Bundesarbeitsgericht
Arbeitnehmerstatus einer Versicherungsvermittlerin; Kündigungsschutz im Kleinbetrieb
Der auf konkreten Umständen beruhende Vertrauensverlust gegenüber dem Arbeitnehmer vermag, soweit das Kündigungsschutzgesetz nicht anwendbar ist, eine ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber auch dann zu rechtfertigen, wenn die Umstände, auf denen der Vertrauensverlust beruht, objektiv nicht zu verifizieren sind.
BAG, Urteil vom 25. 4. 2001 – 5 AZR 360/99 (lexetius.com/2001,1746)
[1] 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 24. März 1999 – 2 Sa 56/98 – teilweise aufgehoben.
[2] 2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 10. September 1998 – 1 Ca 1533/98 – abgeändert:
[3] Mit dem vor dem Arbeitsgericht gestellten Feststellungsantrag wird die Klage abgewiesen.
[4] 3. Auf die Anschlußberufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts weitergehend abgeändert:
[5] Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 33.309,99 DM nebst 4 % Zinsen aus 10.000,00 DM seit dem 1. Juni 1998, aus weiteren 10.000,00 DM seit dem 1. Juli 1998, aus weiteren 7.032,81 DM seit dem 1. August 1998, aus 10.000,00 DM für die Zeit vom 1. September 1998 bis 31. Oktober 1998 und aus weiteren 6.277,18 DM seit dem 1. November 1998 zu zahlen.
[6] 4. Im übrigen werden die Anschlußberufung der Klägerin und die Revision der Beklagten zurückgewiesen.
[7] 5. Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz hat die Klägerin zu tragen. Von den Kosten des Berufungsverfahrens und der Revision haben die Klägerin 7/10 und die Beklagte 3/10 zu tragen.
[8] Tatbestand: Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier ordentlicher Kündigungen und in diesem Zusammenhang darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht. Sie streiten ferner über Vergütungsansprüche der Klägerin aus Annahmeverzug.
[9] Die Beklagte vermittelt Versicherungen und Kapitalanlagen für Bausparkassen und Anlagegesellschaften. Sie beschäftigt zwischen fünf und sieben Arbeitnehmer im Innendienst und etwa 250 sog. Vermittler im Außendienst. Die Klägerin war seit dem 3. September 1996 auf Grund eines "Partnerschaftsvertrages" als Vermittlerin für die Beklagte tätig. Nach § 1 des Vertrages übte sie ihre Tätigkeit "als selbständige Handelsvertreterin" aus. Die Klägerin stieg nach kurzer Zeit zur "Führungsvermittlerin" auf. In einem "Nachtrag zum Partnerschaftsvertrag" vereinbarten die Parteien am 7. November 1996, daß sie künftig als "selbständige Handelsvertreterin im Hauptberuf" tätig sein solle. Ihre Aufgabe war es seitdem vor allem, die ihr unterstellten Vermittler zu schulen, fortzubilden, zu betreuen und in ihrer Tätigkeit zu überwachen. Im Januar 1998 wurde die Klägerin "Direktionsmanagerin". Ihr waren damit etwa 30 Vermittler unterstellt. Vertragsabschlüsse hat sie seitdem nicht mehr selbst vermittelt. Sie war ausschließlich mit der Schulung und Betreuung der ihr unterstellten Vermittler betraut. Der Klägerin wurden Büroräume der Beklagten überlassen, sie nahm an deren sog. Organisationsrunden teil und besuchte wöchentlich eine Schulung über Verkaufspraktiken, Mitarbeiterführung und Organisation. Ihr Monatseinkommen aus Provision belief sich zuletzt auf 10.000,00 DM.
[10] Mit Schreiben vom 18. Mai 1998 kündigte die Beklagte das Vertragsverhältnis zum 31. August 1998. Sie forderte die Klägerin auf, ihre Büroräume bis Ende Mai 1998 zu verlassen, und verweigerte ihr die weitere Teilnahme an Schulungen. Die Klägerin war nach dem Zugang der Kündigung nicht mehr für die Beklagte tätig. Diese stellte Entgeltleistungen an die Klägerin bis auf die Zahlung von 2.967,19 DM im Juli 1998 und weiteren insgesamt 3.722,82 DM im November und Dezember 1998 ein. Am 10. Februar 1999 sprach die Beklagte eine weitere Kündigung zum 31. Mai 1999 aus.
[11] Mit ihrer Klage wehrt sich die Klägerin gegen beide Kündigungen. Sie hat die Auffassung vertreten, sie sei Arbeitnehmerin der Beklagten. Die Klägerin verlangt ferner die Zahlung von je 10.000,00 DM für die Monate Mai bis Dezember 1998. Die in diesem Zeitraum erhaltenen Beträge läßt sie sich anrechnen. Die Klägerin hat zuletzt beantragt 1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 18. Mai 1998 nicht aufgelöst worden ist und ungekündigt über den 31. August 1998 hinaus fortbesteht; 2. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 10. Februar 1999 nicht aufgelöst worden ist und ungekündigt über den 31. Mai 1999 hinaus fortbesteht; 3. die Beklagte zu verurteilen an sie 73.309,99 DM zuzüglich 4 % Zinsen aus 10.000,00 DM seit dem 1. Juni 1998 sowie 4 % Zinsen aus 10. 00,00 DM seit 1. Juli 1998, sowie 4 % Zinsen aus 7.032,81 DM seit dem 1. August 1998, sowie 4 % Zinsen aus 10.000,00 DM seit 1. September 1998, sowie 4 % Zinsen aus 10.000,00 DM seit dem 1. Oktober 1998, sowie 4 % Zinsen aus 10.000,00 DM seit dem 1. November 1998, sowie 4 % Zinsen aus 8.328,18 DM seit dem 1. Dezember 1998, sowie 4 % Zinsen aus 7.949,00 DM seit dem 1. Januar 1999 auf den sich jeweils ergebenden Nettobetrag zu zahlen.
[12] Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, die Klägerin sei nicht Arbeitnehmerin, sondern freie Mitarbeiterin gewesen. Das Kündigungsschutzgesetz finde mangels der erforderlichen Anzahl von Arbeitnehmern in keinem Falle Anwendung. Vergütung schulde sie der Klägerin allenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist.
[13] Das Arbeitsgericht hat dem bei ihm anhängigen Feststellungsantrag zu 1. stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und auf die Anschlußberufung der Klägerin auch der erweiterten Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage in vollem Umfange abzuweisen.
[14] Entscheidungsgründe: Die Revision ist überwiegend begründet. Das Vertragsverhältnis der Parteien wurde durch die Kündigung vom 18. Mai 1998 auch dann beendet, wenn die Klägerin Arbeitnehmerin war. Allerdings hat die Klägerin bis zum Ablauf der Kündigungsfrist am 31. August 1998 Anspruch auf Vergütung.
[15] I. Das Verfahren ist nicht nach § 240 ZPO unterbrochen. Zwar hat das Amtsgericht Reinbek mit Beschluß vom 1. Dezember 2000 (- IN 219/00 -) in dem Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der Beklagten zur Sicherung der künftigen Insolvenzmasse und zur Aufklärung des Sachverhalts nach §§ 21, 22 InsO einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Gemäß § 240 Satz 2 ZPO hätte das aber nur dann zur Verfahrensunterbrechung geführt, wenn auf den vorläufigen Insolvenzverwalter die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Beklagten übergegangen wäre. Das ist nicht der Fall. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf den vorläufigen Insolvenzverwalter über, wenn dem Schuldner vom Insolvenzgericht ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt wird. Ein solches Verbot ist in dem Beschluß vom 1. Dezember 2000 gegenüber der Beklagten nicht ausgesprochen worden. Dies folgt einmal daraus, daß der Beschluß ausdrücklich anordnet, Verfügungen der Beklagten über Gegenstände aus ihrem Vermögen seien nur noch mit Zustimmung des zuständigen Insolvenzverwalters wirksam. Dies wäre bei einem allgemeinen Verfügungsverbot unnötig. Dies ergibt sich ferner daraus, daß der Beschluß unter Hinweis auf § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, Abs. 2 InsO den vorläufigen Insolvenzverwalter mit der Wahrnehmung bestimmter Prüfungsaufgaben beauftragt. Auch dies wäre gegenüber einem vorläufigen Insolvenzverwalter, auf den die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Beklagten übergegangen wäre, nicht erforderlich gewesen. § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 – 3 InsO zählt dessen gesetzliche Pflichten umfassend auf. § 22 Abs. 2 InsO, den der Beschluß als Rechtsgrundlage anführt, gilt demgegenüber für den vorläufigen Insolvenzverwalter, der die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners nicht besitzt und dessen Pflichten das Insolvenzgericht im Einzelnen zu bestimmen hat. Die Bestellung eines solchen vorläufigen Insolvenzverwalters unterbricht ein anhängiges Gerichtsverfahren nicht (BGH 21. Juni 1999 – II ZR 70/98 – NJW 1999, 2822; Kirchhof in HK-InsO § 22 Rn. 26, 33; Lakies in Kittner/Zwanziger (Hrsg.) Arbeitsrecht § 119 Rn. 17, 21).
[16] II. Mit ihren Feststellungsanträgen ist die Klage unbegründet. Die Kündigung der Beklagten vom 18. Mai 1998 ist rechtswirksam. Dies gilt auch dann, wenn zu Gunsten der Klägerin unterstellt wird, daß das Vertragsverhältnis der Parteien als Arbeitsverhältnis anzusehen ist.
[17] 1. Die Anträge bedürfen der Klarstellung. Die Klägerin hat beantragt festzustellen, daß "das Arbeitsverhältnis" durch die Kündigungen vom 18. Mai 1998 und 10. Februar 1999 nicht aufgelöst worden ist und ungekündigt fortbesteht. Bei diesem Antragsinhalt ist Streitgegenstand der Klage nicht nur die Frage, ob das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien durch eine der beiden Kündigungen beendet worden ist, sondern auch, ob dieses Vertragsverhältnis ein Arbeitsverhältnis ist. Die Klägerin will die Unwirksamkeit der Kündigungen nicht unabhängig von ihrem Status festgestellt wissen, sondern verbunden mit der weiteren Feststellung, daß es sich bei dem fortbestehenden Rechtsverhältnis um ein Arbeitsverhältnis handelt. Dafür, daß sie sich gegen die Kündigungen auch dann zur Wehr setzen will, wenn sie keine Arbeitnehmerin der Beklagten ist, ergeben sich aus Antragsfassung und Klagebegründung keine Anhaltspunkte. Damit setzen die beantragten Feststellungen voraus, daß im Zeitpunkt der Kündigungen ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden hat. Andernfalls sind die Anträge schon deshalb unbegründet (BAG 20. September 2000 – 5 AZR 271/99 – AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 8; BAG 26. Mai 1999 – 5 AZR 664/98 – AP GmbHG § 35 Nr. 10; KR-Friedrichs 5. Aufl. § 4 KSchG Rn. 225, 252 mwN). Das Feststellungsbegehren ist aber auch dann unbegründet, wenn eine der ausgesprochenen Kündigungen selbst für den Fall wirksam ist, daß die Klägerin in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten stand. In diesem Fall kann die Frage, ob die Klägerin tatsächlich Arbeitnehmerin war, dahinstehen.
[18] 2. Auch wenn die Klägerin Arbeitnehmerin der Beklagten war, ist die Kündigung vom 18. Mai 1998 nicht sozialwidrig iSv. § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG. Das Kündigungsschutzgesetz fand keine Anwendung. Im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung galt es in der Fassung des Arbeitsrechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 25. September 1996 (BGBl. I, S 1476). Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 seiner Vorschriften war danach § 1 des Gesetzes nicht in Betrieben anzuwenden, in denen in der Regel zehn oder weniger Arbeitnehmer beschäftigt waren.
[19] Unstreitig beschäftigte die Beklagte einschließlich der Klägerin höchstens acht Arbeitnehmer. Alle übrigen Mitarbeiter waren als selbständige Handelsvertreter und freie Mitarbeiter tätig. Dafür, daß diese in Wirklichkeit Arbeitnehmer gewesen seien, hat die Klägerin keine Tatsachen vorgetragen und hat das Landesarbeitsgericht keine Feststellungen getroffen. Auch das Landesarbeitsgericht hat vielmehr den Betrieb der Beklagten als "Kleinbetrieb" iSv. § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG in der im Jahr 1998 geltenden Fassung angesehen. Dagegen hat die Klägerin Verfahrensrügen nicht erhoben. Die Annahme, daß die Beklagte nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigte, ist deshalb für das Revisionsgericht bindend (§ 561 Abs. 2 ZPO).
[20] Die Klägerin vermag sich auch nicht auf die Übergangsregelung in § 23 Abs. 1 Satz 4 KSchG 1996 zu berufen. Zwar berührte danach die Heraufsetzung der für den Kündigungsschutz erforderlichen Beschäftigtenzahl von mehr als fünf auf mehr als zehn Arbeitnehmer durch das Gesetz vom 25. September 1996 die Rechtsstellung solcher Arbeitnehmer – jedenfalls noch während des gesamten Jahres 1998 – nicht, die am 30. September 1996 gegenüber ihrem Arbeitgeber Rechte aus der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG iVm. § 1 KSchG hätten herleiten können. Der Klägerin wäre dies jedoch nicht möglich gewesen. Am 30. September 1996 war sie noch keine sechs Monate bei der Beklagten beschäftigt. Mangels Erfüllung der Wartefrist fand § 1 KSchG im maßgeblichen Zeitpunkt selbst auf ein Arbeitsverhältnis zur Beklagten keine Anwendung.
[21] 3. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts verstieß die Kündigung vom 18. Mai 1998 nicht gegen das Maßregelungsverbot in § 612 a BGB. Nach dieser Vorschrift darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, wenn der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Das Arbeitsgericht ging davon aus, bei einem Gespräch im Mai 1998 habe die Beklagte die Klägerin aufgefordert, Informationen aus dem Privatleben ihres Lebensgefährten mitzuteilen, an denen sie – die Beklagte – interessiert gewesen sei. Als Alternative sei von der Klägerin verlangt worden, die Beziehung zu ihrem Lebensgefährten zu beenden. Als die Klägerin dies verweigert habe, sei im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang die Kündigung ausgesprochen worden.
[22] Ob sich die Kündigung auf dieser Grundlage als unzulässige Maßnahme darstellt, kann dahinstehen. Denn das Landesarbeitsgericht geht in seinen Entscheidungsgründen ausdrücklich davon aus, daß die entsprechenden Feststellungen des Arbeitsgerichts durch den Vortrag der Parteien in der Berufungsinstanz überholt und deshalb unzutreffend seien. Liegt der vom Arbeitsgericht angenommene Geschehensablauf aber nicht vor, so ist nach den sonstigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kein Sachverhalt gegeben, der die Anwendung von § 612 a BGB rechtfertigen könnte. Das Landesarbeitsgericht hat vielmehr angenommen, die Beklagte habe die Kündigung vom 18. Mai 1998 deshalb ausgesprochen, weil sie gemeint habe, die Klägerin habe mit ihrem Lebensgefährten versucht "massiv Einfluß auf Mitarbeiter in den Strukturen zu nehmen". Die Klägerin habe ebenfalls den von ihrem Lebensgefährten verbreiteten Unsinn verbreitet. Die entsprechenden Behauptungen der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht wiederum ausdrücklich als nicht bewiesen erachtet. Unter diesen Umständen ist die Anwendung des § 612 a BGB rechtsfehlerhaft. Sind die Behauptungen der Beklagten über eine versuchte Einflußnahme der Klägerin auf andere Mitarbeiter objektiv unzutreffend, so liegt eine Ausübung von Rechten durch die Klägerin im Sinne der Vorschrift nicht vor. Es fehlt an einem Verhalten, welches als Wahrnehmung von Rechten aufgefaßt werden könnte.
[23] Die Kündigung verstößt auch dann nicht gegen § 612 a BGB, wenn die Beklagte das von ihr behauptete Verhalten der Klägerin jedenfalls subjektiv zum tragenden Anlaß für den Ausspruch der Kündigung genommen hat. Nach den Vorstellungen der Beklagten handelte die Klägerin gerade nicht in Wahrnehmung von ihr zustehenden Rechten.
[25] a) Der Grundsatz von Treu und Glauben in § 242 BGB bildet eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung. Eine gegen diesen Grundsatz verstoßende Rechtsausübung oder Ausnutzung einer Rechtslage ist wegen der darin liegenden Rechtsüberschreitung als unzulässig anzusehen. Die Vorschrift des § 242 BGB ist aber auf Kündigungen neben § 1 KSchG nur in beschränktem Umfang anwendbar. Das Kündigungsschutzgesetz hat die Voraussetzungen und Wirkungen des Grundsatzes von Treu und Glauben konkretisiert und abschließend geregelt, soweit es um den Bestandsschutz und das Interesse des Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes geht. Eine Kündigung verstößt deshalb nur dann gegen § 242 BGB, wenn sie Treu und Glauben aus Gründen verletzt, die von § 1 KSchG nicht erfaßt sind. Typische Tatbestände einer in diesem Sinne treuwidrigen Kündigung sind insbesondere ein widersprüchliches Verhalten des Arbeitgebers, der Ausspruch einer Kündigung zur Unzeit oder in ehrverletzender Form und eine Kündigung, die den Arbeitnehmer – außerhalb des besonderen Anwendungsbereichs des § 612 a BGB – diskriminiert (BAG 21. Februar 2001 – 2 AZR 15/00 – zur Veröffentlichung vorgesehen).
[26] Für die Bestimmung des Inhalts und der Grenzen eines Kündigungsschutzes außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes ist die Bedeutung grundrechtlicher Schutzpflichten, insbesondere der objektive Gehalt des Art. 12 Abs. 1 GG, zu beachten. Der durch die zivilrechtlichen Generalklauseln des § 138 und § 242 BGB vermittelte verfassungsrechtliche Schutz ist um so schwächer, je stärker die mit der Kleinbetriebsklausel geschützten Grundrechtspositionen des Arbeitgebers im Einzelfall betroffen sind. Es geht vor allem darum, Arbeitnehmer vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen zu schützen, zB vor Diskriminierungen im Sinne von Art. 3 Abs. 3 GG (BVerfG 27. Januar 1998 – 1 BvL 15/97 – BVerfGE 97, 169). Es obliegt dabei grundsätzlich dem Arbeitnehmer darzulegen und zu beweisen, daß die Kündigung nach § 242 BGB treuwidrig ist. Die Regel des § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG, wonach der Arbeitgeber die Tatsachen zu beweisen hat, die die Kündigung bedingen, gilt außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes nicht (BVerfG 27. Januar 1998, aaO; BAG 21. Februar 2001, aaO). Der verfassungsrechtlich gebotene Schutz des Arbeitnehmers ist dadurch gewährleistet, daß insoweit die Grundsätze der abgestuften Darlegungs- und Beweislast gelten. In einem ersten Schritt muß der Arbeitnehmer, der die Überlegungen des Arbeitgebers, die zu seiner Kündigung geführt haben, regelmäßig nicht kennt, lediglich einen Sachverhalt vortragen, der die Treuwidrigkeit der Kündigung nach § 242 BGB indiziert. Der Arbeitgeber muß sich sodann nach § 138 Abs. 2 ZPO qualifiziert auf diesen Vortrag einlassen, um ihn zu entkräften (BAG 21. Februar 2001, aaO).
[27] b) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Lebensgefährte der Klägerin "sehr viel Unruhe" in das Unternehmen der Beklagten gebracht. So wollte er in geschäftliche Beziehungen zu der Beklagten treten, ggf. auch gegen den Willen des Vorstands die Anteilsmehrheit der Beklagten erwerben und 10 Mio. DM in den Betrieb investieren, wenn vorher Unstimmigkeiten aus der Welt geräumt würden, die sich aus einem bestimmten Immobilienprojekt der Beklagten ergeben hätten. In einem Gespräch zwischen der Klägerin auf der einen und dem Vorstand der Beklagten und dessen Ehefrau auf der anderen Seite vom 13. Mai 1998 habe geklärt werden sollen, wie die Zusammenarbeit der Parteien nach den entsprechenden Vorkommnissen mit dem Lebensgefährten der Klägerin haben weitergehen sollen. Es sei nicht gelungen, die aufgetretenen Unstimmigkeiten zwischen den Parteien zu beseitigen.
[28] Auf der Grundlage dieser Feststellungen erweist sich die ausgesprochene Kündigung nicht als willkürlich. Für das Gegenteil hat die Klägerin nicht ausreichend vorgetragen. Die Klägerin stand in engen persönlichen Beziehungen zu jemandem, der die Beklagte wegen ihrer geschäftlichen Aktivitäten vor Mitarbeitern deutlich kritisiert und geplant hatte, die Aktienmehrheit der Beklagten gegen den Willen des Vorstandes zu übernehmen. Die Klägerin ihrerseits hatte eine herausgehobene Position bei der Beklagten inne und war als Führungsvermittlerin für deren geschäftliches Wohlergehen von großer Bedeutung. Daß die Beklagte unter den genannten Umständen das Vertrauen in die Loyalität der Klägerin verloren hat, liegt durchaus nicht fern. Auch wenn aktives illoyales Verhalten der Klägerin nicht vorgelegen haben sollte, mußte es der Beklagten gestattet sein, sich von der in die Vorgänge verstrickten Klägerin zu trennen. Auf diesen Vertrauensverlust durfte die Beklagte mit dem Ausspruch einer ordentlichen Kündigung reagieren. Der Willkürvorwurf scheidet aus, wenn ein irgendwie einleuchtender Grund für die Rechtsausübung vorliegt (Preis in Ascheid/Preis/Schmidt Großkommentar zum Kündigungsrecht Grundlagen J Rn. 52).
[29] 5. Für eine Nichtigkeit der Kündigung vom 18. Mai 1998 wegen Verstößen gegen § 138 BGB gibt es keinen hinreichenden Anhaltspunkt. Die Kündigung hat deshalb auch ein eventuell bestehendes Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf der Kündigungsfrist am 31. August 1998 beendet.
[30] 6. Die Kündigung vom 10. Februar 1999 und der gegen sie erhobene Feststellungsantrag zu 2. gingen ins Leere.
[31] Darüber, ob ein Handelsvertreterverhältnis oder freies Mitarbeiterverhältnis zwischen den Parteien noch besteht, ist nach dem Inhalt der Feststellungsanträge nicht zu befinden. Die Klägerin will nur den Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses festgestellt wissen. Wenn sie schon dies nicht zu erreichen vermag, spricht zwar vieles dafür, daß ein Handelsvertreterverhältnis oder freies Mitarbeiterverhältnis durch die Kündigung vom 18. Mai 1998 erst recht aufgelöst worden ist. Dies ist aber nicht Streitgegenstand.
[32] III. Der Zahlungsantrag der Klägerin ist teilweise begründet. Die Beklagte ist zur Zahlung der monatlichen Vergütung von 10.000,00 DM bis zum Ablauf der Kündigungsfrist am 31. August 1998 verpflichtet. Der Anspruch der Klägerin folgt aus § 615 BGB. Dies gilt unabhängig davon, ob das Rechtsverhältnis der Parteien als Arbeitsverhältnis oder als Handelsvertreterverhältnis/freies Mitarbeiterverhältnis anzusehen ist. Der Handelsvertretervertrag ist ein Dienstvertrag über eine Geschäftsbesorgung, auf den neben den speziellen Vorschriften des Handelsgesetzbuchs auch das Dienstvertrags- und Auftragsrecht des BGB Anwendung findet. Anwendbar ist insbesondere die Vorschrift des § 615 BGB.
[33] Nach dem unstreitigen Vorbringen der Parteien ist davon auszugehen, daß die Beklagte die Klägerin mit Ausspruch der Kündigung vom 18. Mai 1998 von ihren Aufgaben freigestellt hat. Sie hat der Klägerin die weitere Nutzung der überlassenen Büroräume untersagt und die Teilnahme an Schulungen verweigert. Demgegenüber hat die Klägerin mit Schreiben vom 29. Mai 1998 ihre Dienste ausdrücklich angeboten. Damit ist die Beklagte in Annahmeverzug geraten. Zur Höhe der Vergütung haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Revisionsgericht unstreitig gestellt, daß der Klägerin gegen die Beklagte monatliche Provisionsansprüche in Höhe von 10.000,00 DM zustanden.
[34] Für die Zeit von Anfang Mai bis Ende August 1998 hat die Klägerin danach Anspruch auf Zahlung von 40. 000,00 DM, auf die die Beklagte insgesamt 6. 690, 01DM geleistet hat.