Bundesarbeitsgericht
Verdachtskündigung – Videoüberwachung – Beweisverwertung – Mitbestimmung
1. Die heimliche Videoüberwachung eines Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber stellt einen Eingriff in das durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers dar.
2. Dieser Eingriff führt jedoch dann nicht zu einem Beweisverwertungsverbot, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ausgeschöpft sind, die verdeckte Video-Überwachung praktisch das einzig verbleibende Mittel darstellt und insgesamt nicht unverhältnismäßig ist.
3. Ist die Videoüberwachung entgegen § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrates durchgeführt worden, so ergibt sich aus diesem Verstoß jedenfalls dann kein eigenständiges Beweisverwertungsverbot, wenn der Betriebsrat der Verwendung des Beweismittels und der darauf gestützten Kündigung zustimmt und die Beweisverwertung nach den allgemeinen Grundsätzen gerechtfertigt ist.
BAG, Urteil vom 27. 3. 2003 – 2 AZR 51/02 (lexetius.com/2003,1839)
[1] Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 4. Dezember 2001 – 1 Sa 392 b/01 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
[2] Tatbestand: Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer verhaltensbedingten Kündigung und über Vergütungsansprüche.
[3] Die Klägerin trat 1994 in die Dienste der Beklagten, die Warenhäuser mit angeschlossenen Getränkemärkten betreibt. Die Klägerin war ua. an der Kasse des Getränkemarktes in U eingesetzt. Dort traten seit 1997 überdurchschnittlich hohe Inventurdifferenzen auf.
[4] Im März 2000 installierte die Beklagte eine Videokamera direkt über der Kasse. Eine weitere Kamera wurde im September 2000 zur Beobachtung des Gangs im Getränkemarkt angebracht. Am 20. November 2000 lagen der Beklagten die Auswertungen der Videoaufzeichnungen für den 1., 3., 6., 9. und 13. November 2000 vor. An diesen Tagen hatte die Klägerin Dienst.
[5] Am 21. November 2000 wurde die Klägerin in Anwesenheit des Betriebsratsvorsitzenden und eines weiteren Betriebsratsmitgliedes zu den auf den Videobändern aufgezeichneten Vorgängen angehört, aus denen die Beklagte den Verdacht der Unterschlagung ableitete. Dabei wurden mehrere der Videoaufnahmen, auf denen die Klägerin zu sehen war, abgespielt. Mit Schreiben vom 23. November 2000 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht zum nächst zulässigen Termin wegen des Verdachts der "Unterschlagung bzw. Veruntreuung von Firmengeldern". Der zuvor angehörte Betriebsrat hatte der Kündigung zugestimmt. Die Beklagte rechnete die Vergütung der Klägerin auf der Grundlage der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 23. November 2000 ab.
[6] Mit ihrer Klage hat die Klägerin sich gegen die Kündigung gewandt sowie die sich aus der Unwirksamkeit der Kündigung ergebenden Zahlungsansprüche bis März 2001 geltend gemacht. Sie bestreitet, Geld unterschlagen oder veruntreut zu haben. Ein derartiges Verhalten lasse sich den Videoaufzeichnungen nicht entnehmen. Die Videoaufzeichnungen dürften nicht verwertet werden, weil sie in unverhältnismäßiger und damit unzulässiger Weise durch einen Eingriff in ihr Persönlichkeitsrecht zustande gekommen seien. Außerdem habe der Betriebsrat der Einrichtung der Videoanlage nicht zugestimmt.
[7] Die Klägerin hat beantragt, 1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis weder durch die fristlose Kündigung vom 23. November 2000 der Beklagten noch durch deren fristgemäße Kündigung zum nächstzulässigen Termin aufgelöst worden ist, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht; 2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 6.162,00 DM brutto abzüglich 302,77 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 20. Dezember 2000 zu zahlen; 3. die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.835,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 17. Januar 2001 zu zahlen; 4. die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.835,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 9. Februar 2001 zu zahlen; 5. die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.835,00 DM brutto abzüglich bereits erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 360,71 DM netto nebst 4 % Zinsen seit dem 5. März 2001 zu zahlen; 6. die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.835,00 DM brutto abzüglich bereits erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 1.566,43 DM netto nebst 4 % Zinsen seit dem 9. April 2001 zu zahlen.
[8] Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Kündigung sei als Verdachtskündigung wirksam. Die Klägerin habe fiktive Gutschriftsbons für Leergut erzeugt und diese sodann eingescannt. Den entsprechenden Geldbetrag habe sie der Kasse entnommen, um ihn im Gang des Getränkemarkts einzustecken. Anlaß für die Anbringung der Kameras seien die erheblichen Inventurdifferenzen gewesen. Überprüfungen der Innenrevision, des Warenwirtschaftssystems und der Arbeitsabläufe hätten als einzig mögliche Fehlerquelle ein Mitarbeiterfehlverhalten im Kassenbereich ergeben. Die Auswertung der ersten Aufnahmen im Juli 2000 habe erste Verdachtsmomente gegen die Klägerin ergeben. Eine nähere Konkretisierung des Verdachts sei zu diesem Zeitpunkt nicht möglich gewesen, weil die Klägerin den Sichtbereich der Kamera verlassen habe. Daher sei die zweite Kamera angebracht worden. Die mit Zustimmung des Betriebsrats erfolgte Installation verdeckter Videokameras sei unvermeidlich gewesen. Sichtbare Videokameras seien nicht in Betracht gekommen, weil es nicht nur um Abschreckung für die Zukunft, sondern auch um die Aufdeckung von zu ihren Lasten in der Vergangenheit begangenen Straftaten gegangen sei.
[9] Das Arbeitsgericht hat nach Beweiserhebung durch Inaugenscheinnahme der Videoaufzeichnungen vom 3., 6. und 9. November 1999 die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter.
[10] Entscheidungsgründe: Die Revision ist unbegründet.
[11] A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte habe das Arbeitsverhältnis wirksam fristlos gekündigt. Gegen die Klägerin bestehe der dringende Verdacht der Unterschlagung von Firmengeldern. Das ergebe sich aus den Videoaufzeichnungen. Sie seien verwertbar, weil sie unter Abwägung der Interessen der Parteien in einer die Persönlichkeitsrechte der Klägerin nicht verletzenden Weise aufgenommen worden seien. Die Beklagte habe angesichts der erheblichen Kassendifferenzen einen konkreten Anlaß gehabt, eine gezielte Überwachung vorzunehmen. Andere Abhilfe sei nicht möglich gewesen. Offen angebrachte Videokameras seien nicht geeignet, derartige Unregelmäßigkeiten aufzudecken. Der Verwertung stehe auch nicht entgegen, daß der Betriebsrat der Videoüberwachung nach Meinung der Klägerin nicht zugestimmt habe. Der Mitbestimmung des Betriebsrates unterliege nur die Überwachung der Arbeitnehmer, nicht dagegen die Frage, ob Beweismittel im Prozeß verwertet werden können.
[12] B. Dem folgt der Senat im Ergebnis und in Teilen der Begründung.
[13] Die Klage ist unbegründet. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 23. November 1999 hat das Arbeitsverhältnis aufgelöst. Deshalb stehen der Klägerin auch die erhobenen Zahlungsansprüche nicht zu.
[14] I. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Kündigung sei durch einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
[15] 1. Der gegen den Arbeitnehmer gerichtete dringende Verdacht eines Eigentums- oder Vermögensdelikts zum Nachteil des Arbeitgebers ist an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Dies gilt auch für den Diebstahl und die Unterschlagung von Sachen mit nur geringem Wert. Als erschwerend hat es der Senat gewertet, wenn die Straftat mit der vertraglich geschuldeten Tätigkeit des Arbeitnehmers zusammenhängt, der Arbeitnehmer eine sich aus dem Arbeitsvertrag ergebende Obhutspflicht verletzt und das Delikt innerhalb seines konkreten Aufgabenbereiches bei Gelegenheit der Arbeitsleistung verübt (BAG 12. August 1999 – 2 AZR 923/98 – BAGE 92, 184; 17. Mai 1984 – 2 AZR 3/83 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlungen Nr. 14 = EzA BGB § 626 nF Nr. 90).
[16] 2. Danach ist es nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht in dem dringenden Verdacht, die Klägerin habe mehrfach Gelder aus der Kasse entwendet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung gesehen hat. Insoweit erhebt die Revision auch keine Rüge.
[17] 3. Die Beklagte hat die tatsächlichen Umstände, die den dringenden Verdacht gegen die Klägerin begründen, bewiesen. Dies haben die Vorinstanzen ohne Rechtsfehler angenommen.
[18] a) Nach § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. Diese Würdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Sie ist durch das Revisionsgericht nur beschränkt nachprüfbar. Dieses kann lediglich überprüfen, ob das Berufungsgericht die Voraussetzungen und die Grenzen des § 286 Abs. 1 ZPO gewahrt und eingehalten hat. Revisionsrechtlich von Bedeutung ist deshalb nur, ob das Berufungsgericht tatsächlich den gesamten Inhalt der Verhandlungen berücksichtigt und alle erhobenen Beweise gewürdigt hat, ob die Beweiswürdigung in sich widerspruchsfrei sowie frei von Verstößen gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze ist und ob sie rechtlich möglich ist (BAG 15. August 2002 – 2 AZR 214/01 – AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 48 = EzA BetrVG 1972 § 103 Nr. 44; 1. Oktober 1997 – 5 AZR 685/96 – BAGE 86, 347). Diesem Prüfungsmaßstab halten die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts stand.
[19] b) Entgegen der von der Revision erhobenen Rüge waren die Vorinstanzen nicht durch ein Beweisverwertungsverbot gehindert, die von der Beklagten zum Beweis vorgelegten Video-Aufnahmen zu Lasten der Klägerin zu berücksichtigen. Die heimliche Anfertigung der Videoaufnahmen war zwar ein Eingriff in das durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin. Der Eingriff war jedoch gerechtfertigt.
[20] aa) Das durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht ist auch im Privatrechtsverkehr und damit auch im Arbeitsverhältnis zu beachten. Es umfaßt das Recht am gesprochenen Wort, dh. die Befugnis, selbst zu bestimmen, ob es allein dem Gesprächspartner oder auch Dritten oder sogar der Öffentlichkeit zugänglich sein soll, ferner ob es auf Tonträger aufgenommen werden darf (BAG 29. Oktober 1997 – 5 AZR 508/96 – BAGE 87, 31). Darüber hinaus gewährleisten Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG das Recht am eigenen Bild (BVerfG 9. Oktober 2002 – 1 BvR 1611/96 und 1 BvR 805/98 – AP BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 34 = EzA BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 15; BGH 25. April 1995 – VI ZR 272/94 – NJW 1995, 1955). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt den Arbeitnehmer vor einer lückenlosen technischen Überwachung am Arbeitsplatz durch heimliche Videoaufnahmen. Durch eine solche Kontrolle wird nicht lediglich eine Aufsichtsperson ersetzt. Vielmehr wird der Arbeitnehmer, der davon ausgehen muß, daß der Arbeitgeber bei bestimmten Gelegenheiten zum Mittel der heimlichen Videoaufzeichnung greift, einem ständigen Überwachungsdruck ausgesetzt, dem er sich während seiner Tätigkeit nicht entziehen kann (BAG 7. Oktober 1987 – 5 AZR 116/86 – AP BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 15 = EzA BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 6; LAG Hamm 24. Juli 2001 – 11 Sa 1524/00 – NZA-RR 2002, 464; LAG Niedersachsen 19. Dezember 2001 – 6 Sa 1376/01 –; LAG Baden-Württemberg 6. Mai 1999 – 12 Sa 115/97 – BB 1999, 1439).
[21] bb) Das Persönlichkeitsrecht wird allerdings nicht schrankenlos gewährleistet. Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers können durch die Wahrnehmung überwiegender schutzwürdiger Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sein. Bei einer Kollision des allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit den Interessen des Arbeitgebers ist somit durch eine Güterabwägung im Einzelfall zu ermitteln, ob das allgemeine Persönlichkeitsrecht den Vorrang verdient (BVerfG 9. Oktober 2002 – 1 BvR 1611/96 und 1 BvR 805/98 – AP BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 34 = EzA BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 15; 19. Dezember 1991 – 1 BvR 382/85 – NJW 1992, 815; BAG 15. August 2002 – 2 AZR 214/01 – AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 48 = EzA BetrVG 1972 § 103 Nr. 44; 18. November 1999 – 2 AZR 743/98 – BAGE 93, 1; 29. Oktober 1997 – 5 AZR 508/96 – BAGE 87, 31; 7. Oktober 1987 – 5 AZR 116/86 – AP BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 15 = EzA BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 6; LAG Hamm 24. Juli 2001 – 11 Sa 1524/00 – NZA-RR 2002, 464).
[22] cc) Im Rahmen der Abwägung ist zu beachten, daß das Grundgesetz – insbesondere das unter anderem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Rechtsstaatsprinzip – dem Erfordernis einer wirksamen Rechtspflege eine besondere Bedeutung beimißt. Auch im Zivilprozeß, in dem über Rechte und Rechtspositionen der Parteien innerhalb eines privatrechtlichen Rechtsverhältnisses gestritten wird, sind die Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Rechtspflege und das Streben nach einer materiell richtigen Entscheidung wichtige Belange des Gemeinwohls. Um die Wahrheit zu ermitteln, sind die Gerichte deshalb grundsätzlich gehalten, von den Parteien angebotene Beweismittel zu berücksichtigen, wenn und soweit eine Tatsachenbehauptung erheblich und beweisbedürftig ist. Dies gebieten auch der in § 286 ZPO niedergelegte Grundsatz der freien Beweiswürdigung sowie das grundrechtsähnliche Recht auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG. Allein das allgemeine Interesse an einer funktionstüchtigen Zivilrechtspflege reicht aber nicht, um im Rahmen der Abwägung stets von einem gleichen oder gar höheren Gewicht ausgehen zu können, als es dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht zukommt. Gleiches gilt für das Interesse, sich ein Beweismittel für zivilrechtliche Ansprüche zu sichern. Vielmehr müssen weitere Aspekte hinzutreten, die ergeben, daß das Interesse an der Beweiserhebung trotz der Persönlichkeitsbeeinträchtigung schutzbedürftig ist. Im Zivilprozeß kann es Situationen geben, in denen dem Interesse an der Beweiserhebung besondere Bedeutung für die Rechtsverwirklichung einer Partei zukommt (BVerfG 9. Oktober 2002 – 1 BvR 1611/96 und 1 BvR 805/98 – AP BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 34 = EzA BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 15). Dies kann etwa in Fällen gegeben sein, in denen sich der Beweisführer in einer Notwehrsituation oder einer notwehrähnlichen Lage befindet (BVerfG 9. Oktober 2002 – 1 BvR 1611/96 und 1 BvR 805/98 – aaO).
[23] Danach ist die heimliche Videoüberwachung eines Arbeitnehmers zulässig, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ausgeschöpft sind, die verdeckte Video-Überwachung praktisch das einzig verbleibende Mittel darstellt und insgesamt nicht unverhältnismäßig ist.
[24] Allerdings ist die Videoüberwachung für öffentlich zugängliche Räume – zu denen auch Verkaufsräume zählen können – durch § 6b BDSG idF vom 18. Mai 2001, in Kraft seit 19. Mai 2001, nunmehr gesetzlich geregelt. Nach § 6b Abs. 2 BDSG ist die Beobachtung erkennbar zu machen (vgl. Däubler NZA 2001, 874, 878; Maschmann NZA 2002, 13, 17). Inwieweit sich daraus Einschränkungen gegenüber der bisherigen Rechtslage ergeben, hatte der Senat nicht zu entscheiden. Die streitbefangene Überwachung und die darauf gestützte Kündigung wurden von der Neuregelung noch nicht erfaßt.
[25] dd) Danach waren die Vorinstanzen nicht gehindert, die Videoaufnahmen als Beweismittel zu verwerten.
[26] (1) Wie das Landesarbeitsgericht für den Senat bindend und ohne, daß die Revision hiergegen Rügen erhoben hätte, festgestellt hat, bestand angesichts der erheblichen Kassendifferenzen der Verdacht der Unterschlagung gegen die im Kassenbereich tätigen Arbeitnehmer, zu denen die Klägerin gehörte. Daß der Verdacht bei Beginn der verdeckten Überwachung nicht allein die Klägerin betraf, macht die Überwachung nicht unverhältnismäßig. Es ging nicht darum, eine nur allgemein bestehende Mutmaßung, es könnten Straftaten begangen werden, zu überprüfen (vgl. BAG 7. Oktober 1987 – 5 AZR 116/86 – AP BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 15 = EzA BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 6). Die Überwachung diente vielmehr dazu, den bereits räumlich und funktional konkretisierten Verdacht auf eine Person einzugrenzen. Sie bot zugleich die einzige Möglichkeit, die übrigen Arbeitnehmer aus dem engen Kreis der Verdächtigen auszuschließen.
[27] (2) Wie das Landesarbeitsgericht ebenfalls festgestellt hat, war eine Abhilfe auf andere Art und Weise nicht möglich. Nach ihrem von der Klägerin nicht bestrittenen Vortrag hatte die Beklagte sowohl durch Maßnahmen der Innenrevision als auch durch Überprüfungen im Warenwirtschaftssystem erfolglos versucht, die Inventurdifferenzen zu klären. Ferner waren die Arbeitsabläufe auf Fehlerquellen untersucht worden. Als einzige Ursache kam danach ein Mitarbeiterfehlverhalten im Kassenbereich in Betracht. Eine effektive Überwachung durch Vorgesetzte oder Kollegen war nicht denkbar. Angesichts dessen führt das Berufungsgericht zu Recht aus, daß die Überwachung mit offen angebrachten Kameras die Ursache der Differenzen nicht hätte klären können. Der Verdacht gegen die Klägerin konnte durch offene Video-Überwachung weder bestätigt noch widerlegt werden. Er betraf eine heimlich begangene Tat. Der Verdacht ging dahin, daß die Klägerin Leergutbons erstellte, ohne das entsprechende Leergut angenommen zu haben, sodann den bonierten Geldbetrag der Kasse entnahm, mit diesem Geld an einen Ort im Getränkemarkt ging, von dem sie annahm, unbeobachtet zu sein, um dort das Geld möglichst unauffällig am Körper zu verstecken. Derart auf Heimlichkeit angelegtes Verhalten kann seiner Natur nach nicht durch offen angekündigte Beobachtung entdeckt werden. Daß eine andere, Erfolg versprechende Möglichkeit der Aufklärung heimlich begangener Straftaten bestanden hätte, hat die Klägerin selbst nicht geltend gemacht.
[28] Bei dieser Lage würde der Beklagten, ließe man die Verwertung der durch verdeckte Videoüberwachung gewonnen Beweismittel nicht zu, im Ergebnis angesonnen, zu ihren Lasten begangene strafbare Handlungen unaufgeklärt zu lassen, jedenfalls aber auf arbeitsrechtliche Sanktionen zu verzichten. Daß dem in seinem Eigentum und seiner unternehmerischen Betätigung rechtswidrig Angegriffenen eine derart weitgehende Rücksichtnahme auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Angreifers zugemutet werden müßte, läßt sich auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht entnehmen. Eigentum (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) und unternehmerische Betätigungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) genießen ebenso grundrechtlichen Schutz wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht. In den der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Oktober 2002 (- 1 BvR 1611/96 – AP BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 34 = EzA BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 15) zugrunde liegenden Fällen waren keine Grundrechte des Beweisführers bedroht. Es ging allein um sein "schlichtes Beweisinteresse" (vgl. auch BAG 29. Oktober 1997 – 5 AZR 508/96 – BAGE 87, 31), nämlich um den Nachweis des Inhalts von Willenserklärungen. Für Vertragsschlüsse steht ein vom Gesetz vorgesehenes und allgemein übliches Beweismittel zur Verfügung, nämlich die schriftliche Niederlegung des Vertragsinhaltes. Heimlicher Beschaffung von Beweisen bedarf es nicht. Eben dies war im vorliegenden Fall anders.
[29] (3) Der mit der verdeckten Überwachung verbundene Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin war insgesamt nicht unangemessen. Die Überwachung erfolgte nicht wahllos. Sie diente nicht der allgemeinen Verhaltenskontrolle, sondern allein der Aufklärung eines bestimmten Verdachts. Sie betraf allein den räumlichen Bereich, auf den sich dieser Verdacht bezog. Sie war auch zeitlich begrenzt. Hinzu kommt, daß sie in einem Umfeld erfolgte, in dem die Klägerin nicht damit rechnen konnte, ständig unbeobachtet zu sein. Die Überwachung betraf weder die Intimsphäre noch die Privatsphäre der Klägerin, sondern den Raum, innerhalb dessen sie dem arbeitsvertraglichen Weisungsrecht der Beklagten unterlag. Die Überwachung war außerdem geeignet, diejenigen Personen von dem Verdacht zu entlasten, die sich nichts hatten zuschulden kommen lassen. So hat es anfangs auch die Klägerin gesehen, indem sie im ersten Rechtszug zunächst selbst Beweis durch Inaugenscheinnahme der Videobänder dafür antrat, keine der Aufnahmen belege, daß sie Geld in der Hand gehabt habe, um es dann in die Hosentasche zu stecken.
[30] II. Das Landesarbeitsgericht war auch dann nicht gehindert, die Video-Aufzeichnungen als Beweismittel zu verwerten, wenn, wie die Klägerin behauptet, der bei der Beklagten bestehende Betriebsrat der Installation der Videokameras nicht zugestimmt haben sollte. Es kann deshalb offen bleiben, ob diese oder die Behauptung der Beklagten zutrifft, der Betriebsrat habe der Installation der Kameras zugestimmt.
[31] 1. Die Installation von Kameras zur Überwachung des dienstlichen Verhaltens von Arbeitnehmern ist nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG mitbestimmungspflichtig (allgem. Ansicht, vgl. schon BAG 14. Mai 1974 – 1 ABR 45/73 – AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 1 = EzA BetrVG 1972 § 87 Kontrolleinrichtung Nr. 1; FHKES BetrVG 21. Aufl. § 87 Rn. 244 mwN; Maschmann NZA 2002, 13 ff.).
[32] 2. Die Verletzung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats kann im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer jedenfalls zur Unwirksamkeit von Maßnahmen oder Rechtsgeschäften führen, die den Arbeitnehmer belasten (BAG GS 3. Dezember 1991 – GS 2/90 – BAGE 69, 134; 20. August 1991 – 1 AZR 326/90 – AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 50 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 29; 13. April 1994 – 7 AZR 651/93 – BAGE 76, 234). Die Rechtsunwirksamkeit ist eine Sanktion dafür, daß der Arbeitgeber das Mitbestimmungsrecht verletzt hat (BAG 13. April 1994 – 7 AZR 651/93 – aaO). Daher kommt es darauf an, ob die Rechtsfolge der Rechtsunwirksamkeit dem Schutzzweck des Mitbestimmungsrechts entspricht (BAG 13. April 1994 – 7 AZR 651/93 – aaO).
[33] 3. Ob die Übertragung dieser Grundsätze auf die Fälle mitbestimmungswidrig erlangter Beweismittel auch bei Beachtung des grundrechtsgleichen Rechtes des Arbeitgebers aus Art. 103 GG in der Regel ein betriebsverfassungsrechtliches Beweisverwertungsverbot für den Kündigungsschutzprozeß nach sich zieht (vgl. FKHES BetrVG 21. Aufl. § 87 Rn. 256; Maschmann NZA 2002, 13, 21; Röckl/Fahl NZA 1998, 1035, 1038 ff.; Fischer BB 1999, 154 ff.; Kopke NZA 1999, 917; vgl. auch LAG Baden-Württemberg 6. Mai 1999 – 12 Sa 115/97 – BB 1999, 1439), kann im vorliegenden Fall offenbleiben. Das Gesetz trifft eine solche Anordnung jedenfalls nicht ausdrücklich. Auch der Schutzzweck des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG gebietet die Annahme eines solchen Verwertungsverbots jedenfalls dann nicht, wenn die Verwertung des Beweismittels nach allgemeinen Grundsätzen zulässig ist und der Betriebsrat der Kündigung in Kenntnis der heimlich hergestellten Videoaufzeichnungen zustimmt.
[34] a) Zwar ändert das vom Betriebsrat nachträglich erteilte Einverständnis mit einer Maßnahme, die ohne das zwingend vorgeschriebene Mitbestimmungsverfahren vorgenommen wurde, nichts an der Verletzung des Mitbestimmungsrechts (BAG 20. Februar 2002 – 7 AZR 707/00 – AP LPVG NW § 72 Nr. 23 = EzA BGB § 620 Nr. 188, zu § 72 LPVG NW; LAG Hessen 27. November 1986 – 9 Sa 822/86 – LAGE BetrVG 1972 § 87 Nr. 5; FKHES § 87 Rn. 602; GK/BetrVG-Wiese 7. Aufl. § 87 Rn. 100 mwN; v. Hoyningen-Huene DB 1987, 1426, 1432). Damit ist jedoch nicht gesagt, welche Sanktion der Schutzzweck der verletzten Mitbestimmungsnorm verlangt.
[35] b) Der Sinn des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG besteht darin, Eingriffe in den Persönlichkeitsbereich der Arbeitnehmer durch Verwendung anonymer technischer Kontrolleinrichtungen nur bei gleichberechtigter Mitbestimmung des Betriebsrats zuzulassen (BAG 9. September 1975 – 1 ABR 20/74 – BAGE 27, 256; 6. Dezember 1983 – 1 ABR 43/81 – BAGE 44, 285). Es geht also um den kollektivrechtlich vermittelten Schutz des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers.
[36] c) Soweit § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG den Schutz des Persönlichkeitsrechts des einzelnen Arbeitnehmers bezweckt, sind die Schutzzwecke des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG und der zivilprozessualen Grundsätze über Beweisverwertungsverbote identisch. Die entgegen § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG unterbliebene Mitbestimmung gibt, was den Schutz des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers betrifft, der Beweisverwertung durch die staatlichen Gerichte keinen eigenen Unrechtsgehalt. Die unterbliebene Mitbestimmung führt für sich genommen nicht zu einem Verstoß der Beweisverwertung gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Ist die Beweisverwertung also – wie hier – nach den allgemeinen Grundsätzen zulässig, so kann die Mißachtung des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG nur dann zu einem Beweisverwertungsverbot führen, wenn die damit verbundene kollektivrechtliche Kompetenzüberschreitung für sich genommen eine solche Sanktion fordert. Das ist jedoch dann nicht der Fall, wenn der Betriebsrat den Verstoß gegen § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG kennt und der Verwertung der so gewonnenen Beweismittel sowie der darauf gestützten Kündigung zustimmt. Er gibt damit zu erkennen, daß er seine Rechte nicht für berührt hält und trotz der Kompetenzüberschreitung jedenfalls für den konkreten Fall die Beweisverwertung billigt. Dem entspricht es, daß – soweit bisher für Verstöße gegen § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ein Beweisverwertungsverbot als Sanktion befürwortet wird – stets vom gleichzeitigen Vorliegen eines unzulässigen Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht ausgegangen wird (vgl. etwa FKHES BetrVG 21. Aufl. § 87 Rn. 256; LAG Baden-Württemberg 6. Mai 1999 – 12 Sa 115/97 – BB 1997, 1439), woran es hier gerade fehlt.