihm arbeitszeitlich zu mehr als der Hälfte Tätigkeiten verrichtet werden, die als solche einem der jeweiligen Handwerks- oder Gewerbezweige zuzuordnen sind (BAG 9. Dezember 1998 – 10 AZR 248/98 –; 18. Mai 1994 – 10 AZR 646/93 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 180). Einzelne, verschiedenen Ausnahmetatbeständen des § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV zuzuordnende Tätigkeiten sind nicht zusammenzurechnen. Dies folgt aus dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck des Ausnahmekatalogs, Tarifkonkurrenz und Tarifpluralität zu vermeiden (BAG 25. November 2009 – 10 AZR 737/08 –; 21. Oktober 2009 – 10 AZR 73/09 –; 18. Mai 1994 – 10 AZR 646/93 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 180).
[33] b) Danach ist der Betrieb der Beklagten nicht ausgenommen. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts fielen Anstreich- und Tapezierarbeiten zu nicht mehr als 40 %, Elektroinstallationen zu nicht mehr als 11 % und Gas-, Wasser- und Heizungsinstallationen zu nicht mehr als 16 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit an.
[34] 4. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Klägerin habe ihre Rechte unzulässig ausgeübt, weil sie sich widersprüchlich verhalten habe, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Ein Vertrauen der Beklagten darauf, die Klägerin werde ihre Rechte in Zukunft nicht ausüben, ist nicht schutzwürdig.
[35] a) Der Grundsatz von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung. Die gegen § 242 BGB verstoßende Rechtsausübung oder Ausnutzung einer Rechtslage ist unzulässig. Rechte können dann unzulässig ausgeübt werden, wenn sich der Anspruchsteller damit in Widerspruch zu seinem eigenen vorausgegangenen Verhalten setzt. Ein widersprüchliches Verhalten ist aber erst dann rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein schützenswerter Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn sonstige besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (st. Rspr., vgl. etwa BAG 12. März 2009 – 2 AZR 894/07AP BGB § 626 Nr. 221 = EzA BGB 2002 § 242 Kündigung Nr. 8; 13. Dezember 2007 – 2 AZR 971/06BAGE 125, 198; 14. Oktober 2003 – 9 AZR 657/02 – AP BGB § 670 Nr. 32 = EzA BGB 2002 § 670 Nr. 1; 4. Dezember 2002 – 5 AZR 556/01BAGE 104, 86).
[36] § 4 Abs. 4 Satz 2 TVG hindert den Einwand einer unzulässigen Rechtsausübung nicht. Hiernach ist die Verwirkung von tariflichen Rechten ausgeschlossen. Auch wenn das die tariflichen Rechte der Sozialkassen mitumfasst (offenlassend BAG 18. Mai 1994 – 10 AZR 646/93 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 180), schließt die Bestimmung jedenfalls allein die Verwirkung im eigentlichen Sinne, also die illoyal verspätete Geltendmachung von tariflichen Rechten aus (vgl. BAG 17. September 2003 – 4 AZR 540/02BAGE 107, 304; 9. August 1990 – 2 AZR 579/89 – AP BGB § 615 Nr. 46 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 88).
[37] In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine fehlerhafte tarifliche Bewertung der Tätigkeit aufgrund eines Rechtsirrtums und die daraus resultierende übertarifliche Bezahlung im Regelfall korrigiert werden können (sog. korrigierende Rückgruppierung; vgl. etwa BAG 22. Juli 2004 – 8 AZR 352/03 – EzBAT BAT §§ 22, 23 M. Lehrer Nr. 125). Die tarifliche Bewertung ist allein aufgrund objektiver Merkmale nach den tariflichen Bestimmungen vorzunehmen. Wird das Ergebnis der Bewertung einer Tätigkeit mitgeteilt, liegt darin nur die Äußerung einer Rechtsauffassung, die im Falle eines Bewertungsirrtums grundsätzlich korrigiert werden kann. Im Einzelfall kann das Sich-Berufen auf den Fehler wegen eines schutzwürdigen Vertrauens in den Fortbestand der bisherigen Bewertung gegen Treu und Glauben verstoßen (vgl. BAG 27. August 2008 – 4 AZR 484/07AP TVG § 1 Auslegung Nr. 210; 24. Januar 2007 – 4 AZR 28/06NZA-RR 2007, 495; 14. September 2005 – 4 AZR 348/04AP BAT-O § 2 Nr. 3).
[38] Die Würdigung der Tatsachengerichte, ob bei einer bestimmten Sachlage eine unzulässige Rechtsausübung aufgrund widersprüchlichen Verhaltens vorliegt, ist in der Revisionsinstanz als Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs nur eingeschränkt darauf überprüfbar, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die maßgebliche Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob es in sich widerspruchsfrei ist (BAG 24. Januar 2007 – 4 AZR 28/06NZA-RR 2007, 495; 16. Januar 2003 – 2 AZR 653/01 – AP SeemG § 67 Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 242 Kündigung Nr. 3).
[39] b) Allerdings hat sich die Klägerin der Beklagten gegenüber widersprüchlich verhalten. Soweit das Berufungsgericht angenommen hat, die Klägerin habe im Schreiben vom 18. Oktober 2001 gegenüber der Beklagten ausdrücklich erklärt, dass diese an dem Sozialkassenverfahren nicht teilnehme, solange sich an der Verteilung der Arbeitszeiten auf die einzelnen Gewerke nichts Wesentliches ändere und sie dies im Schreiben vom 17. Dezember 2003 nochmals bekräftigt habe, liegt kein Rechtsfehler vor. Zu den wiederholten Erklärungen steht es in Widerspruch, wenn die Klägerin trotz unveränderter Lage die Beklagte ab Oktober 2006 zur Teilnahme am Sozialkassenverfahren heranzieht.
[40] c) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts fehlt es jedenfalls ab Oktober 2006 an einem schützenswerten Vertrauen, das die Geltendmachung eines Auskunfts- und Entschädigungsanspruchs als rechtsmissbräuchlich erscheinen ließe.
[41] Das Landesarbeitsgericht hat außer Betracht gelassen, dass die zugunsten der Sozialkasse bestehenden Auskunfts- und Beitragspflichten nicht nur das Verhältnis zwischen den Parteien, sondern schutzwürdige Drittinteressen betreffen. Aus diesem Grund legt der VTV in § 32 Abs. 1 der ZVK ausdrücklich die Pflicht auf, die von ihr einzuziehenden Beiträge rechtzeitig und vollständig zu erheben. Das bedeutet, dass sie sie auch gleichmäßig von allen tarifunterworfenen Arbeitgebern zu erheben hat und nicht einige ausnehmen darf. Der Erlass von Ansprüchen ist nur unter den in § 32 Abs. 2 VTV besonders geregelten Voraussetzungen möglich. Das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe soll den besonderen tatsächlichen Arbeits- und Produktionsbedingungen dieses Wirtschaftszweigs Rechnung tragen. Die von den Tarifvertragsparteien geschaffenen gemeinsamen Einrichtungen dienen in erster Linie den Interessen der Arbeitnehmer. Diesen soll beispielsweise durch besondere Urlaubsregelungen ermöglicht werden, trotz eines Wechsels des Arbeitgebers einen zusammenhängenden Urlaubsanspruch zu erwerben. Durch eine Zusatzversorgung wird einer Minderung der Rente durch häufige Arbeitsausfälle entgegengewirkt. Auf Arbeitgeberseite kommt es zu einer Form des gemeinsamen Lastenausgleichs (näher Koch Die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes Rn. 5 ff.; Preis/Temming Die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse im Kontext des Gemeinschaftsrechts S. 22).
[42] Diese übergeordneten Interessen würden missachtet, könnte sich die Beklagte aufgrund eines Rechtsirrtums der Klägerin auf Dauer unter Berufung auf den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung dem Sozialkassenverfahren entziehen. Wäre die Beklagte bei unveränderter betrieblicher Tätigkeit dauerhaft von den Verpflichtungen des VTV befreit, geschähe dies auf Kosten vor allem ihrer Arbeitnehmer, aber auch ihrer Wettbewerber. Die Einstellung dieser gewichtigen Drittinteressen in eine Abwägung (vgl. dazu Soergel/Teichmann BGB 12. Aufl. § 242 Rn. 323; zum Überwiegen von Gläubigerinteressen gegenüber einer Berufung auf § 242 im Konkursverfahren vgl. BGH 25. Februar 1983 – V ZR 20/82NJW 1983, 1619) führt dazu, dass die Belange der Beklagten jedenfalls für den streitgegenständlichen Zeitraum zurückzutreten haben. Der tarifwidrige Zustand darf nicht verstetigt werden. Das muss dem betroffenen Arbeitgeber bewusst sein. Dadurch unterscheidet sich der vorliegende Fall von der sog. korrigierenden Rückgruppierung, gegenüber der der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung aufgrund widersprüchlichen Verhaltens auch zukunftsbezogen ausnahmsweise möglich ist (vgl. BAG 23. August 2006 – 4 AZR 417/05BAGE 119, 205; 14. September 2005 – 4 AZR 348/04AP BAT-O § 2 Nr. 3). Die Schutzwürdigkeit des Vertrauens kann nicht mit den von der Beklagten getroffenen Dispositionen begründet werden. Diese sind umkehrbar und wirken nicht in alle Zukunft fort. Insofern müssen die tarifunterworfenen Arbeitgeber, unabhängig von ihrer eigenen Beurteilung der Rechtslage, auch bei deutlichen Festlegungen der ZVK jederzeit mit einer Korrektur rechnen.
[43] Jedenfalls ab Oktober 2006 ist demnach ein bis dahin bestehendes Vertrauen nicht mehr schutzwürdig (zur späteren Beseitigung eines bestehenden Vertrauensschutzes aufgrund einer Klarstellung der Rechtslage vgl. BAG 21. November 2006 – 3 AZR 387/05AP BetrAVG § 1 Beamtenversorgung Nr. 18; PWW/Schmidt-Kessel BGB 4. Aufl. § 242 Rn. 45). Bereits das Schreiben vom 27. Oktober 2006 lässt erkennen, dass die Klägerin von einer Beitragspflicht der Beklagten ausging. Auch wenn es allgemein gehalten ist und nicht auf die Rechtslage eingeht, musste die Beklagte damit rechnen, dass sie wegen der am 15. des Folgemonats fälligen Beiträge für Oktober 2006 und die folgenden Beiträge zur Zahlung herangezogen werde.
[44] 5. Eine vergleichsweise oder sonstige rechtsgeschäftliche Regelung steht dem Begehren der Klägerin nicht entgegen.
[45] a) Das Schreiben der Klägerin vom 18. Oktober 2001 enthält weder ein Angebot zum Abschluss eines Vergleichs noch die Annahme eines von der Beklagten abgegebenen Angebots. Vielmehr handelt es sich um die Mitteilung einer rechtlichen Bewertung des festgestellten Sachverhalts und damit nicht um eine Willenserklärung. Es ging nicht um die Gestaltung der Rechtslage. Das ist nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont der Beklagten eindeutig. Ein Tatsachenvergleich, wie vom Arbeitsgericht angenommen, wäre zwar ohne die Beschränkung des § 4 Abs. 4 Satz 1 TVG zulässig gewesen (vgl. BAG 5. November 1997 – 4 AZR 682/95 – AP TVG § 4 Nr. 17 = EzA TVG § 4 Verzicht Nr. 3). Er liegt aber nicht vor. Die Parteien haben sich gerade nicht über die tatsächlichen Voraussetzungen für die Anwendung des Tarifvertrags, etwa über Art und Umfang der im Betrieb ausgeübten Tätigkeiten, geeinigt.
[46] b) Dementsprechend liegt auch kein rechtsgeschäftlicher Verzicht vor. Den Mitteilungen der Klägerin lässt sich kein Angebot zum Abschluss eines Erlassvertrags, eines negativen Schuldanerkenntnisses (§ 397 Abs. 1, 2 BGB) oder eines in der Wirkung gleichkommenden anderweitigen Rechtsgeschäfts im Hinblick auf künftige Auskunfts- und Beitragsforderungen bei unveränderter Sachlage entnehmen. Die Klägerin ging erkennbar davon aus, dass keine Ansprüche bestehen. Deshalb wäre die Annahme eines Verzichtswillens nicht nur ungewöhnlich gewesen, sondern lag auch für die Beklagte völlig fern.
[47] 6. Der Anspruch ist nicht verwirkt. Eine illoyal verspätete Rechtsausübung liegt schon deswegen nicht vor, weil die Klägerin ihre Ansprüche alsbald nach Fälligkeit und innerhalb der vierjährigen tariflichen Verfall- und Verjährungsfrist (§ 25 Abs. 1, 4 VTV) geltend gemacht hat. Diese Frist darf sie ausschöpfen (vgl. BAG 24. September 2008 – 10 AZR 939/07 –; 15. November 1995 – 10 AZR 150/95 -).
[48] 7. Über die Höhe der Entschädigung kann der Senat nicht entscheiden. Ihre Berechnung ist nicht möglich. Zwar hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie von 100 Arbeitnehmern ausgeht, jedoch nicht, aufgrund welcher geschätzten Beitragssumme sich die Entschädigungssumme errechnet. Die tatsächlichen Grundlagen für die Schätzung sind darzulegen, zumal sich der Pro-Kopf-Betrag zwischen Klage und Klageerweiterung offenbar verändert hat (vgl. BAG 28. Juli 2004 – 10 AZR 580/03BAGE 111, 302). Die im Revisionsverfahren angestellte Berechnung beinhaltet nicht zu berücksichtigenden neuen Sachvortrag. Der Klägerin ist aber Gelegenheit zu geben, ihre Berechnung in der Tatsacheninstanz nachzuholen. Das gebietet der Grundsatz des fairen Verfahrens, weil die Klägerin ihre Darlegungspflicht offensichtlich übersehen hat und in den Vorinstanzen ein rechtlicher Hinweis unterblieben ist.